Ich komme nun noch einmal auf das Vorhaben zurück, in Zukunft die Bildung von Stammkapital zuzulassen. Dieses Vorhaben stößt nach Abwägung verschiedenster Argumente bei uns auf ganz erhebliche Skepsis. Der Handel mit Sparkassenanteilen unter den Kommunen, den kommunalen Zweckverbänden, den Sparkassen und der Helaba würde durch die Bildung von Stammkapital unstreitig erleichtert. Das kann man nur so sehen. Der Handel mag es auch erleichtern,sinnvolle Strukturen und Größenklassen zu bilden, um die Wettbewerbsfähigkeit unter den Sparkassen zu verstärken. Die Kommunen könnten Holdinggesellschaften bilden, die dann wiederum mehrere Sparkassen besitzen könnten. Das alles könnte eine Schwelle unterhalb einer möglichen Fusion bilden, die technisch etwas weniger aufwendig wäre.
Diese Vorteile reichen aber aus unserer Sicht nicht aus, die Bildung von Stammkapital zuzulassen. Der Herr Minister hat ausgeführt, die Landesregierung möchte die
Handelbarkeit von Stammkapitalanteilen auf den Kreis der öffentlich-rechtlichen Träger beschränken. Das soll so auch im Staatsvertrag stehen.
Das steht so im Staatsvertrag, Herr Boddenberg, aber ich habe berechtigte Zweifel,ob sich dieses Vorhaben umsetzen lässt.
Was machen Sie, wenn die Sparkasse X einen Anteil verkaufen und die Sparkasse Y diesen Anteil erwerben will, und eine Privatbank bekommt dieses Geschäft mit und sagt: „Ich biete 100.000 c mehr für diesen Stammkapitalanteil, und klage mich im Ablehnungsfall in dieses Verkaufsverfahren ein“? Wie wollen Sie sicherstellen, dass bei einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof dieses Verfahren in Ihrem Sinne positiv beschieden wird?
Uns ist nicht klar geworden, wie Sie sicherstellen wollen, dass eine solche Privatisierung durch die Hintertür vermieden werden kann. So etwas kann uns schneller einholen, als Sie, Herr Boddenberg, das glauben.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch des Abg. Michael Boddenberg (CDU))
Für uns sind die Sparkassen als öffentlich-rechtliche Banken, als Partner des Mittelstands, der kleinen und mittleren Betriebe, ein sehr hohes und seht wichtiges Gut.
(Michael Boddenberg (CDU): Genau deshalb machen wir das alles, Frau Kollegin! Dafür brauchen wir Sie nicht!)
Wir wollen die flächendeckende Versorgung durch die Sparkassen nicht zur Disposition stellen. Für uns sind die Sparkassen mit ihrem gemeinnützigen Auftrag ein so wichtiger Partner in der Region, dass wir sie nicht gefährden wollen. Wir werden daher Ihrem Vorhaben nicht zustimmen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Was die Teile in dem Gesetzentwurf anbelangt, die sich auf die Brandversicherung und die LTH beziehen, kann sich die SPD-Fraktion der Auffassung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN anschließen. Diese beiden Teile sind auch aus der Sicht der SPD-Fraktion unproblematisch.Der Teil aber,der sich auf die Sparkassen bezieht, ist für die Sozialdemokraten äußerst problematisch.
Wenn es eines Beweises bedurft hätte, wie wenig ernst die CDU-Fraktion und die Landesregierung den Ablauf der parlamentarischen Beratungen bei der Einbringung eines Gesetzentwurfes nehmen, dann hätten wir eben nur dem Herrn Kollegen Rhiel bei seiner Begründung für die Einbringung des Gesetzentwurfs zuhören müssen.Herr Rhiel hat bei der Begründung der Notwendigkeit des Staatsvertrages darauf hingewiesen, dass bei der geplanten Novellierung des Sparkassengesetzes die Bildung von Stammkapital erlaubt werden solle. Herr Kollege Rhiel, wir führen erst im Januar eine Anhörung von Experten zu Ihrer geplanten Novellierung durch, aber Sie nehmen mit diesem Staatsvertrag das Ergebnis der Beratungen praktisch vorweg.
Deutlicher kann man diejenigen, die sich der Mühe unterwerfen, sich in den parlamentarischen Beratungen Gehör zu verschaffen, nicht brüskieren.
