Protocol of the Session on September 17, 2003

Sie tragen ihn in der Form, dass wir in Zukunft die Wochenarbeitszeit von 38,5 auf 42 Stunden für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter 50 Jahren, die Beamte sind, erhöhen werden. Für Beamte im Alter zwischen 51 und 60 Jahren sind es 41 Wochenstunden, und für Beamte, die älter als 60 Jahre sind, sind es 40 Wochenstunden. Ich sage ausdrücklich: Dieses ist die Abkehr von der Politik, die ich bisher vertreten habe, derartige Entscheidungen für Beamte und Angestellte zeitgleich zu treffen. Für die Angestellten gelten aber Tarifverträge, die wir einzuhalten haben. Angesichts der finanziellen Krise des Landes ist es leider nicht vertretbar,an dieser Politik festzuhalten, weil dann ein Beitrag, der zu ausgeglicheneren Haushalten führen wird, nicht geleistet würde.

Ich sage aber ebenso klar, an die Beamtinnen und Beamten gewandt: Wir gehen nach wie vor davon aus, dass ein Ausgleich herzustellen ist. Deshalb werden wir die Verhandlungen über den kommenden Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für die Angestellten so strukturieren, dass, wenn über Gehaltserhöhungen gesprochen wird,

gleichzeitig über die Frage einer Verlängerung der Arbeitszeit gesprochen werden muss. Das Land wird sicherstellen, dass wir darüber sprechen werden.

(Beifall bei der CDU)

Ich will im Übrigen darauf hinweisen, dass ich der festen Überzeugung bin, dass die Tatsache, dass für das gleiche Geld in Deutschland mehr gearbeitet werden muss, in der Diskussion weit über den Bereich des öffentlichen Dienstes hinaus eine Rolle spielen wird. In den vergangenen Jahren hatten wir in vielen Bereichen der Privatwirtschaft eine solche Diskussion. Viele Bürgerinnen und Bürger wissen, dass in vielen Bereichen der Industrie, z. B. bei großen Unternehmen wie Opel, längst Tarifvereinbarungen geschlossen worden sind, die eine Reduzierung oder gar den Wegfall der Sonderleistung, die über das zwölfte Monatsgehalt hinausgeht, beinhalten. Der öffentliche Dienst steht an dieser Stelle also nicht alleine. Trotzdem ist es schwierig.

Wir werden auch bei der Frage der Arbeitszeit nicht alleine stehen. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat ausgerechnet, dass wir schon im nächsten Jahr 60.000 Arbeitsplätze mehr hätten und zu einem Wirtschaftswachstum bis zu 3 % kämen, wenn in Deutschland alle im Durchschnitt eine Stunde länger arbeiteten. Selbst wenn die Zahlen nicht ganz stimmen sollten, sie gehen in die richtige Richtung. 3 % Wirtschaftswachstum: Gott im Himmel,wenn sich das Institut um ein halbes Prozent verrechnet hat, dann sind es immer noch 2,5 %. Das Problem der Bundesregierung ist:Wenn die sich in diesem Jahr um ein halbes Prozent verrechnet hat, dann haben wir überhaupt kein Wachstum mehr.

(Beifall bei der CDU – Volker Hoff (CDU): Und die verrechnen sich schwer!)

Deshalb ist die Frage, wie man zu der neuen Entwicklung kommt. Ich weiß, es ist eine Sonderlast, die wir den Beamtinnen und Beamten aufbürden. Es trifft Menschen, die für dieses Land sehr viel tun. Aber es ist eine Entwicklung, in der die Politik ein Signal gibt, was ich ausdrücklich will.

Ich denke, wenn wir uns aus den Wachstumsschwierigkeiten herausbewegen wollen, müssen wir uns gemeinsam entscheiden, für die aktuell vorhandenen Einkommen mehr zu arbeiten. Das gilt auch vor dem Hintergrund des Wettbewerbs mit anderen Ländern.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Keiner mag die Zahl unterschlagen. Wenn wir unsere Schweizer Nachbarn betrachten – wahrlich kein Land,das unsozial regiert wäre –, dann müssen wir nach unseren Monatsstundenzahlen zwei Monate länger arbeiten, um auf die gleiche Jahresarbeitszeit zu kommen wie sie. Es muss für jeden auf der Hand liegen, dass man nicht den gleichen Wohlstand wie die Schweizer erringen kann, wenn man nur zehn statt zwölf Monate an Arbeitsleistung dafür erbringt. In Deutschland war das eine Lebenslüge. Die müssen wir beenden, nur dann haben wir eine Chance, wieder mehr Wachstum und Beschäftigung zu erlangen.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP) – Zuruf des Abg. Michael Siebel (SPD))

Wir werden allerdings darüber hinaus – das ist keine neue These – das, was wir durch die Arbeitszeitvermehrung an Stellen gewinnen, in der Landesverwaltung zusätzlich ein

sparen müssen. Das wird nicht in allen Bereichen gleich sein. Trotz des Produktivitätsgewinns bei den Lehrerinnen und Lehrern werden wir bis zum Ende der Legislaturperiode die 500 Stellen zusätzlich schaffen, die wir angekündigt haben.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nachdem Sie nächstes Jahr keine mehr einstellen!)

