Da wir gerade bei Wilhelm Dietzel sind, dem letzten Nordhessen im Rang eines Ministers, wollen wir uns die neue, selbst ernannte Nordhessenpartei CDU auch in diesem Punkt etwas genauer betrachten.
Die von Ihnen im Wahlkampf reklamierte Kompetenz für Nordhessen entpuppt sich bei näherem Hinsehen als nichts anderes als die Fortführung Ihres alten Beton- und Asphaltfetischismus. Sie listen lediglich neue Straßen und den Bau des Flugplatzes Kassel-Calden als Impulsprojekte auf. Sie wissen allerdings ganz genau, dass damit eben diese Entwicklungen, die Sie anstreben, nicht erreicht werden.
Wir sagen Ihnen hier und heute erneut, dass ein Flugplatz Kassel-Calden erstens in ein wirtschaftliches Desaster führt. Es ist doch kein Zufall, dass der Städte- und Gemeindebund der Gemeinde Calden geraten hat: Stoßt die Anteile ab, weil ihr dieses Zuschussprojekt auf Dauer nicht finanzieren könnt.
Zweitens wird dieses Projekt nicht gebraucht. Zu den anderen Punkten die Flughäfen betreffend komme ich gleich noch.
Drittens kann man mit dem Geld wirklich Sinnvolleres tun, als es auf diese Art und Weise zu versenken.
Nord- und Mittelhessen haben mehr zu bieten, und sie haben Besseres verdient, als nur Planierplatz für neue Straßenbauprojekte zu sein.
Herr Lübcke, wer jetzt sogar die mausetote A 4 wieder aus dem Sarg holt, hat von moderner Verkehrspolitik wirklich nichts begriffen.
Wir GRÜNEN haben schon vor Jahresfrist ein Nordhessenkonzept vorgelegt, das die Stärkung der Infrastruktur im Kasseler Umland vorsieht und gleichzeitig die Gewerbeansiedlung an diesen Infrastrukturachsen fördern will. Mit den Abermillionen Euro, die Sie aus der Zukunftsoffensive in den Bau des Flughafens Kassel-Calden hineinbuttern wollen, kann Sinnvolleres geleistet werden, als sie – dabei handelt es sich zu allem Überfluss um Geld,das eigentlich keiner mehr hat – für ein Projekt, das keiner mehr braucht, auszugeben. Nordhessen hat mehr verdient als die Antworten von vorgestern auf die Fragen von morgen.
Herr Ministerpräsident, genauso, wie Sie beim Thema Kellerwald zugeben mussten, dass Sie vier Jahre verschenkt haben, müssen Sie endlich erkennen, dass das Ballungsraumgesetz für das Rhein-Main-Gebiet der regionalen Zusammenarbeit nicht die dringend benötigten Impulse gibt.Auch hier ist dringend ein Neustart geboten. Das Rhein-Main-Gebiet ist mehr als ein bloßes Flughafenumland.
Das bringt mich zum Thema Flughafen. Wir GRÜNEN bleiben dabei: Es gibt gute Gründe, am Frankfurter Flughafen nicht auszubauen, sondern in Bezug auf den Frankfurter Flughafen umzudenken.
Frau Wagner, das hat vor allem damit zu tun, dass die Grenze der Belastung der Bürgerinnen und Bürger, die rund um den Flughafen wohnen, erreicht ist.
Alternativen in Form einer Zusammenarbeit mit dem Flughafen Hahn im Hunsrück und mit dem Flughafen Köln-Bonn, der in naher Zukunft über eine direkte ICEVerbindung zum Frankfurter Flughafen verfügen wird,
Der Ausbau ist aber nicht nur in ökologischer, sondern auch in ökonomischer Hinsicht ein Hochrisikoprojekt. In diesem Saal wurde im Jahr 2000 ein Ausbaubeschluss gefasst, der noch von jährlichen Steigerungsraten bei den Passagierzahlen in Höhe von ca. 5 % ausging.Wir müssen inzwischen feststellen, dass wir nicht nur im Jahr 2001 einen Rückgang der Passagierzahlen gegenüber dem Vorjahr hatten, sondern dass das auch im Jahr 2002 der Fall war und – da muss man kein Prophet sein – dass wir wahrscheinlich auch im laufenden Jahr 2003 einen Rückgang der Passagierzahlen erleben werden.
Natürlich gibt es, angefangen beim 11. September bis hin zu SARS, immer wieder Einzelerklärungen, warum wir es angeblich nur mit Wachstumsdellen zu tun haben. Aber ob man eine inzwischen drei Jahre andauernde Entwicklung immer noch „Delle“ nennen kann, ist sehr fraglich.
Herr Aufsichtsratsvorsitzender, da stellt sich eine ganz praktische Frage: Wie soll die Fraport, die Sie heute wieder als „Jobmotor“ bezeichnet haben und die sich inzwischen dafür feiern lässt, dass sie auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet, angesichts einer Entwicklung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie gerade viel Geld, z. B. in Manila, versenkt hat, sodass es dieses Jahr keine Dividende gibt, eigentlich bei sinkenden Passagierzahlen den Ausbau inklusive eventueller Entschädigungszahlungen finanzieren? Auch hier werden wir sehr deutlich hinter Ihre Fassaden schauen.
