Protocol of the Session on September 13, 2006

Ich will noch ein Beispiel zur Frage der technologischen Entwicklung nennen.An anderer Stelle hat mich der derzeit amtierende Präsident gefragt, was DMB sei. Dabei

hat sich gezeigt, dass DMB nichts anderes bewirkt, als dass man Fernsehen auf dem Handy empfangen kann.

Herr Kollege Posch, ich war Ihnen damals sehr dankbar für die Aufklärung.

(Heiterkeit)

Deshalb habe ich mich auch daran erinnert. Sonst hätte ich das nicht mehr im Kopf gehabt.

Das würde bedeuten, dass das Handy, das man als mobiles TV-Gerät nutzen kann, ebenfalls der Gebührenpflicht unterliegt.

Deshalb appelliere ich an die Landesregierung, bei den jetzt stattfindenden Diskussionen vor dem Hintergrund der Stellungnahme der Intendanten diese Frage sehr nüchtern zu diskutieren.

Herr Kollege Posch, bei aller Zuneigung, aber Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Diesen Hinweis habe ich als Aufforderung aufgefasst, weiterzumachen.

(Heiterkeit)

Sie dürfen noch einen Satz sagen, Herr Kollege Posch.

Abschließend weise ich auf die Stellungnahme der Industrie- und Handelskammer Frankfurt hin, die vor wenigen Tagen appelliert hat, das Moratorium zu verlängern und darüber hinaus über eine neue, zukunftsorientierte Lösung nachzudenken und diese zu realisieren. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herzlichen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Al-Wazir, der Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Um es gleich vorweg zu sagen: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist auf eine verlässliche Finanzierungsquelle angewiesen, um Qualität auch in Abgrenzung zu manchen Programmen sicherzustellen. Wir GRÜNEN sind diejenigen, die ihm genau dieses Qualitätsargument immer wieder vorhalten, wenn er aus unserer Sicht die geforderte Qualität nicht mehr erbringt oder sich zu sehr an die Privaten angenähert hat.Wir kämpfen

an allererster Stelle dafür, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk die finanziellen Mittel erhält, die er benötigt, um ein qualitativ hochwertiges Programm für alle Zielgruppen anbieten zu können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Siebel (SPD): Das ist der Unterschied zur FDP!)

Ich habe diese Aussage deshalb an den Anfang meiner Rede gestellt, weil ich fast alles unterschreiben kann, was Herr Kollege Posch gesagt hat,obwohl uns einiges von der FDP unterscheidet.

Wenn wir uns die Genese anschauen, wie es zu der Gebührenerhebung auf internetfähige PCs ab dem 01.01.2007 kommen soll, will ich zurückblicken auf die Vorgeschichte dieser Entscheidung und auf den Rundfunkgebührenstaatsvertrag. Meine Damen und Herren, wir haben es hierbei nämlich mit dem Fluch der bösen Tat zu tun. Die böse Tat war, dass sich die Politik in die Frage der Rundfunkgebühr eingemischt hat. Aus guten Gründen gibt es in der Bundesrepublik Deutschland die Tradition, dass es eine unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten gibt. In diesem Zusammenhang gibt es ein festgelegtes Verfahren. Die Rundfunkanstalten melden zunächst ihren Finanzbedarf an. Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten überprüft, welche von diesen Forderungen überzogen ist, und kommt dann zu einer Empfehlung. In der Regel sind die 16 Landtage dieser Empfehlung der Gebührenhöhe gefolgt.

Beim letzten Mal war das anders. Damals hat ein schrecklich grausiges Triumvirat – als SMS bekannt –, bestehend aus den Herren Stoiber, Milbradt und Steinbrück, eingegriffen, indem die Herren gesagt haben: Wir mischen die öffentlich-rechtliche Rundfunklandschaft einmal richtig auf, gehen ohne Rücksicht auf Verluste in diese Debatte hinein und lehnen eine Gebührenerhöhung ab.

Dann ist das herausgekommen, was immer dabei herauskommt, wenn sich Leute, die von einer Sache relativ wenig verstehen, mit Argumenten, die mit der Sache relativ wenig zu tun haben, am Ende auf irgendetwas einigen. Dann kommt nämlich Unsinn heraus, und über diesen Unsinn reden wir gerade.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gab eine Anmeldung auf Erhöhung der Rundfunkgebühren der Anstalten um über 2 c. Die KEF, die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs, hat empfohlen, die Gebühren um 1,09 c zu erhöhen. Dann kamen Stoiber, Milbradt, Steinbrück und die anderen Ministerpräsidenten, und das Ergebnis war: Die Gebühren wurden nicht um 1,09 c, sondern um 0,88 c erhöht, und zwar nicht zum 1. Januar 2005, sondern zum 1.April 2005.