Allerdings werden wir in der Summe aller Staatsbediensteten genauso einsparen, wie wir das in den letzten Jahren getan haben. In den letzten Jahren haben wir rund 2.000 Lehrerinnen und Lehrer eingestellt – das ist richtig, das kostet auch rund 150 Millionen c im Jahr –,

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und die werden jetzt wieder gestrichen!)

aber wir haben etwa 252 Millionen c durch Personalreduzierung in anderen Bereichen in der gleichen Zeit eingespart.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist doch Quatsch!)

Diese Summe wird größer werden müssen. Ich würde den Sozialdemokraten sehr empfehlen, zu sagen, ob sie die Tatsache für richtig oder falsch halten, dass wir die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bis zum Jahr 2008 um 8.000 verringern. Bevor sie das sagen, sollten sie im Suchan-Bericht ihres letzten Chefs der Staatskanzlei unter Hans Eichel noch einmal nachlesen und schauen, ob diese Zahl des Personalabbaus nicht von ihnen selbst schon mit in die Planung einbezogen war. Wir werden allerdings dabei bleiben, durch die Verwaltungsreform und die Mehranstrengung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genau diese Zahl zu erreichen. Nach Ihrer Äußerung lade ich Sie ein, die Diskussion mit uns zu führen. Dann steht sie auf einem realistischen Boden.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Tarek Al- Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Michael Siebel (SPD): Sie haben es doch vier Jahre liegen lassen!)

Es gibt einen zweiten Punkt. Die öffentliche Verwaltung mit ihren Kosten wird auch wieder einen Einsparbeitrag bei den allgemeinen Kosten liefern müssen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Suchan-Bericht – jetzt ist er wieder da!)

Deshalb haben wir verabredet, dass die allgemeinen Kosten der öffentlichen Verwaltung im kommenden Jahr um 7,5 % reduziert werden. Das ist eine beträchtliche Einschränkung. Die Bürgerinnen und Bürger werden das auch im Bereich der Dienstleistungen bemerken. Das ist ein Bereich, der – ob es die Informationstechnologie oder der Kurpark ist, ob es die Verhandlungen über die Mieten von Gebäuden sind oder die Art und Weise,wie wir mit ihnen umgehen – eine beachtliche Einschränkung erfahren wird. Dies trifft alle Bereiche, bei denen wir einsparen.

Anfang der Neunzigerjahre war der Glaube durchaus berechtigt, man könne Geld einsparen, ohne dass es jemand bemerkt und ohne dass es Folgen für die Dienstleistung des Staates hat. Diesen Glauben kann ich nicht bestätigen. Alles, was jetzt geschieht, wird an irgendeiner Stelle für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die Bürgerinnen und Bürger und für Unternehmen, die Dienstleistungen brauchen, bemerkbar sein. Trotzdem werden wir die durch Behördenentscheidungen entstehenden Kosten, die wir den Betroffenen in Rechnung stellen, mehr anpassen müssen. Das ist notwendig, um diese Dienstleistung

tatsächlich zu bezahlen. Deshalb gehen wir davon aus, dass im Schnitt die Gebühren des Landes um 10 % erhöht werden. Im Einzelfall kann das jedoch deutlich stärkere Erhöhungen bedeuten.

Allerdings wird das nicht genügen. In den verschiedenen Bereichen der Politik werden wir schauen müssen, wo es zusätzliche Möglichkeiten gibt, zu zumutbaren Bedingungen öffentliche Leistungen zu finanzieren. Deshalb erheben wir von den Studentinnen und Studenten bei der Einschreibung einen Beitrag von 50 c.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der scheitern wird!)

Wir werden diesen Betrag in der Form erheben können, wie das baden-württembergische Gericht über ihn entschieden hat. Er ist ein Beitrag zu dem weiterhin regelmäßig kostenfreien Studium.

Allerdings sagen wir auch, wer zusätzlich zur Regelstudienzeit mehr als 50 % derselben braucht,wird in Zukunft den Steuerzahlern, die dieses Studium finanzieren, einen geringen Beitrag dazu leisten müssen, dass ihm weiterhin dieses Studium ermöglicht wird.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Michael Sie- bel (SPD))

Es ist ein weiterer Bereich, der durch diese Entscheidungen belastet wird.

(Michael Siebel (SPD): Und das im Bildungsland Hessen!)

Ja, das im Bildungsland Hessen.

(Michael Siebel (SPD):Alles Seifenblasen!)

