Protocol of the Session on April 23, 2003

Völlig unverständlich ist, weshalb Sie die Abschlüsse von Berufsakademien mit denen der Hessischen Fachhochschulen gleichstellen wollen. So sinnvoll Berufsakademien zur Abrundung des Bildungsangebotes in unserem Land sind und so sehr wir es begrüßen, dass sie geschaffen werden, so wenig sind sie doch mit Fachhochschulen gleichzusetzen.Mit dieser Initiative drücken Sie Ihre Missachtung gegenüber den wissenschaftlichen Beiträgen der Fachhochschulen unmissverständlich aus. Das ist unserer Meinung nach eine Kriegserklärung an die Fachhochschulen, die nicht ohne dauerhafte Schäden bleiben wird und die auf unseren heftigen Widerstand stoßen wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei der Fortführung des Hochschulpaktes haben Sie schon jetzt den Adressaten zu verstehen gegeben, dass sie sich auf weniger Geld einstellen müssen. Sowohl der von Ihnen erwartete Rückgang der Studierendenzahlen als auch die bisher überhaupt noch nicht bezifferten Einnahmen aus Ihren geplanten Langzeitstudiengebühren werden von Ihnen schon heute als Abzugsposten für die Hochschulen in den Raum gestellt. Ich wünsche Minister Corts gute Verrichtung bei der Umsetzung dessen, was im Regierungsprogramm steht.

Herr Ministerpräsident, wir haben allerdings festzustellen, dass es bei Ihren Regierungserklärungen immer sehr aufschlussreich ist, nicht nur darauf zu achten, was vorkommt, sondern vor allem auch darauf zu achten, was nicht vorkommt. In Ihrer Regierungserklärung ist von einer verantwortungsvollen Umwelt- und Verbraucherschutzpolitik wenig zu hören gewesen. Wir bekommen von Ihnen das präsentiert, was wir schon in den vergangenen vier Jahren schwarzer Regierungszeit konstatieren mussten: folgenlose Ankündigungen und Placebos anstatt zukunftsweisende Umweltpolitik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Ministerpräsident, wie dies geht, machen Sie schon im ersten Absatz des Umweltteils des Regierungsprogramms deutlich. Sie bekennen sich verbal zu dem Ziel, im Jahre 2015 15 % des heimischen Energiebedarfs aus regenerativen Energiequellen zu erzeugen. Sie tun aber gleichzeitig auf Bundesebene alles dafür, dass es nicht so weit kommt. Bei konkreten Projekten, z. B. der Förde

rung der Windenergie, kündigen Sie anhaltenden Widerstand an.Wir werden auf Bundesebene dafür sorgen, dass die 15 % im Jahre 2015 auch für Hessen keine Utopie, sondern Realität sein werden. Nur, wir wissen schon jetzt, dass Sie alles dafür tun werden, dass es uns am Ende so schwer wie möglich gemacht werden wird, dieses Ziel zu erreichen.Wir wissen schon heute,dass Sie sich im Gegenzug am Ende das Erreichen dieses Zieles auf Ihre eigenen Fahnen schreiben würden.

Die Umweltallianz, die bis heute keinerlei belastbare Ergebnisse vorgelegt hat, loben Sie weiter in den siebten Himmel, obwohl sich nur Bruchteile der Wirtschaft an der Allianz beteiligt haben.

(Zuruf der Abg. Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ein Beispiel: Das Mitglied Schornsteinfegerinnung wird mit allen Schornsteinfegern in Hessen als Einzelmitglieder gezählt. Das ist übrigens die Mehrzahl der Mitglieder der Umweltallianz.