Was war das Ergebnis? Man hat den Anstalten Geld weggenommen, das sie schon eingeplant hatten, und in der Ministerpräsidentenkonferenz versucht, irgendwelche Kompensationen zu finden. Eine dieser Kompensationen war die Aufhebung des Moratoriums für internetfähige PCs. Das Ergebnis ist, dass wir jetzt genau die Situation haben, die wir haben.

Ich sage es noch einmal: Das war der Fluch der bösen Tat. Hätte die Politik das gemacht, was sie vorher immer gemacht hat, nämlich sich herausgehalten und die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eingehalten, die aus guten Gründen eingerichtet wurde, dann hätten wir diese Diskussion überhaupt nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens.Es gab zwei Fraktionen im Hessischen Landtag, die schon im November 2004 – das waren die GRÜNEN – und im Februar 2005 – das war die FDP – auf genau dieses Problem hingewiesen haben. Ich zitiere aus der Rede der Kollegin Priska Hinz vom 23. Februar 2005:

Bereits in unserem Antrag war formuliert, dass wir es für schlicht und einfach mittelstandsfeindlich halten, dass jetzt auch für alle internetfähigen PCs Gebühren bezahlt werden sollen. Das trifft vor allem kleine Gewerbetreibende, Freiberufler, für die der PC ein unverzichtbares Arbeitsmittel ist. Es trifft sie unverhältnismäßig hart, denn es wird nur eine Gebühr für ein Gerät erhoben, unabhängig davon, wie viele internetfähige PCs in einem Büro vorhanden sind. Das heißt, ein Konzern mit einer großen Hauptverwaltung und Hunderten von PCs zahlt genauso viel wie der Architekt, der nur einen internetfähigen PC in seinem Büro stehen hat.Was das unter Gleichberechtigungsgesichtspunkten für kleine und mittlere Betriebe heißt, können Sie sich ausmalen.

Das war am 23. Februar 2005 richtig, und das ist auch heute richtig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genau deswegen fordern wir die Landesregierung in Person des Herrn Ministerpräsidenten auf, in der Ministerpräsidentenkonferenz dafür zu sorgen, dass von diesem Unsinn, der ab dem 1. Januar 2007 in Kraft treten soll,Abstand genommen wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine kleine Nebenbemerkung. Ich wundere mich manchmal schon, wie lange es dauert, bis Betroffene Kenntnis von dem nehmen, was z. B. die Abg. Priska Hinz schon im Februar 2005 gesagt hat. Alle Fraktionen haben in den letzten Tagen viel Post in dieser Frage bekommen. Ich glaube, es wäre gut gewesen, wenn sich dieser Sturm der Entrüstung erhoben hätte, als in den 16 Landtagen über den Gebührenstaatsvertrag abgestimmt worden ist. Auch vor diesem Hintergrund sollten sich viele überlegen, dass es vielleicht nicht immer richtig ist, darauf zu hoffen, dass die CDU ihre Interessen vertritt. Manchmal tut sie nämlich genau das Gegenteil. Das sage ich jetzt an bestimmte Vertreter der Industrie- und Handelskammern gerichtet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP)

Man muss davon ausgehen, dass ohne die Verwendung eines internetfähigen PC heutzutage keine erfolgreiche Geschäftstätigkeit mehr ausgeübt werden kann. Der Wirtschaftsminister hat, wenn auch, wie üblich, etwas spät, Veranstaltungen mit dem Thema „Nutzung der Möglichkeiten der Breitbandkommunikation auch im ländlichen Raum“ durchgeführt.Wer heute nicht im Internet ist, der kann als Geschäftsmann bzw. Geschäftsfrau einpacken. Es ist aber absurd, wenn der Staat zwingend verlangt, dass z. B. die Umsatzsteuer-Voranmeldungen per E-Mail geleistet werden, dass man aber für diesen E-Mail-Zugang Rundfunkgebühren bezahlen soll.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP)

Das kann nicht sein. Es ist allen verständlich, wenn man sagt:Mein Computer ist keine Glotze.– Wenn ich mir jetzt anschaue, wie der Kompromiss aussehen soll, sage ich Ih

nen: Mein Computer ist auch kein Radio. Mein Computer ist ein Computer.

Bei dieser Frage können wir sehen, dass wir langfristig darüber nachdenken müssen, ob die Art und Weise der Gebührenerhebung noch zu der heutigen technischen Entwicklung passt. Es war früher einmal eine logische Festlegung, die Gebührenerhebung von dem Besitz eines Geräts abhängig zu machen. Als Oma noch ihren Volksempfänger auf der Kommode stehen hatte und damit Radio hörte,war klar,dass man damit nichts anderes machen konnte, als Radio zu hören.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Doch, Spiegeleier braten! – Heiterkeit)

Ich weiß nicht,ob der Kollege Kaufmann mit dem Volksempfänger Spiegeleier gebraten hat, aber gut.

