Protocol of the Session on January 28, 2004

Herr Minister, ein freundlicher Hinweis: Die zwischen den Fraktionen vereinbarte Redezeit ist jetzt abgelaufen.

Ich werde meine Rede abkürzen. Dabei hätte ich gern noch ein paar Sätze dazu gesagt.Aber schließlich hat Frau Kühne-Hörmann den Antrag der CDU begründet.

Ein Zitat, das ich vor ein paar Tagen gefunden habe, fand ich ganz lesenswert. Ich möchte das einfach einmal in eine Relation stellen. Wir haben Ihnen ja gesagt: Um echte Eliteeinrichtungen zu etablieren, haben wir in den letzten fünf Jahren zusätzlich 500 Millionen c in die Hochschulen gesteckt. Frau Bulmahn versucht es jetzt mit 250 Millionen c – ob das pro Jahr ist, ist nicht ganz klar.

Herr Elliot, der im 19. Jahrhundert Präsident der Harvard University war, wurde von Abgesandten der StanfordUniversität gefragt, wie eine Universität zur Eliteuniversität wird. Die Währungskurse waren damals ein bisschen anders. Darauf hat Mr. Elliot geantwortet: „Man braucht 20 Millionen US-Dollar“ – das wären heute wahrscheinlich 200 Millionen Dollar – „und 100 Jahre Zeit.“

Darauf wollen wir uns nicht versteifen. Ich habe Ihnen dieses Zitat mitgebracht, um das Ganze in den richtigen Kontext zu stellen. Sie wissen somit, was auf uns alle zukommt. Wir wollen den Wettbewerb der Spitzen-Unis.

Frau Beer hat dankenswerterweise anhand von Zahlen erwähnt, wie andere das machen.Wir werden gemeinsam dafür kämpfen. Ich freue mich, wenn Sie in den Bereichen, die wir hier planen, nämlich bei der Schaffung einer Modelluniversität und bei der Änderung des Hochschulgesetzes, mitmachen. Es geht um unsere Jugend, um unseren Nachwuchs. Ich glaube, das sollte man nicht zu sehr mit Ideologie belasten. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Corts. – Das Wort hat Herr Kollege Grumbach, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte nicht meine komplette Redezeit ausnutzen, aber ich würde an der Stelle gerne zwei oder drei Minuten mit Ihnen über Gesellschaftspolitik reden, weil ich glaube, dass wir alle hier einen Nachdenkbedarf haben.

Ich will in einer Vorbemerkung einen Punkt korrigieren, der das Hochschulgesetz betrifft. Ich finde das auch für das Parlament wichtig. Die Debatte um den Hochschulpakt war immer davon geprägt, dass wir gesagt haben: Wenn es hier Vereinbarungen gibt, ist das Parlament der Partner. – Ich finde, dass wir darüber noch einmal gemeinsam diskutieren sollten.

(Beifall bei der SPD – Nicola Beer (FDP): Deswegen hat das Parlament das auch beschlossen!)

Aber ich will zur Gesellschaftspolitik zurückkommen. Alle in diesem Parlament vertretenen Parteien betrachten sich zu Recht als demokratische, also der gesamten Gesellschaft verpflichtete, Parteien. Das heißt, wir sind ohne Ausnahme auch für die Entwicklung der gesamten Gesellschaft verantwortlich.

Wir haben aber die Situation, dass es in dieser Gesellschaft Entwicklungen gibt, die dafür sorgen, dass es ganz unterschiedliche Wege zu beruflichen Chancen und zu Lebenschancen gibt.

Wenn wir nun die berühmten Eliteeinrichtungen betrachten, von denen jeder spricht – ob das nun Harvard, Balliol oder die ENA ist –, stellen wir fest: Sie haben gemeinsam, dass der Zugang zu ihnen fast erblich ist. Das heißt, etwa 70 bis 80 % der Leute, die Zugang zu diesen Einrichtungen haben, haben Eltern, die dort schon studiert haben. Das ist nicht allein eine Frage der Hochschulpolitik. Der dänische Soziologe Gösta Esping-Andersen schreibt:

The post war welfare state no doubt succeeded in equalizing living conditions, but it failed to deliver on its promise of disconnecting opportunities from social origins and inherited handicaps.

Übersetzt heißt das:

Der Nachkriegswohlfahrtsstaat hatte Erfolg dabei, die Lebensbedingungen zu vereinheitlichen, aber er ist mit seinen Versprechen gescheitert, die Lebenschancen von der sozialen Herkunft und von angeborenen Handicaps abzukoppeln.

