Protocol of the Session on May 6, 2003

Das Wort hat Frau Kultusministerin Wolff.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir brauchten den heute zu behandelnden Gesetzentwurf eigentlich gar nicht, wenn die Koalition aus SPD und GRÜNEN nicht in einem früheren Gesetzesänderungsverfahren die Ganztagsschulen aus dem Schulgesetz hinausgeworfen hätte.Es war diese Uralt-Koalition, die gesagt hat, es solle Ganztagsschulen nur noch für den Sonderschulbereich und Ganztagsangebote für die übrigen Schularten geben. Wäre das damals nicht geschehen, dann müssten wir das jetzt nicht rückgängig machen und müssten nicht darüber diskutieren, wie das in einem zukünftigen Gesetzgebungsverfahren – sei es isoliert,

wie Sie es vorschlagen, sei es in einem Paket von Änderungsvorschlägen zum Schulgesetz, wie ich es präferieren würde – geschehen soll.

Ich will das unterstreichen, was Frau Kollegin Kölsch gesagt hat. Ich weiß nicht, ob es Ihr Wille oder ob es Schluderei war, dass Sie das vorletzte Gesetz zur Ausgangsbasis für Ihren Gesetzentwurf genommen haben. In Ihrem damaligen Schulgesetz stand in der Tat, dass Grundschulen keine Ganztagsangebote haben. Das heißt: Das stand da nicht, aber im Gesetz stand, dass Grundschulen ein Betreuungsangebot haben.

In unserem mittlerweile durch das erste und zweite Qualitätssicherungsgesetz geänderten Schulgesetz steht, dass an den Lernhilfeschulen und den Sprachheilschulen in der Grundstufe durchaus ein Betreuungsangebot gemacht werden kann. Das heißt, Sie haben nicht nur in dem Bereich, den Frau Kollegin Henzler eben zitiert hat, Frau Fleuren vergessen, sondern Sie haben auch in Ihrem Gesetzentwurfes entweder geschludert oder etwas Falsches hineingeschrieben. Das finde ich nicht in Ordnung. Zumindest muss gesagt werden, dass Sie hier auf der Basis des vorletzten Gesetzes einen Gesetzesänderungsantrag stellen, nicht auf der Basis des gültigen Gesetzes.

Sie beklagen sich in verschiedenen Redebeiträgen, dass das Ganztagsprogramm nicht so umfänglich sei, wie Sie es sich vorstellen. Da will ich auf unterschiedliche Facetten hinweisen. Ich halte es für richtig, dass wir die Ganztagsangebote schrittweise aufbauen. Ich halte es für richtig, dass die Schulen, die pädagogische Konzepte entwickeln, ihr Angebot schrittweise und bedarfsgerecht entwickeln und dafür auch werben können. Das bedeutet, dass solche Angebote zunächst einmal mit einem Mittagessen und einer pädagogischen Mittagsbetreuung beginnen. Diese geht im Übrigen an vielen Schulen weit über die „normale“ 14-Uhr-Grenze hinaus und macht Angebote bis 15 oder 15.30 Uhr, die pädagogische Elemente und Betreuungselemente enthalten.

Deswegen sollten wir nicht alles über einen Leisten scheren und so tun, als hätten wir nur eine Sorte pädagogischer Mittagsbetreuung. Ich denke, die Schulen, die ein Ganztagsangebot beantragen und zunächst eine pädagogische Mittagsbetreuung bekommen, haben auf dieser Basis die Gelegenheit zur Bewährung. Sie haben Gelegenheit, zu zeigen, ob sie bedarfsorientiert arbeiten und ob sie entsprechend den Bedürfnissen pädagogischer Arbeit, der Hausaufgabenhilfe und in anderen Bereichen das leisten, was die Eltern und Schüler von ihrer Schule tatsächlich wollen und brauchen.Auf dieser Basis können die Schulen eine Erweiterung beantragen. Wir haben in diesem Jahr erneut 15 Erweiterungen und 51 neue Angebote genehmigt. Das ist ein schrittweiser Ausbau des Programms. Das halte ich für wichtig und wertvoll.

(Beifall bei der CDU)

Ich will allerdings in dem Zusammenhang eines sagen. Meine Damen und Herren, wenn Sie von dem Bundesprogramm reden und es rühmen, dann werden Sie in allen Bundesländern mitverfolgen können, dass dieses Bundesprogramm die Länder dazu zwingt, die Mittel zu streuen. Wer sich anschaut, dass sich der Bund nach wie vor weigert, Zuschüsse zu Personalkosten zu geben, sondern ausschließlich für Investitionen Zuschüsse gibt – –

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Er zwingt dazu. – Es wäre anders gegangen. Sie wissen sehr genau, dass es ein anderes Finanzierungsmodell gegeben hätte.Aber nach diesem Artikel des Grundgesetzes geht es nicht anders. Der Bund hat sich darauf versteift, nach exakt diesem Artikel zu verfahren. Das ist aber, von der pädagogischen Konzeption her gesehen, grundfalsch. Es zwingt dazu, dass man dort, wo das Bundesprogramm sagt, es sollen überwiegend neue Angebote gefördert werden, die Mittel über das Land streut, damit die verschiedenen Schulträger etwas davon haben und damit sie ihre Angebote tatsächlich ausbauen können. Daher ist dieser Zwang im Bundesprogramm bereits angelegt.

