Unzweifelhaft kann es keinen EU-Beitritt der Türkei geben, wenn die Türkei nicht alle EU-Mitglieder uneingeschränkt und ohne jede Vorbedingung anerkennt. Darüber gibt es keine Sekunde lang Streit.
Unzweifelhaft gehört aber zu einer Anerkennung der Republik Zypern durch die Türkei auch, dass der nördliche Teil Zyperns vom südlichen Teil Zyperns, von der Republik Zypern, nicht mehr blockiert wird. Das sind zwei Seiten derselben Medaille.
Wenn man hier schon eine außenpolitische und historische Debatte führt, dann sollte man nicht vergessen, dass im Jahre 2004 ein UN-Plan, der faktisch die Wiedervereinigung Zyperns bedeutet hätte, vom nördlichen, also vom türkischen Teil Zyperns angenommen wurde und vom südlichen Teil, also dem griechischen Teil, von der Republik Zypern abgelehnt wurde. Wenn wir hier schon historisch und außenpolitisch diskutieren, dann bitte richtig.
Wenn Sie sich nur an Ihre eigenen Experten halten wollen, sage ich Ihnen: Thomas Kossendey, CDU-Bundestagsabgeordneter, Vorsitzender der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe, hat zu dem Beschluss der Außenminister gesagt:
Beide Seiten sind in der Pflicht. Die Türkei muss das Ankara-Protokoll einhalten, und Zypern darf die Finanz- und Wirtschaftshilfe für den Norden der Insel nicht mehr blockieren.
So ist es, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das haben alle verstanden, nur die hessische CDU nicht. Das ist schade.
Frau Präsidentin, es ist schade, dass der Vorsitz hinter mir gewechselt hat – nicht, weil Sie es sind, sondern wegen der Zugabe von Redezeit.
Ich wollte sowieso zum letzten Satz kommen, Frau Präsidentin. – Deswegen sage ich: Für mich ist schon spannend, ob der zuständige Minister – wir haben in Hessen zwar keinen Außenminister, aber einen Europaminister – jetzt hier reden wird, ob er sich daran hält, was Linie der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland unter der Führung von Dr.Angela Merkel ist und ab dem 1. Januar in noch größerer Verantwortung umzusetzen sein wird, oder ob er versucht, sein eigenes hessisches CDUSüppchen zu kochen. Ich kann ihm nur zu dem zuerst Genannten raten.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, die richtige Überschrift über der von der CDUFraktion beantragten Aktuellen Stunde wäre gewesen: Misstrauensantrag des Hessischen Landtags gegen Bundeskanzlerin Dr.Angela Merkel.
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und bei Abge- ordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dann hätten wir am Montag, als die Drucksache verteilt wurde, sofort gewusst, worum es geht. Am Montag gegen 11 Uhr, als die Frist abzulaufen begann, wussten nämlich alle Eingeweihten, was im Laufe des Montags passieren würde. Jedenfalls wusste das die Führung der FDP, denn wir haben bereits vor 11 Uhr in Berlin darüber gespro
chen, dass das Verfahren so kommen wird, dass bei acht Punkten nicht und bei den anderen Punkten weiterverhandelt wird. Ich kann es eigentlich nicht akzeptieren, dass die hessische Union meint, sich mit einem derartigen Antrag aus der Gesamtverantwortung der Union in Deutschland herausmogeln zu können.
Entweder sind Sie ein Teil der Bundes-Union,dann haben Sie das umzusetzen, was Ihre Parteivorsitzende für Ihre Partei in einer Koalition vereinbart, oder Sie gründen einen eingetragenen Verein der Gegen-Merkel-Kämpfer. Das passt ja teilweise zur hessischen CDU. Seien Sie dann aber bitte ehrlich.Tun Sie nicht auf der einen Seite so, als könnten Sie in Berlin mitbestimmen, wenn Sie auf der anderen Seite dann, wenn es anders läuft, als Sie es sich vorgestellt haben, hier in Hessen eine abweichende Position einnehmen. Das glaubt Ihnen im Übrigen keiner.
(Beifall bei der FDP – Dr.Christean Wagner (Lahn- tal) (CDU):Wo steht denn die FDP in der Sache? – Weitere Zurufe von der CDU)
Wir reden gerade über das Thema der Aktuellen Stunde, Herr Kollege Dr.Wagner. Die haben Sie am Montagmorgen unter dem Titel „Beitrittsverhandlungen mit Türkei aussetzen“ beantragt. Sie haben sie zu einem Zeitpunkt beantragt, als Sie wussten, dass das nicht geschehen wird, weil es nämlich mit der Bundeskanzlerin und dem Außenminister mit anderem Tenor erörtert worden ist.
