Das sind doch Fakten,die Sie nicht einfach wegreden können. Das ist ein Verlust von Qualität in unserer Hochschullandschaft. Das können Sie in Hessen mit einer Marketingabteilung und mit einer Regierungserklärung als Erfolg Ihrer Politik bezeichnen.
Ich komme zu Ihrer leistungsorientierten Mittelzuweisung. Darüber haben wir schon verschiedentlich diskutiert. Das Modell, das Sie entwickelt haben, ist doch keine Mittelzuweisung. Das ist eine Abkehr davon. Es ist ein Verteilsystem eines bestimmten Betrages X. Die leistungsorientierte Mittelzuweisung, die Frau Wagner gemacht hat, war ein gänzlich anderes Modell gewesen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,wir können uns darüber streiten, in welchen Schritten wir zu einer Verbesserung kommen.Wir haben Ihnen Jahr für Jahr vorgerechnet, was an Hessens Hochschulen fehlt – zuletzt 300 Millionen c im Jahr 2004. Das sind Fakten, mit denen Sie sich auseinandersetzen müssten, aber Sie tun es nicht in Ihrer realen Hochschulpolitik.
Ein dritter Punkt: soziale Rahmenbedingungen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich werde nicht müde werden, diese Landesregierung darauf hinzuweisen, dass ihr Weg der Einführung von Studiengebühren der falsche Weg ist.
In diesen Tagen wird die Unterschriftensammlung zum Volksbegehren von unten mit Erfolg gekrönt werden und werden die notwendigen Unterschriften zur Einreichung einer weiteren Verfassungsklage gesammelt sein.
Herr Boddenberg, wenn Sie das seitens der CDU diskreditieren. Ich weiß, dass in den von Ihnen regierten Kommunen den Initiativen – getragen von DGB und der Landesastenkonferenz – alle Knüppel zwischen die Beine geschmissen worden sind, die man nur zwischen die Beine schmeißen kann.
(Michael Boddenberg (CDU): Ach du liebe Zeit, als wenn die sich Knüppel zwischen die Beine schmeißen ließen!)
Und Sie als Frankfurter führen noch das Wort. Wir werden in den ersten Tagen nach der Regierungsübernahme die Studiengebühren abschaffen, weil sie sozial ungerecht sind und weil sie sich gegen die Köpfe, die wir in unserem Land mobilisieren müssen, richten.
Lassen Sie mich zur sozialen Lage noch eine zweite Bemerkung machen, zum BAföG. Die Koalitionsvereinbarung in Berlin legt fest,dass in dieser Legislaturperiode an der Ausbildungsförderung nichts verändert wird. Ich sage bewusst: Das ist für die SPD ein Erfolg gegenüber der Diskussion, die wir immer wieder aus der CDU hören, die am liebsten das BAföG ganz abschaffen oder zumindest auf Volldarlehen umstellen will.
Vor dem Hintergrund, dass wir aber alle Köpfe brauchen, müssen wir in Zukunft, nach 2009, auch am BAföG in der Höhe und in der Struktur Veränderungen vornehmen. Das ist die Maßnahme, die – getragen vom Bund gemeinsam mit den Ländern – vollzogen werden muss,um wieder mehr soziale Gerechtigkeit für diejenigen, die an Hochschulen studieren wollen, walten zu lassen.
Vierter Punkt. Wir brauchen Innovation, und wir brauchen Wissenstransfer. Die Wissensregion Hessen ist suboptimal aufgestellt.Wenn ich das als Oppositionspolitiker sagen würde, würden Sie sagen: Na ja, das ist geneigt.
Herr Boddenberg, nein, ich zitiere den Innovationsmonitor des Hessischen Statistischen Landesamtes. Jetzt schauen Sie einmal ein bisschen bescheidener unter sich. Dieser stellt fest, dass der Mut zu eigenständigen Investitionen im mittelständischen Bereich in Forschung und Entwicklung als eher zurückhaltend einzustufen ist. Dieser Bericht sagt,dass sich die Ausgaben für Forschung und Entwicklung im Zeitraum von 1997 bis 2003 – Herr Boddenberg, da haben Sie regiert, das wollte ich Ihnen gerade einmal sagen – nicht verändert haben, ganz im Gegensatz zu den Zentren in Bayern und Baden-Württemberg.