Ich sage das so deutlich, weil ich glaube, dass wir an der Stelle als Parteien des demokratischen Spektrums einen Moment lang nachdenken müssen, wie diese Art der so

zialen Vererbung, die in dieser Gesellschaft ungebrochen ist, aufgebrochen werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Soziale Vererbung fängt damit an, dass Kinder, die aus armen Familien stammen, nicht nur keine Bildungschancen haben, sondern auch ihre kognitiven Fähigkeiten und ihre Intelligenz bereits unterentwickelt sind.

(Frank Gotthardt (CDU): Weiß Ihre Bundesregierung, was Sie hier sagen?)

Ja, das weiß sie. – Kinder aus armen Familien haben keine Bildungschancen. Deshalb haben wir an der Stelle Handlungsbedarf.

Wir haben an einem zweiten Punkt Handlungsbedarf. Die Frage,wer Zugang zu den Hochschulen hat,ist heutzutage in einer Weise einkommensabhängig zu beantworten wie nie zuvor in der Geschichte Deutschlands seit 1958. Die Zahl der Hochschulabsolventen im unteren Einkommensdrittel der Gesellschaft hat sich in den letzten 16 Jahren halbiert.Hier stellt sich die Frage – es ist zweifelhaft –, ob Ihr Ansatz richtig ist. Die Eliteeinrichtungen werden immer als Leuchttürme betrachtet. Ich frage mich, ob wir eine gesellschaftliche Entwicklung wollen können, in der Leuchttürme in einem See der Ignoranz stehen, oder ob wir als demokratische Parteien nicht dazu aufgerufen sind, für das Entstehen einer Gesellschaft zu sorgen, die den See der Ignoranz austrocknet und allen Menschen die Möglichkeit des Zugang zu den Universitäten gibt, damit sie ihre Chancen nutzen können.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Es gibt keine weiteren Wortmeldungen.Damit ist die Aussprache beendet.

Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe zuerst Tagesordnungspunkt 21 auf, den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU betreffend Eliteförderung im Hochschulbereich. Wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Fraktionen der CDU und der FDP gegen die Stimmen der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so beschlossen worden.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 29 auf. Es wird vorgeschlagen,den Antrag dem Ausschuss für Wissenschaft und Kunst zu überweisen. – Ich sehe, dass mir alle folgen. Dann wird das so gemacht.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 9 auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Kulturpolitischen Ausschusses zu dem Antrag der Abg. Habermann, Hartmann, Quanz, Dr. Reuter, Riege, Ypsilanti, Hoffmann, Bökel, Holzapfel (SPD) und Fraktion betreffend Schülerwettbewerb zum Kennenlernen der hessischen Partnerregionen – Drucks. 16/914 zu Drucks. 16/483 –

Berichterstatter ist Herr Kollege Quanz. Bitte sehr.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Da der Antrag in der Fassung der Beschlussempfehlung das Licht dieses Plenarsaals noch nicht gesehen hat, möchte

ich ganz formal Bericht erstatten und Ihnen den Text verlesen.

Der Kulturpolitische Ausschuss empfiehlt dem Plenum, den Antrag aufgrund eines von den Fraktionen der CDU, der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP mündlich eingebrachten Änderungsantrags in folgender Fassung anzunehmen:

Der Hessische Landtag fordert die Landesregierung auf, im Rahmen des Schülerwettbewerbs der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung diese zu beauftragen, einen Wettbewerb auszuschreiben,der die besten Projekte über unsere Partnerregionen – unter besonderer Berücksichtigung der Partnerregion Emilia-Romagna – prämiert.Dabei sollen umfassende Kenntnisse über Geographie, Geschichte, Wirtschaft und Kultur dargestellt werden.

Gleichzeitig soll geprüft werden, ob in den Partnerregionen vergleichbare Wettbewerbe zur Geschichte und Kultur Hessens ausgeschrieben und prämiert werden können. Die jeweils siegenden Klassen aus den Regionen bzw. Ländern sollen zu einem gemeinsamen mehrtägigen Erfahrungsaustausch eingeladen werden. Dabei soll die Friedensschule in Monte Sole zu einem Zentrum der Schülerbegegnung entwickelt werden.

Der Antrag war dem Kulturpolitischen Ausschuss in der 14. Plenarsitzung am 18. September 2003 überwiesen worden.

Der Kulturpolitische Ausschuss hat den Antrag ins seinen Sitzungen am 2. Oktober 2003 und am 13. November 2003 beraten und in der Sitzung am 13. November 2003 einstimmig den vorgetragenen Beschluss gefasst.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, wenn Sie einverstanden sind, würde ich nun in die Rolle des Sprechers meiner Fraktion schlüpfen.

