Aber, meine Damen und Herren, es wird zugleich ein Land sein, in dem die immer veröffentlichten Zeitungskommentare und öffentlichen Bekundungen, dass der Staat schlanker werden müsse, nicht mehr Theorie sind, sondern in dem der Staat sich von zahlreichen bisher staatlichen Aufgaben und Fördertatbeständen verabschiedet und sich auf die wesentlichen Aufgaben, die er mit den vorhandenen Mitteln noch leisten kann, konzentriert. Das werden wir auch realisieren und durchsetzen.
Es wird ein Land sein, in dem am Ende der Wahlperiode etwa 8.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weniger im öffentlichen Dienst des Landes beschäftigt sind und wir Aufgaben und Organisationen überprüfen müssen, wie Tausende von Wirtschaftsunternehmen im Lande das auch machen müssen, da man, wenn man weniger Geld zur Verfügung hat, mit diesem weniger vorhandenen Geld auskommen muss. Das werden wir nun an die Realität anpassen.
Meine Damen und Herren, es wird ein Land sein, in dem wir eine andere Behördenstruktur haben, in dem es in bestimmten Bereichen auch weniger Standorte geben wird, in dem die Dienstleistungen der Verwaltung nach den modernsten Methoden erbracht werden, um eben mit deutlich weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der allgemeinen Verwaltung dies erreichen zu können. Es wird aber auch ein Land sein, in dem das dauernde Auf und Ab bei der Frage, ob wir Verschuldungszahlen halten können oder nicht, auf Dauer wieder der Vergangenheit angehört, weil wir es nunmehr entsprechend dem wirtschaftlichen Wachstum haben werden.
Wir werden eine Situation schaffen, in der wir mit dem Geld auskommen, das übrig bleibt, wenn wir die Leistung der Bundesregierung in Steuerzahlen umsetzen müssen und es ohne Wachstum eben weniger Steuern gibt.
Es muss immer wieder gesagt werden: In einem Land, in dem 2,9 % Wachstum herrschen, wie es noch am Anfang Ihrer Regierungszeit war, als Sie die Regierung übernommen haben, gäbe es diese Probleme nicht. Die Probleme, die wir heute in diesem Bundesland, in der Bundesrepublik Deutschland und in allen anderen Bundesländern haben, haben wir deshalb, weil wir im dritten Jahr hintereinander nahezu kein wirtschaftliches Wachstum haben. Das ist nicht vom Himmel gefallen. Es gibt Länder in Europa und insbesondere in anderen Teilen der industrialisierten Welt, denen es deutlich anders geht. Es gibt bessere Steuereinnahmeentwicklungen in anderen Ländern. Deshalb ist es eine Situation, die in der Bundesrepublik Deutschland hausgemacht ist. Wenn wir im Augenblick in
Deutschland drei Jahre lang ärmer geworden sind, dann ist das kein Schicksal dieses Landes mitten in Europa, sondern es ist das Produkt des Versagens einer nationalen Regierung.
Das würde ich der Opposition einräumen,aber das alleine hilft nicht. Es hilft für die Situation unseres Haushalts und unsere Zukunftsfähigkeit nicht, allein über die Frage zu reden, ob das, was die Bundesregierung in der Vergangenheit gemacht hat, falsch gewesen ist oder nicht.
Wir, aber auch Sie haben in der Diskussion die wirtschaftlichen Zahlen anzunehmen, die sich für die Zukunft ergeben, und die Frage zu beantworten, ob die Politik willens und in der Lage ist, daraus Konsequenzen zu ziehen, oder ob wir die Entwicklung einfach weiterlaufen lassen.Dabei sage ich noch einmal,wenn mir jemand vorhält,wir hätten diese ganzen Sparmaßnahmen ein oder zwei Jahre früher einführen können:
Ich räume durchaus ein, dass das denkbar ist. Aber ich sage Ihnen,die Sparmaßnahmen,die wir jetzt vornehmen, machen keine Freude, sondern sie fallen auch uns selbst schwer.
Sie sind in dieser Situation des Landes notwendig,weil wir ärmer geworden sind, aber es ist nichts, was wir mit Freude tun.
Es ist immer die Frage,ob man es ein Jahr früher oder später macht. Ich gebe zu – und übernehme dafür die Verantwortung –:Wir haben es so spät wie möglich gemacht.
Aber wir machen es, bevor es zu spät ist, damit nicht unsere Kinder darunter leiden müssen, dass wir nicht gehandelt haben.
Aus dieser Situation ergibt sich die Summe von 1 Milliarde c, die die Vorgabe für die Planung des Landeshaushaltes 2004 ist.
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Lag da vielleicht ein Wahltermin dazwischen, Herr Ministerpräsident? – Norbert Schmitt (SPD): Sie wollten über die Landtagswahl kommen! Das war die Situation!)
Herr Schmitt, ich erwarte nicht, dass Sie verstehen, was ich sage. Ich erwarte aber, dass Sie insoweit zuhören, dass die Hoffnung besteht, dass Sie es einmal verstehen könnten. Hören Sie einfach einen Augenblick zu.
Das gehört zu den alten Ritualen. Aber wenn Sie ununterbrochen reden, können Sie nicht zuhören. Das ist doch unvernünftig. Das sieht doch jeder. Halten Sie einfach die Luft an.Wenn Ihre Fraktion Ihnen erlaubt, neben Ihrem Fraktionsvorsitzenden zu reden, dann dürfen Sie hier ans Pult kommen. Während der Rede des Fraktions
vorsitzenden der SPD schweigen Sie normalerweise. Schweigen Sie deshalb bitte auch während meiner Rede, denn der Klamauk, den Sie hier veranstalten, stört.
