Haben die Pflegekampagne des Hessischen Sozialministeriums und die hessenspezifischen Erleichterungen beim Zugang zur Altenpflegeausbildung dazu beitragen können, dass sich die Ausbildungszahlen in der Altenpflege verbessert haben?
(Manfred Schaub (SPD): Sag doch einfach Ja! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Abg. Dörr, die Maßnahmen der Landesregierung zeigen erste positive Wirkungen. Zum 1. Oktober 2002 gab es 2.334 Altenpflegeschüler,womit zunächst ein erster Höchststand erreicht war. Zum Oktober 2003 waren es bereits 3.205. Dies ist ein neuer Rekord. Bei der Altenpflegehilfeausbildung liegen derzeit Anmeldungen für 16 Kurse mit 320 Teilnehmern,Tendenz steigend, vor. Die Ergebnisse zeigen, dass es richtig war, die Altenpflegeausbildung wieder auf eine solide Grundlage zu stellen und auch für die Pflegeberufe zu werben. Diesen Weg wollen wir auch in Zukunft weiter verfolgen.
Welche landes- und bundespolitischen Schritte hat sie zur Bekämpfung von Graffitischmierereien unternommen?
Herr Abgeordneter, soweit es um die Landesebene geht, kann ich Folgendes berichten:Wir haben uns in dieser Legislaturperiode zum Ziel gesetzt, neben anderen Kriminalitätsbereichen die Bekämpfung von Farbschmierereien noch effektiver zu gestalten. Das Ganze läuft unter dem Programm mit dem Motto „Wer schmiert und sprüht, der putzt und zahlt“. Der Grundgedanke dabei ist, dass wir den in aller Regel jugendlichen Straftätern deutlich machen wollen, dass es sich hierbei um Straftaten handelt. Wir wollen versuchen, sie zukünftig davon abzuhalten.
Das Projekt sieht modellhaft so aus: Im Polizeipräsidium Südosthessen und in der Polizeidirektion Main-Kinzig in Hanau haben wir vor etwa einem halben Jahr ein Modellprojekt aufgelegt, das aus Vertretern der örtlichen Polizei,
der Staatsanwaltschaft und der Jugendgerichtshilfe, der Stadt und dem Jugendhilfeverein Sprungbrett besteht. Zielgruppe des Projekts sind Jugendliche und Heranwachsende, die eine Straftat im Bereich Sachbeschädigung mit Graffitibezug begangen haben und für die das Jugendgerichtsgesetz Anwendung findet.
Die Jugendlichen sollen dazu verpflichtet werden, die Farbschmierereien selbst zu beseitigen, indem sie bei einer Reinigungsfirma arbeiten. Das verdiente Geld dient dann der Schadensregulierung, die mit Unterstützung des Jugendhilfevereins Sprungbrett beschleunigt werden soll. Die Arbeitsleistungen werden von pädagogischen Maßnahmen begleitet, um den erzieherischen Effekt zu erhöhen. Alle Betroffenen, unabhängig davon, ob es sich um ein Unternehmen, eine öffentliche Einrichtung oder eine Privatperson handelt, sind entsprechend einbezogen. Das ist das Modell.
Daneben gibt es in allen hessischen Polizeipräsidien mittlerweile entsprechende Arbeitsgruppen, die sich dem Thema Graffitibekämpfung besonders zuwenden.Wir haben beim Hessischen Landeskriminalamt eine spezielle Datenbank eingerichtet, die sich mit dem Thema Graffiti beschäftigt.
Als Beispiel darf ich Ihnen berichten: Wir haben im vergangenen Jahr alleine im Bereich Graffitikriminalität 5.167 Straftaten aufgenommen, die Gesamtschadenshöhe wird mit 2,5 Millionen c beziffert.413 Tatverdächtige sind von der Polizei ermittelt worden, davon 393 männlichen Geschlechts. Von besonderem Interesse erscheint mir, dass die Tatverdächtigen in einer Größenordnung von über 50 % im Alter von 14 bis 17 Jahren sind.
Das bedeutet, wir haben hier ein Feld, das Aktivität erfordert. Wir haben aus den einzelnen Modellversuchen bei den Polizeipräsidien, beginnend in Südhessen, mittlerweile eine flächendeckende Einrichtung. Ich bin guter Hoffnung, dass wir in der Mischung von Pädagogik mithilfe insbesondere der Kommunen und entsprechender Vereine und, wo notwendig, auch polizeilichen und justiziellen Maßnahmen diesem Übel in Zukunft stärker und mit mehr Erfolg begegnen können.
Soweit es um die Aktivitäten des Landes Hessen auf bundespolitischer Ebene geht – denn das spielt hier eine große Rolle –, wird sich Herr Justizminister Dr. Wagner noch dazu äußern.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich darf die Ausführungen des Herrn Kollegen Bouffier wie folgt ergänzen:
Nach der geltenden Gesetzeslage können Graffiti in vielen Fällen nicht als Sachbeschädigung nach § 303 Strafgesetzbuch strafrechtlich geahndet werden. Daher hat Hessen,gemeinsam mit anderen Bundesländern,am Ende des letzten Jahres im Bundesrat einen Gesetzesantrag zur Änderung der Strafvorschriften über die Sachbeschädigung gestellt. Danach soll bereits die Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes einer fremden Sache strafbar sein.