Wir haben uns bereits bei der Einbringung des Gesetzentwurfes eindeutig geäußert. Die Novelle ist ein unverantwortlicher Eingriff in den öffentlichen Bestand der Sparkassen. Sie haben bei der Einbringung der Änderung des Sparkassengesetzes auf die erheblichen Bedenken und die massive Kritik,die z.B.von den IHKs und von den Betroffenen selbst vorgebracht wurden, nicht reagiert. Wir können uns noch sehr genau daran erinnern, wie diffamierend sich der Vertreter der CDU-Fraktion bei der Einbringung des Gesetzentwurfs gegenüber dem Präsidenten des Sparkassen- und Giroverbandes, Herrn Böhmer, verhalten hat. An die diffamierenden Äußerungen können wir uns noch sehr genau erinnern.
Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, Sie sind anscheinend unbelehrbar. Sie schaden mit diesem Eingriff den Regionen, dem Mittelstand, den Kunden und auch den Sparkassen mit ihren in der Region verankerten Arbeitsplätzen massiv.
Durch die Handelbarkeit von Stammkapital geht der ganz eigene Charakter der Sparkassen verloren. Die Orientierung am Shareholder-Value wird einen Rückzug aus der Region nach sich ziehen – mit all den negativen Konsequenzen, insbesondere für die kleinen und mittleren Unternehmen in der Region. Die Sparkassen sind dann nicht mehr Teil der Daseinsvorsorge.Trotz der vorgesehenen Beschränkung auf die Sparkassenfamilie geht der kommunale Charakter der Sparkassen verloren. Herr Minister Rhiel, Sie haben sich zuletzt am 16. November 2006 dicke damit getan, dass das neue Sparkassengesetz angeblich europafest sei. Dagegen hat der zuständige Kommissar McCreevy vor ein paar Tagen gegenüber dem Europaabgeordneten Bullmann auf dessen Nachfrage klargemacht, dass keine Zusicherung bezüglich der Konformität des hessischen Gesetzentwurfs mit EU-Recht gegeben werden kann. Herr Rhiel, Sie haben Ihre Backen umsonst dick aufgeblasen.
(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Bod- denberg (CDU): Der dritte Aufguss einer alten Nummer!)
Sie hätten wissen müssen, dass die EU-Kommission nicht befugt ist, Gemeinschaftsrecht in bindender Weise auszulegen und damit auf ihr Recht zu verzichten, künftig Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, wenn sie später zu dem Schluss kommt, dass EU-Recht verletzt wurde.
Herr Dr. Rhiel, Sie wiegen die hessischen Sparkassen, Kommunen und die dort Beschäftigten in falscher Sicherheit. Folgerichtig werden wir diesen Gesetzentwurf, der sich auf die Bildung von Stammkapital bezieht, im Staatsvertrag ablehnen;denn die geplante Änderung des Staatsvertrages wird nur deswegen notwendig, weil Sie das Sparkassengesetz vor der geplanten Anhörung ändern wollen. Dabei bleibt noch vieles ungeklärt. Warum doktern Sie jetzt an der Rechtsstellung und den Aufgaben herum? Warum sind Mitbestimmungs- und Gleichstellungsfragen noch ungeklärt?
Der Haushalts- und Finanzausschuss des Thüringer Landtags hat sich in seiner Sitzung vom 9. November 2006 mit der geplanten Änderung des Staatsvertrags befasst.Ich zitiere aus der entsprechenden Pressemeldung:
Hintergrund [für die Beratungen] sind Vorstellungen der Hessischen Landesregierung insbesondere zur Bildung von Stammkapital. Der Ausschuss erhielt Kenntnis von Einwänden des Sparkassen- und Giroverbandes Hessen-Thüringen, des Gemeindeund Städtebundes, des Thüringischen Landkreistages sowie der Thüringer Aufbaubank und wird deshalb auf Antrag der Opposition eine schriftliche Anhörung dieser Verbände und Organisationen durchführen.
Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, das, was hier mitgeteilt wurde,hört sich nach allem anderen als nach einer klaren Zustimmung durch das Land Thüringen an. Sie wissen, auf reine Freude ist Ihre geplante Änderung des Sparkassengesetzes bei den Kollegen in Thüringen nicht gestoßen – auch wenn mittlerweile die Unterschrift vorliegt –,weil viele auch in Thüringen davon überzeugt sind,dass wir nicht viel Freude an der geplanten Änderung des Sparkassengesetzes haben werden.Sie tun den Sparkassen in Hessen und in Thüringen mit der geplanten Änderung keinen Gefallen.
(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Bod- denberg (CDU): Es geht nicht um Freude, Herr Kollege!)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Änderung des Staatsvertrages zwischen dem Land Hessen und dem Freistaat Thüringen setzt die Hessische Landesregierung die Neuordnung der Rahmenbedingungen für die Durchführung des Fördergeschäfts für das Land Hessen fort. Darum geht es in diesem Staatsvertrag in erster Linie, um nichts anderes.
Wenn Sie das Thema der angeblichen Privatisierung der Sparkassen wieder ins Spiel bringen, so ist das ebenso
falsch.Es geht nicht um die Privatisierung der Sparkassen, sondern darum, dass Sparkassen in Zukunft Stammkapital bilden können und dieses Stammkapital der öffentlichen Hand verbleibt und sonst niemandem.
Auch das, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird in diesem Staatsvertrag noch einmal eindeutig geregelt: dass sich Private nicht an hessisch-thüringischen Sparkassen beteiligen dürfen
und dass des Weiteren die Zustimmung von Thüringen und Hessen im Staatsvertrag eingeholt werden muss, wenn sich die Helaba oder die Fraspa an Sparkassen des Landes Hessen oder des Landes Thüringen beteiligt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, aber was ist der Kern dieses Staatsvertrags? Bislang ist die LTH ein eigenständiger Geschäftsbereich. Als teilrechtsfähige Anstalt wird sie neben dem veränderten rechtlichen Status eine größere wirtschaftliche Selbstständigkeit durch diesen Staatsvertrag erhalten. Nach der bereits im Juli 2005 erfolgten Umwandlung der Investitionsbank Hessen in eine Anstalt des öffentlichen Rechts, die wir hier vorgenommen haben, würde bei einer Verständigung über diesen Vorschlag die monetäre Landesförderung zukunftsorientiert und europatauglich aufgestellt sowie der Föderalismus durch starke landesnahe Einrichtungen gestärkt. Auch darum geht es dabei.
Die Brüsseler Verständigung II aus dem Jahr 2001 bildet eben hier die Basis für die Neuordnung. Danach können rechtlich selbstständige Förderinstitute weiter Gewährträgerhaftung und Anstaltslast in Anspruch nehmen. Auch darum geht es hier. Voraussetzung ist, dass die Förderinstitute ausschließlich die in der Verständigung genannten Aufgaben wahrnehmen, z. B. öffentliche Förderaufgaben oder die Finanzierung von Gebietskörperschaften und anderes. Dies gilt dann auch für sogenannte unselbstständige Förderinstitute, sofern diese organisatorisch, betriebswirtschaftlich und personell vom Wettbewerbsgeschäft der jeweiligen Landesbank abgegrenzt sind. Das ist gut so, weil wir dies in Hessen endlich brauchen.
Die LTH erfüllt dieses Transparenzgebot, da sie über einen eigenen testierten Jahresabschluss verfügt. Sie wird das unselbstständige Förderinstitut in der Anstalt errichten und darf damit die Gewährträgerhaftung des Landes in Anspruch nehmen. Darum geht es, Herr Kollege Frankenberger. Die LTH kann durch die Gewährträgerhaftung nachhaltige Refinanzierungsvorteile generieren – das ist nicht schlecht, sondern das ist nur gut –, Refinanzierungsvorteile, die dann wiederum dem Fördergeschäft zugute kommen.
Künftig können so die Refinanzierungen der LTH, Herr Kahl, im Interbankenmarkt und am Kapitalmarkt erfolgen, also unmittelbar und mit eigenem Rating.
Das wollen Sie ablehnen, und zwar zum Nachteil der mittelständischen Wirtschaft unseres Landes, Herr Kollege Walter.
Dadurch eröffnen sich neue Aktionsfelder und Geschäftsfelder für die LTH, beispielsweise im Bereich der Schulen – wer hätte denn etwas dagegen? –, im Bereich der Krankenhäuser – wer hätte denn etwas dagegen, außer der SPD und den GRÜNEN? –,