Protocol of the Session on October 6, 2006

(Beifall bei der FDP)

Wir haben unterschiedliche Entwicklungen – ich habe es dargestellt – in Frankreich, Österreich, Portugal und in den Niederlanden. Das italienische Modell hat dazu geführt, dass die UniCredito, die 1998 aus dem Zusammenschluss der staatlichen Credito Italiano und der Traditionsbank Rolo Banca sowie mehrerer Sparkassen hervorgegangen ist, die zweitgrößte Bankengruppe, die HVB,übernommen hat.Wird daran nicht deutlich,welche Veränderungen sich in der Kreditwirtschaft in Europa abgespielt haben? Es wurden damit Kreditinstitute geschaffen, die auf dem europäischen und dem internationalen Markt wettbewerbsfähig sind.Hätte sich jemand von zehn Jahren ernsthaft darüber Gedanken gemacht und geglaubt, dass eine italienische Bank die HVB übernehmen würde? – Niemand hätte das für möglich gehalten. Es ist realisiert worden, weil in den anderen Ländern der Strukturwandel bereits stattgefunden hat.

Kein deutsches Kreditinstitut, die Deutsche Bank vielleicht ausgenommen, spielt – im Gegensatz zu vielen Kre

ditinstituten in anderen europäischen Ländern – in der Europäischen Union oder international eine bedeutende Rolle. Man könnte sagen: Was haben wir damit zu tun? Wenn die Privatbanken das verschlafen haben, dann ist das deren Problem. Was geht das die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute an?

Meine Damen und Herren, dies ist nicht die Auffassung der Liberalen in diesem Hause, denn Kooperationen über Holdinggesellschaften und Beteiligungsmöglichkeiten zwischen den Säulen könnten ein Schritt in die Richtung sein, eine Konsolidierung im Sinne einer größeren Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Bankenlandschaft insgesamt zu gewährleisten.

(Beifall bei der FDP)

Weil ich weiß, dass diese Frage auch bei den Kommunalpolitikern der Liberalen sehr intensiv diskutiert wird, will ich darauf eingehen. Es geht um die Frage der Gemeinnützigkeit. Es geht um die Frage der Verbundenheit der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute in der Region. Andere Regionen zeigen, beispielsweise durch die Wahl von Stiftungen, dass der Gemeinnützigkeitsgedanke auch bei einer anderen Rechtsform sehr wohl gewährleistet sein kann. Das ist in Österreich völlig selbstverständlich. Man kann aufspalten. Man kann Teile anders organisieren, die sich in besonderer Weise der Gemeinnützigkeit widmen. Ich sage das deswegen, weil ich den Eindruck vermeiden möchte, wie das die Sozialdemokraten häufig uns gegenüber getan haben,

(Gerhard Bökel (SPD): Na!)

das, was wir machen, das, was wir wollen, sei die totale Privatisierung der Sparkassen.

(Reinhard Kahl (SPD): Genau das ist der Weg dort hin! Das wissen Sie ganz genau!)

Herr Kahl, das ist nicht der Fall. Damit Sie es nachher nicht wiederholen müssen, sage ich Ihnen das gleich an dieser Stelle: Eine Änderung der Rechtsform muss nicht dazu führen – wir wollen es auch nicht –, dass das DreiSäulen-System als solches als Prinzip infrage gestellt wird.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Axel Winter- meyer (CDU))

Meine Damen und Herren, Herr Minister Rhiel, Sie haben auf das Stammkapital hingewiesen. Sie haben gesagt, bei dem Gesetzentwurf der Landesregierung bleibe die Handelbarkeit ausschließlich in der Familie – horizontal und vertikal. Wir gehen weiter. Allerdings müssen Sie auch sagen, was im Vorfeld des Gesetzentwurfes immer wieder diskutiert worden ist: Bei den kommunalen Trägern besteht die Befürchtung, dass auf einmal der Verwaltungsratsvorsitzende des Nachbarlandkreises Verwaltungsratsvorsitzender seiner eigenen Sparkasse ist. – Ich meine, der Befürchtung eines Ausverkaufs könnte man dadurch entgegentreten, dass man eine Privatisierung bzw. eine Beteiligung bei der Grenze von 49 % belässt. Diese enthält – ich sage das nur im Unterschied zu dem Entwurf der Landesregierung – unser Gesetzentwurf. Das heißt,es bleibt eine Mehrheitsbeteiligung des Trägers.Das geht meines Erachtens weiter als das, was Sie erklären. Denn bei Ihnen ist die Bildung des Stammkapitals lediglich eine Option.

(Nicola Beer (FDP): Hört, hört!)

Sie sagen den Trägern: Ihr könnt das machen. – Wenn die es nicht machen, wissen Sie, was ihnen dann passiert? Es passiert das, was wir in der Vergangenheit auch schon in

das Sparkassengesetz hineingeschrieben haben: Beteiligung als stille Einlage, die nicht angenommen wird.

(Reinhard Kahl (SPD): Sehen Sie mal!)