Hierdurch würde eine entscheidende Gesetzeslücke geschlossen und eine effektive strafrechtliche Bekämpfung
Auch auf präventiver Ebene ist die Hessische Landesregierung aktiv.Der Landespräventionsrat hat eine Arbeitsgruppe zur Bekämpfung illegaler Graffiti eingesetzt, in der auch Mitarbeiter der Landesregierung vertreten sind. Diese Arbeitsgruppe hat das Ziel, auf Landesebene Präventionsstrategien gegen illegale Graffiti zu entwickeln und diese umzusetzen.
Herr Innenminister, nachdem die Sozialministerin die Fragestunde zunehmend für Nichtantworten nutzt, jetzt ein Versuch bei Ihnen:
Sind Sie der Meinung, dass die Schließung – ich mache es auch wieder ganz konkret – von Spiel- und Lernstuben in sozialen Brennpunkten und damit beispielsweise auch der Wegfall von Hausaufgabenhilfe dafür sorgen werden,dass es einen Rückgang von Graffitischmierereien geben wird? Oder sind Sie eher der Meinung, dass es zu einem Ansteigen der Graffitischmierereien kommt – gerade angesichts der Tatsache, die Sie auch erwähnt haben, dass zu über 50 % 14- bis 17-Jährige als Tatverdächtige ermittelt werden?
Ich bin dieser Meinung nicht. Eine Kausalität, wie Sie sie herstellen, ist weder kriminalwissenschaftlich noch forensisch belegt. Darüber hinaus haben wir gerade in diesem Täterfeld immer wieder auch Täter,die nicht zu der Klientel gehören, um deren Sorge es in dem anderen Bereich geht.Deshalb ist eine kausale Ableitung in dem von Ihnen angesprochenen Sinne fachlich nicht begründet.
Ursprünglich wollte ich in die gleiche Richtung fragen, aber jetzt frage ich den Herrn Staatsminister Wagner: Der Gesetzentwurf des Bundesrates spricht bei der Änderung des § 303 StGB von „Verunstaltung“. Sind Sie nicht auch der Meinung, dass damit eine bestimmte Form der Ästhetik – ein Graffito ist auch eine Kunstform – unter Strafe gestellt werden soll oder dies jedenfalls droht?
Herr Kollege Dr. Jürgens, zunächst einmal heißt es in der Gesetzesinitiative des Bundesrates nicht „Verunstaltung“, sondern – ich zitiere wörtlich –: „Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes gegen den Willen des Eigentümers oder sonstigen Berechtigten“.
Herr Kollege Jürgens, ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie als Jurist und praktizierender Richter damit einverstanden sein könnten
Herr Dr. Jürgens, es könnte ja sein, dass Sie eines Tages wieder einmal Gelegenheit haben, hessischer Richter zu sein; für diesen Fall mache ich diese Ausführungen –, dass es ohne strafrechtliche Sanktionen ausgeht, wenn die Häuserwand eines privaten Eigentümers mit noch so schönen Graffitizeichnungen oder gar anderen Bildern versehen werden würde. Ich glaube, hier geht das Eigentumsrecht vor. Das Eigentumsrecht muss auch geschützt werden.Deshalb gebe ich mich der Hoffnung hin,dass wir beide uns in dieser Bewertung einig sind.
Herr Dr. Jürgens hat mich jetzt veranlasst, noch etwas zu fragen. Herr Staatsminister, stimmen Sie mir darin zu, dass es nicht darum geht, eine – teils sehr anspruchsvolle – Kunstform, nämlich Graffiti, zu bekämpfen, sondern darum, völlig unmotivierte Schmierereien, so genannte Tags, zu bekämpfen, welche die Innenstädte völlig verunstalten und bei vielen Bürgern – und das bekommt man als Wahlkreisabgeordneter eines Innenstadtwahlkreises, wie ich ihn in Frankfurt habe, mit – das Gefühl eines verwahrlosten und völlig entrechteten öffentlichen Raumes hervorrufen? Geht es nicht in Wirklichkeit darum, dass dies ein Aspekt ist, der das subjektive Unsicherheitsgefühl steigert?
Selbst für den Fall, dass ein hübsches Gemälde auf die Wand eines sich im Eigentum eines anderen befindlichen Hauses gemalt würde, muss der neue § 303 StGB gelten.
Welche Maßnahmen wird sie ergreifen, die überfällige Reform des Rechtsanwaltsvergütungsrechts zu erreichen?
Herr Kollege Rhein, das Hessische Ministerium der Justiz hat sich gegenüber dem Bundesjustizministerium stets dafür ausgesprochen, die Reform des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes voranzutreiben, um die Rechtsanwaltschaft nicht länger von der wirtschaftlichen Entwicklung der Einkommen in anderen Berufsgruppen abzukoppeln. Die Anpassung der zuletzt im Jahr 1994 angehobenen Gebühren ist überfällig.