Staatsminister Corts hat darüber gesprochen. In Hessen liegen wir immer noch unter dem Lissabon-Ziel, 3 % des Inlandproduktes für Forschung und Entwicklung auszugeben – ganz im Gegensatz zu den Zentren in Berlin,Bayern und Baden-Württemberg, die schon seit Längerem über 3 % liegen.
Herr Reißer, das erzähle ich deshalb immer wieder, weil es wahr ist und Sie diese Realität offenbar nicht wahrnehmen wollen. Das ist doch Ihr Problem.
In Hessen steuert die Wirtschaft 82 % zu. Der Staatsfaktor beträgt nur 6 %, die Hochschulforschung 12 %.
Herr Boddenberg, das tue ich hiermit. Ich lobe an diesem Punkt die Wirtschaft in Hessen ausdrücklich, insbesondere die im Rhein-Main-Gebiet. Aber genauso kritisiere ich diese Landesregierung, die es offensichtlich nicht auf die Reihe bringt, ihren Anteil zur Verwirklichung der Lissabon-Strategie und des Lissabon-Zieles umzusetzen. Das ist das Problem.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist festzustellen, dass in Hessen die Forschung zunehmend kapitalisiert wird. Das ist ein Punkt, der nicht in die Abteilung Lob der Wirtschaft gehört, denn Kapitalisierung der Forschung heißt, dass dies Arbeitsplätze vernichtet und somit Innovationspotenzial in der Region zerstört wird.
Es geht nicht nur um eine Bezugnahme auf die Anwendungsmöglichkeiten oder die notwendigen Abstimmungen von Ausbildungsinhalten in Bezug auf die Praxistauglichkeit der Absolventen. Es geht um die Wahrnehmung von gesellschaftlicher Verantwortung des Wissenswirtschaftssystems auf der einen Seite und um die verfassungsmäßige Freiheit der Lehre und Forschung auf der anderen Seite. Diese wird im Rahmen der eigenverantwortlichen Organisation der Hochschulen zuerst deren Auftrag und deren Aufgabe sein und ihren Niederschlag in Zielvereinbarungen zwischen den Hochschulleitungen und den Fachbereichen finden.
Dazu gehört auch die Bildung gemeinschaftlicher Institutionen von Universitäten und Fachhochschulen. Aber gerade zwischen mittelständischen Unternehmen und Hochschulforschung muss die Kooperation in regionaler Verantwortung verbessert werden, müssen die Aktivitäten der Hessen-Agentur, des TTN, der regionalen Transfernetzwerke neu ausgerichtet werden.
Wir werden deshalb an hessischen Hochschulen den Prozess der Ideenfindung und der Patentierung bis hin zur Vermarktung des Wissens voranbringen. Den Hochschulen und Forschungseinrichtungen muss über ein hessisches Verwertungsnetzwerk Hilfestellung bei der Patentierung und der Verwertung gegeben werden. Da sage ich auch: Etwaige Erträge müssen zumindest zu einem Teil den Hochschulen für weitere Entwicklungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden.
Fünfter Punkt. Hessen ist ein Hochschulland der Regionen. Wir brauchen in Hessen eine Hochschulentwicklungsplanung. Wir wissen, dass 80 % der Wertschöpfung dieses Landes in Südhessen generiert werden.Wir wissen, dass 36 % der Ausgaben für Forschung und Entwicklung in Südhessen getätigt werden, in Mittel- und Nordhessen jeweils nur 6 %. Daraus resultiert entsprechend die Anzahl der Patentanmeldungen.
