Protocol of the Session on June 20, 2006

Eines will ich abschließend betonen, was den Kampf für mehr Wettbewerb besonders motiviert und rechtfertigt. Es ist die Tatsache, dass überhöhte Preise zutiefst unsozial sind. Genauso unsozial ist der Missbrauch, den die Energiemonopole zur Entlastung anderer Bereiche betreiben. Hier gilt: Starke Schultern tragen mehr als schwache Schultern. Geringverdiener und Familien trifft die überhöhte Stromrechnung viel stärker als Haushalte mit hohem Einkommen. Deswegen sage ich: Niemand soll in Hessen länger überhöhten Energiepreisen ausgesetzt sein. Niemand soll überhöhte Energiepreise zahlen müssen. Wir werden weiterhin für günstige, für realistische Preise streiten. Wir werden weiter für mehr Wettbewerb auf dem Energiemarkt kämpfen. Damit stehen die Chancen gut, dass im nächsten Jahr die Strompreise in Hessen die niedrigsten im deutschlandweiten Vergleich sein werden. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister Dr. Rhiel.

Ich darf die Aussprache zur Regierungserklärung eröffnen und Herrn Abg. Frankenberger für die SPD-Fraktion das Wort erteilen. Redezeit: 20 Minuten.

(Reinhard Kahl (SPD): Eine Minute mehr!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Rede des Herrn Wirtschaftsministers hat eines deutlich gemacht:Es steht in der Tat im Moment 1 : 0, das Spiel ist aber noch lange nicht aus, und keiner weiß, wie es letztendlich ausgehen wird.

(Beifall bei der SPD)

Herr Dr. Rhiel, wir geben Ihnen Recht: Es gibt nichts daran zu beschönigen, dass die Situation am Strommarkt alles andere als verbraucher- und wettbewerbsfreundlich ist. Sie als Wirtschaftsminister haben unsere Unterstützung in Ihren Bemühungen, die großen Energieriesen, die die Hauptverantwortung für die wettbewerbs- und ver

braucherfeindliche Situation tragen,dazu zu zwingen,ihre Preispolitik im Sinne eines verbraucherfreundlichen Wettbewerbs zu gestalten.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Michael Bod- denberg (CDU))

Wie stellt sich die Situation dar? RWE hat im ersten Quartal 2006 seinen Gewinn um 7 % auf 1,05 Milliarden c gesteigert. Das ist gegenüber den Jahren 2000 und 2001 eine Zunahme um 51 %. Vattenfall hat sein Betriebsergebnis im ersten Quartal 2006 um fast 50 % von 447 Millionen c auf 665 Millionen c gesteigert. EnBW konnte 2005 erstmals in der Konzerngeschichte einen Gewinn vor Steuern von über 1 Milliarde c ausweisen.Auch bei E.ON ist seit 2001 eine Steigerung des Gewinns um 180 % zu verzeichnen. 2005 lag der Gewinn der E.ON vor Steuern bei 7,3 Milliarden c.

Auf der einen Seite also satte Gewinne bei den großen Energieunternehmen, auf der anderen Seite stiegen die Strompreise für die Endverbraucher wie für die Industrie in geradezu erschreckender Weise. Der Preisanstieg für Energie betrug im April 2006 durchschnittlich 2,3 % gegenüber dem Vormonat und sogar 20,4 % gegenüber dem April des Vorjahres. Die Industriestrompreise haben sich im Jahr 2006 im Vergleich zum Vorjahresmonat um 35 % erhöht. In diesem Jahr wird mit einer Preissteigerung von ca. 17 % für mittelständische Unternehmen gerechnet, so eine Vergleichsstudie des Bundesverbands der Energieabnehmer. Die Preiserhöhungen lassen sich nach Ansicht des Verbandes eben nicht mehr mit gestiegenen Erzeugungskosten bei den großen Energieunternehmen begründen. Vielmehr seien – so der Verband – die gestiegenen Gewinnerwartungen der großen Netzbetreiber E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW die Ursache für diese Steigerungen. Selbst Aktienanalysten sprechen hier von „Preiserhöhungsorgien“.