Herr Kollege Quanz, wir sind einverstanden. Wir bedanken uns für die Berichterstattung.

(Beifall)

Sie haben für die SPD-Fraktion das Wort.

Das nenne ich ein glückliches Zusammenspiel zwischen dem amtierenden Präsidenten und mir.

Einige wenige Anmerkungen zu dem Antrag und zu seiner Begründung.Ich habe es sehr begrüßt,dass es möglich war, dass der Antrag der SPD, also der Antrag einer Oppositionsfraktion, in eine von allen Fraktionen – also auch der CDU-Fraktion – unterstützte Fassung gebracht werden konnte.

Wenn es noch eines Beweises für die Sinnhaftigkeit dieses Antrags bedurft hätte, dann hat der Herr Ministerpräsident gestern Abend in seinem Beitrag zum 27. Januar eine entsprechende Argumentation geliefert. Er hat die Einrichtung der Institution Monte Sole und damit gleichzeitig die Grundlage dieses Antrags begründet und die Sinnhaftigkeit verdeutlicht. Ich will deshalb nur wenige An

merkungen dazu machen,was diesen Antrag und seine gemeinsame Verabschiedung wertvoll macht.

Wir wollen eine aktive Partnerschaft mit den Partnerregionen entwickeln.Wie kann das besser gelingen als über Schülerinnen und Schüler,die sich gegenseitig besser kennen lernen? Wenn man weiß, was einem gemeinsam ist, wenn man gemeinsame Interessen entdeckt, wenn man aber auch Trennendes erfährt und Unterschiede wahrnimmt, so ist, glaube ich, die Basis für eine sinnstiftende Verständigung untereinander gelegt, die Basis für Begegnungen,die allen Schülerinnen und Schülern mit Blick auf die Sinnhaftigkeit eines gemeinsamen Europa etwas mitgeben.

Der zweite Punkt ist eine aktive Friedenspolitik.Wir nehmen den Frieden als eine Selbstverständlichkeit wahr. Ich sage:Frieden muss immer wieder erarbeitet werden.Es ist durch viele richtige politische Entscheidungen dazu gekommen, dass in Europa seit Jahrzehnten Frieden herrscht. Wir wissen aber um die Anfälligkeit auch stabiler Regionen. Wir wissen insbesondere, dass es richtig ist, die Erinnerung an die Schrecken des Krieges aufrechtzuerhalten, damit der Frieden als ein Gewinn, als ein unverzichtbares Gut – auch der nächsten Generationen – angesehen wird. Eine aktive Friedenspolitik ist daher sicherlich auch für die jetzige und die folgenden Schülergenerationen sinnstiftend.

Der dritte Aspekt lautet:wider das Vergessen.Monte Sole ist ein Symbol wider das Vergessen der Nazi-Terrorherrschaft. Wenn es richtig ist, dass die unmittelbare Erfahrung schon für meine Generation nicht mehr gegeben ist, ist es umso wichtiger, das Wissen über diese Zeit lebendig zu erhalten und neue Erfahrungsmöglichkeiten zu schaffen. Monte Sole ist eine regionale, geographische und insbesondere historische Erfahrungsmöglichkeit, um das Wissen und auch die Betroffenheit über das,was unter der Herrschaft der Nazis geschehen ist, zu erzeugen.

Viertens.Monte Sole ist eine gemeinsame Einrichtung der Emilia-Romagna und des Bundeslands Hessen. Sie haben gerade im Haushalt 2004 noch einmal nachgebessert. Es sind für Monte Sole zusätzlich 50.000 c eingesetzt worden, um die Einrichtung weiterzuentwickeln. Ich sage: Das ist gut angelegtes Geld, aber es ist noch besser angelegt, wenn wir Monte Sole mit Leben erfüllen, indem sich Schülerinnen und Schüler aus Hessen, aus der Emilia-Romagna und, wenn es denn geht – das wollen wir anregen –, auch aus den anderen Partnerregionen dort treffen können.

Meine Bitte ist: Gestalten Sie den Wettbewerb attraktiv. Lassen Sie sich bitte gemeinsam mit dem Kultusministerium, der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung und dem Hessischen Jugendring etwas einfallen, um diesen Wettbewerb nicht als einen unter vielen dahindümpeln zu lassen. Er sollte wirklich als ein besonders wertvoller Wettbewerb anerkannt werden. Für die Klassen, die als Sieger aus diesem Wettbewerb hervorgehen, sollte die Möglichkeit einer finanziellen Unterstützung gesichert werden.