Ich will Ihnen die derzeitige Situation der Biobranche schildern. Sie ist nicht nur besorgniserregend, sondern in weiten Teilen katastrophal.
Nicht umsonst hat der Verband der deutschen Biokraftstoffindustrie diese Besteuerungsform für die mittelständisch geprägte Biodieselbranche als Tod auf Raten bezeichnet. Der Absatz von Biodiesel ist in Hessen – man höre und staune – je nach Landesteilen zwischen 30 und 70 % zurückgegangen. Die hessische Erzeugergemeinschaft für nachwachsenden Rohstoff fürchtet um die Existenz der Erwerbsbauern und macht klar und deutlich die Besteuerung des Kraftstoffes dafür verantwortlich.
Bereits bei der Verabschiedung dieser Biokraftstoffbesteuerung im Jahre 2006 hat die FDP die Auffassung vertreten, dass eine reine Steuerbegehrlichkeit der großen Koalition im Vordergrund der Überlegungen stand. Es ging um das Abkassieren und um nicht mehr und nicht weniger.Das führt nunmehr zu einer Existenzvernichtung in der hessischen Landwirtschaft, wie es der Landwirtschaftsminister nachfühlen kann.
Aber nicht nur in der Landwirtschaft – einschlägigen Fachzeitschriften ist zu entnehmen, dass in diesem Bereich bis zu 150.000 Arbeitsplätze auf der Kippe stehen, wenn die Besteuerung beibehalten wird. Deshalb unterstützen wir die von 27 Biodieselproduzenten beim Bundesverfassungsgericht eingereichte Klage gegen diese Besteuerungsform. Wir halten sie für gerechtfertigt und unterstützen ihre inhaltliche Forderung, dass künftig sichergestellt werden muss, dass mineralischer Dieselkraftstoff an der Tankstelle nicht günstiger als Biodiesel angeboten werden kann. Im Bereich von Biodiesel ist in den letzten 15 Jahren sehr erfolgreich ein zukunftsorientierter Markt aufgebaut worden. Es sind reichlich Investitionen
von der Landwirtschaft, von Speditionsunternehmen und vor allen Dingen von der Biokraftstoffbranche getätigt worden. Mit der Einführung des Energiesteuergesetzes und des Biokraftstoffquotengesetzes wurde als Begründung angeführt, dass man eine Überkompensierung hinsichtlich der steuerlichen Begünstigung von Biodiesel vermeiden wolle und deshalb eine stufenweise ansteigende Besteuerung von reinen Biokraftstoffen beschlossen habe.
Laut diesem Energiesteuergesetz steigen die Steuersätze für Biodiesel und Pflanzenöl in den nächsten Jahren von 9 bzw. 10 Cent pro Liter stufenweise bis auf 45 Cent pro Liter im Jahre 2012. Das Energiesteuergesetz ist zum 1.August 2006 – ich will die Daten einmal nennen – in Kraft getreten, und seit dem 1. Januar 2007 gilt das Biokraftstoffquotengesetz.
Meine Damen und Herren, es wurde deutlich: Bereits im Herbst des Jahres 2006 – so feinfühlig ist der Markt, so schnell reagiert er – ließ sich feststellen, dass der Biodiesel an Wettbewerbsfähigkeit verloren hat und dem Verbraucher schlichtweg der wirtschaftliche Anreiz fehlt, Biodiesel zu tanken. Der Absatz von reinem Biodiesel ist schon um 50 % eingebrochen.
Derzeit hat Deutschland eine Produktionskapazität von 4,8 Millionen Tonnen Biodiesel.Nach der Verabschiedung des von mir genannten Biokraftstoffquotengesetzes ist seit Januar 2007 gültig, dass 4,4 % Biodiesel dem mineralischen Diesel beigemischt werden müssen. Es wurde keine Entlastung in der Produktion erreicht. Zur Erfüllung der Quotenverpflichtung werden lediglich 1,5 Millionen Tonnen genutzt. 4,8 Millionen Tonnen Produktkapazität haben wir.
