Protocol of the Session on September 6, 2007

Wichtig ist aber auch, dass der Landtag eine organisierte Stellungnahmemöglichkeit haben muss – also nicht in der Form, wie es jetzt in dankenswerterweise sehr ausgebauter Form passiert, Herr Minister, dass wir einen Bericht über das bekommen, was in Brüssel passiert, und wir dazu Fragen stellen, und dann ist die Sitzung vorbei. Vielmehr wollen wir diese Gesetzesvorhaben organisiert zugeleitet bekommen, dazu eine Stellungnahme entwickeln. Diese Stellungnahme soll von der Landesregierung gegebenenfalls übernommen und weitergeleitet werden.

(Beifall bei der FDP)

Dabei steht völlig außer Frage, dass natürlich die Landesregierung die Außenvertretung Hessens in Brüssel macht. Alles, was der Landtag beschließt, kann nur zur Berücksichtigung beschlossen werden. Die Landesregierung muss nicht das machen, was wir beschließen. Aber sie ist sicherlich gut beraten, die Mehrheitsmeinung des Landtags zur Kenntnis zu nehmen und in ihr Handeln in der einen oder anderen Weise einzubeziehen.

Also ist das, was wir fordern, der logische nächste Schritt – nach den bereits erfolgenden, stark ausgebauten regelmäßigen Berichten, die wir im Europaausschuss erhalten. Das könnte auch eine ganz wichtige neue Rolle für den Europaausschuss konstituieren.

Ich will auf die anderen Regelungen nicht im Einzelnen eingehen. Sie wissen, dass wir gesagt haben, wir wollen auch die Ergebnisse der Europaministerkonferenz und des AdR mitgeteilt bekommen. Das passiert zum großen Teil schon in Form der Berichte, die wir diskutieren. Wir möchten über beabsichtigte Vertragsänderungen informiert werden. Wir möchten die europapolitischen Aktivitäten der Landesregierung diskutieren und Ähnliches mehr. Man kann über die einzelnen Punkte sicherlich Stück für Stück nachdenken: wie das passiert, was es bein

haltet und was die beste Form ist, um die Berichte entgegenzunehmen und zu diskutieren.

Ich kann mir denken, dass die Landesregierung und die CDU-Fraktion gleich aufstehen und sagen werden: Das brauchen wir gar nicht, wir kriegen bereits die Informationen.Wir informieren doch im Europaausschuss permanent, und ihr bekommt so viele Papiere. Wollt ihr noch mehr haben?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist aber nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass in der Tat in wichtigen europäischen Angelegenheiten der Landtag bisher außen vor ist. Lassen Sie mich dafür ein einziges Beispiel nennen.

Dass die Zeit dafür reif ist, die Bedeutung des Landtags auch in Fragen der Europapolitik zu betonen, zeigt folgender Vorgang: Seit einiger Zeit besteht ein informelles Netzwerk für die Subsidiaritätskontrolle im Ausschuss der Regionen. An diesem Netzwerk sind unter anderem sechs deutsche Bundesländer beteiligt. Von diesen Bundesländern werden drei durch ihre Landtage vertreten, eines durch seine Regierung und zwei durch die Staatskanzleien. Hessen gehört zur letzten Gruppe. Nun wissen wir auch, dass der stellvertretende Vertreter im AdR der Landtagspräsident ist.Das heißt aber noch lange nicht, dass der Landtag in diese Entscheidungen eingebunden wäre und wir davon erfahren hätten.

(Beifall bei der FDP)

Ganz im Gegenteil, wir haben erst in der letzten Sitzung des Europaausschusses von der Existenz des Netzwerks erfahren und konnten fragen, was dort gemacht wird.Wir haben gehört, wofür der Minister sich einsetzt, alles paletti, und wir haben es abschließend zur Kenntnis genommen. Das ist zwar hilfreich, aber es ist nicht der Umfang von Informationen, den wir uns vorstellen; deshalb unser Gesetzentwurf.

