Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Reif, ich habe mich wirklich auf diese Aktuelle Stunde gefreut. Ich habe meinen Augen nicht getraut, als ich gesehen habe, was Sie hier beantragen. Die CDU spielt sich im Hessischen Landtag als Schutzmacht gegen Mehrbelastungen der Bürgerinnen und Bürger auf. Ich habe meinen Ohren nicht getraut, als ich das gehört habe, was Sie heute hier vorgetragen haben. Ausgerechnet die hessische CDU spielt sich als Schutzmacht gegen Mehrbelastungen der Bürgerinnen und Bürger auf. Haben Sie eigentlich völlig vergessen, was wir gestern hier diskutiert haben?
Haben Sie völlig vergessen, dass wir gestern hier über ein so genanntes Zukunftssicherungsgesetz, wie Sie es nennen – wir nennen es „Zukunftsverdüsterungsgesetz“ –,geredet haben? Dann stellen Sie sich als Schutzmacht gegen Mehrbelastungen hierhin. Ich muss Ihnen das ja in Erinnerung rufen. Zunächst möchte ich Ihnen ein Zitat des Ministerpräsidenten von gestern in Erinnerung rufen. Manchmal erschließt sich erst später, was er gemeint hat. Er hat gesagt, das Maß an Heuchelei müsse Grenzen haben. Er hat damit nicht die Opposition gemeint, sondern er hat Sie gemeint, lieber Herr Kollege Reif.
Des Weiteren darf ich Ihnen im Zusammenhang mit der „Operation düstere Zukunft“ Folgendes in Erinnerung rufen. Erhöhung der Gebührensätze: 10 Millionen c, Erhöhung der Widerspruchsgebühren und des Zwangsgeld
rahmens: 11 Millionen c, Einführung eines Verwaltungskostenbeitrags der Studierenden: 15 Millionen c,
Das alles sind direkte Zitate. Und dann sagen Sie, Sie seien gegen Mehrbelastungen der Bürgerinnen und Bürger. Das glaubt Ihnen doch wirklich niemand.
Aber es kommt noch besser. Herr Kollege Reif, hören Sie einmal zu. Sie sind also gegen Mehrbelastungen der Bürgerinnen und Bürger. Dann schauen wir uns doch einmal an, was Sie im Personalbereich bei den Beamten machen.
Schauen wir uns doch einmal an, welche Mehrbelastungen oder Einkommenskürzungen Sie den Beamtinnen und Beamten in diesem Land zumuten.
Schauen wir uns einen Beamten der Gehaltsstufe A 13 an, der 40 Jahre alt und verheiratet ist. Ihm senken Sie das Weihnachtsgeld und streichen das Urlaubsgeld. Sie erhöhen ihm die Arbeitszeit.
Wenn wir uns das – bezogen auf den Stundenlohn – ansehen, kürzen Sie diesem Beamten 12 % seines Stundenlohns. Und da stellen Sie sich als Schutzmacht gegen Mehrbelastungen der Bürgerinnen und Bürgern hin. Die Heuchelei muss wirklich Grenzen haben.
Es geht um 195,5 Millionen c im Personalbereich und 60 Millionen c durch Gebührenerhöhungen, insgesamt also 255,5 Millionen c an Mehrbelastungen durch Ihre „Operation sichere Zukunft“. Und dann sind Sie natürlich die Schutzmacht gegen Mehrbelastungen. Das verstehen wir gut.
Schauen wir uns doch einmal an, was der Herr Ministerpräsident mit dem Herrn Steinbrück aufgeschrieben hat, als es um das Thema Steuern ging. Sie reden ja so gern über Bundespolitik. Ich zitiere wörtlich:
Will man auch bei der Umsatzsteuer die Steuervergünstigungen konsequent zurückdrängen und zugleich eine weitere Aufsplitterung des ermäßigten Steuersatzes vermeiden, bleibt nur eine sachlich zweckmäßige Alternative. Der ermäßigte Umsatzsteueranteil ist generell von 7 auf 8 % anzuheben.
Und jetzt stellen Sie sich hierhin und tun so, als seien Sie die Schutzmacht gegen Abgabenerhöhungen. Das glaubt Ihnen doch wirklich kein Mensch.
