Protocol of the Session on May 17, 2006

Evaluation ist Mode geworden. Die Landesregierung redet und redet von Evaluation. Schauen Sie doch einmal nach. Sie haben hier Ihre Umweltallianz gepriesen. Was hat sie konkret an Fortschritt gebracht? – Ich finde es faszinierend, weil die CDU-Fraktion in Hessen eine der großen Gegnerinnen von Kuschelpädagogik ist.Was ist denn die Umweltallianz anderes als Kuscheln? Was hat sich in der Vergangenheit geändert, als dass jetzt mehr Leute

mitkuscheln, aber konkret nichts dabei herauskommt? – Das ist Ihre Politik. Ich glaube, dagegen muss man etwas tun.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was wäre zu tun? – Ich zitiere: Ohne ökologische Modernisierung ist die Wirtschaft Europas nicht zukunftsfähig. – Ich muss mich bei meinen eigenen Genossinnen und Genossen und bei Ihnen entschuldigen, dass ich sehr gerne Klaus Töpfer zitiere. Aber umweltpolitischer Sachverstand ist nicht auf Parteien beschränkt. Darauf bestehe ich. Leider ist der bei Ihnen sehr in der Minderheit.

(Zuruf von der CDU: Gut, dass Sie dabei sind!)

Es geht nicht nur um Ökologie. Es geht um eine vernünftige Wirtschaft.Wenn man sich anschaut,welche zwei Entwicklungswege wir eigentlich haben: Auf der einen Seite, ökonomisch gesehen,wollen wir Unternehmen,die weiter Standardprodukte anbieten und die ihre Gewinne dadurch erhöhen, dass sie Kosten kürzen. Auf der anderen Seite ist die Frage: Können wir Gewinne langfristig nur mit Unternehmen sichern, die Innovationen mit neuen Produkten anfangen und die damit für Wachstum und Beschäftigung sorgen? – Ich sage Ihnen relativ kühl: Diese Art von Umweltpolitik, die im Prinzip den Bestand belohnt und Innovationen nicht fördert, ist eine, die unserer Wirtschaft schadet. An dieser Stelle sollten Sie umdenken.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen ökologische Modernisierung. Wir wollen die Verantwortung für Arbeit und Umwelt nicht auseinander nehmen, sondern wir tragen für beides Verantwortung; wir müssen für beide etwas tun.

Wenn man das Stichwort Klimaschutz nimmt, haben wir gerade – Frau Kollegin Hammann hat es gesagt – das nette Beispiel INKLIM. Was hat es bisher geleistet? – Es hat zusammengefasst, was es bisher an Gutachten gab. Es hat faktisch nichts anderes gemacht, als aufzuschreiben, was seit 20 Jahren geschrieben worden ist.Was sind daraus die Konsequenzen? Wo ist das Handeln? – Es wird eine Bestandsaufnahme gemacht, und das Handeln bleibt aus.

Zum Energiesparen. Hessen war einmal Vorreiter bei der Hauswärme. Ich will daran erinnern:Wir waren Vorreiter – da gab es die Wohnungsbaurichtlinie, die den Standard des Niedrigenergiehauses für öffentlich geförderten Wohnungsbau festlegen wollte.

Da gab es die Hessische Bauordnung, die nachgezogen hat. Da gab es das Niedrigenergiehaus als Modellprojekt, dann das Passivhaus. Dann gab es eine Förderung des Instituts Wohnen und Umwelt, das relativ viele kluge Ideen hatte. Es gab Programme zum Einsparen von Energie in öffentlichen Gebäuden.

Übrig geblieben sind Rudimente.

Herr Dietzel, ich verstehe, dass Sie sagen: Ich bin nicht allein dafür verantwortlich, weil in Hessen für diesen Bereich ein anderes Ministerium mitverantwortlich ist. – Aber, ehrlich gesagt, genauso, wie ich Ihnen nachher vorschlagen werde, Ihre Naturschutzabteilung zu schließen, würde ich dem hessischen Wirtschaftsminister vorschlagen, seine Energieabteilung zu schließen. Denn sie tut nichts mehr für das, wofür sie eingesetzt wurde. Ich finde aber, an dieser Stelle muss man endlich zum Handeln kommen und darf nicht beklagen, die Welt sei so schlecht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Energiesparen schafft Arbeit vor Ort für Handwerk und Kleinunternehmen. Wachstumsorientiertes Wirtschaften unterstützt Innovationen, die überholte Technologien schneller ersetzen.