Ich will noch auf einen weiteren Punkt eingehen.Ich weiß, dass im Zuge der Verfassungsdiskussion auch über die Informationspolitik der Landesregierung an den Landtag gesprochen worden ist. Ich rate davon ab, dieses Thema auf die nächste Änderung der Hessischen Verfassung zu vertagen.

(Beifall bei der FDP)

Erstens wissen wir alle, dass es, gelinde gesagt, eine ganze Weile in Anspruch nehmen wird. Wir haben über Jahre diskutiert, ohne letztlich eine Einigung herbeizuführen. Das möchte ich diesem Projekt ersparen.

Zweitens sind die europäischen Angelegenheiten für sich genommen von einer so immensen Bedeutung, weil Europa 60 bis 70 % aller Gesetzgebungsvorgänge auch im Landtag direkt und indirekt mitbestimmt, dass hier eine Sonderregelung am Platze ist.

Drittens sind wir in der Phase, in der wir über die Endformulierung des neuen Grundlagenvertrags diskutieren. Da werden wir sehr schnell gefragt sein, Subsidiarität nach dem Subsidiaritätsprotokoll mit Leben auszufüllen. Darauf müssen wir uns vorbereiten. Das verträgt keinen Aufschub; deshalb dieser Gesetzentwurf von unserer Seite.

Ich muss sagen, die Landesregierung nimmt für sich in Anspruch, dass sie bis zum Schluss arbeitet. Das gilt aber auch für die FDP-Fraktion. Wir arbeiten bis zum Schluss dieser Wahlperiode.Es wäre daher schön,wenn wir diesen Entwurf noch verabschieden könnten. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Nächste Wortmeldung, Herr Abg. Dr. Lennert für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Roland von Hunnius, ich bin froh, dass Sie betont haben, dass die Landesregierung ordentlich informiert. Denn in der Begründung zu dem Gesetzentwurf steht unter „D.Alternativen“, dass die Abgeordneten des Hessischen Landtags in Fragen der Europäischen Union weiterhin unzureichend informiert würden. – Ich bin froh, dass Sie das korrigiert haben, was hier schriftlich niedergelegt ist.

Ich betone noch einmal, dass die Landesregierung regelmäßig im Europaausschuss ausführlich informiert und dass die Fragen zeitnah und umfassend beantwortet werden. Ich konnte auch den Protokollen der gesamten 16. Wahlperiode keine Beschwerden über eine unzureichende oder späte Information entnehmen.

Meine Damen und Herren, darüber hinaus ist kaum ein Dokumentenportal im Internet so aktuell, übersichtlich und genau wie das der europäischen Institutionen.Abgeordnete, Fraktionen und ihre Mitarbeiter sollten also selbst in der Lage sein, sich regelmäßig direkt zugängliche Informationen zu beschaffen und deren Bedeutung für das Land Hessen zu analysieren.

Was im Landtag behandelt wird und wozu er Stellung bezieht, unterliegt ohnehin der Entscheidung der Abgeordneten. Es ist unnötig, dass die Landesregierung – ich zitiere aus § 1 des Entwurfs – „dem Landtag Gelegenheit zur Stellungnahme“ gibt.

Wenn Abgeordnete und Fraktionen der Meinung sind, dass es Vorgänge in der Europäischen Union gibt, die die Interessen des Landes berühren oder gar die Subsidiarität verletzen, kann der Landtag die Beratung der Angelegenheit jederzeit an sich ziehen, notwendige Beschlüsse fassen und seine Forderungen artikulieren.

Es mag zwar einfacher sein, sich per Gesetz der Zwangszuarbeit der Landesregierung zu versichern. Schließlich kann aber den Abgeordneten niemand die Entscheidung abnehmen, welche Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union für das Land Hessen von erheblicher Bedeutung sind und „wesentliche Interessen des Landes unmittelbar berühren“, wie es im Gesetzentwurf der FDP formuliert ist.

