Ich möchte noch einen weiteren Punkt nennen. Das ist keine Repression, und niemand hat davon gesprochen, dass es einen massenhaften Missbrauch gebe,
sondern das war eine Lücke im Gesetz.Das sage ich Ihnen ganz offen.Ich habe nach dem Abitur geheiratet.Ich hatte auch nichts auf der Naht. Ich bin mit meinem Mann zusammengezogen, und ich habe während des Studiums Geld verdient wie mein Mann auch. Das geht.
Aber auszuziehen und Kosten für die Allgemeinheit zu verursachen, wenn ich es nicht finanzieren kann, dazu hat die SPD-Fraktion in der Tat eine völlig andere Auffassung. Das muss ich Ihnen wirklich sagen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das ist schon eine bemerkenswerte Debatte,die wir in der letzten Stunde gehört haben.
Der Antrag der GRÜNEN liest sich,als hätten sie mit diesem Reformwerk eigentlich kaum etwas zu tun. Die Einlassungen von Frau Fuhrmann machen mir deutlich, dass der Weg aus dem Schützengraben der Opposition heraus in die Regierung, gemeinsam mit der Union, noch nicht so ganz bewältigt ist. Sie müssen sich jetzt leider langsam anstrengen, denn sonst kommen Sie da nicht heraus.
(Beifall des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU) – Petra Fuhrmann (SPD): Herr Kollege, wir sind aus der Regierung gekommen – Sie waren in der Opposition! – Weitere Zurufe von der SPD)
(Jürgen Walter (SPD):Wir waren in der Regierung, ihr wart in der Opposition! Ihr habt euch in die Regierung bewegt!)
Herr Walter, dass bei Ihnen Bewegung sichtbar ist, ist mir neu. Das ist mir in den letzten drei Jahren noch nicht aufgefallen. Das ist ein völlig neues Phänomen bei der Hessen-SPD.
(Beifall der Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) und Rüdiger Hermanns (CDU) – Reinhard Kahl (SPD): Jetzt reden Sie einmal zur Sache!)
Ich war schon erstaunt, als ich den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gelesen habe. Immerhin kommt dieses Gesetz aus der Feder der von Ihnen getragenen Bundesregierung.
Das war damals ein Kompromiss im Bundesrat, und wir stehen zu diesem Kompromiss. Sie haben ihn offensichtlich schnell verlassen, denn Sie verlassen mit Ihrem Antrag auch das Ziel dieses Gesetzes.
Das Ziel dieses Gesetzes war die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Warum? Nur um einfacher zu administrieren? – Nein,das war nicht das Ziel.Das Ziel war es,Menschen,die der Sozialstaat teilweise ausgebucht hatte, die in die Sozialhilfe gekommen sind, obwohl sie erwerbsfähig waren, wieder stärker ins Visier zu nehmen und sie dem Arbeitsmarkt zuzuführen. Das war das Ziel.
(Petra Fuhrmann (SPD): Das haben erfolgreiche sozialdemokratische Landräte und Oberbürgermeister schon lange vorher gemacht!)
Dieser erfolgreiche sozialdemokratische Landrat musste sich ständig mit seiner sozialdemokratischen Bundesregierung streiten und war dankbar, dass die christdemokratische Landesregierung in Hessen an seiner Seite kämpfte.
Wenn man diesen Antrag liest, dann stellt man fest, von dem Ziel des Förderns und Forderns – das uns jedenfalls zeitweise gemeinsam war – ist bei den GRÜNEN nichts mehr übrig.
(Widerspruch der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir sind die Einzigen, die noch daran festhalten!)
Sie wollen das Wahlrecht, ob jemand sein Leben staatsfinanziert oder aus eigener Arbeit bestreiten will. Das ist Ihr Ziel. Sie wollen auch nicht, dass in einer Familie Verantwortung füreinander übernommen wird, sondern Sie wollen auch das mit dem zur Disposition stellen, was Sie in Ihrem Antrag hier als Spiegelstriche aufführen.Sie wollen die Familie als Verantwortungsgemeinschaft wieder ein Stück weiter auflösen und unverbindlicher machen.
Das sind schon gewaltige politische Unterschiede – bei allem anderen, was man an sachlichen Dingen bei dieser Reform diskutieren kann. Das werden wir auch tun.Aber das sollte man auch benennen.
Ich finde, es sollte Ihnen auch gar nicht peinlich sein. Stehen Sie doch zu Ihrer Meinung. Unsere wird das nie werden.