(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zu- rufe von der CDU)
Wenn wir uns schon über dieses Thema unterhalten, dann sollten wir einmal darüber reden, wie sich der Stil der deutschen Außenpolitik in der letzten Zeit verändert hat. Ich finde, das ist ein innenpolitisches Thema, das den Hessischen Landtag sogar ein bisschen intensiver beschäftigen sollte.Es ist schon sehr bedenkenswert,darüber zu reden, was am vergangenen Wochenende zwischen Frau Merkel und dem Außenminister passiert ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage: So etwas macht man nicht. Wenn man Deutschland im Ausland wirklich gut vertreten will, dann hat man, jedenfalls nach außen, nur mit einer Stimme zu sprechen.
Es ist unerträglich, wie der Außenminister am vergangenen Wochenende die Bundeskanzlerin öffentlich belehrt hat. Das tut man nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren, weil man sich nämlich sonst selbst diskreditiert und die eigene Durchsetzungsfähigkeit beschneidet, die man nach außen hin als Bundeskanzlerin und als Außenminister haben muss.
Das ist ein Thema, über das wir uns in einer Aktuellen Stunde hier im Hessischen Landtag gern unterhalten können, weil es mit der Gesamtverantwortung des Staates zu tun hat.
Herr Kollege Dr. Wagner, ganz ruhig. Sie haben überhaupt nichts zu den Grunddingen gesagt, sondern Sie haben Ausführungen zu anderen Themen gemacht. Ich sage jetzt etwas zur Sache. Wenn – jetzt übernehme ich wortgleich, was vorhin Tarek Al-Wazir gesagt hat – jemand Mitglied einer Gruppe werden will, muss er sich an die Regeln der Gruppe halten. Übersetzt auf diesen Fall heißt das: Wenn die Türkei Mitglied der Europäischen Union werden will, so hat sie sämtliche Pflichten eines EU-Mitglieds zu beachten, und zwar ausnahmslos und bedingungslos.
Deshalb hat die Türkei nicht nur einen Hafen und nicht nur einen Flughafen, sondern alle Häfen und alle Flughäfen für alle zypriotischen Schiffe und für alle zypriotischen Flugzeuge zu öffnen. Darüber gibt es überhaupt keinen Streit.
Eine weitere Bemerkung: Reisen bildet. Vor einigen Wochen waren wir mit dem Unterausschuss Justizvollzug in der Türkei. Der Vorsitzende Alfons Gerling wird hierzu sicherlich noch das Wort ergreifen. Ich habe das Gefühl, dass der Wille derjenigen, mit denen wir gesprochen haben, nicht so groß ist, in die Europäische Union aufgenommen zu werden. Das ist meine Antwort auf die Äußerungen von Frau Hoffmann. Ich bin der Auffassung, wir sollten nicht immer nur die Gutwilligen unterstützen und dabei von den Regeln Abstand nehmen,die wir uns innerhalb der Europäischen Union gegeben haben.
Ich habe den Beitrag so verstanden.Anders war der Beitrag nicht zu verstehen. Sie können das gern gleich noch einmal erklären. Wie wir bereits gestern erfahren haben, reden Sozialdemokratinnen oft missverständlich in diesem Plenum.
Ich habe den Eindruck, dass eine Vielzahl derjenigen, die derzeit das türkische Establishment stellen, kein Interesse mehr daran hat, in die Europäische Union aufgenommen zu werden, und zwar aus innenpolitischen Gründen. Es ist nicht so, dass sie etwas gegen die Europäische Union haben, sondern sie wollen das Land Türkei anders organisiert wissen, als es innerhalb einer EU-Mitgliedschaft organisiert werden kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe mich bemüht, über die innenpolitischen Auswirkungen und darüber zu reden, was wir selbst als Mitglieder des Landtags vor einigen Wochen in der Türkei erlebt haben.
Es kann nicht richtig sein, dass die Regierungsfraktion CDU in Hessen, die auch die Bundeskanzlerin mit trägt, heute eine Misstrauensdiskussion über ihre eigene Kanzlerin und Bundesvorsitzende initiiert. Das ist der hessischen Union nicht würdig. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin Herrn Kollegen Hahn sehr dankbar, dass er im zweiten Teil seiner Rede auf die Probleme eingegangen ist, über die wir in dieser Aktuellen Stunde sprechen wollen. Herr Kollege Al-Wazir, da Sie mich persönlich angesprochen haben, möchte ich Ihnen sagen:Wenn Sie der Auffassung sind, dass die Mitglieder der Hessischen Landesregierung nur als Erfüllungsgehilfen einer Bundesregierung herhalten sollen, dann haben Sie ein etwas seltsames Verfassungsverständnis.
Das war in der Vergangenheit nicht so, das ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht so,und das wird auch in Zukunft nicht so sein. Ich würde aber auch von keinem Minister, der beispielsweise einer GRÜNEN-Fraktion angehört, verlangen,kritiklos das zu übernehmen,was in Berlin passiert. Das kann nicht die Aufgabe eines Ministers sein. Sie haben zwar sehr angenehm gesprochen, aber zur Sache wenig beigetragen.