(Zuruf des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

Sie haben heute hier angekündigt, dass Sie den Bauern eine Einladung zur Umweltallianz zuteil lassen werden. Wir können uns schon vorstellen, dass, wenn der Bauernverband beitritt, die Zahl der Mitglieder der Umweltallianz ins Unermessliche steigen wird, was aber noch lange nicht heißt, dass am Ende irgendeine konkrete Maßnahme umgesetzt wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

Dann wird Herr Heidel einzeln gezählt, und dann wird Herr Häusling einzeln gezählt,

(Zuruf der Abg. Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

und alle sind froh, in der Umweltallianz zu sein. Die Frage ist: „Was kommt dabei am Ende hinten heraus?“, wie Ihr großes Vorbild Helmut Kohl gesagt hätte. Diese Allianz macht nämlich keineswegs eine wirkungsvolle Umweltpolitik überflüssig.

(Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Natürlich muss man auch auf Konsens setzen, aber eben auch, Herr Ministerpräsident, getreu Ihrem Motto, klare und mutige Entscheidungen treffen und im Zweifel auch in bestimmten Bereichen Gebote und Verbote aussprechen. Dort, wo Sie Regelungen in der Umweltpolitik ankündigen, kann es einen vor den Folgen nur grausen.

(Zuruf des Abg.Volker Hoff (CDU))

Wenn Sie sagen, Sie wollen den Hochwasserschutz verstärken, und Sie gleichzeitig eine Novelle des Wassergesetzes ankündigen, dann erinnern wir uns noch,

(Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

dass es erst ein Jahr her ist, dass diese Mehrheit im Landtag erreicht hat, dass man in Überschwemmungsgebieten wieder bauen darf. Wenn Sie ernst meinen, was Sie dort aufgeschrieben haben: Machen Sie keine Novelle der Verschlimmbesserung, sondern nehmen Sie diese Regelungen schlicht zurück.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Denn wir können es uns im Sinne der von Ihnen neuerdings immer im Mund geführten Nachhaltigkeit nicht leisten, dass die schwarze Umweltpolitik in der neuen Legislaturperiode wieder so aussehen wird wie in der letzten Legislaturperiode, nämlich dass wir in fünf Jahren schlechter dastehen als heute.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Richtig!)

Der Bereich der Landwirtschaft ist bei Ihnen völlige Fehlanzeige. Sie wollen den hessischen Landwirten nach wie vor vorgaukeln, dass die Vertrauenskrise der landwirtschaftlichen Produktion mit einigen zusätzlichen EU-Mitteln und Streicheleinheiten vonseiten eines Umweltministers,der sich zuerst als Bauer versteht – auch wenn er neuerdings um die Atomaufsicht kämpft –, zu lösen ist.

(Zuruf des Abg.Volker Hoff (CDU))

Meine Damen und Herren, damit liegen Sie jedoch fundamental falsch. Wenn wir es nicht schaffen, das verloren gegangene Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher zurückzuerlangen, werden die Landwirtschaft und insbesondere die von Ihnen hofierten konventionellen Betriebe krisenanfälliger denn je bleiben.

Dabei reicht es nicht aus, einige Versatzstücke aus dem Programm der GRÜNEN abzuschreiben, wie Sie es getan haben, indem Sie die Relevanz regionaler Märkte und Kreisläufe betont haben. Da hilft es auch nicht, von Nachhaltigkeit zu sprechen. Vielmehr hilft nur eine konsequente Forderung der ökologischen und naturnahen Produktionsweisen. Dasselbe gilt für den Naturschutz.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie unter Ihrer Regierung das Land Hessen ernsthaft zum „Naturschutzland“ erklären, obwohl Sie in der vergangenen Wahlperiode immer wieder die Schwächung und Verschlechterung des Naturschutzes in Hessen betrieben haben, ist dies geradezu unverschämt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie sind verantwortlich dafür, dass im Hessischen Naturschutzgesetz die Verbandsklage, die von Hessen einmal als Meilenstein in die Umweltpolitik eingeführt wurde, abgeschafft worden ist. Sie sind verantwortlich dafür, dass wir bei der Einrichtung des Nationalparks Kellerwald vier Jahre verschenkt haben. Wir haben sie verschenkt, nichts anderes.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben am Ende etwas Lernfähigkeit bewiesen, wenn Sie jetzt schreiben, Sie wollten den Naturpark zu einem Nationalpark weiterentwickeln. Hier wie auch bei anderen Fragen fragt meine Fraktion:Warum nicht gleich so?

