Protocol of the Session on October 6, 2006

Frau Sorge, Sie sollten einfach einmal zuhören. Es ist besser, wie dauernd irgendwelchen Krawall in diesem Hause zu veranstalten.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Steinberg – darauf will ich einmal einen Punkt legen – verweist auf staatliche Mittel und das Beispiel der USA. Dort beträgt das, was die Universitäten zusätzlich vom Bruttosozialprodukt bekommen, 0,9 %. Das ist ungefähr das Gleiche wie in der Bundesrepublik. Aber was in den USA hinzukommt, hat eine Höhe von 1,8 % des Bruttosozialprodukts. Das beträgt in Deutschland nur 0,1 %. Es ist darum gegangen, dass wir hier neue Ideen haben, wie wir neues privates Kapital in die Bildung bekommen, sodass unsere Bildung noch besser wird. Das ist ein legitimer Vorschlag. Diesen legitimen Vorschlag finden wir gut. Dass er weiterentwickelt wird, muss die Hochschule machen.Wir stehen dahinter.

Was wir nicht brauchen,ist diese unqualifizierte Panikmacherei, die Sie uns heute vorschwallen.

(Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wer macht denn die Panik? Das ist der Minister! – Zuruf der Abg.Andrea Ypsilanti (SPD))

Deswegen brauchen wir nicht eine solche Schlafmützigkeit, wie Sie das immer wieder vortragen, sondern wir gehen ganz sachlich an diese Aufgabe heran und werden in diesem Land weiter für gute Bildung sorgen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU – Michael Siebel (SPD): Jetzt haben wir das Panikorchester!)

Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Damit sind die Punkte 50 und 52 erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 51 auf:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend eine Aktuelle Stunde (Der Bundesinnenminister hat recht: „Der Islam ist Teil Deutschlands und Teil Euro- pas, er ist Teil unserer Gegenwart, und er ist Teil unserer Zukunft“) – Drucks. 16/6095 –

Redezeit: Fünf Minuten je Fraktion. – Das Wort hat der Kollege Al-Wazir, Fraktionsvorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundesinnenminister hat in seiner Regierungserklärung nach der Islamkonferenz heute vor einer Woche im Bundestag diesen – wie ich finde – sehr bedeutenden Satz gesagt, den wir zum Titel unserer Aktuellen Stunde gemacht haben: Der Islam ist Teil Deutschlands und Teil Europas, er ist Teil unserer Gegenwart, und er ist Teil unserer Zukunft.

Wir finden diesen Satz deshalb sehr bedeutend, weil die Islamkonferenz und die Regierungserklärung sowie die Debatte im Bundestag am Tag danach gezeigt haben, dass wir endlich die Realität in diesem Lande anerkennen,dass wir zu einer öffentlichen Anerkennung der Tatsache kommen, dass der Islam zwar die Religion einer Minderheit in Deutschland ist, aber diese Minderheit zu Deutschland gehört und damit ihre Religion Teil von Deutschland ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen wir den Bundesinnenminister zur Islamkonferenz ausdrücklich beglückwünschen.Ich füge hinzu:Wir hätten uns auch vom Vorgänger des jetzigen Innenministers eine solche Islamkonferenz gewünscht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum die nicht stattgefunden hat, ist relativ einfach zu erklären. Es war eine Angst vor denen, die genau diese Islamkonferenz jetzt vonseiten der Union mit unterstützt haben.

(Widerspruch des Abg. Gottfried Milde (Gries- heim) (CDU))

Herr Milde, ich stelle mir vor, was Herr Irmer im „Wetzlar-Kurier“ geschrieben hätte, wenn Otto Schily diesen Satz gesagt hätte.Aber sei es drum.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)

Die öffentliche Anerkennung ist da.Wir haben damit endgültig die Überwindung dieses Gastarbeiterstatus, den wir im Aufenthaltsrecht langsam hinbekommen, auch in der Mentalität dieses Landes hinbekommen. Wir kommen also quasi der Einbürgerung des Islam näher. In der Union gibt es zwar noch einige,die Abwehrreflexe zeigen, wie z. B. Herr Pofalla am Sonntag nach der Islamkonferenz.Aber das sind Rückzugsgefechte.

Auch CDU und CSU haben sich auf den Weg gemacht – ich hoffe, das gilt auch für Hessen –, die Ideologie hinter sich zu lassen und sich dem zuzuwenden, was Aufgabe der Politik ist, nämlich die pragmatische Lösung von realen Problemen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme zu dem, was in Hessen ansteht. Dieser Ministerpräsident hat lange dafür gekämpft, dass Bildung alleinige Ländersache ist. Ich sage Ihnen: Wir müssen eine Antwort auf die Frage finden, warum bei mehr als 3 Millionen Muslimen in Deutschland weiterhin an deutschen Schulen kein Islamunterricht stattfindet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Solange es in den Schulen Unterricht für diverse andere Glaubensgemeinschaften gibt, ist nicht klar, warum es ihn für diese Gruppe nicht geben soll. Zweitens müsste es in