Deshalb – Fehler Nummer 1 – stelle ich fest, die Erfüllung der Quotenverpflichtung erfolgt vornehmlich an den großen Konzernstandorten, die wassernah gelegen sind. Das wissen wir alle.Und die Mineralölgesellschaften schließen weitgehend die mittelständischen Hersteller von Biodiesel aus, weil sie diese Liefermengen gar nicht liefern können, sie die Mengen woanders her beziehen und vor allen Dingen zunehmend auf Importprodukte zurückgegriffen wird.
Fehler Nummer 2. Die erhöhten Produktionskosten von Biodiesel – ich denke, das ist unstrittig – im Vergleich zur mineralischen Konkurrenz können jetzt nicht mehr kompensiert werden. Die Zwangsbeimischung bei herkömmlichem Diesel wird nach den Berechnungen der Biokraftstoffindustrie diesen Volumenverlust nicht ersetzen können, wird diese Mengen, die jetzt im Wettbewerb verloren gehen, nicht verbrauchen. Das ist der eine Teil.
Der andere Teil – das ist eine besonders verheerende Situation – sind die in vielen Regionen angeschafften und installierten dezentralen Rapsölpressen, die seit Herbst 2006 mit einem dramatischen Absatzrückgang leben mussten, und das in einer Zeit, in der der Klimaschutz hochaktuell und immer wichtiger wird und in dem jeder das Thema Klimaschutz im Munde führt.
Ich will an drei Zahlen deutlich machen, wie sehr das Biodiesel und das reine Pflanzenöl ein CO2-freundlicher Kraftstoff sind. Und zwar wird von der großen Koalition abkassiert und besteuert.1 Liter Biodiesel kann eine Minderung von 2,5 kg CO2-Ausstoß bewirken. Die Pflanze nimmt nämlich CO2 in ihrem Wachstum auf. Jetzt rechnen
wir einmal. Der durchschnittlich Hektar-Ertrag Biodiesel von 1.600 l macht auf den Hektar 4 t aus, die gebunden werden, und zwar durch den Anbau von Biodieselpflanzen, durch den Anbau von Rapspflanzen. Das ist gelebter Klimaschutz, der von der großen Koalition mit Füßen getreten wird.
Es ist wider jede ökologische und auch wirtschaftliche Vernunft. Das habe ich Ihnen deutlich gemacht. Die EUKommission hat das auch in ihren Vorschlägen zur Förderung von Biokraftstoffen aufgezeigt. Die EU fordert, dass bis zum Jahr 2020 verbindliche Mindestanteile von 10 % am Kraftstoffmarkt durch Biokraftstoffe erreicht werden sollen. Das ist eine Seite.
Die zweite Seite ist, dass wir erleben müssen, dass durch die Besteuerung nach Aussage der UFOP, die Union zur Förderung von Protein- und Eiweißpflanzen, für das Jahr 2008 – man muss ja vorausschauend planen – im Grunde kein Vorkontrakthandel mehr für die Vermarktung von Biodiesel stattfindet.Wer weiß,was das auch für die Landwirtschaft im Hinblick auf den Absatz ihrer Waren in der laufenden Ernte im Endeffekt bedeutet – das wird eine sehr schwierige Situation für die hessische Landwirtschaft werden, und nicht nur für die Landwirtschaft. Sondern ich habe auch die Biodieselanlagenherstellungskapazitäten genannt. Diese Anlagen sind zum Teil mit öffentlichen Investitionen gefördert worden und sind bei weitem nicht mehr ausgelastet.