Dies lässt sich nur ungenau definieren – Sie haben es selbst gesagt –, sodass beim vorliegenden Gesetzentwurf der Streit über die Beurteilung vorprogrammiert ist, über was informiert wird und über was nicht.

Meine Fraktion ist der Meinung, dass dieses Gesetz über die Information des Landtags in Angelegenheiten der Europäischen Union an der Wirklichkeit vorbeigeht und für die parlamentarische Arbeit nicht zwingend ist. Ich zitiere hier den Staatsmann und Philosophen Montesquieu: Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu erlassen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu erlassen.

(Florian Rentsch (FDP): Das sagt die richtige Fraktion! – Martin Häusling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Wie viele Gesetzesvorhaben haben Sie uns denn vorgelegt?)

Meine Damen und Herren, wir verschließen uns aber nicht weiteren Argumenten im Ausschuss, und ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Wortmeldung des Abg. Roland von Hunnius (FDP))

Das hätten Sie während der Rede ankündigen müssen. – Das Wort hat Frau Kollegin Christel Hoffmann für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist zutreffend,dass die Rechtsetzung der Europäischen Union ganz erhebliche Bedeutung für das Land Hessen hat. Inzwischen werden alle Politikbereiche von Vorgaben der Europäischen Union geprägt. Das ist eine Folge der europäischen Integration, hinter der wir alle politisch stehen und die wir auch begrüßen. Richtig ist auch, dass die Einbindung des Hessischen Landtags in die Angelegenheiten der Europäischen Union bislang nicht gesetzlich geregelt ist.

Der Europaausschuss erhält jedes Mal umfangreiche Berichte.Allerdings darf ich feststellen, dass auf Nachfragen keine ausreichenden Antworten gegeben werden können. Bislang besteht keine Verpflichtung der Landesregierung dazu. In die Willensbildung der Hessischen Landesregierung ist der Hessische Landtag ebenfalls nicht eingebunden. Nicht immer gleichen sich die Willensbildungen von Landtag und Landesregierung, wie das beispielsweise bei der Weinmarktverordnung der Fall ist.

Im Kern geht es bei diesem Gesetzentwurf um die Stärkung der Rechte des Hessischen Landtags in Angelegenheiten der Europäischen Union.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wir begrüßen das. Wir sollten aber überlegen, ob es der richtige Weg ist, dazu aus dem Parlamentsinformationsgesetz des Landes Schleswig-Holstein einen Paragrafen isoliert zu übernehmen. Herr Kollege Lennert, auch die CDU-Fraktion, trotz des Montesquieu-Zitats, war schon einmal weiter.

Die Enquetekommission der 15. Wahlperiode hat „sich mit der verfassungspolitischen Realität des Hessischen Landtags angesichts der politischen Veränderungen an Aufgaben auf bundesstaatlicher und europäischer Ebene“ befasst. Sie empfahl damals für beide Ebenen eine Verfassungsergänzung.

Bleiben wir zunächst bei der europäischen Ebene. Danach sollte die Landesregierung verpflichtet werden, den Landtag „zum frühestmöglichen Zeitpunkt über alle Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union“ zu informieren, „die für das Land von herausragender politischer Bedeutung sind und wesentliche Interessen des Landes berühren“, und „ihm die Gelegenheit zur Stellungnahme“ zu geben. Einzelheiten der Unterrichtung und der Beteiligung des Landtags sollten dann in einer Vereinbarung zwischen Landtag und Landesregierung geregelt werden.

Eine analoge Regelung wurde für die bundesstaatliche Ebene vorgeschlagen. Das ist eine Regelung, die ange

lehnt an die Gemeindeordnung von Baden-Württemberg übernommen worden ist.

Die Enquetekommission, die in dieser Legislaturperiode gearbeitet hat, hat diesen Vorschlag nicht übernommen. Er stand als Vorschlag aber zunächst im Raum.Es sind andere Bundesländer, z. B. Schleswig-Holstein, andere Wege gegangen. Sie haben dieses Problem mit einem sogenannten Parlamentsinformationsgesetz gelöst.

