Über Jahre hinweg haben diese Menschen für diese Gesellschaft Aufgaben übernommen. Jetzt sagt Roland: weg damit. – Und Sie heucheln – das ist der Vorwurf –, es täte Ihnen auch noch Leid. Das kann Ihnen schon deshalb niemand glauben, weil die meisten Ihrer Maßnahmen überhaupt nichts einsparen. Schaut man nur ein bisschen über den nächsten Ultimo hinaus, dann stellt man das ganz genau fest.
Das sieht nur nach Kahlschlag aus ideologischen Gründen aus. Kalt und vorsätzlich soll mit den Mitteln des Haushaltes eine gesellschaftliche Restauration durchgesetzt werden. Roland Koch, der schon immer gegen „68er“-Politik war und das zu seinem Lebensziel gemacht hat, sieht endlich die Chance: Erst türme ich die Schulden auf, dann stelle ich die Katastrophe fest. Dann kann ich Maßnahmen erfinden und auf diese Weise die Gesellschaft verändern. – Das steckt dahinter. Dann heucheln Sie bitte nicht länger, dass es Ihnen Leid täte oder dass Sie es als schmerzhaft empfänden.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD) – Zuruf des Abg.Volker Hoff (CDU))
Meine Damen und Herren,dann wird auch noch versucht, möglichst schnell vollendete Tatsachen zu definieren, letztlich, Herr Kollege Milde, aus Angst, den Argumenten der Gegenseite nicht gewachsen zu sein.
Herr Boddenberg, sagen Sie einmal, wie Sie das begründen wollen, z. B. gegenüber einer sozialen Initiative, die wenige Tausend Euro im Jahr Landeszuschuss erhält, den sie streichen wollen. Was sagen Sie, wenn sie mit Ihnen sprechen und sie Ihnen nachgewiesen haben, dass durch diese Streichung ihr Betrieb zusammenbricht, sie ihn nicht mehr weiter betreiben können, weil sie nur vom Land Geld bekommen und damit die engagierte ehrenamtliche Arbeit vieler Bürgerinnen und Bürger ins Leere fällt? Wenn Ihnen das die Leute in Ihrem Wahlkreis nachweisen, was sagen Sie dann? Dann müssen Sie irgendwie allgemein mit dem Grundsatz „alternativlos ist diese Kürzungsorgie“ argumentieren. Sie können den Leuten dabei aber nicht in die Augen schauen.
Deswegen wollen Sie das hier so schnell wie möglich, im Dunkeln,so unauffällig wie möglich,durchziehen.Sie verweigern vor der Entscheidung den Dialog, um hinterher den Menschen das Bedauern über die Schmerzhaftigkeit vorzulügen.Meine Damen und Herren,damit belügen Sie nicht nur die Betroffenen aufs Neue. Sie zeigen damit erneut Ihre Rücksichtslosigkeit, letztlich Ihre moralische Verkommenheit.
Herr Kollege Kaufmann, „moralische Verkommenheit“: Ich darf Sie bitten, Ihre Ausdrücke besser zu wählen und parlamentarischer zu gestalten.
Genau dies zeigt Art. 1 Ihres Zukunftsverdüsterungsgesetzes aber auch überdeutlich. Da wird nicht lange gefackelt. Da werden personenbezogene Wegfallvermerke für rund 7.750 Stellen vorgegeben. Die Ressorts wählen die Stellen oder gar die Personen aus und die Personalvermittlungsstelle zieht „die gemeldeten Beschäftigten als Vertretungs- und Aushilfskräfte sowie für befristete Sonderaufgaben“ heran.
Meine Damen und Herren, das ist ein wörtliches Zitat aus dem Text. Herr Kollege Hoff, Sie sollten das Gesetz einmal lesen, das Sie demnächst hier beschließen wollen. Heranziehungsbescheide kannten wir bisher nur aus anderen Rechtsgebieten. In der Personalführung sind sie
längst überholt und aus guten Gründen total verpönt, und zwar völlig zu Recht, weil damit Motivation zerstört, Qualifikation missachtet, Teamgeist und Kollegialität ruiniert werden.Herr Ministerpräsident,das,was Sie in Ihr Gesetz geschrieben haben, ist nicht mehr und nicht weniger als ein Angriff auf die Würde der Bediensteten des Landes Hessen.
Natürlich gibt es gegen eine solche Vorgehensweise Widerstand. Deshalb werden und müssen die Mitbestimmungsrechte gleich mit weggeputzt werden. Der Änderungsantrag der Regierungsfraktion kam, bevor der Gesetzentwurf zum ersten Mal gelesen wurde. Dann müssen die Rechte der Frauenbeauftragten gleich noch mit weggeputzt werden. Deshalb werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keine Chance mehr haben, sich mithilfe der Personalräte gegen die Heranziehung zu wehren.Wir glauben zwar nicht, dass eine solche Vorgehensweise rechtlich haltbar und mit höherrangigem Recht vereinbar ist, aber jenseits dieser Frage, Herr Ministerpräsident, ist dies weder zielführend noch hilfreich für eine gute und effektive Landesverwaltung. Es ist von autoritärem Dünkel und von Herrschaftsfantasien gekennzeichnet. Es ist, wie die gesamte „Operation Zukunft“ und das dazugehörige Zukunftsverdüsterungsgesetz, von Dummheit und Arroganz geprägt, das Ergebnis der absoluten Mehrheit eines Ministerpräsidenten und einer CDU,
der Wahrheitstreue und politische Moral beim Ausleben ihrer Machtversessenheit schon lange hinderlich sind.
Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Verfahrenstricks am Rande der Legalität – das bezieht sich auf die Art und Weise, wie wir hier beraten sollen –, Beseitigung von Mitbestimmungsrechten, unwürdige Degradierung zu Verfügungsmasse und Einsparpotenzialen, höhere und neue Gebühren und weniger Finanzmittel, vor allem bei sozialen Leistungen,
das charakterisiert Ihr Zukunftsverdüsterungsgesetz. Das charakterisiert die kochsche Politik. Meine Damen und Herren, der Bundeskanzler würde jetzt sagen: „Das ist zum Kotzen.“ Ich schließe mich ihm an.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Volker Hoff (CDU): Das hat er aufgeschrieben bekommen und leiert es jetzt herunter! – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))
Herr Kollege Kaufmann, vielen Dank. Auch Ihre letzte Bemerkung gehört nicht in den Bereich der ausgewiesenen parlamentarischen Äußerungen. Das will ich ausdrücklich festhalten.
(Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Damit hat er seine Rede selbst qualifiziert! – Frank Gotthardt (CDU): Nach der Rede hat er Recht!)
Herr Präsident,meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass sich der Hessische Landtag heute Morgen die Zeit und die Ruhe nimmt, das Zukunftsthema unseres Landes zu erörtern. Es ist eigentlich schade, dass wir das in den letzten Jahren in dieser Ernsthaftigkeit und mit dieser Tiefe nicht getan haben. Sicherlich sind alle Fraktionen in diesem Hause mit daran schuld, dass die Verschuldung in diesem Land sehr hoch ist. Ich will jetzt nicht die einzelnen Millionenoder Milliardenbeträge Rot-Grün, CDU/FDP oder CDU ankreiden, sondern jeder, der hier im Raum ist, hat eine Mitverantwortung für die schlechte finanzielle Situation in diesem Lande. Jeder in diesem Raum bzw. seine Amtsvorgänger haben zu verschiedenen Koalitionszeiten die Hand gehoben und Neuverschuldung in diesem Land zugelassen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wird nun endlich Zeit, dass wir mit der Ausgaben- und Verteilungspolitik aufhören, dass wir in Hessen zu einer Politik kommen, in der wir tatsächlich nur das ausgeben, was wir auch einnehmen. Da war heute eine gute Diskussion.
Herr Ministerpräsident, ich möchte drei Punkte sagen und den Pulverdampf zur Seite schieben, der aus Ihren Worten herausgekommen ist und der deutlich macht, dass Sie erstens alles vollkommen richtig, zweitens zum richtigen Zeitpunkt und drittens die richtigen Verkäufe machen würden. Herr Ministerpräsident, Sie nennen das, was Sie uns vorgelegt haben, was uns Karlheinz Weimar schon als Finanzminister vorgelegt hat, „Operation sichere Zukunft“. Sie tun so, auch in Ihrer Rede, in den öffentlichen Äußerungen der 56 Kollegen der Union in diesem Raum, als ob Sie einen riesigen Sprung machen würden. Sie tun so, als ob Sie bei der Weltmeisterschaft antreten und sofort Sieger werden würden. Her Ministerpräsident, bleiben wir bei dem Bild Weitsprung. Das, was Sie mit dem Haushaltsentwurf für 2004 hier vorgelegt haben, hat allerhöchstens das Niveau von Bundesjugendspielen, aber nicht von Weltmeisterschaftsspielen.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) und Michael Boddenberg (CDU))
Herr Ministerpräsident, es geht jetzt nicht um die Demonstranten. Es geht darum, dass Sie meinen, ein Bild aufbauen zu müssen, als ob Sie der Weltmeister im Umstrukturieren von Haushalten seien.
Herr Ministerpräsident, nein, es ist das Niveau von Bundesjugendspielen. Es ist nicht mutig genug, was Sie vorgelegt haben.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, das muss von dieser Stelle aus deutlich gemacht werden.
Herr Kollege Dr. Jung, Sie tun so, als ob die „Operation sichere Zukunft“ alles sei, was man machen kann. Ich sage: Nein, es ist alles, was man gerade machen muss, um
Das zeigt den Unterschied zwischen dem öffentlichen Bild des Weltmeisters Roland Koch und demjenigen, der an Bundesjugendspielen teilnimmt. Das muss doch offen und ehrlich gesagt werden. Es kann doch nicht wahr sein, dass man sich selbst das Bild vor Augen führt:Wir sind die Größten. – Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, nein, Sie machen nur das Notwendigste aller Notwendigkeiten. Sie legen einen Haushaltsplanentwurf für 2004 vor, der nicht verfassungswidrig ist.
Es ist die Aufgabe der Regierung, einen verfassungsgemäßen Haushalt vorzulegen. Dies ist keine besondere Leistung.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, Sie haben – ich komme gleich noch dazu – das Thema Vorziehen der Steuerreform vollkommen zur Seite gelegt.