Protocol of the Session on July 4, 2007

Herr Ministerpräsident, warum ist das so? Und vor allen Dingen: Was wollen Sie tun, damit sich dieser schlechte Zustand in unserem Land ändert?

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Ministers Dr.Alois Rhiel)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zum letzten Indikator. – Herr Wirtschaftsminister, Sie können die Zahlen bestreiten.

(Minister Dr.Alois Rhiel: Ich mache das nachher!)

Eines aber geht nicht – nämlich das, was Sie in den letzten Jahren getan haben. In den letzten Jahren haben Sie dieses Problem schlicht ignoriert.

Die erste Voraussetzung dafür, dass man ein Problem lösen kann, besteht darin, es zu erkennen. Weder Sie, Herr Wirtschaftsminister,noch Sie,Herr Ministerpräsident,waren bisher auch nur bereit, anzuerkennen, dass sich alle anderen Bundesländer um uns herum objektiv besser entwickeln. Es ist nicht hessische Tradition, dass die Rheinland-Pfälzer eine niedrigere Arbeitslosenquote haben als wir.

(Beifall bei der SPD – Zurufe des Ministers Dr. Alois Rhiel und des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Herr Wirtschaftsminister, das ist nicht der Dramaturgie der Rede geschuldet, sondern der Dramatik der Zahlen. Ich wiederhole es nochmals: Unser Bundesland Hessen hat sich bei allen wirtschaftlichen Indikatoren schlechter entwickelt als alle umliegenden Bundesländer.

Herr Ministerpräsident, es ist auch keine rhetorische Frage, sondern ich denke, dieses Parlament darf tatsächlich eine Antwort auf die Frage erwarten, und zwar jetzt, was Sie zu tun gedenken, um diese negative Entwicklung in unserem Land umzukehren, was Sie zu tun gedenken, damit Hessen wieder dahin kommt, wo – ich denke, das sollte außer Streit stehen – unser Bundesland hingehört, nämlich ganz nach oben.

In den letzten Jahren haben Sie dazu nichts gesagt. Deshalb bin ich nicht ganz sicher, ob Sie, Herr Ministerpräsident, heute in dieser Debatte etwas dazu sagen können. Sicher bin ich mir aber, dass Sie dazu nichts Fundiertes werden sagen können; denn Sie haben in den letzten beiden Jahren ebenfalls nichts zu diesem Thema gesagt.

(Beifall bei der SPD)

Im Prinzip ist dieses Problem nicht neu. Wir reden über Fehler, die in der Vergangenheit gemacht wurden. In den Jahren vor 2004 befand sich Deutschland am Rande einer schweren Rezession. Die Rot-Grünen haben sich in Berlin abgestrampelt,

(Michael Boddenberg (CDU):Ach du liebe Zeit!)

um unser Land mit Reformen wieder zukunftsfähig zu machen. Aber Sie und Ihre Ministerpräsidentenkollegen von der Union haben im Bundesrat alles blockiert,

(Zurufe von der CDU)

damit es in unserem Land nicht nach vorne geht. In Hessen und in anderen Ländern haben Sie dann beklagt, dass sich nichts bewegt.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt kann man sagen: Das ist Politik. Das waren nicht Sie alleine, das waren alle Ministerpräsidenten der Union.

(Minister Dr.Alois Rhiel: Gestrampelt haben alle!)

Herr Ministerpräsident, angesichts dieser Entwicklung in den anderen Bundesländern muss man aber feststellen, dass die anderen Ministerpräsidenten zwar genauso blockiert und nach Berlin gedeutet haben wie unser Ministerpräsident Koch – dass die aber diese Zeit genutzt haben, um ihre Länder so zu verändern, dass sie in der dynamischen Entwicklung an Hessen vorbeiziehen. Herr Ministerpräsident, auch diese Entwicklung haben Sie verschlafen.

(Beifall bei der SPD)

Man kann ja gelangweilt tun, aber schauen Sie, wir haben momentan das wahrscheinlich stärkste Weltwirtschaftswachstum der letzten 100 Jahre.

(Zuruf des Abg. Michael Siebel (SPD))

Wir haben die Situation, dass alle anderen alten Industrienationen von der Globalisierung weniger profitieren als Deutschland. Wir haben die Situation, dass der internationale Warenaustausch in einer Art und Weise boomt, wie wir das noch nie gekannt haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Bundesland Hessen mit seiner exportorientierten Wirtschaft und seinem internationalen Finanzsektor, seinem Flughafen, der der zentrale Flughafen in Deutschland, ja in Kontinentaleuropa ist, mit seiner Logistikbranche im Zentrum Deutschlands müsste in dieser Situation weltwirtschaftlichen Wachstums eigentlich an der Spitze des Wachstums in Deutschland stehen. Herr Ministerpräsident, warum, glauben Sie, ist trotz dieser hervorragenden Außenbedingungen, die wohl noch niemals besser waren, unser Bundesland schlechter als beispielsweise Rheinland-Pfalz oder Hamburg? Herr Ministerpräsident und auch Herr Wirtschaftsminister, es wird Zeit, dass wir in diesem Land Hessen wieder mit einer aktiven Wirtschaftspolitik zu agieren, zu regieren beginnen; denn sonst werden die anderen so weit an uns vorbeiziehen, dass diese traditionelle Stärke unseres Bundeslandes in den nächsten Bestandsrankings nicht mehr gegeben sein wird.

