Protocol of the Session on June 22, 2006

Ausgehen möchte ich davon, dass der Bundesvorsitzende der GEW, der wohl gemerkt hat, dass es ein bisschen schwierig geworden ist, heute Morgen gesagt hat:

Diese Broschüre kommt aus dem Museum und ist nicht unser aktueller Debattenbeitrag zum Thema Nationalbewusstsein.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Aus dem Museum bestimmt nicht! Aus dem Archiv!)

Der Satz ist richtig. Allerdings enthält das Vorwort eine andere Aussage. In dem Vorwort zu dieser Broschüre heißt es nämlich, sie sei absichtlich „gerade zur Fußballweltmeisterschaft 2006“ erschienen.Damit ist die Aussage des damaligen GEW-Vorsitzenden Wunder verbunden, der gesagt hat, das Deutschlandlied gehöre ins Museum. Damit ist auch die Wendung gegen einen „angeblich natürlichen Patriotismus“, den es nicht geben dürfe, sowie gegen „Stimmungen des Nationalismus und der deutschen Leitkultur“ verbunden.

In einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“, das heute erschienen ist, sagt der GEW-Vorsitzende, man habe keine Diskussion über nationale Symbole gewollt. Das Gegenteil ist der Fall. In dem Vorwort zu der Broschüre vom 15.05.2006 heißt es, es gebe darin einen fundierten Beitrag des Herrn Ortmeyer mit Argumenten gegen das Deutschlandlied. Deshalb ist diese Broschüre wieder neu aufgelegt und verteilt worden.

Um abzuwiegeln, hat einer, der das Vorwort mit unterschrieben hat, heute in der „Frankfurter Rundschau“ gesagt:

Die dritte Strophe war von enormer Bedeutung für das Zusammenwachsen Deutschlands. „Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland“ ist 1999 eine ganz zentrale Aussage für sehr viele Menschen gewesen...

Dem ist überhaupt nicht zu widersprechen. Das ist die Wahrheit.Aber das hat derselbe Mensch gesagt, der diese Broschüre mit herausgegeben und die Einleitung geschrieben hat. In der Einleitung, die im Jahr 2006 wieder erscheint,steht,die dritte Strophe – nicht die erste und die zweite Strophe – sei „ein typisches Beispiel dafür, wie in der Restaurationsperiode nach 1945 viele Traditionslinien der Deutschen fortgeführt wurden, die besser unterbrochen worden wären“.

Daran knüpft – nicht in dieser Broschüre, sondern in einem Interview dieser Tage – die Aussage des Landesvorsitzenden der GEW an: „Die aktuelle Hymne ist belastet und passt nicht zu unserem Land.“ Wer die Aussage macht, die aktuelle Hymne, die dritte Strophe des Deutschlandlieds, passe nicht zu unserem Land,

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der irrt sich!)

wer über die Einigkeit zur Entstehungszeit, aber auch im Jahre 1989, nicht Bescheid weiß, wer die Geschichte, die Notwendigkeit und die Erziehungsimpulse nicht kennt, wenn es darum geht, an unseren Schulen die Grundsätze von Recht und Freiheit als die zentralen Elemente unserer Demokratie und dessen zu vermitteln,was junge Menschen heute lernen müssen, um aktive Bürger in unserem Land zu sein, wer diese Begriffe als Dreiklang eines aufgeklärten Patriotismus in unserem Land nicht kennt, der kann die Kinder für dieses Land, für einen aufgeklärten Patriotismus und für die Verantwortungsübernahme in diesem Land nicht tauglich machen.

Heute sagen z. B. Funktionäre des Fußballverbandes oder des DFB,dass die Selbstverständlichkeit des Umgangs mit den Farben, der Fahne, der Hymne und dem Deutschlandlied in unserem Land eine erfreuliche Entwicklung genommen hat. Ich glaube, wer das bestreitet, hält nicht mit dem Schritt, was junge Menschen in unserem Land brauchen.Ich finde die Aussage von Theo Zwanziger richtig, der gesagt hat: Patriotismus heißt nie, sich über einen anderen erheben zu wollen. – Er hat aber auch gesagt, in einer Demokratie sei Patriotismus das Zeichen einer normalen Grundhaltung.

Dann ist die Frage der „Frankfurter Neuen Presse“ in einem Leserbrief nicht unberechtigt. Die heißt: „Wem wollen sie“ – die GEW – „wirklich in die Hände spielen?“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das, was in diesen Tagen geschieht, wird es für die Zukunft in unserem Lande möglich machen, dass Menschen in einer Identifikation mit diesem Land zugleich daran beteiligt sind, kritisch an der Weiterentwicklung dieses Landes mitzuwirken, mit Freude zu diesem Land zu gehören, zu dieser Nation zu gehören, für deren Vergangenheit wie für deren Zukunft Verantwortung zu übernehmen. Ich finde, dieses sollten wir denen entgegnen, die solche Broschüren in unseren Schulen verteilen wollen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, es gibt zu dieser verbundenen Debatte der Punkte 59 und 62 keine weiteren Wortmeldungen mehr.

Ich rufe nun zur Abstimmung über den Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktion der CDU betreffend Deutschland freut sich schwarz-rot-gold, Drucks. 16/5713, auf. Wer diesem Dringlichen Entschließungsantrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das war einstimmig.