Ich gehe aber auch gern darauf ein, was Sie an Maßnahmen kritisiert haben. Da ging es um die Ausbildungsplatzabgabe. Wir haben heute Mittag noch Gelegenheit, darüber zu reden.Was ist denn Ihre Antwort, meine Damen und Herren von der Union? Natürlich müssen wir durch Wachstum die Voraussetzungen dafür schaffen, dass es mehr Ausbildungsplätze gibt.
Aber was ist, wenn die Wirtschaft dann immer noch nicht genug Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt? Was ist Ihre Antwort, meine Damen und Herren von der Union? Diese Antwort sind Sie bis heute schuldig geblieben.
Dann ging es um die Gewässerschutzabgabe. Herr Reif, Sie verstehen doch etwas von Wirtschaft. Das unterstelle ich Ihnen. Ich würde es ja verstehen, wenn durch diese zusätzliche Abgabe tatsächlich Arbeitsplätze in unserem Land verhindert würden. Sie wissen, dass das Gegenteil der Fall ist. Zu unserer Grundwasserabgabe gibt es eindeutige Statistiken. Es werden Arbeitsplätze geschaffen.
Warum haben denn die Kollegen in Baden-Württemberg den Gewässerpfennig, wie sie es nennen, eingeführt? – Weil er eben Arbeitsplätze im Mittelstand und im Handwerk schafft. Das ist keine kontraproduktive Steuer, sondern das ist eine Abgabe, die Arbeitsplätze schafft. Ich möchte gern einmal wissen, was Sie dagegen haben.
Der letzte Punkt war die Vermögen- und Erbschaftsteuer. Lieber Herr Kollege Reif, Sie müssen sich jetzt einmal entscheiden. Gestern haben wir folgenden Textbaustein gehört: „Mer habbe dramadisch wegbreschende Steuereinnahme.“ Sie wissen, ich kann den Dialekt des Finanzministers nicht so richtig. Jedenfalls hat er von dramatisch wegbrechenden Steuereinnahmen gesprochen. Wenn wir diese nicht hätten, müssten wir die „Operation düstere Zukunft“ nicht durchführen.Was heißt denn das anderes, als dass wir dafür sorgen müssen, dass wir wieder stabile Steuereinnahmen haben? Was heißt das denn eigentlich anderes?
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Lachen bei der FDP – Jörg-Uwe Hahn (FDP):Wir haben hier nicht Fasching! Das ist obernaiv!)
Ich komme gern zum Schluss. – Dann stellt sich die Frage, wo wir es holen. Da sagen wir: Ist es nicht bei den großen
finanziellen Problemen, die wir in den öffentlichen Haushalten haben, vertretbar, dass diejenigen mit den breiten Schultern etwas mehr dazu beitragen, dass wir diese Probleme lösen, als die Leute mit den schwachen Schultern? Dazu stehen wir, Herr Kollege Reif. Das sind die Alternativen.Aber dass Sie die Schutzmacht der Bürgerinnen und Bürger gegen Gebührenerhöhungen sind, das ist nach der „Operation düstere Zukunft“ grober Unsinn.
(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Oh! Eben das war Etatismus, und jetzt kommt Sozialismus! – Gegenruf des Abg. Gernot Grumbach (SPD):Ach wissen Sie, kämmen Sie erst einmal Ihre Westerwelle! – Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gegenruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Und das bei so einer Frisur!)
Meine Damen und Herren! Das Problem mit dem Kollegen Reif ist, dass man sich immer zwischen einer ernsthaften und einer angemessenen Antwort entscheiden muss. Ich beginne erst einmal mit der angemessenen Antwort.
Es empfing mich heute Morgen in Wiesbaden Herr Reif mit flotten Tiraden – ein Plädoyer für die Reichen. Man schützt seinesgleichen dem Geist Ludwig Erhards zum Schaden.
Ich finde, das ist eine sehr angemessene Antwort, denn vieles von dem, was Sie sagen, ist nicht allzu ernst zu nehmen.
Sie reden ganz locker davon, dass sich Leistung wieder lohnen muss, und tun dies im Zusammenhang mit der Erbschaftsteuer. Das ist das Musterbeispiel leistungsloser Einkommen. Das ist das Musterbeispiel für eine Berufsgruppe, die „Sohn“ oder „Tochter“ heißt. Das ist leistungsloses Einkommen. Das ist geschenkt. Das sind Startchancen, die mit Chancengleichheit nichts zu tun haben.