Kollegin Hinz, nun schlagen Sie vor, das Bundesprogramm auch noch in die Richtlinie aufzunehmen. Meine Damen und Herren, so kurze Halbwertszeiten haben unsere hessischen Programme nicht, dass wir in eine Richtlinie, die längere Zeit gelten soll, die eine Ausrichtung sein soll, die Planungssicherheit bieten soll, ein Bundesprogramm aufnehmen, das zwar materiell entsprechend ausgestaltet, aber zeitlich von vornherein so limitiert ist, dass die Länder mit diesem Problem vom Bund schon wieder alleine gelassen werden, bevor die Richtlinie überhaupt wirklich in Kraft treten konnte.

(Beifall bei der CDU – Zurufe der Abg.Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Frau Hinz, Sie werden es auch in Zukunft nicht erreichen, dass man Sie hört, wenn hier vorne ein Redner spricht. Man hört Sie nur, aber man versteht Sie nicht.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das könnte auch an Ihnen liegen!)

Insofern muss diese Richtlinie in der Tat das aufnehmen, was jetzt aus dem Anhörungsverfahren herauskommt. Wir werden die Ergebnisse der Anhörungen sehr sorgfältig auswerten. Im Moment sind wir im Anhörungsverfahren mit den Kommunalen Spitzenverbänden und anderen Organisationen. Wir werden das Ergebnis so in einer Richtlinie zusammenfassen, wie es angemessen ist.

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Hinz?

Frau Ministerin, ich wollte nur nachfragen: Ist es ab dieser Wahlperiode so, dass Ihre Festlegung, dass Richtlinien, Erlasse, Gesetze und Verordnungen auf fünf Jahre befristet werden, nicht mehr gilt? Sind die künftigen Ganztagsschulrichtlinien für zehn oder 20 Jahre fixiert?

Frau Hinz, das ist Rabulistik. Das habe ich aber erwartet. Wir reden in der Richtlinie von pädagogischen Programmen. Die Wirkung pädagogischer Programme ist in der Tat auf weit über fünf Jahre hinaus anzusetzen. Beim Bundesprogramm reden wir aber von der Tatsache, dass der Bund das Programm von vornherein abschießend befristet hat, danach aus dieser Aufgabe vollkommen aussteigt und die Länder mit sämtlichen pädagogischen und investiven Folgelasten vollkommen alleine lässt. Das ist in der Tat ein großer Unterschied.

(Beifall bei der CDU)

Dann haben Sie im Zusammenhang mit dem Bundesprogramm auch noch kritisiert,dass ich Wert darauf lege,dass Bibliotheken ausgestattet werden. Das haben Sie jetzt rituell schon mehrfach getan,

(Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe das nicht getan!)

insbesondere vonseiten der SPD – Frau Hinz, ich muss auch ab und zu von der SPD sprechen. Sie haben gesagt, es solle alles Geld in Infrastrukturmaßnahmen hineingesteckt werden. Wenn das der Maßstab für eine pädagogische Ausgestaltung von Ganztagsangeboten und Ganztagsschulen sein soll, dass es um rein infrastrukturelle Maßnahmen im Sinne des Gebäudeherstellens geht, dann haben wir in der Tat ein unterschiedliches Verständnis von pädagogischen Programmen im Hinblick auf Ganztagsangebote und Ganztagsschulen.

(Zuruf der Abg. Heike Habermann (SPD))

Meine Damen und Herren, wenn sich der Bund schon darauf fokussiert hat, dass er nur Investitionen bezahlt – was ich für falsch halte –, dann sind alle Länder aufgerufen, das Pädagogik-Nahe, was möglich ist, aus diesen Mitteln zu finanzieren. Das bedeutet eben auch die Zurverfügungstellung von Kleinsportgeräten,

(Zuruf der Abg. Heike Habermann (SPD))

von Schulbüchern, von Kinder- und Jugendbüchern, damit individuell gelernt und gefördert werden kann. Das bedeutet auch die Förderung von Medienecken, damit das ernst gemeint werden kann, dass wir nicht nur aufbewahren, sondern dass wir pädagogische Förderangebote auch in den Nachmittag hinein machen. Darauf werde ich in der Tat weiterhin heftigen Wert legen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ganztagsschule nach Maß, das ist mittlerweile etwas, was sich als Stichwort herumgesprochen hat und was auch aufgenommen worden ist. Frau Habermann, weil Sie den Kreis Bergstraße genannt und kritisiert haben, was wir gemacht haben: Die Schulen haben gesagt, dass nach ihrem Bedürfnis das, was sie vom Land bekommen haben, jetzt durch die zweite Runde der Ganztagsangebote genau das ist, was sie wollten. Genau das ist die Antwort der Schulen aus dem Kreis Bergstraße, als sie dazu gefragt worden sind.