Das heißt also, das, was Sie machen, ist eine Option. Eine Option kommt nur dann zum Tragen, wenn der Träger sie realisiert.

(Reinhard Kahl (SPD): Sie wollen Zwangsbeglückung?)

Meine Damen und Herren, Sie haben das Thema der Europarechtstauglichkeit angesprochen. Mit Verlaub, was Herr McCreevy sagt, ist nicht entscheidend dafür, ob es am Schluss tatsächlich europarechtstauglich ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Denn wenn in der Vergangenheit das europäische Recht eine Rolle gespielt hat, ist immer die Frage gewesen: Wehrt sich ein Dritter dagegen?

(Reinhard Kahl (SPD):Genau das passiert! – Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Bei der Frage der Aufhebung der Gewährträgerhaftung und der Anstaltslast waren es die privaten Banken,die das Verfahren in Brüssel eingeleitet haben.

(Reinhard Kahl (SPD): Das kommt jetzt wieder!)

Herr Kollege Boddenberg, wir sind uns sicher darüber einig: Ob das, was Sie hier vorhaben, europarechtstauglich ist, werden letztendlich die Gerichte entscheiden und nicht Herr McCreevy.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Boddenberg (CDU):Das war schon immer so!)

Ich sage das nur deswegen, weil Sie eben durch Ihren Applaus bei dem Hinweis auf Herrn McCreevy den Eindruck erweckt haben, damit sei alles in trockenen Tüchern.

Meine Damen und Herren, Herr Minister Rhiel, deswegen will ich noch einmal auf die entscheidende Passage hinweisen: auf die Verständigung über Anstaltslast und Gewährträgerhaftung aus dem Jahre 2001. Meine Damen und Herren, damit wir uns deutlich machen, was Europa von uns will – da heißt es:

Die Anstaltslast, so wie sie derzeit besteht, wird ersetzt gemäß den folgenden Grundsätzen.

2.2 a: Die finanzielle Beziehung zwischen dem öffentlichen Eigner und dem öffentlichen Kreditinstitut darf sich nicht von einer normalen wirtschaftlichen Eigentümerbeziehung gemäß marktwirtschaftlichen Grundsätzen unterscheiden, so wie der zwischen einem privaten Anteilseigner und einem Unternehmen in einer Gesellschaftsform mit beschränkter Haftung.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Hört, hört!)

Meine Damen und Herren, wenn Sie dann nur eine Option anbieten und derjenige, der davon betroffen ist, von dieser Option keinen Gebrauch macht,wie soll denn dann ein solches Gesetz den europarechtlichen Vorgaben entsprechen?

(Beifall bei der FDP – Reinhard Kahl (SPD): Das stimmt, eindeutig!)

Herr Kollege, die Redezeit ist fast um.

Ich komme zum Schluss. – Deswegen haben wir Zweifel an der Europatauglichkeit. Deswegen sind wir einen weitergehenden bzw. einen anderen Weg gegangen, der die Möglichkeit der Beteiligung Dritter eröffnet.

Last but not least.Nicht alles,was man propagiert,ist nicht schon ausprobiert. Unser Modell gibt es schon. Die Schweizer Kantonalbank – ich glaube, wenn man von der Schweiz und dem Kreditwesen spricht, kann man etwas lernen – ist ein ähnliches Institut wie bei uns. Sie ist in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft. Bei ihr müssen bis zu 30 % der Träger öffentlich bleiben, aber ansonsten sind private Beteiligungen möglich.

Meine Damen und Herren, wir freuen uns auf eine interessante Diskussion. Denn ich glaube, die Diskussion ist nicht beendet, wenn mit der Diskussion über unseren Gesetzentwurf der Gesetzentwurf der Landesregierung Gesetz werden sollte.Wir werden die Diskussion weiter führen. Ich bin sicher, last but not least wird uns Europa irgendwann zwingen, weitergehende Schritte diskutieren zu müssen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Frankenberger das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Dr. Rhiel, manchmal kann man das Gute wollen und macht dann doch genau das Falsche.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben in Ihrer Pressemitteilung vom 27.06.2006 zur Zielsetzung dieses hier vorliegenden Gesetzentwurfes gesagt:

Wir wollen die regionale Verwurzelung der Sparkassen in Hessen stärken. Die hessischen Sparkassen sollen auch in Zukunft eine starke Säule in der dreigliedrigen Bankenlandschaft sein.

(Reinhard Kahl (SPD):Das Gegenteil macht man!)

Vor allem kleine und mittelständische Betriebe sollen von der Gesetzesnovelle profitieren und die Funktion als wichtige Mittelstandsfördereinrichtung soll gestärkt werden und nicht geschlossen oder privatisiert werden.

(Demonstrativer Beifall des Abg. Michael Bodden- berg (CDU) – Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

Herr Dr. Rhiel, das alles wollen wir für unsere hessischen Sparkassen auch.

(Michael Boddenberg (CDU): Prima!)

Herr Dr. Rhiel, dann frage ich Sie:Warum haben Sie dann diesen Gesetzentwurf eingebracht?

(Beifall bei der SPD)