(Heiterkeit – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Röhren wurden sehr heiß! – Minister Stefan Grüttner: Daran kann sich der Herr Kaufmann noch erinnern, aber nicht der Herr Al-Wazir! – Große Heiterkeit)

Wenn ich mir allerdings vergegenwärtige, dass es heute gang und gäbe ist, dass ein Mobiltelefon auch ein Radio hat, wenn ich mir vergegenwärtige – Stichwort: UMTS –, dass man in Zukunft mit dem Mobiltelefon auch fernsehen kann,und wenn ich mir vergegenwärtige,dass z.B.die Kabelbetreiber ihre Anlagen, die ursprünglich nur dem Fernsehempfang dienten, jetzt umrüsten und internetfähig machen, dann muss ich feststellen: Es kann durchaus sein, dass wir in allernächster Zeit mit dem Fernseher EMails verschicken und mit dem Laptop fernsehen. Seit einem Jahr klappt das auch ganz gut, weil die DVB-T-Steckkarte für den Laptop den Empfang von Fernsehprogrammen ermöglicht. Insofern hat es schon einen Grund, darüber nachzudenken, dass man jetzt auch neuartige Empfangsgeräte in die Gebührenpflicht einbezieht.

Das Ganze macht aber hinten wie vorne keinen Sinn. Ich will Ihnen das auch begründen. Bisher ist es so, dass beispielsweise Schulen von den Gebührenzahlungen befreit sind, weil man sich natürlich denkt – Stichwort: Schulfernsehen –, dass es unsinnig wäre, wenn man Schulen, die dafür sorgen, dass der Unterricht mit zeitgemäßen Mitteln stattfindet, dadurch bestraft, dass man ihnen Rundfunkgebühren auferlegt. Die Universitäten allerdings sind nicht befreit. Ein anderes Beispiel. Hotels zahlen ab einer bestimmten Größe für jeden Fernseher Rundfunkgebühren. Unternehmen werden in Zukunft allerdings nicht für jeden PC zahlen müssen.Das wird wiederum dazu führen, dass die Deutsche Bank für ihre Arbeitshallen, wo Hunderte von PCs herumstehen,nur die Gebühr für einen einzigen PC zahlen muss, während die Ich-AG, die ebenfalls auf einen PC angewiesen ist, ebenfalls die Gebühr für diesen einen PC zu entrichten haben wird. Sie sehen an diesen Beispielen, dass die Zeit über diese Form der Gebührenerhebung hinweggegangen ist, die auf die Geräte bezogen ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP)

Ich finde, wir sollten diese Debatte zum Anlass nehmen, um erstens festzustellen, dass dieses Beispiel zeigt, dass sich die Politik aus der Gebührenfrage heraushalten sollte.Wenn sie sich nämlich einmischt, kommen am Ende die Ergebnisse heraus, die wir jetzt beklagen.

Zweitens zeigt das, dass wir ernsthaft über eine geräteunabhängige Medienabgabe nachdenken sollten, in welcher Form auch immer. Ich habe ganz am Anfang gesagt, dass die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sichergestellt werden muss.Ich hatte manchmal das Gefühl, dass manche den Versuch machen wollten, bestimmte Dinge kaputt zu schießen.Es muss sichergestellt sein,dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten weiterhin das qualitativ hochwertige Angebot sicherstellen können, das sie haben – bzw. hatten, bevor sie den Versuch gemacht haben, sich den privaten Anbietern anzunähern.

Wir sollten drittens sehr genau darüber nachdenken,ob es nicht doch eine Möglichkeit gibt, dieses Moratorium zu verlängern und von dem Unsinn der Erhebung einer PCGebühr Abstand zu nehmen. Herr Ministerpräsident, ich glaube, Sie sollten sich nicht hierhin stellen und sagen, dass die Zeit dafür zu kurz sei, weil das zum 1. Januar 2007 in Kraft treten soll. Wir sichern Ihnen zu, dass wir hier schnellstmöglich beraten. Wir verzichten auf jede Form der Anhörung. Wir beraten darüber sofort, wenn ein Änderungsantrag zum Rundfunkgebührenstaatsvertrag eingebracht werden sollte.

Zweitens stelle ich Ihnen folgende Frage. Die Intendanten haben gestern auf ihrer Konferenz in Schwerin beschlossen, dass sie bereit sind, die Gebühren von 17,03 c auf 5,52 c zu senken

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Auf Kosten des ZDF!)

die ARD-Intendanten –, und haben dann noch gesagt, dass sie im Zweifelsfall über eine Kompensation für das ZDF nachdenken. Aus meiner Sicht ist das absurd; und wenn man eine Gebühr für das Radiohören in Höhe von 5,52 c erhebt und dem ZDF, das nur einen Fernsehkanal betreibt, genau davon etwas abgibt, dann wird das Ganze noch absurder.