Die Frage ist für die SPD-Fraktion nicht, ob wir Informationspflichten der Landesregierung gegenüber dem Landtag regeln wollen – es geht schließlich um die Stärkung der Rechte des Parlaments –, sondern die Frage ist das Wie.

Nach Auffassung der SPD-Fraktion sollten wir das über eine Verfassungsergänzung tun, wie sie bereits die Enquetekommission der 15. Wahlperiode vorgeschlagen hat. Das wird eine der Aufgaben des Landtags der nächsten Wahlperiode werden. Wir sollten ernsthaft überlegen, ob es Sinn macht, Informationspflichten der Landesregierung gegenüber dem Landtag nur auf die Europäische Union zu beziehen.Weil es ein Problem ist, das sich nicht nur auf die Europäische Union bezieht, beantragen wir für die SPD-Fraktion die Überweisung dieses Gesetzentwurfs auch an den Hauptausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung, Herr Kollege Häusling für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir bedauern, dass die CDU-Fraktion so schnell über einen Gesetzentwurf hinweggeht, der es eigentlich bedürfte, dass wir ihn intensiv behandelten. Es gibt verschiedene Vorschläge – Frau Kollegin Hoffmann hat eben einen anderen Vorschlag eingebracht –, die sich damit beschäftigen, wie wir in Zukunft zielstrebig und systematisch informiert werden können und wie wir als Landtag unsere Mitwirkungsrechte wahrnehmen können.

Wir sind als Landtag gefragt, und wir wollen auch mitreden. Da sind wir uns im Kern einig. Über die Wege sollten wir uns dringend noch unterhalten. Ich gebe Ihnen recht, die Informationen, die das Parlament aus Brüssel bekommt, waren schon einmal schlechter. Das heißt aber nicht, dass das, was wir jetzt als Bericht im Europaausschuss bekommen, der Weisheit letzter Schluss ist. Es gab auch einmal die Kritik im Europaausschuss, dass das, was Herr Kollege Hoff vorlegt, teilweise stark EVP-lastig war. Man hatte den Eindruck, es sei aus bestimmten Pressespiegeln abgeschrieben gewesen.

Wir sind auch nicht daran interessiert, wie intensiv der Europaminister sich daran abarbeitet,etwas gegen die europäische Strategie gegen den Alkoholmissbrauch zu tun. Das sind bestimmte Nebenaspekte, die meistens nicht den Kern treffen.

Der angeregte Weg über ein Gesetz – Herr Kollege von Hunnius, Sie haben das ja 1 : 1 aus Schleswig-Holstein übernommen – könnte eine Alternative sein, ist aber mit Sicherheit nicht das Letzte. Ich tendiere auch eher wie die Kollegin Hoffmann dazu, dass wir für die Information des Hessischen Landtags ein Landtagsinformationsgesetz be

nötigen.Auch darüber sollten wir uns ernsthaft Gedanken machen.

Das, was im Grunde genommen von allen europapolitischen Sprechern als Problemstellung immer wieder in den Raum geworfen wird, sollte auch der CDU nicht ganz neu sein. Es gab im Jahr 1995 eine sehr interessante europapolitische Debatte in diesem Parlament. Damals haben die Fraktionsvorsitzenden Roland Koch, Armin Clauss, Fritz Hertle und Ruth Wagner gemeinsam einen Antrag eingebracht, der sich damit beschäftigte, dass der Landtag besser informiert werden sollte. Ich zitiere: „Die Landesregierung wird aufgefordert, die ihr... in Angelegenheiten der Europäischen Union zugehenden Informationen unverzüglich dem Landtag zuzuleiten“ und „die ihr rechtzeitig zugegangenen Stellungnahmen des Landtags zu Vorhaben der Europäischen Union, die die Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder wesentlich berühren, bei ihrer Meinungsbildung zu berücksichtigen.“