(Beifall bei der CDU)

Das steht auch in der Zeitung. Ich bin dafür, dass man dann auch die zweite Hälfte der Wahrheit so zitiert.

(Norbert Schmitt (SPD): Das ist glatt unrichtig! Woher wollen ausgerechnet Sie das wissen? Ich lache mich kaputt!)

Dieses Ganztagsangebot der Schulen nach Maß werden wir in Stufen und nach Bedarf weiter entwickeln, und so wird es in das pädagogische Programm unseres Landes eingehen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, soeben ist eine weiterer Änderungsantrag seitens der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Antrag der Fraktion der FDP betreffend Agenda 2010 eingegangen. Das wird morgen früh gemeinsam beraten werden.

Gibt es weitere Wortmeldungen zu Tagesordnungspunkt 3? – Das ist nicht der Fall. Es ist Überweisung beantragt. Wird dem widersprochen? – Dann ist die erste Lesung geschehen, der Gesetzentwurf wird an den Kulturpolitischen Ausschuss überwiesen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 4:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz über die Zustimmung zu dem Staatsvertrag zwischen dem Freistaat Bayern und dem Land Hessen über die Zugehörigkeit der kammerangehörigen Ingenieure des Landes Hessen zur Bayerischen Ingenieurversorgung – Bau – Drucks. 16/40 –

Die Regierung hat das Wort, Herr Minister Dr. Rhiel, bitte.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ingenieurkammer des Landes Hessen strebt schon seit vielen Jahren für ihre Mitglieder die Möglichkeit an, eine eigene Versorgung anzubieten. Mit der vom Hessischen Landtag beschlossenen Novellierung des Ingenieurkammergesetzes vom 20. Dezember 2001 wurde die erforderliche Rechtsgrundlage für ein solches Versorgungswerk der kammerangehörigen Ingenieure geschaffen. Das novellierte Ingenieurkammergesetz eröffnet nämlich die Wahl zwischen der Errichtung eines eigenen Versorgungswerkes und dem Beitritt zu einem bestehenden.

Schon im April 2000 hatte sich bei einer Meinungsumfrage eine große Mehrheit für den Beitritt zur Bayerischen Ingenieurversorgung ausgesprochen. Die Mitgliederversammlung der Ingenieurkammer hatte daraufhin am 20. März 2002 durch Satzung einen entsprechenden Beitrittsbeschluss gefasst, um durch den Zusammenschluss mit dem bayrischen Berufsstand eine breitere Mitgliederbasis für eine solidarische berufsständische Versorgung zu schaffen.

Dieser Beitritt zur Bayerischen Ingenieurversorgung kann rechtlich nur auf der Grundlage eines Staatsvertrages zwischen dem Land Hessen und dem Freistaat Bayern erfolgen.Dieser Staatsvertrag bedarf nach der Hessischen Verfassung der Zustimmung des Hessischen Landtags in Form des Ihnen nun vorliegenden Zustimmungsgesetzes. Mit diesem Zustimmungsgesetz wird nun gleichsam das vollendet, was der Hessische Landtag mit der Verabschiedung des novellierten Ingenieurkammergesetzes ermöglicht hat.

Lassen Sie mich kurz auf die wesentlichen Inhalte eingehen:

Mit diesem Staatsvertrag werden alle berufsfähigen Pflicht- und freiwilligen Mitglieder der Ingenieurkammer des Landes Hessen in die Bayerische Ingenieurversorgung einbezogen. Der Staatsvertrag folgt in Aufbau, Struktur und Inhalt den bisher vom Freistaat Bayern auch mit anderen Bundesländern, und zwar Berlin, RheinlandPfalz, Saarland und Sachsen, abgeschlossenen Staatsverträgen.

Er bildet die landesgesetzliche Grundlage für die Anwendbarkeit einheitlichen Mitglieds-, Beitrags- und Leistungsrechts auch auf die hessischen Mitglieder der Bayerischen Ingenieurversorgung. Diese sind an der Selbstverwaltung der Anstalt beteiligt.

Dem Land Hessen ist eine Beteiligung an der Rechtsaufsicht über die Bayerische Ingenieurversorgung eingeräumt. Ein beiderseitiges Kündigungsrecht lässt den Vertragsparteien ausreichend Spielraum für den Fall etwaiger anderer berufsständischer Zielsetzungen.

Ich bitte Sie, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, bevor ich den Fraktionen das Wort erteile, darf ich zunächst auf der Zuschauertribüne Herrn Richard Möller, einen früheren Kollegen aus der CDU-Fraktion, herzlich bei uns begrüßen.

(Allgemeiner Beifall)

Das Wort hat Frau Schönhut-Keil für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Frank Gotthardt (CDU): Ich dachte, du würdest dem Minister zu seiner Jungfernrede gratulieren!)