(Beifall bei der SPD)

Ich will Ihnen einige Beispiele geben. Angesichts der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit kann man es nur bei Stichworten belassen.

Erstens. Herr Ministerpräsident, der Ausbau des Frankfurter Flughafens dauert viel zu lange.

(Lachen des Ministers Dr. Alois Rhiel – Dr. Chris- tean Wagner (Lahntal) (CDU): Das gibts doch nicht!)

Die Weltwirtschaft und der Warenverkehr wachsen. Sie haben 1999 angekündigt, im Jahr 2006 die neue Bahn in Betrieb gehen zu lassen.

(Beifall der Abg. Brigitte Hofmeyer (SPD) – Zurufe von der CDU)

Mittlerweile hoffen Sie, das Jahr 2011 zu erreichen.

(Dr.Christean Wagner (Lahntal) (CDU):Sie haben mit Rot-Grün überhaupt nichts erreicht! – Michael Boddenberg (CDU): Herr Walter, Sie dürfen noch nicht einmal darüber reden!)

Einmal ganz ehrlich: Sie kündigen den Planfeststellungsbescheid für Ende dieses Jahres an. Herr Ministerpräsident, tatsächlich wissen Sie nach wie vor nicht, wie Sie gegenüber der Lufthansa und den anderen Unternehmen, die im Vertrauen auf die Eröffnung eines rund um die Uhr nutzbaren internationalen Weltflughafens Hunderte von Millionen Euro investiert haben, ein absolutes Nachtflugverbot umsetzen wollen.

Wahrscheinlich schreiben Sie es in den Planfeststellungsbeschluss mit hinein, obwohl Ihnen Ihre eigenen Juristen sagen, das sei relativ schwierig.

Ich halte das für einen unglaublichen Vorgang. Seit acht Jahren ist das Nachtflugverbot eines der zentralen Themen dieses Ausbaus. Nach wie vor aber verweigern dieser Ministerpräsident und auch sein Genehmigungsminister jede hauchdünne Andeutung darüber, wie dieses Nachtflugverbot umgesetzt werden soll.

(Beifall bei der SPD)

Herr Wirtschaftsminister, wissen Sie, warum das Bundesland Hamburg in diesem Dynamik- und Bestandsranking so hervorragend abschneidet und in der Tabelle wirklich ganz nach oben gekommen ist?

(Ministerpräsident Roland Koch: Sicher nicht, weil sie ein Nachtflugverbot haben!)

Wegen des Hafens, wegen des internationalen Warenverkehrs, der über diesen Hafen abgewickelt wird.

(Michael Boddenberg (CDU): Sollen wir einen Seehafen bauen?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit unserem Flughafen hätten wir auch eine solche Entwicklung gemacht.

Zweitens.Sie investieren viel zu wenig in die Infrastruktur in unserem Lande. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Dynamikranking hat uns nachgewiesen, dass die kommunalen Investitionen in keinem anderen Land so gering sind wie in Hessen.Leidtragende dieser Situation sind die Handwerker. Denen fehlen die Aufträge.

(Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP) – Michael Boddenberg (CDU):Wo waren Sie denn gestern?)

Leidtragende dieser Situation sind aber auch die Bürgerinnen und Bürger, die auf diese Leistungen angewiesen sind.

Herr Boddenberg, auch bei Ihnen in Frankfurt sind viele Klos an den Schulen genauso verstopft wie die hessischen Straßen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg.Michael Bod- denberg (CDU))

Herr Ministerpräsident, an dieser Stelle: Mit den Straßen haben wir immer Spaß.Vor acht,nein,vor neun Jahren hat der Oppositionspolitiker Roland Koch quasi auf dem Bagger mit laufendem Motor gesessen und gesagt: Wenn wir dran sind, werden die A 44 und die A 49 gebaut.

Herr Ministerpräsident, heutzutage schieben Sie die Verantwortung dafür, dass quasi nichts passiert ist, auf einen kleinen Molch, der nachgewiesenermaßen das deutsche Planungsrecht nicht kennt. Was Sie in den letzten acht Jahren in dieser wichtigen Frage geleistet haben, kann man mit einem Wort zusammenfassen: nichts.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.