Ich sage Ihnen, 100 c für eine gut organisierte Universität in den Regelstudienzeiten zuzüglich der Hälfte der Zeiten sind zumutbar. Herr Corts hat Studenten bis zum 70. Semester gefunden. Das sind Exoten. Wer mehr als die Hälfte der Regelstudienzeit zusätzlich braucht, kann weiter studieren, muss aber einen Beitrag dafür leisten, denn die Gemeinschaft finanziert das Studium im Übrigen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Siebel, in guten Zeiten kann man sich das alles anders überlegen. In Zeiten, in denen es nur noch unsere Kinder bezahlen würden, wenn wir es anders machen würden, glaube ich, dass jede Generation zunächst einmal die Verpflichtung hat, für sich selbst zu sorgen.

In diesem Zusammenhang – das ist seit gestern der Gegenstand der heftigen Diskussion – ist offensichtlich, dass es bei freiwilligen Leistungen des Landes in einer groben Größenordnung von 380 Millionen c im Jahr die Forderung der Einsparungen gibt.Wenn aus der allgemeinen öffentlichen Bemerkung, Subventionen und freiwillige Leistungen müssten gekürzt werden, in der Sache etwas Konkretes wird,wird sehr schnell bemerkbar,dass wir in der Vergangenheit keine Maßnahmen entschieden haben – das betrifft alle und ist keine wechselseitige Kritik; es gibt kleine Ausnahmen, die jeder beim anderen sehen mag, aber nicht in der Größenordnung, über die wir reden –, die völlig unsinnig sind und niemandem helfen, die einfach gemacht worden sind, weil sie der Laune irgendeines Ministers oder Abgeordneten entsprungen sind.All diese Maßnahmen haben für eine bestimmte Gruppe von Menschen, für einen bestimmten politischen Gedanken oder eine bestimmte gewollte Veränderung der Gesellschaft ihren Sinn.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, das stimmt!)

Deshalb muss in dem Augenblick, in dem man streicht, eine Entscheidung über Prioritäten getroffen werden.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt! – Zurufe von der SPD)

Über diese Prioritäten darf man streiten. Deshalb werden Sie das auch mit großem Engagement tun. Eine Opposition wird klugerweise immer behaupten, dass die Dinge, die nach außen am unangenehmsten wirken, die schlimmsten sind. Sie wird sagen: „Die hätten wir nie gemacht.“ Sie wird darauf hinweisen, dass das allgemeine Konzept so schwierig sei, dass man keine Alternative anbieten könne. Es sei eben eine schlechte Regierung.

(Zuruf des Abg. Michael Siebel (SPD))

Das werden wir als Melodie in vielen öffentlichen Veranstaltungen haben.

Im Augenblick heben Sie den Sozialbereich in einer besonderen Weise hervor. Dabei finden die Einschränkungen und Kürzungen in den anderen Bereichen der Landeshaushalte über alle Ressorts hinweg statt. Nehmen Sie z. B. Existenzgründungsprogramme im Bereich der Wirtschaft oder den Bereich der Bildung und Ausbildung.Wir haben schmerzhafte Entscheidungen zu treffen. Frau Kollegin Lautenschläger hat eine Prioritätenentscheidung in ihrem Haushalt getroffen. Sie sagt, zunächst einmal werden wir alles, was mit der Betreuung von Kindern zu tun hat, nicht einer solchen Kürzung unterziehen. Das ist eine richtige Entscheidung.

(Beifall bei der CDU)

Zum Zweiten hat sie – wie Herr Kollege Rhiel in seinem Haushalt – gesagt, alles, was mit der Erstausbildung von jungen Menschen zu tun hat, werden wir im Augenblick keiner Kürzung unterziehen. Das ist eine richtige Entscheidung.

(Beifall bei der CDU – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Das hat nichts mit Kindern zu tun!)

Beide haben erklärt, für all das, was in dem Arbeitsbeschaffungsprogramm HARA steht, was wir über Arbeitsund Sozialhilfe bundesweit diskutieren, wollen wir mehr tun. Um zu erreichen, dass die Sockelarbeitslosigkeit zurückgeht, werden wir da keine nennenswerten Kürzungen vornehmen. Das ist eine richtige Entscheidung.

Wenn Frau Lautenschläger das macht, hat sie für die drei großen Bereiche, in die das Geld in ihrem Haushalt fließt, die Entscheidung getroffen, keine Kürzungen vorzunehmen. Dann steht sie vor einer besonders großen Herausforderung – wie alle anderen Ressortkollegen –, weiter zu entscheiden, wo sie die Kürzungen vornimmt. Deshalb sind die Zahlen der Kürzungen in anderen Bereichen zweifelsohne dramatisch.Sie werden zu Einschränkungen von Einrichtungen führen, wenn auch nicht überall zum Zusammenbruch, wie Sie sagen. Wenn bei Erziehungsberatungsstellen – um ein Beispiel zu nennen – die Landesbeteiligung in aller Regel 20 % nicht übersteigt,dann werden diese Einrichtungen Personal kürzen müssen,aber sie werden nicht schließen müssen.