Laut UFOP ist zu befürchten, dass dort kurzfristig mit Insolvenzen zu rechnen ist. Das wiederum betrifft auch die hessische Landwirtschaft. Herr Landwirtschaftsminister, das wissen Sie. Das können wir ganz deutlich an denen ausmachen, die sich an einer Anlage mit eigenem Geld beteiligt haben. Dieses wäre auch in den Sand gesetzt. Nachdem man sehr schwierige Jahre überstanden hat und jetzt glaubte, auf einem Weg der Konsolidierung zu sein, ist mit dieser Besteuerung alles kaputt gemacht.
Die UFOP hat die Berechnung der Bundesregierung, die zur Einführung der Steuer geführt hat, weitergerechnet und festgestellt, dass derzeit bei Biodiesel eine Unterkompensation von 8 Cent pro Liter vorliegt, d. h. 8 Cent Steuern, die jetzt schon zu viel gezahlt werden müssen. Nach Berechnung der UFOP wird dies sogar noch mit der nächsten Steuerstufe auf 14 Cent ansteigen.
Meine Damen und Herren, da kann ich nur die Großkoalitionäre auffordern:Treten Sie auf die Bremse, ziehen Sie die Handbremse an, drehen Sie das Fahrzeug und fahren Sie nicht weiter in die falsche Richtung, schlagen Sie den richtigen Weg ein.
Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, noch vor der Sommerpause ein Gesetz in den Bundesrat mit dem Ziel einzubringen, die praktizierte Besteuerung von Biokraftstoffen zu korrigieren.Aus Gründen des Vertrauensschutzes muss wegen dem, was in anderen Bereichen – ich sage nur: Gasprom – gilt, mindestens bis 2009 von dem Energiesteuergesetz eingeführten Besteuerung abgesehen werden. Die kommenden Stufen sollten dann überprüft und gegebenenfalls auch ausgesetzt werden.
Die derzeit im Energiesteuergesetz festgelegten Steuersätze für Biodiesel und Pflanzenöl gehören abgeschafft. Das war unsere Forderung von Anfang an, gerade wenn
Ich will eines hinzufügen. Die für 2009 beschlossene Quotenförderung über die gesamte Höhe, also den Beimischungszwang von 4,4 % auf 6,25 %, muss und sollte um ein Jahr vorgezogen werden, um hier doch noch Absatzmärkte zu öffnen.
Abschließend möchte ich festhalten – das kommt höchst selten vor, ich weiß nicht, woran es liegt, aber es ist nun einmal so –: In diesem Fall sind wir einmal einer Meinung. Die SPD ist nämlich einer Meinung mit der FDP. Herr Kollege Schmitt, Frau Ypsilanti, da sehen wir Sie auf unserer guten liberalen Linie,
Dieser Erkenntnisgewinn, der bei der SPD eingesetzt hat, bestätigt das, was die FDP bereits früher vorgetragen hat. Er bestätigt nämlich die Befürchtung, dass mit der Besteuerung der Markt kaputt gemacht wird. In einem weiteren Punkt sind wir einig, dass viele Speditionsunternehmen zum Tanktourismus zurückkehren werden, wie wir es in früheren Jahren hatten, wenn die Routen so ausgelegt werden, dass man in anderen Bereichen tankt. Das wiederum – darüber wird sich Herr Steinbrück freuen – führt zu Steuerrückgängen in diesen Bereichen.
Nun muss man aber, wenn man zu dieser Erkenntnis kommt, auch aufseiten der SPD, die Schlussfolgerung daraus ziehen. Frau Ypsilanti, hier kann ich Sie nur auffordern, nicht nur die Lippen zu spitzen, sondern zu pfeifen und in Berlin dazu beizutragen, dass die Große Koalition das ändert.
(Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Als Ministerpräsidentin hat sie dann noch mehr Durchschlagskraft!)
Tragen Sie dazu bei, dass die Große Koalition von Ihrem Erkenntnisgewinn profitiert,begangene Fehler eingesteht und den Schaden wieder gutmacht, den sie bisher in der Biokraftstoffbranche schon angerichtet hat.