Die Zahlen sind in der Tat beeindruckend. Herr Minister, wir begrüßen es, wenn Sie sagen, dass es so nicht weitergeht.Wir stellen aber auch fest,dass der Minister – wie die gesamte Landesregierung – ansonsten immer dann geschwiegen hat, wenn Sozialdemokraten, Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter auf die besondere Verantwortung der Unternehmen in der Gesellschaft, z. B. für die Arbeitsplätze und für den Standort Deutschland, hingewiesen haben.

(Beifall bei der SPD)

Ihre kritischen, nahezu revolutionär-sozialistischen Töne gegenüber den Energieriesen sind geradezu erstaunlich. Es ist aber keine Frage:Wir begrüßen, dass Sie angesichts der Gewinne der großen Energieriesen hier eine andere Haltung einnehmen. Herr Dr. Rhiel, wir unterstützen Sie darin, und Sie haben auch in Zukunft unsere Unterstützung, wenn Sie bei den Unternehmen die Wahrnehmung gesamtgesellschaftlicher Verantwortung einfordern.

(Michael Boddenberg (CDU):Was ist mit den kleinen Energieunternehmen? Gehen Sie doch einmal darauf ein!)

Meine Damen und Herren, seit der Liberalisierung des Energiemarktes ist das Gegenteil von mehr Wettbewerb eingetreten. Die Kapitalverflechtung der fünf Großen – RWE, E.ON, Vattenfall, EnBW und STEAG – hat nach der Fusionswelle in den Jahren zwischen 1998 und 2001 zugenommen. Diese fünf Unternehmen beherrschten 2004 fast 80 % der inländischen Stromerzeugung und verfügten über 70 % der inländischen Kapazitäten.

(Michael Boddenberg (CDU):Sie haben noch nicht über Gasprom gesprochen!)

RWE hat z. B. seinen Anteil an der Produktion von 26 % im Jahr 2001 auf 28 % im Jahr 2004 steigern können. Herr Dr. Rhiel, bei den großen Unternehmen sind wir auf Ihrer Seite, aber dieser enorme Zuwachs fand hauptsächlich bei den klassischen Grundlastkraftwerken – also den Braunkohlekraftwerken, den Kernkraftwerken und den Laufwasserkraftwerken – statt, während den kleinen Anbietern hier der Zugang fehlte. Sie hatten ihre Zuwächse bei den erneuerbaren Energien und bei der Kraft-WärmeKoppelung. Sind es aber nicht gerade die kleinen innovativen Versorger, die durch den Vorstoß dieses Ministers getroffen werden können? Diesen Aspekt hat Herr Dr. Rhiel während der gesamten Debatte bisher unterschlagen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Dr. Rhiel, Sie nehmen weitere Konzentrationsprozesse in Kauf. Das ist nicht verbraucherfreundlich, sondern verbraucherfeindlich.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte einen weiteren Aspekt beleuchten, der von Herrn Dr. Rhiel nicht beleuchtet wurde: Der Umgang mit den Emissionsrechten fördert die wettbewerbsfeindliche Preispolitik zugunsten der Stromriesen und zulasten der kleinen kommunalen Energieversorger – und damit natürlich auch zulasten der Verbraucher. Nachdem die Preise in 2005 nach der Ankündigung der Bundesregierung, diese für die Handelsphase ab 2008 um 5 % zu verknappen, zunächst gestiegen waren, fielen sie zwischenzeitlich um fast 50 %.

Aber das Problem ist, die großen Stromversorger denken überhaupt nicht daran,diesen Kostenvorteil an die Stromabnehmer und die Verbraucher weiterzureichen. Die Großen denken nicht daran, dies zeitnah an die Kunden weiterzugeben, und die kommunalen Energieversorger stehen vor dem Problem, dass sie bereits im Herbst des Vorjahres ihren Bedarf am Terminmarkt zu höheren Preisen gedeckt haben.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Das heißt ganz konkret, dass die Kleinen den Großen den Strom zu höheren Preisen abnehmen müssen. Sie dürfen die gestiegenen Bezugskosten aber nicht weitergeben, da ihnen der hessische Wirtschaftsminister keine Genehmigung erteilt. So ist das im Moment im Lande Hessen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Dr. Rhiel, Sie treffen nicht die großen, sondern die kleinen, in der Regel kommunalen Energieversorgungsunternehmen. Dass, wie es jetzt bei Vattenfall Europa der Fall ist, die Zahlen in dem ersten fertig geprüften Antrag eines großen Stromversorgers auf Erhöhung der so genannten Nutzungsentgelte um 18 % nach unten korrigiert wurden, ist ein richtiger und wichtiger Schritt. Nur, Herr Dr. Rhiel kann gar nichts dafür. Dafür hat die Bundesnetzagentur gesorgt.Sie ist für die Großen zuständig,während sich Herr Dr. Rhiel um die kleinen Versorgungsunternehmen kümmert.

