Protocol of the Session on September 17, 2003

1999 gab es 2,1 % Mehrausgaben ohne Länderfinanzausgleich, Herr Ministerpräsident. Im Jahr 2000 waren es 0,8 % mehr, im Jahr 2001 3,2 % mehr, im Jahr 2002 mit dem Nachtrag 1,9 % Mehrausgaben, bezogen auf den Vorjahreszeitraum. Nach dem Plan für 2003 erwarten wir 3,2 % Mehrausgaben.

Herr Koch, vorhin haben Sie Krokodilstränen geweint nach dem Motto: „Man kann ja darüber streiten, ob man den Konsolidierungskurs früher oder später hätte anfangen sollen“. Sagen Sie dazu, dass Sie vor der Landtagswahl das Geld ausgegeben haben und es jetzt mit Zins und Zinseszins zurückholen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU):Wo denn?)

Das Problem ist, dass die Bürgerinnen und Bürger, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und vor allem die soziale Infrastruktur für Ihren Wahlbetrug teuer bezahlen müssen, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben das Suchan-Papier angesprochen – da musste ich lachen. Das Suchan-Papier hat vier Jahre lang bei Ihnen keine Rolle gespielt. Jetzt kommt es auf einmal wieder vor. Genau mit diesem Problem haben wir es zu tun. Sie haben das Personal, das Sie zusätzlich geschaffen haben, genau nicht an anderer Stelle eingespart, sonst wären wir jetzt nicht bei einer Personalkostenquote von 48,2 % im Ist 2001 angekommen, Herr Ministerpräsident.

(Ministerpräsident Roland Koch: Das ist falsch, schlicht falsch!)

Das ist das Problem, mit dem wir es zu tun haben. Herr Ministerpräsident, es stimmt: Alle Länder haben Finanzprobleme. Jede staatliche Ebene hat Finanzprobleme. Aber es gibt eben welche, die kommen besser mit der Krise zurecht, es gibt welche, die kommen schlechter mit der Krise zurecht,

(Michael Boddenberg (CDU): Jetzt kommt wieder Bedauern!)

und es gibt welche, bei denen wird die Krise zur Katastrophe.Das Land Hessen gehört leider zur letzten Kategorie. Das hat etwas mit Ihrer Politik zu tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Ministerpräsident,deswegen sage ich ein Wort zu Ihrem Finanzminister und zu dem Entlassungsantrag der SPD. Nicht der Entlassungsantrag ist die Unverschämtheit, sondern die Unverschämtheit ist, wie dieser Finanz

minister in den letzten viereinhalb Jahren mit den Finanzen des Landes Hessen umgegangen ist. Als GRÜNE werden wir dem Entlassungsantrag der SPD zustimmen. Wir haben die Entlassung dieses Finanzministers in der letzten Legislaturperiode schon mehrfach beantragt. Ich sage nur die Stichworte: 2 Milliarden c Neuverschuldung 2002,Staufenberg,man könnte noch SAP hinzufügen.Die Arbeit ist seit dieser Zeit nicht besser geworden, um es freundlich auszudrücken.Deshalb werden wir diesem Antrag zustimmen.

Wir machen uns keine Illusionen, dass dieser Antrag abgelehnt werden wird,denn wir kennen die hessische CDU. Wissen Sie, Herr Ministerpräsident und Herr Finanzminister, wir betrachten diesen Finanzminister allerdings als faktisch schon entlassen. Wenn ein Ministerpräsident mit Verweis auf seine Richtlinienkompetenz eine Pressekonferenz einberuft,nachdem der Finanzminister die Chefgespräche geführt hat, ist das die faktische Entlassung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ihre Ehrenerklärung,die Sie hier abgegeben haben,ist die Vorstufe zur Entlassung gewesen. Es hätte nur noch die Bezeichnung „Karlheinz Weimar ist ein prima Kerl“ gefehlt. Dann hätten wir gewusst, in einem Monat ist es vorbei.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Aus der Vergangenheit kennen wir das schon mehrfach. Herr Ministerpräsident, Sie haben diese Pressekonferenz ja selbst gehalten. In unserem Fraktionssitzungssaal haben wir sie vor zwei Wochen im Fernsehen verfolgt.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Gesehen, live!)

Wenn Sie den Bildausschnitt gesehen haben, wie Sie den Folienvortrag gehalten haben und der Finanzminister von der traurigen Gestalt wie ein „Dilldippsche“ daneben saß, dann wissen Sie, der ist faktisch schon nicht mehr im Amt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Ministerpräsident, natürlich haben wir jenseits dessen, dass in den letzten vier Jahren viel zu viel ausgegeben worden ist, auch die Frage zu stellen, wo das Geld herkommen soll. Steuereinnahmen und Steuerausfälle sind nicht vom Himmel gefallen, haben Sie gesagt. Da haben Sie ausnahmsweise einmal Recht gehabt. Die sind nicht gottgegeben. Das Land muss sparen, das ist völlig unbestritten. Die Frage ist nur, ob es in der Brutalität sparen müsste, wenn man sich einmal die Einnahmen betrachtet.

Das Steuervergünstigungsabbaugesetz ist – das gebe ich zu – ein Wortungetüm.

(Michael Boddenberg (CDU): Das ganze Ding war ein Ungetüm!)