(Norbert Schmitt (SPD): Es geht darum, dass Sie den Konkurs vor der Landtagswahl nicht offenbart haben!)
(Zurufe von der SPD – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Warum ist der Präsident so nervös, wenn es um Zwischenrufe geht?)
Ich bin gar nicht nervös, aber ich bin der Meinung, dass man sich beim Klamauk ein bisschen zurückhalten und sich vom Pult aus streiten sollte, wenn alle wieder beklagen, wie krisenhaft die Situation ist, wenn wir tatsächlich Entscheidungen treffen,die viele schwer belasten werden, und die Mitarbeiter des Landes viele Stunden mehr arbeiten müssen und weniger Gehalt haben.
(Norbert Schmitt (SPD): Es geht um Ihre Konkursverschleppung vor der Landtagswahl! – Weitere Zurufe von der SPD)
Ich habe nichts gegen Streit. Das Parlament darf aber nicht zu einer Bühne werden,wo einer nur noch brüllt und überhaupt nicht mehr zuhört. Ich finde, das kann man in irgendeiner Weise miteinander verabreden.
Wir haben festgelegt, dass sich die Höhe der Schulden, die im nächsten Jahr aufgenommen werden, prinzipiell an der Summe der Investitionen zu orientieren hat, die wir im kommenden Jahr tätigen. Wir wissen, dass dies eine zusätzliche Einschränkung beinhaltet: Wenn der Deutsche Bundestag und eine Mehrheit im Bundesrat entscheiden, die Steuersenkungen, die für 2005 geplant sind, auf das Jahr 2004 vorzuziehen, dann wird es im Landeshaushalt von Hessen genauso wenig wie im Bundeshaushalt oder in anderen Länderhaushalten möglich sein, im Rahmen der Verfassungsgrenze zu bleiben, Schulden nur in Höhe der Investitionen aufzunehmen.
Das mag man politisch vertreten.Der Bundesfinanzminister, Hans Eichel, und die Bundesregierung sind der Meinung,dass die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts eine solche Entscheidung rechtfertigt. Sie wissen – wir haben das hier diskutiert –, dass ich glaube, dass es die Höhe der Verschuldung rechtfertigt, zu sagen, diese Maßnahme ist nicht angemessen.Das werden wir aber auf der nationalen Ebene zu entscheiden haben. Das können wir hier nicht gestalten.
Wir können aber mit unseren Maßnahmen und Möglichkeiten versuchen, zu einer Höhe der Verschuldung zurückzukehren, die unterhalb der Verfassungsgrenze liegt.
Das bedeutet, dass im Vergleich zu dem, was normalerweise im kommenden Jahr an Zahlungen durch das Land Hessen zu leisten wäre – an Personalausgaben, an Versorgungslasten und in anderen Bereichen –, rund 1 Milliarde c weniger ausgegeben werden müssen. Dies ist die Vorgabe. Diese Vorgabe ist durch Einzelentscheidungen der Landesregierung ausgefüllt worden: Kürzungen bei den Personalausgaben, bei den Kosten der Verwaltung, zusätzliche Gebühren, die wir den Bürgern in Rechnung stellen müssen,Veräußerungen von Immobilien und Kürzungen bei den Unterstützungsleistungen und freiwilligen Leistungen, die das Bundesland Hessen in verschiedensten Bereichen erbracht hat.
Bei den Kürzungen bei freiwilligen Leistungen ist nach dem Prinzip vorgegangen worden, dass jedes Ressort mit dem Anteil, mit dem es an diesen Leistungen bisher partizipiert hat, an den Einsparungen zu beteiligen ist. Sie reden immer von „Ausgleich“, aber Sie zeigen mit dem Finger regelmäßig auf die jeweils anderen. Es ist so, dass der größte Teil der freiwilligen Leistungen in der Sozial- und Umweltpolitik erbracht wurde.Deshalb ist die Sozial- und Umweltpolitik an den Kürzungen bei den freiwilligen Leistungen prozentual auch stärker beteiligt als andere Ressorts.
Wir haben ganz bewusst damit begonnen, in unseren eigenen Reihen zu suchen, zunächst die Möglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung zu nutzen.
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, „in den eigenen Reihen“! Erst einmal ein Minister mehr! – Michael Siebel (SPD): 30 Stellen in der Staatskanzlei mehr! Das bedeutet „in den eigenen Reihen“!)
Wir haben zunächst dafür gesorgt, dass die öffentliche Verwaltung ihren Beitrag leistet. Verehrter Herr Kollege, Sie haben gestern einen durchaus konstruktiven Hinweis darauf gegeben, wie sich der Hessische Landtag und das Hessische Kabinett dabei verhalten. Das scheint mir aber eher ein symbolischer Beitrag zu sein. Die Hauptlast tragen die 150.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung in diesem Land.
Sie tragen ihn in der Form, dass wir in Zukunft die Wochenarbeitszeit von 38,5 auf 42 Stunden für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter 50 Jahren, die Beamte sind, erhöhen werden. Für Beamte im Alter zwischen 51 und 60 Jahren sind es 41 Wochenstunden, und für Beamte, die älter als 60 Jahre sind, sind es 40 Wochenstunden. Ich sage ausdrücklich: Dieses ist die Abkehr von der Politik, die ich bisher vertreten habe, derartige Entscheidungen für Beamte und Angestellte zeitgleich zu treffen. Für die Angestellten gelten aber Tarifverträge, die wir einzuhalten haben. Angesichts der finanziellen Krise des Landes ist es leider nicht vertretbar,an dieser Politik festzuhalten, weil dann ein Beitrag, der zu ausgeglicheneren Haushalten führen wird, nicht geleistet würde.