Wir begrüßen die Intention des Wirtschaftsministers und sind auf seiner Seite, wenn es darum geht, den monopolartigen Strommarkt aufzubrechen.Aber bei dem jetzigen Vorgehen des Wirtschaftsministers hegen wir tiefe Zwei

fel, ob es letztendlich die Richtigen trifft. Bei den Stromversorgern, für die Herr Dr. Rhiel zuständig ist, handelt es sich zum größten Teil um kleine kommunale Stadtwerke. Diese sind es, die in einem schwierigen Umfeld Versorgungssicherheit und Kalkulierbarkeit für die Verbraucher gewährleisten. In der Regel garantieren diese Unternehmen den Strompreis für ein Jahr.

Sie haben im Herbst letzten Jahres ihre Verträge abgeschlossen. Das garantiert Preis- und Versorgungssicherheit. Kostensenkungen können von den kommunalen Energieversorgern gar nicht so schnell weitergegeben werden, wie es der Herr Wirtschaftsminister suggeriert; denn die Kleinen sind von den Großen und den zu höheren Preisen abgeschlossenen Jahresverträgen abhängig.

Der Endverbraucher kann kein Interesse daran haben, dass die Strompreise, wie beim Benzinpreis, täglichen, ja manchmal sogar stündlichen Schwankungen unterliegen. Was würden wir wohl dazu sagen, wenn uns unsere Versorgungsunternehmen erzählen wollten, dass der Preis, den wir für den Strom bezahlen, künftig morgens anders aussieht als abends und dass wir den aktuellen Tagespreis am schwarzen Brett der Verwaltung ablesen können? Das kann nicht im Interesse des Verbrauchers sein. Nein, Herr Minister Rhiel, so geht das nicht. Sie machen einen Denkfehler, der die kleinen kommunalen Unternehmen, ihre Kunden, aber auch die dort Beschäftigten teuer zu stehen kommen kann.

(Beifall bei der SPD)

Sie treffen nämlich – ob gewollt oder ungewollt – die kleinen Versorgungsunternehmen. Es geht nicht an, dass Sie sozusagen im Vorgriff auf erwartete Senkungen bei den Durchleitungsentgelten den Unternehmen wegen der bereits auf langfristigen Verträgen basierenden Kalkulationen eine Entscheidung über Anpassungen bei den Strompreisen verwehren. Ebenso fragwürdig ist es, von den kommunalen Energieunternehmen im Hinblick auf mögliche Reduzierungen bei den Durchleitungsgebühren jetzt Preissenkungen zu verlangen. Angesichts der Tatsache, dass die Durchleitungsentgelte gerade einmal ein Drittel des Preises ausmachen, erwecken Sie hohe Erwartungen bei den Verbrauchern.

Bei den kommunalen Unternehmen handelt es sich eben nicht um Unternehmen mit Milliardengewinnen, von denen ich vorhin gesprochen habe, sondern um Unternehmen mit bedeutend kleineren Gewinnspannen. Die kommunalen Versorger arbeiten nicht für Aktiengewinne und den Shareholder Value, sondern für das Wohl der Menschen vor Ort und für die Sicherstellung der öffentlichen Daseinsvorsorge gerade auch im ländlichen Raum. Nicht wenige sind der Meinung – das sind nicht nur Sozialdemokraten –, dass Herr Dr. Rhiel hiermit ganz bewusst die kommunalen Querverbünde treffen will. Es gibt genug Gründe für diese Annahme. Fragen Sie einmal den Kämmerer der Stadt Frankfurt, was er von dem Agieren seines Parteifreundes Rhiel hält.