Herr Boddenberg, was hätte es gebracht, wenn es beschlossen worden wäre, was Sie im Bundesrat verhindert haben? – Es hätte insgesamt im Jahre 2004 um die 400 Millionen c Mehreinnahmen für Hessen gebracht. Bestimmte Bereiche sind im Korb II beschlossen worden, die machen für Hessen ca. 40 Millionen c aus. Das, was Sie abgelehnt haben, was Sie im Steuervergünstigungsabbaugesetz verhindert haben, hätte für Hessen im Jahr 2004 360 Millionen c Mehreinnahmen bedeutet. Diese Mehreinnahmen haben Sie verhindert, das ist Ihre Verantwortung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg.Michael Boddenberg (CDU))

Nun kann man sagen, das Steuervergünstigungsabbaugesetz ist schon abgelehnt, das gibt es nicht mehr, da können wir jetzt nicht mehr zustimmen, selbst wenn man jetzt begriffen hat, was die Stunde geschlagen hat. Gucken wir einmal, was jetzt im Bundesrat liegt: Haushaltsbegleitgesetz der Bundesregierung.Das bringt für das Land Hessen Mehreinnahmen zwischen 100 und 110 Millionen c,wenn Sie es nicht blockieren würden. Nehmen wir aus diesem Bereich nur einen winzig kleinen Teil heraus, Stichwort: Veränderungen bei der Entfernungspauschale. Wenn Sie es nicht blockieren, würde das für Hessen im nächsten Jahr 40 bis 50 Millionen c Mehreinnahmen bedeuten.

(Zurufe der Abg. Michael Boddenberg (CDU) und Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Boddenberg, die 40 bis 50 Millionen c Mehreinnahmen durch die Entfernungspauschale, die das Land Hessen im nächsten Jahr haben könnte, stelle ich gegen die insgesamt 30 Millionen c Einsparungen im Sozialbereich, die die soziale Infrastruktur in Hessen kaputtschlagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, da ist dann der Punkt gekommen, an dem man sich entscheiden muss, was für Prioritäten man hat. Sie haben sich entschieden. Die Folgen für das Land Hessen werden gerade im Sozialbereich fürchterlich sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Norbert Schmitt (SPD):Wo ist da eigentlich das Sozialministerium? Es sind gerade drei Ministerien vertreten!)

Machen wir es einmal konkret. Was ist in Ihrem Haushaltspaket enthalten? – Herr Kollege Dr. Jung, Sie haben von solider Politik geredet. Das wollte ich eigentlich gar nicht erwähnen, aber ich mache es jetzt doch einmal. Sie haben gesagt: solide Politik.

(Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ungeheuerlicher Vorgang!)

Der größte Brocken in diesem Haushaltseinsparungspaket ist eine Mehreinnahme von 250 Millionen c:Verkauf der Wohnstadt Kassel an die Nassauische Heimstätte,Verkauf einer Landesgesellschaft an die andere Landesgesellschaft. Rechte Tasche – linke Tasche. Wenn das solide Politik ist, dann weiß ich nicht mehr, was das Wort „solide“ bedeutet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wer zahlt jetzt? Wer zahlt jetzt wirklich jenseits der Haushaltskosmetik, jenseits der Luftbuchungen, jenseits der Schattenhaushalte? Wer zahlt wirklich? – Natürlich werden Sie sagen, Beamtinnen und Beamte sollen mehr arbeiten.Wenn Sie auf der Straße eine Umfrage machen,sagen alle erst einmal: Ja, was spricht dagegen?

(Michael Boddenberg (CDU): Was sagen Sie denn?)

Wenn Sie nicht von Beamten, sondern von Polizisten sprechen würden – das sind nämlich auch Beamte – wäre das Ergebnis der Umfrage wahrscheinlich schon anders.

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Herr Ministerpräsident, das Problem ist: Mehrarbeit an sich spart kein Geld. Sie spart erst dann Geld, wenn man die Mehrstunden, die dann kommen, dazu benutzt, Personal einzusparen.

(Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das will er ja auch!)

Das bedeutet, um es einmal ganz konkret zu machen: Im nächsten Jahr werden nicht mehr alle Lehrerstellen, die durch Pensionierungen frei werden, wieder besetzt. Das ist so.

(Zuruf der Abg. Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie stellen sich heute Morgen hierhin und sagen, Sie wollten 500 zusätzliche Lehrerstellen schaffen. Für wie dumm halten Sie die Leute eigentlich, Herr Ministerpräsident?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Sie sagen, Sicherheit sei Ihre Priorität. Wenn man sagt, es soll nur noch einen Einstellungskorridor von 20 % geben, dann bedeutet das: Nicht jeder Polizist, der nächstes Jahr in Pension geht,wird durch einen neuen Polizisten ersetzt. Herr Ministerpräsident, dann sagen Sie es so, dann erklären Sie, wie das mit Ihrem Wahlkampf zusammenpasst.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg.Michael Boddenberg (CDU))

Herr Ministerpräsident, ich kann mich übrigens noch gut erinnern, was die Arbeitszeit angeht. Herr Kollege Kartmann, jetzt Landtagspräsident, damals schulpolitischer Sprecher der CDU, und die Kollegin Wolff, damals Hilfsbremserin des Herrn Kartmann, jetzt Kultusministerin, haben gemeinsam mit der GEW gegen die Erhöhung der Lehrerarbeitszeit demonstriert, die wir damals eingerichtet haben.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Ich stelle fest,dass Sie das erhöhte Deputat nicht nur nicht zurückgenommen haben, sondern dass Sie den Lehrern noch eine Stunde darauf geben. Was das mit Anspruch und Wirklichkeit zu tun hat, das müssen Sie mit sich selbst ausmachen.