Gestatten Sie mir einen letzten Satz. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie derzeit durch die Landschaft fahren und links und rechts in diese Landschaft schauen, sehen Sie wunderschöne gelb blühende Felder. Ich kann nur jeden auffordern, diese wunderschöne gelbe Landschaft zu genießen. Sie wird Ihnen kostenlos von der Landwirtschaft zur Verfügung gestellt. Sie sollten das genießen und unserem Antrag als Signal für eine Chance für den Biokraftstoff zustimmen. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Diese Debatte ist in vielerlei Hinsicht spannend, weil sie einen Auszug aus dem Innenleben aller deutschen Parteien darstellt. Das fängt an mit der FDP. Bei der FDP ist es relativ deutlich: Sie ist immer dann für ganz gnadenlose Marktwirtschaft und gegen Subventionen, wenn es nicht um Landwirtschaft geht.Wenn es um die Landwirtschaft geht, ist es anders. Das Spannende ist, es wechselt mit der Zeit. Als der Bundestag die Steuerbefreiung für Biokraftstoffe beschlossen hat,hat eine Partei im Bundestag dagegen gestimmt. Es war die FDP. Damals hatte sich der andere Teil der FDP durchgesetzt.
Es ist in der Tat ein Konflikt. Es geht nicht nur um eine konkrete Entscheidung; es geht darum, dass wir immer wieder abwägen, welche Intervention wir wollen und welche nicht. Lieber Heinrich Heidel, ich möchte es gerne im Protokoll festgehalten haben. Ich nehme zur Kenntnis, dass die FDP in dieser Frage sagt: Wir wollen eine über staatliche Steuer geregelte Intervention in einem Markt, damit wir eine Durchsetzung von Biodiesel begünstigen.– Ich will das gerne im Protokoll festgehalten haben, weil wir an anderen Stellen wieder darüber streiten werden.
Zweiter Punkt: das Innenleben der Großen Koalition. Spannend ist das Verhältnis der beiden Partner der Großen Koalition. Heinrich Heidel, dort gibt es auch einen Konflikt, den man sehr präzise beschreiben kann. Ich kenne einen Finanzminister, der bei der Verteidigung seiner Ablehnung einer weiteren Steuerbegünstigung gesagt hat: Im Zuge des Subventionsabbaus, den ich mit Herrn Koch vereinbart habe, werde ich diese Geschichte durchexerzieren müssen.
Nein, es geht nämlich nicht um Ausreden. Es geht darum, die Konflikte deutlich zu machen. – Ich will an der Stelle, um auf Heinrich Heidel zu antworten, verdeutlichen:Wir haben nicht gewartet.Im Mai 2006 haben 60 % der SPD-Bundestagsfraktion, darunter fast alle hessischen Abgeordneten, in einem großen Antrag der SPDFraktion gesagt:Wir wollen diese Regelung nicht.
In der CDU-Fraktion ist gar nichts passiert. In dieser Frage hat sich der Koalitionspartner gegen die Position der SPD durchgesetzt, die gesagt hat:Wir wollen, dass die Wertschöpfung im Lande bleibt, wir wollen nicht nur über Biokraftstoffe reden, während gleichzeitig in den Produktionsländern Brandrodung, Erosion und Ähnliches vonstatten gehen. Damit wird die Entwicklungszusammenarbeit eher gestört als gestärkt.
Wir sollten hier einen neuen gemeinsamen Ansatz finden. Es deutet vieles darauf hin,diese Grundposition ein Stück weit durchzusetzen, weil sie uns, den Landwirten in Hessen, hilft und, mit Verlaub, ein Stück des Raubbaus in den Ländern der Massenproduktion stoppt.
Bei einem anderen Punkt wird es schon wieder grundsätzlicher. Wir sollten eine strittige Debatte von gestern wieder Revue passieren lassen. Was passiert hier eigentlich gerade strukturell? Strukturell ist es so, dass eine Gesetzesentscheidung auf bestehende großindustriell ausgelegte Versorgungsstrukturen setzt. Das haben wir gestern