(Michael Boddenberg (CDU): Das machen wir morgen!)

Das bewusst – oder billigend – in Kauf genommene Zerschlagen der kommunalen Querverbünde ist die Folge. Herr Dr. Rhiel, es scheint so, als ob Ihnen die öffentliche Daseinsvorsorge egal wäre.Wir Sozialdemokraten wollen eine hohe Qualität bei der öffentlichen Daseinsvorsorge. Dazu zählt für uns auch der ÖPNV; denn gerade wenn es um den ÖPNV, also um die öffentliche Daseinsvorsorge,

geht, unterstützen wir Sozialdemokraten keine „Geiz ist geil“-Mentalität.

(Beifall bei der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Also höhere Strompreise! Sagen Sie es doch!)

Herr Boddenberg, Sie hören nicht zu, verstehen nur die Hälfte,ziehen die falschen Schlussfolgerungen und wollen das Land regieren. Das passt nicht zusammen.

(Beifall bei der SPD – Norbert Schmitt (SPD): Schaltet dem Schwachstromelektroniker da drüben den Saft ab!)

Natürlich erwarten wir, dass etwaige Kostenvorteile aufgrund reduzierter Durchleitungsentgelte auch von den kommunalen Unternehmen an die Verbraucher weitergegeben werden. Aber das soll nicht in Form einer Vorleistung geschehen, sondern dann, wenn es betriebswirtschaftlich möglich ist, ohne die Existenz dieser Unternehmen zu gefährden. Die Unternehmen können zu Recht von dem Wirtschaftsminister des Landes Hessen erwarten, dass er die betriebswirtschaftlichen Realitäten der kommunalen Versorger anerkennt.

Herr Dr. Rhiel, wer jedoch so handelt wie Sie, riskiert eben, dass die Kleinen vom Markt verschwinden, und fördert damit eine Monopolisierung auf dem Strommarkt. Das kann nicht im Interesse der Verbraucher sein, für die sich Herr Dr. Rhiel angeblich stark macht.

(Beifall bei der SPD)

Das Spiel ist noch nicht entschieden: Wir wünschen uns, dass der Einsatz von Herrn Dr. Rhiel, der sich gegen die tatsächlichen Energiemarktbeherrscher richtet, von Erfolg gekrönt ist und dass nicht die „Bild“-Zeitung vom 09.06.2006 Recht behält, die zum Engagement von Herrn Dr. Rhiel geschrieben hat: „Verbraucher sollten sich nicht zu früh freuen“. Sollte dieser Wirtschaftsminister mit seinem Kreuzzug gegen die kommunalen Unternehmen fortfahren, fürchten wir, dass die „Bild“-Zeitung Recht behält. Die Zeche zahlt am Ende der Kunde.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Frankenberger. – Als nächstem Redner darf ich Herrn Posch, FDP-Fraktion, das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Eine Vorbemerkung möchte ich machen – darin stimme ich mit Herrn Minister Dr. Rhiel völlig überein –: Die Energiepreise sind ein essenzieller Bestandteil einer auf Wachstum ausgerichteten Wirtschaft. Das gilt sowohl für Unternehmen als auch für Private. Ich sage das sehr bewusst, weil wir uns in diesem Ziel einig wissen und auch darin, dass die notwendigen Schlussfolgerungen daraus gezogen werden müssen.

Wir wissen, dass jeder überhöhte Strompreis dazu führt, dass die Konsummöglichkeiten des Verbrauchers reduziert werden.Wenn wir beachten,welchen Anteil die Konsumorientiertheit in der Wirtschaftspolitik hat, führt uns das zu der Erkenntnis, dass weniger Konsum möglich ist, wenn die Energiepreise überhöht sind. Das gilt nicht allein für den privaten Verbraucher, sondern in gleicher

Weise für die mittelständischen Unternehmen, die häufig Kunden dieser Energieversorgungsunternehmen sind. Deswegen sage ich sehr deutlich: Wir unterstützen die Landesregierung in dem Ziel, Preissenkungen zu erreichen.

(Beifall bei der FDP – Dr.Christean Wagner (Lahn- tal) (CDU): Sehr vernünftig!)