Herr Bocklet, das Besondere ist, dass Sie offensichtlich völlig fakten- und beratungsresistent sind. Ich will gar nicht alles das wiederholen,was die Kollegen Rentsch und Fuhrmann bereits angeführt haben. Man sollte zumindest in das Gesetz hineinschauen, bevor man darüber redet. Man sollte auch eine Diskussion im Sozialpolitischen Ausschuss und einen Vortrag dort nicht völlig negieren, sondern sich zumindest ein bisschen mit dem auseinander setzen, was dort vorgetragen wurde.
Aber gut, das liegt in Ihrem Belieben.Was aber nicht geht und was wir Ihnen auch nicht durchgehen lassen, ist, dass Sie Begriffe wie „Abzocke“, „Schmarotzer“ und dann das Attribut des Metzgers verwenden – wobei Metzger ein ordentlicher und ehrbarer Handwerksberuf ist; wenn Herr Boddenberg anwesend wäre, könnte er Ihnen darüber einen langen Vortrag halten,wie ordentlich und wertvoll die Metzgerinnung für unser Gemeinwesen ist.
Verehrter Herr Bocklet, dass Sie solche Begriffe in Zusammenhang mit dieser Landesregierung bringen, geht nicht. Schlagzeilenzitate wie „Abzocke und Missbrauch“, „Abzocke und Schmarotzer“ habe ich zum letzten Mal von einem Mitglied einer Bundesregierung gelesen, der Sie angehörten. Das war Herr Clement. Ich weiß, damals haben viele Sozialdemokraten pikiert unter sich geschaut, weil ihnen diese Wortwahl auch nicht geschmeckt hat.
Ja, Sie haben ihm widersprochen. Sehen Sie, das ist der Unterschied:Die CDU-Landtagsfraktion muss dieser Regierung hier nicht widersprechen, weil wir dieses Vokabular nicht in den Mund nehmen.
Es ist nämlich völlig unangemessen. Deshalb sollten Sie mit Ihren Statements auch gar nicht den Eindruck erwecken, es sei so.
(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Seit Wochen wird das durch die Zeitungen getrieben! Seit Wochen werden diese Menschen diffamiert!)
Lieber, verehrter Herr Bocklet, erstens habe im Moment ich das Wort,Sie können sich nachher zu einer Kurzintervention melden.
Zweitens. Bringen Sie mir einfach einen Zeitungsartikel, aus dem hervorgeht, dass ein Mitglied dieser Landesregierung in einer öffentlichen Veranstaltung oder in einer Presseerklärung die Worte „Abzocker“ oder „Schmarotzer“ in den Mund genommen bzw. in die Schreibmaschine gehauen hat.
Bringen Sie mir das bitte bei, und dann können wir über die Krawatten reden, die Herr Rentsch geschenkt bekommen hat. Vielleicht brauchen Sie auch einmal eine, die würde ich Ihnen dann schenken.
Wir wollen auch gar nicht verhehlen, dass wir von sehr unterschiedlichen Ausgangspositionen aus zu diesem Kompromisspapier gekommen sind. Im Jahr 2003 hat die Landesregierung das Existenzgrundlagengesetz vorgelegt. Es hat im Bundesrat eine Mehrheit gefunden. Es stellt eine in sich geschlossene Reform mit dem Ziel des Förderns und Forderns und der engagierten Aktivierung zur Arbeit dar. Dieses Reformmodell war das Gegenmodell zu dem, was die damalige Bundesregierung vertreten hat. Am Ende haben wir einen Kompromiss erzielt. Wie immer bei Kompromissen sind Teile dabei, die einem schmecken, mit anderen Teilen kann man leben,
Wie der Ministerpräsident gesagt hat: Ein Koalitionsausschuss ist der Geburtsort für Kröten, die man schlucken muss. Herr Kollege Rentsch, das sind Erfahrungen, die man auch gelegentlich in Koalitionen mit der freidemokratischen Partei machen durfte – und wahrscheinlich auch Sie in Koalitionen mit uns.
Wir sind nach wie vor der Meinung, das Existenzgrundlagengesetz wäre die richtige Antwort gewesen, aber wir stehen jetzt zu dem gemeinsam gefundenen und verabredeten Kompromiss.
Aber wenn es denn stimmt – und ich teile diese Analyse –, dass dies eine der größten und tief greifendsten Reformen in der Geschichte der Bundesrepublik gewesen ist, dann