Protocol of the Session on November 27, 2003

Was erreichen Sie mit der Ausbildungsplatzabgabe? Wenn keine Arbeitsplätze da sind, sind auch keine Ausbildungsplätze da. Auf der anderen Seite: Die, die ausbilden könnten, werden Geld dafür bezahlen, damit sie es nicht müssen, und werden dann sagen: Dann soll es der Staat machen.– Das ist erstens irre teuer,zweitens von der Qualität her überhaupt nicht vergleichbar. Denn in Deutschland ist gerade die duale Ausbildung eine der besten Ausbildungen für junge Leute auf der Welt. Diese duale Ausbildung haben wir aber nur, wenn diejenigen, die in der Wirtschaft tätig sind, diejenigen, die ein Unternehmen haben,aus eigener Überzeugung,aus dem Wissen heraus, dass sie die jungen Leute für die Zukunft brauchen, diese Ausbildung durchführen, und nicht dadurch, dass sich die Unternehmen freikaufen und dann irgendwelche staatlichen Institutionen die Ausbildung bei uns machen.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Herr Staatsminister, freundlicher Hinweis.

Meine Damen und Herren, es ist falsch, das alles aus opportunistischen Gründen zu tun. Der Kapitalmarkt reagiert empfindlichst auf solche Redereien. Ich bitte herzlich darum – deswegen finde ich es auch gut, dass der Antrag heute von der CDU hier gestellt worden ist und wir wenigstens einmal eine begrenzte Möglichkeit haben, darüber zu reden –: Lassen Sie es. Ich glaube, dass wir gemeinsam das Ziel verfolgen müssen, diesen Staat steuerpolitisch so attraktiv zu machen, dass die Menschen hierher kommen und nicht weglaufen.

Im Moment ist alles, was zusätzlich behauptet wird, was noch an Steuern kommen könnte, für uns kontraproduktiv. Das Geld fehlt uns in der Kasse. Das Geld fehlt den Menschen. Die, die diese Diskussion führen, helfen Deutschland und den Bürgern nicht, sondern sie zerstören Chancen, die wir dringend brauchen. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. – Das Wort hat Herr Kollege Schaub, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man hört schon sehr gespannt zu, wenn ausgerechnet jemand über Steueroasen und illegale Geldgeschäfte redet, der diesem geschlossenen Kampfverband angehört, der uns dies in den letzten Jahren fachmännisch und ausreichend belegt hat.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Wir haben das Problem,dass wir ein Staatsverständnis haben, das aus diesem geschlossenen Kampfverband herrührt. Genau an dieser Stelle hat es einen völlig falschen Ansatz. – Ich will Ihnen ein bisschen erläutern, wie wir es betrachten und wie wir die Beschlüsse des SPD-Parteitages interpretieren.

(Zuruf des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

Es gibt eine Verpflichtung des Einzelnen gegenüber der Gemeinschaft. Es gibt eine Verpflichtung des Staates, die Chancengerechtigkeit und Chancengleichheit herzustellen.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb werden wir uns von denen, die über Kopfpauschalen sämtliche soziale Verantwortung privatisieren wollen,nicht erzählen lassen,wie wir den sozialen Frieden in diesem Lande herstellen.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden dafür kämpfen, dass der soziale Friede ein Bestandteil, ein Standortvorteil dieses Landes ist. Wir werden mit den Reformen das machen, was Sie 16 Jahre lang versäumt haben.Wir werden dafür Sorge tragen,dass allen Menschen, die von einem Sozialstaat erwarten können, dass Schutz, Gerechtigkeit und Sicherheit Bestandteil dieses Staates sind, Genüge getan wird. Wir werden

dafür sorgen, dass der Staat da, wo es Not tut, ordnungspolitisch eingreift.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Herr Kollege Reif,dass ausgerechnet Sie heute Morgen zu diesem Thema reden, ist ein Beleg dafür, dass der Kollege Koch die Zügel, was die Strategie angeht, schon längst aus der Hand gegeben hat.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg.Clemens Reif (CDU))

Wir werden als Staat, als Ordnungskraft da eingreifen, wo die Lasten gerecht verteilt werden müssen. Herr Kollege Reif, über solche Wege, wie wir sie heute beschrieben haben und wie wir sie mehrfach erörtert haben, werden wir dafür sorgen, dass die breiten Schultern mehr zu tragen haben als die schmalen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg.Clemens Reif (CDU))

Herr Kollege Schaub, vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Al-Wazir, der Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielleicht sollte man zunächst einmal feststellen – der Redebeitrag des Finanzministers hat das eigentlich auch bewiesen –: Dieses Thema ist viel zu ernst, als dass man einer Aktuellen Stunde einen solchen Klamauktitel geben könnte, wie es die CDU-Fraktion getan hat.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Finanzminister, wir sind nicht in allen Punkten einer Meinung. Aber Ihr Redebeitrag hat sich hinsichtlich der Sachlichkeit sehr wohltuend von dem abgehoben, wie Herr Kollege Reif die Debatte begonnen hat. Herr Kollege, vielleicht hat das auch etwas damit zu tun, dass sich Karlheinz Weimar als Finanzminister nicht nur Gedanken darüber macht, wie man viel Klamauk machen kann. Wenn er sich seine Haushalte der letzten Jahre anschaut, weiß er ganz genau, dass der Staat Geld braucht. Das erklärt vielleicht, warum die Rede, die der Finanzminister hier gehalten hat, so differenziert war.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich komme jetzt zu der Rede des Herrn Kollegen Denzin von der FDP.Hoffentlich zieht in diesem Land bei der Debatte über die Staatsausgaben und die Staatseinnahmen eine neue Ernsthaftigkeit ein. Hoffentlich erreicht das dann irgendwann auch die Mitglieder der FDP.