unser aller Interesse liegen, dass wir das hinbekommen; denn wer sich über Hinterhofmoscheen beschwert, muss eine Antwort auf die Frage geben, warum der Unterricht nicht dort stattfindet, wo er stattfinden sollte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen hoffe ich, dass die Hessische Landesregierung und die Mehrheitsfraktion in diesem Hause jetzt endlich darangehen, Antworten auf diese Frage zu finden, statt sich darauf zurückzuziehen, dass ihnen ein Ansprechpartner fehle und die Struktur des Islams so kompliziert sei. Aber die Struktur des Islams in Hessen ist nicht anders als die in Bayern oder Baden-Württemberg.Ich frage Sie,warum in Bayern und Baden-Württemberg möglich ist, was in Hessen angeblich nicht geht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen fordern wir die Landesregierung von dieser Stelle aus auf, auch auf der Landesebene so etwas Ähnliches wie eine Islamkonferenz zu initiieren – nicht nur zu Fragen des Religionsunterrichts, sondern generell zu den Fragen, wie wir das Zusammenleben gestalten. Sehr verehrte Frau Kultusministerin, sehr geehrter Herr Innenminister, wenn man keinen Ansprechpartner hat, muss man nämlich alles dafür tun, dass man sich einen schafft. Dazu gehört, dass man es sich zur Aufgabe macht, etwas Ähnliches wie das, was auf der Bundesebene erfolgreich gestartet ist, auch auf der Landesebene durchzuführen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Al-Wazir, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss. – Die Werte dieser Republik gelten für alle. Zu den Werten dieser Republik gehören die Freiheit der Religionsausübung, die Freiheit der Kunst, die Freiheit der Wissenschaft und ein strikter Gleichbehandlungsgrundsatz. Wenn wir uns auf dieser Grundlage treffen und die Ideologie hinter uns lassen, können wir das tun, wofür wir da sind: Wir können das Zusammenleben in diesem Land gestalten und dafür sorgen, dass wir die realen Probleme lösen. Probleme gibt es genug. Packen wir sie einfach an. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat die Abg. Zeimetz-Lorz, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss Ihnen ein Geständnis machen.

(Zurufe von der SPD: Oh! – Jürgen Walter (SPD): Wir sind unter uns, das geht!)

Ich freue mich, dass Sie wach sind. – Als ich gelesen habe, welches Thema die Aktuelle Stunde hat, habe ich mich nämlich gefragt: Was wollen uns die GRÜNEN damit sagen?

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt wissen Sie es!)

Herr Al-Wazir, nach Ihrer Rede bin ich nicht wirklich schlauer. Ich kann aber feststellen – ich glaube, das ist in diesem Hause einmalig,und es erstaunt mich schon –,dass Sie den Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble gelobt haben,

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es!)

genauso wie es Ihre Kollegin im Deutschen Bundestag, Frau Künast, getan hat. Für mich ist das ein bemerkenswerter Vorgang an diesem frühen Morgen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Unterschied ist, die CDU im Bundestag hat geklatscht, hier nicht!)

Ich habe mich weiterhin gefragt, was die GRÜNEN wollen.Während Ihrer Rede hat sich mein Verdacht ein Stück weit erhärtet, dass Sie einen Keil zwischen die CDU Deutschlands und die CDU in Hessen treiben wollen, nach dem Motto: Die CDU-Bundestagsfraktion hat es erkannt, die Hessen mögen folgen.

(Beifall bei der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die mögen folgen!)

Dann darf ich Sie darauf hinweisen, dass wir uns schon längst auf den Weg gemacht haben. Wenn Sie sagen, wir sollten ohne politische Ideologie über dieses Thema diskutieren,muss ich nach wie vor feststellen,dass das aus Ihrer Sicht offensichtlich nur einseitig gilt. Sie haben Ihre politische Ideologie bis heute nicht abgelegt.

(Beifall bei der CDU – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn das stimmen würde, hätten Sie einen guten Grund, das auch nicht zu tun!)

Ich möchte gern aus einem Beitrag von Frau Kelek zitieren, die auch Teilnehmerin der Islamkonferenz ist. Frau Kelek schreibt in der „Welt“ vom 26.02. 2005 – das gilt noch heute, das hat sie auch in ihrem Buch deutlich gemacht –:

Die Deutschen haben eine in ihrer Geschichte begründete panische Angst davor, als Rassisten oder Ausländerfeinde zu gelten. Sie versuchen alles, die Migranten und ihre Kultur „zu verstehen“. Das ist in Ordnung, aber es ist nicht beim Verstehen geblieben, sondern das Verstehen ist zu einem großen Missverständnis geworden. Dieses Missverständnis hat zur Hinnahme des Islamismus, zur Tolerierung der Diskriminierung von Frauen geführt. Und zu diesem Missverständnis gehört auch der von Teilen der früheren rot-grünen Koalition verfochtene und betriebene Multikulturalismus.

(Beifall bei der CDU)