(Beifall bei der CDU – Axel Wintermeyer (CDU): Bravo!)

Zur Geschäftsordnung hat der Abg. Reinhard Kahl das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine kurze Bemerkung zu unserem Abstimmungsverhalten: Wir stimmen ausdrücklich den Inhalten dieses Antrages zu, und wir stimmen manchen Debattenbeiträ

gen – gerade von der CDU und von Herrn Irmer – ausdrücklich nicht zu.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Kahl. – Meine Damen und Herren, es steht jeder Fraktion zu, ihr Abstimmungsverhalten zu erläutern. Kein Grund zur Aufregung.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 60 auf:

Antrag der Fraktion der SPD bereffend eine Aktuelle Stunde (Staatliche Schulämter sind keine Strafanstalten – Kritik an Unterrichtsgarantie plus berechtigt) – Drucks. 16/5701 –

Redezeit: Fünf Minuten je Fraktion. Das Wort hat Frau Kollegin Ypsilanti.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir alle haben jetzt auf Antrag der CDU beschlossen, uns zu freuen. Das tun wir auch. Aber nicht alles macht Grund zur Freude. Frau Ministerin, Ihre Bildungspolitik macht uns überhaupt keinen Grund zur Freude.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Wir fragen uns, wie lange Sie noch ignorieren wollen, dass Sie in diesem Land für Ihre Bildungspolitik überhaupt keine Unterstützung mehr haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielleicht können Sie uns einmal erklären, wer eigentlich noch auf Ihrer Seite steht. Es sind auf keinen Fall die Schüler,die wissen,in der Grundschule findet schon in der vierten Klasse die erste Auslese statt. Sie wissen, dass, wenn Sie den Elternwillen wahrnehmen, Sie das Damoklesschwert der Querversetzung haben. Sie wissen, dass sie mit der verkürzten gymnasialen Schulzeit in einer Phase, wo die Entwicklung noch ein bisschen schwierig verläuft, zusätzliche Arbeitsbelastung haben. Sie haben also nicht die Unterstützung der Schüler unter dem Thema: Sie fordern, aber Sie fördern nicht.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben auch nicht die Unterstützung der Eltern, die gemerkt haben, dass Ihre Unterrichtsgarantie nicht Wirklichkeit geworden ist. Die wissen, dass der Druck, den die Kinder in der Schule haben, mit nach Hause gebracht wird und im Elternhaus mit abgearbeitet werden muss. Die Eltern unterstützen Sie nicht mehr, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben nicht mehr die Unterstützung der Schulträger, die von Schulschließungen bedroht sind. Sie haben nicht einmal mehr die Unterstützung

(Michael Boddenberg (CDU): Der SPD!)

der hessischen Wirtschaft, die eigentlich schon lange gemerkt hat, dass Sie aus PISA nichts gelernt haben, Frau Ministerin. Sie hat schon lange eine Art von Ganztags

schule gefordert, wie wir sie wollen, nämlich eine mit einem pädagogischen Konzept.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben auf keinen Fall mehr die Unterstützung der Lehrer und schon gar nicht die der Schulleiter, die nämlich wissen, dass sie jetzt die Unterrichtsgarantie retten sollen und für Ihre verfehlte Personalpolitik geradestehen müssen,

(Beifall bei der SPD)

und die sich aus fachlicher Verantwortung weigern, die Suppe auszulöffeln, die Sie ihnen einbrocken wollen. Die Schulleiter sehen, dass Sie aus der Unterrichtsgarantie allenfalls eine billige Betreuungsgarantie machen wollen,

(Beifall bei der SPD)

denn Aushilfskräfte haben mit einem qualifizierten Unterricht überhaupt nichts zu tun. Das sagen die Schulleiter. Sie sagen die Wahrheit. Und weil sie die Wahrheit sagen, kündigen Sie Maulkorb und Nachschulungen an, Frau Ministerin.

(Beifall bei der SPD)

Sie stehen mit dem Rücken an der Wand. Aber wir leben nicht in einem Obrigkeitsstaat, wo man versucht, überall durchzuregieren.Jetzt wollen Sie bis in die Schulen durchregieren. Frau Ministerin, Sie sollten einmal Ihre absolutistischen Maßstäbe,durchregieren zu wollen,überprüfen, und Sie sollten sich einmal ernsthaft mit der Kritik, die diesmal nicht nur von der SPD-Fraktion kommt, auseinander setzen. Ich finde, das ganze Elend Ihrer Bildungspolitik zeigt sich darin,dass Sie Personalvertretungsrechte beschneiden, dass Sie Maulkörbe verhängen und jetzt auch noch die Schulleiter sanktionieren wollen. Das ist das Ende Ihrer Bildungspolitik.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt beschreiben Sie das in einem Interview so nett, wie: Schulleiter sollen nachgeschult werden. – Glauben Sie im Ernst, sie hätten nicht verstanden, was Sie von ihnen wollen? Glauben Sie im Ernst, sie wissen nicht, wie ein Vertretungspool funktioniert? – Die wissen es ganz genau. Und das ist das Problem, das die Schulleiter beschreiben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Sie erwarten Loyalität von den hessischen Schulleiterinnen und Schulleitern.

(Michael Boddenberg (CDU): Logisch!)