(Beifall der Abg. Mathias Wagner (Taunus) und Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Herr Kollege Denzin, ich habe sehr genau mitgeschrieben, was Sie gesagt haben. Sie sagten:

Je mehr Steuern Sie verlangen, desto weniger werden Sie in der Kasse haben.

(Michael Denzin (FDP): Genau! – Zuruf von der CDU: So ist es!)

Sie sollten das einmal konsequent zu Ende denken. Daraus würde sich dann ergeben, dass bei einem Steuersatz von 0 % die Kasse voll wäre. Sollen wir das so verstehen?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD – Heiterkeit des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das ist billige Polemik!)

Herr Kollege Denzin, Franz Müntefering hat gestern im Deutschen Bundestag einen schönen Satz gesagt. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion des Bundestages, Franz Müntefering hat zu dem Vorsitzenden Ihrer Partei, Guido Westerwelle, gesagt: Wenn Sie über Liberalismus reden, klingt das so,

als ob Daniel Küblböck „Großer Gott, wir loben dich“ gesungen hätte.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Genau so ist es. Man kann es auch historisch betrachten. Viel früher, im 19. Jahrhundert waren die Liberalen einmal der Meinung, dass nicht nur das Vererben von Titeln, sondern auch das Vererben von Vermögen eigentlich etwas Feudalistisches sei und deshalb abgeschafft gehöre. So weit wollen wir gar nicht gehen.

(Frank Gotthardt (CDU): Oh!)

Wir verlangen bei dieser Debatte aber Folgendes.Wir verlangen eine ernsthafte Debatte z. B. darüber, warum beim Vererben Grundbesitz anders bewertet wird als Barvermögen.Ich habe gemerkt,dass es beim Finanzminister die Bereitschaft zu einer entsprechenden ernsthaften Debatte gibt. Wir verlangen, dass darüber eine ernsthafte Debatte geführt wird. Wir verlangen eine ernsthafte Debatte darüber, ob man von Leuten, die ein großes Vermögen vererbt bekommen und zur Erarbeitung dieses Vermögens nichts beigetragen haben – sie bekamen es halt einfach vererbt –, einen Beitrag für diesen Staat erwarten kann und ob dieser Beitrag bisher ordentlich erhoben wurde. Wir verlangen auch eine ernsthafte Debatte über etwas, was es so eigentlich nicht geben dürfte.Außer Mitgliedern der FDP glaubt mittlerweile auch niemand mehr daran. Wenn Sie die Bürgerinnen und Bürger fragen, ob die Steuern gesenkt werden sollen, dann sagen alle Ja. Natürlich sagen alle Ja. Wenn Sie die Bürgerinnen und Bürger fragen,ob der Staat keine Schulden mehr machen soll, sagen auch alle Ja.Wenn Sie die Bürgerinnen und Bürger fragen, ob der Staat mehr leisten muss, sagen auch alle Ja. Sie denken dabei an Bildung und Sicherheit.Wenn Sie die Bürgerinnen und Bürger fragen, ob das alles zusammenpasst, dann sagen fast alle Nein, nur nicht die Mitglieder der FDP.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir verlangen deswegen bei dieser Debatte eine neue Ernsthaftigkeit. Es wäre gut, wenn sich diese neue Ernsthaftigkeit dann auch in den Titeln der von der CDU-Fraktion beantragten Aktuellen Stunden wieder finden würde. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Kollege Al-Wazir, vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Hahn. Er ist der Vorsitzende der FDP-Fraktion.

(Clemens Reif (CDU): Jetzt kriegt er aber einen drüber! – Gegenruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Schauen wir einmal!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Al-Wazir, wir Liberalen sind gern bereit, uns an jeder Diskussion ernsthaft zu beteiligen.Aber diese Diskussion muss vom Diskussionspartner dann ernsthaft begonnen werden. Sie meinten, hier das, volkswirtschaftlich gesehen, Dümmste vortragen zu können, was mir bisher über den Weg gelaufen ist.Sie sagten,wenn die Steuersätze auf null gesetzt würden, dann würden die meisten Steuern eingenommen werden. Meine Kollegen der GRÜNEN, Ihre jetzt gezeigte Reaktion macht auch deutlich, dass es Ihnen nicht um eine ernsthafte Diskussion, sondern um Klamauk ging.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Seien Sie einmal ruhig.Natürlich sagte Herr Kollege Denzin – er sagte dies vollkommen zu Recht –, dass es, volkswirtschaftlich gesehen, ein Irrsinn sei, zu glauben, dass man, wenn man immer neue Steuern und Abgaben einführen würde, mehr Geld in den Topf des Staates bekommen würde.Diese Aussage ist vollkommen richtig.Das ist, volkswirtschaftlich gesehen, unstreitig. Das hat Michael Denzin hier vorgetragen. Der Politologe Al-Wazir meinte dann, damit Klamauk machen zu können. Er meinte, das karikieren zu können, und sagte, wenn keine Steuern mehr erhoben würden, dann wäre am meisten im Steuersack. Das ist schlichtweg Klamauk. Das ist keine ernsthafte Auseinandersetzung. Herr Kollege Al-Wazir, das ist dumm.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Sie sollten sich nicht pharisäerhaft hierhin stellen und uns gegenüber behaupten: „Ich möchte mich mit Ihnen einmal ernsthaft unterhalten“, nachdem Sie uns zuvor mit einer Dummheit ins Gesicht geschlagen haben. Herr AlWazir, eine solche Ebene der Auseinandersetzung suchen wir mit Ihnen nicht. Die nehmen wir auch nicht an.

(Beifall der Abg. Nicola Beer (FDP))