Aber ich habe bereits gesagt, dass dies nicht oder nur zu einem geringen Teil Verdienst der Hochschulen oder der Hochschulforschung ist. Gerade deshalb ist es wichtig, dass Hochschulentwicklung in Hessen nicht nur als Hochschulentwicklung in Frankfurt zu verstehen ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe Verständnis dafür, wenn der Wissenschaftsminister als Abgeordneter aus Frankfurt und als Unterbezirksvorsitzender, als Vorsitzender des Unterbezirks Frankfurt
seien Sie doch nicht so aufgeregt, Herr Boddenberg, das ist alles die Realität –, ein besonderes Augenmerk auf Frankfurt legt. Deshalb wiederhole ich unsere Forderung nach einem Landeshochschulentwicklungsplan für Hessen. Wir brauchen eine abgestimmte Planung und Entwicklung der fünf Hochschulregionen mit eigenem Profil und mit einem guten University Management.
Dazu gehört der Hochschulbau. Zu den Planungen habe ich schon Entsprechendes gesagt. Dazu gehört auch, dass Sie die Chance des Hochschulpaktes 2020 aufnehmen. Sie haben nach mehrfacher Aufforderung der Opposition jetzt endlich gesagt: Ja, wir schaffen in Hessen die 8.803 Plätze. – Nach mehrfacher Aufforderung der Opposition haben Sie es jetzt kundgetan.
Herr Corts, den Hochschulpakt 2020 kann man so saft-, kraft- und ideenlos administrieren, wie Sie das getan haben, nämlich die Mittel nach dem Prinzip „Gießkanne“ auf alle hessischen Hochschulen verteilen. Sie können aber auch mit der Verwirklichung des Hochschulpakts 2020 gestaltend wirken, indem Sie z. B. sagen: Wir versuchen über diese Methode,das Ziel 40 % der Studienplätze an den Fachhochschulen zu realisieren. – Das wäre nach unserem Verständnis ein gestaltender Hochschulpakt 2020 und nicht nur ein administrierender. Sie administrieren, und an dem Punkt verwehren Sie sich, zu gestalten.
Sechster Punkt. Ich war überrascht, erstaunt und erfreut, dass Sie in Ihrer Rede Ihr großes Interesse am Thema Frauenförderung kundgetan haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir hören die Worte gern.Aber, Herr Staatsminister Corts, darf ich Sie einmal daran erinnern, dass es Anträge der SPD-Fraktion zur leistungsorientierten Mittelzuweisung im Hinblick auf die Frauenförderung gegeben hat, Anträge, die von den Vorschlägen der Landeskonferenz der Frauenbeauftragten an den Hochschulen getragen waren? Herr Staatsminister, darf ich Sie an die Haushaltsanträge der SPD-Fraktion erinnern, in denen wir die Förderung von Graduiertenschulen insbesondere zur Förderung des weiblichen Nachwuchses gefordert haben? Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU – Herr Corts, Sie sind Mitglied der CDUFraktion –, darf ich Sie daran erinnern, dass Sie all diese Anträge abgelehnt haben? Herr Staatsminister Corts, reden wir hier eigentlich noch über dieselbe Veranstaltung? Sie reden hier von Frauenförderung, und noch vor einem Jahr haben Sie sämtliche Anträge,die diesen Bereich konzeptionell voranbringen würden, abgelehnt. Das kann doch niemand ernst nehmen,das nehmen nicht einmal Sie selbst ernst.
Herr Staatsminister,wir lassen es Ihnen nicht durchgehen, dass Sie vier Jahre allein und fast zehn Jahre in Verantwortung regieren, jetzt im Bereich der Frauenförderung sagen: „Es brennt, es brennt“, und das Feuer ist durch Ihr Versäumnis zustande gekommen.
(Nicola Beer (FDP): Zehn Jahre? – Gegenruf der Abg. Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gefühlte zehn Jahre!)
Deshalb werden wir mit der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses bei den Frauen Ernst machen, durch Parameter in der Mittelverteilung,durch Graduiertenpro
gramme, durch die Schaffung guter Rahmenbedingungen für die Betreuung von Kindern und – ich sage es an der Stelle noch einmal – durch die Abschaffung der Studiengebühren. Denn auch dies ist Förderung von jungen Frauen, insbesondere mit Kindern, an hessischen Hochschulen.