(Beifall der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie haben nämlich in den letzten vier Jahren jeden Antrag der GRÜNEN zu diesem Thema mit der Begründung abgelehnt, in der Region werde dies nicht akzeptiert. Wenn Sie dann in Ihrer Regierungserklärung sagen, dass die Entwicklung des Nationalparks Kellerwald in die „bewährten und vertrauensvollen Hände von Wilhelm Dietzel“ gelegt wird, ist allerdings die große Sorge angebracht, ob Sie das wirklich ernst meinen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man nämlich denjenigen, der sich in der Diskussion über den Kellerwald den Spitznamen „Kettensägen-Wil

helm“ verdient hat, jetzt die Verantwortung für einen Nationalpark übernehmen lassen will, setzen wir ein paar große Fragezeichen dahinter.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Gegenteil, Herr Ministerpräsident: Wir haben Ihnen immer gesagt – übrigens aus genau dem Grund, den Sie in Ihrer Regierungserklärung angesprochen haben –, dass man auch aus wirtschaftlichen Gründen den Tourismus nicht vernachlässigen darf und dass die Natur sowie die Umgebung des Kellerwaldes von einem solchen Nationalpark profitieren würden.

Das duldet keinen weiteren Aufschub. Herr Dietzel, noch in diesem Jahr müssen in Brüssel die nötigen Anträge gestellt werden. Sie können – auch da ist tätige Reue angesagt – etwas dafür tun, dass zu den vier verlorenen Jahren nicht noch welche hinzukommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihre Agenda für den Verbraucherschutz haben wir ebenfalls mit Interesse gelesen. Sie kam uns in bestimmten Bereichen sogar relativ bekannt vor: Auch hier war von regionalen Kreisläufen und kurzen Transportwegen in der Lebensmittelproduktion die Rede. Das Problem bei der ganzen Geschichte ist, dass Sie Ihren gereiften Erkenntnissen keinerlei Taten folgen lassen. Sie versuchen, gerade die Maßnahmen, die beispielsweise zur Erfüllung der Forderung nach Transparenz nötig sind, auf Bundesebene zu hintertreiben.

Wenn Sie das, was Sie dort zum Verbraucherschutz aufgeschrieben haben, ernst gemeint hätten, hätten Sie in Ihrer Regierungserklärung und in Ihrem Regierungsprogramm schreiben müssen, dass Sie das Verbraucherinformationsgesetz auf Bundesebene nicht mehr blockieren werden. Herr Ministerpräsident, das haben Sie aber nicht getan, und insofern kann sich für diese Überschriften kein Verbraucher und keine Verbraucherin irgendetwas kaufen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Dietzel, wir erwarten allerdings, dass Sie sich als neuer Verbraucherschutzminister endlich und endgültig von Ihrer Vergangenheit im Bauernverband emanzipieren. Die Umweltverbände waren in ihrer Einschätzung sehr skeptisch.Wir verstehen diese Skepsis angesichts der Erfahrungen in den letzten Jahren sehr gut.Aber auch für Wilhelm Dietzel gilt dieser Grundsatz grüner Politik: Resozialisierungschancen – in diesem Falle umweltschutzund verbraucherpolitische – verdient jeder. – Spätestens als Bauer Dietzel anfing, um die Atomaufsicht zu kämpfen, verspürten wir GRÜNEN eine gewisse Hoffnung, dass es zu einer reuigen Umkehr kommem würde.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Dietzel, machen Sie etwas daraus, sowohl im Verbraucherschutz als auch bei der Atomaufsicht. Gerade in Bezug auf das AKW Biblis können Sie noch heute anfangen, Ihrer plötzlich erwachten Liebe zu der Atomaufsicht auch echte Taten folgen zu lassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)