In der Innen- und Rechtspolitik werden wir dafür sorgen, dass die Bürgerrechte, die weder in Ihrem Regierungsprogramm noch in Ihrer Regierungserklärung auftauchten,nicht zu kurz kommen.Sicherheit ist ein menschliches Grundbedürfnis, und die Gewährung von Sicherheit ist eine Grundaufgabe des Staates. Dazu benötigt man allerdings bei der Polizei gut ausgebildete und gut ausgestattete Profis, jedoch keine unbesetzten Beamtenstellen einerseits und freiwillige Amateure andererseits.
Die Vorstellung zu haben, die Sicherheit über ein soziales Pflichtjahr beim freiwilligen Polizeidienst zu gewährleisten – ich hätte nicht gedacht, dass wir im Jahre 2003 eine solche Vorstellung im Plenarsaal des Hessischen Landtages erleben werden.
Es braucht bei der inneren Sicherheit immer das gewisse Augenmaß, das sowohl Volker Bouffier als auch Christean Wagner vermissen lassen. Wir werden uns verstärkt der Frage widmen,ob die Wahlplakate vom harten Durchgreifen und die Veränderungen, die in der letzten Wahlperiode im inneren Gefüge der hessischen Polizei begonnen wurden, Auswirkungen hatten, bei denen vielleicht das harte Durchgreifen von einigen zu wörtlich genommen wird.
Herr Ministerpräsident, hart durchzugreifen ist vielleicht z. B. bei Ihrem Landesvorstandsmitglied Margret Härtel angesagt. Da wäre einmal hartes Durchgreifen angesagt.
Herr Kollege Dr. Jung, wenn Sie meinen, dass Hessen ein Anziehungspunkt für Straftäter war, weiß ich nicht, wen Sie vertreten haben. Gucken Sie einmal in die eigene Fraktion.
Was wir Ihnen nicht durchgehen lassen: dass Sie auf der einen Seite sagen, „Der kleinste Regelverstoß muss konsequent geahndet werden“, und auf der anderen Seite unter dieser Messlatte selbst einfach mir nichts, dir nichts durchsausen.
Wir werden auch bei Christean Wagner sehr genau darauf hinweisen, wo die Kompetenzen des Justizministers sind, was im Verantwortungsbereich des Landes Hessen passiert und wo wir es mit Schaufensteranträgen im Bundesrat zur Befriedigung der eigenen Klientel zu tun haben.
Wir werden zu guter Letzt nicht zusehen, wie Ihre Sozialministerin nach und nach die Sozialpolitik in Hessen abwickelt. Wenn man sich anschaut, was im Bereich der Jugendpolitik Teil des Regierungsprogramms ist – Jürgen Walter hat es schon vorgetragen –, und wenn man sich anschaut, was im Bereich der Frauenpolitik im Regierungsprogramm steht: Herr Koch, Sie können in der letzten Zeit immer so schön „Gender Mainstreaming“ aussprechen, aber am Ende wird man die Regierung an ihren Taten messen.
Wer einen Blick auf das hessische Kabinett wirft,der kann ganz genau sehen, wie der Beginn dieser Taten schon zu Anfang dieser Legislaturperiode aussieht.
Für die gleichrangige Besetzung werden Sie sich weiter einsetzen. Ich kann in dem Zusammenhang nur sagen: Wenn Sie nicht gestorben sind, dann setzen Sie sich weiter für die Berücksichtigung der Kompetenzen von Frauen ein. – Sie haben es bei der Vorstellung Ihres Kabinetts fertig gebracht, auf die Frage, wo die Nordhessen und wo die Frauen sind, mit dem schönen Satz zu antworten: Wir haben nicht nach regionalem oder Geschlechterproporz, sondern nach Sachkenntnis entschieden.
Herr Koch, das ist ein großes „Lob“ für die Frauen und ein sehr großes „Lob“ für die Nordhessen in Ihrer Fraktion.
Es zeigt vor allem deutlich, was von Ihren Überschriften zu halten ist. Besonders ärgerlich wird es, wenn Sie davon reden, dass es das vitale Interesse Ihrer Regierung sei, dass mehr Kinder geboren werden, und dann die Koch’sche Überschrift vom „Land der Tagesmütter“ gebraucht wird.
Herr Ministerpräsident, nach vier Jahren Ihrer Regierungszeit hatten Sie es immerhin fertig gebracht, bei den unter Dreijährigen 438 zusätzliche Betreuungsplätze zu schaffen. Das ist eine wahrhaft „stolze“ Leistung – 438 Betreuungsplätze im „Land der Tagesmütter“.
Das ist vor allem ganz „stolz“, wenn man das einmal mit den 60.000 Kindergartenplätzen vergleicht, die grüne Familienministerinnen von 1991 bis 1999 in diesem Land geschaffen haben.
Herr Koch, es ist richtig: Wir brauchen dringend Fortschritte bei der Kinderbetreuung in diesem Land.Wir ha
ben in Deutschland im europäischen Vergleich Jahrzehnte verschenkt, vor allem auch, weil die Union in Teilen bis heute ein ideologisches Problem hat, weil relevante Teile Ihrer Partei bis heute der Meinung sind, dass Kinder zur Mama gehören und sonst nirgendwohin.
Es reicht nicht, sich vorsichtig verbal zu lösen und hier einmal Familientage zu veranstalten und dort Familientische einzurichten. Es braucht am Ende Taten und keine Ankündigungs- und Placebopolitik.
Wenn in Ihren Visionen für das Jahr 2015 steht, dass „Töchter“ der heutigen jungen Frauen die Betreuungsplätze für ihre Kinder finden sollen, dann ist das im doppelten Sinne eine Frechheit. Erstens. Bei Gender Mainstreaming geht es nicht nur um die Töchter, sondern auch um die Söhne, Herr Koch.