Nehmen wir das Beispiel, das wir schon häufig diskutiert haben, die Kernenergie. Sie setzen relativ viel Zeit daran, eine überholte Kernenergie mit viel Kraft aufrechtzuerhalten. Ich sage Ihnen und muss das hier nicht weiter ausführen:Wir sind in dieser Frage klar entschieden und glauben, dass Kernenergie nicht verantwortbar ist. Ich will hier nicht die Debatte des letzten Plenums wiederholen. Aber ich glaube, wir müssen damit anfangen, ein Stück der Verantwortung, die wir anderen zuschieben – und bei der wir in Deutschland Sorge haben, als europäisches Land könnten wir in einen weiteren Krieg geraten –, auch in der Debatte auf der Ebene der Landespolitik aufzunehmen; denn es gibt bestimmte Entwicklungen, die dorthin treiben.

Dazu gehört, dass die friedliche und die militärische Nutzung der Kernenergie nicht zu trennen sind.Wer den aufstrebenden Nuklearmächten – dazu zählen außer Iran: Indien, Pakistan und andere – keine Alternative für die Energieversorgung anbietet – Ausstieg aus der Kernenergie –, der wird mit der Gefahr einer zunehmenden Zahl von Atommächten leben müssen. Das heißt, mit unserer Politik einer alternativen Energieversorgung, des Ausstiegs aus der Kernenergie,leisten wir nicht nur einen Beitrag für den Umweltschutz, sondern wir kümmern uns ein Stück um den Frieden. Auch das ist ein Thema, dem sich ein hessisches Landesparlament stellen muss.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Helmut Peuser (CDU))

Immerhin haben wir die Themen Energiesparen und Ersatzenergien. Frau Apel hat so schön darüber geredet, wie sich die erneuerbaren Energien in Hessen entwickelt haben. Das erinnert mich an meinen Grundkurs in Statistik, in dem uns erzählt wurde, das beste Beispiel für Koinzidenz statt Kausalität sei die Anzahl der Störche im Ruhrgebiet: die hat abgenommen, und gleichzeitig hat dort die Zahl der Geburten abgenommen.

Frau Apel, ich kann Ihnen relativ freundlich sagen: Für das, was sich in Hessen an Energie aus nachwachsenden Rohstoffen entwickelt hat, hat diese Landesregierung fast nichts getan.

(Lachen der Abg. Elisabeth Apel (CDU))

Das haben andere privatwirtschaftlich auf die Füße gestellt. Da haben Leute viel Geld aus ihrem Privatvermögen investiert, und Sie sind als Landesregierung gerade einmal flankierend tätig geworden.

(Helmut Peuser (CDU):Aber es hat funktioniert!)

Das berühmte Zitat von Frau Winterstein, das Sie angeführt haben,trifft zu – aber Sie verstehen den Unterschied nicht: Auf der einen Seite ist es völlig klar, dass wir mit nachwachsenden Rohstoffen eine Chance haben, vernünftige Dinge auf den Weg zu bringen. Auf der anderen Seite ist es wie bei Medikamenten: Es geht um die Nebenwirkungen. Wer auf die Idee kommt, auf Riesenflächen mit hohem Dünger- und Energieeinsatz Ölsaaten anzubauen, der straft die Worte Ökologie und Nachhaltigkeit Lügen. Das ist ein anderes Verfahren. Ich glaube, diesen

Unterschied müssen Sie lernen. Wir wollen Nachhaltigkeit und einen Umgang mit der Natur, der nicht ein Übel durch ein anderes ersetzt, sondern der eine Anbauform wählt, die naturverträglich ist. Ich glaube, hier haben Sie eine ganze Menge Nachholbedarf.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Ursula Ham- mann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich muss gestehen, ich freue mich immer, wenn sich der Hessische Bauernverband zu nachwachsenden Rohstoffen äußert. Ich freue mich darüber sehr. Denn das scheint mir die einzige Möglichkeit zu sein, dass in dieser Landesregierung etwas passiert.

(Heiterkeit des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Denn immer dann, wenn das geschieht, wird etwas ausgelöst, und der Minister gerät in Bewegung.

Aber was sind denn die Hausaufgaben? Wenn wir dieses große Projekt HeRo und die Förderung des Holzeinsatzes bei der Energieerzeugung nehmen:Wo ist denn die stabile Logistik von Hessen-Forst, die in der Lage ist, es auf die Reihe zu bringen, dass Holzhackschnitzel – die Pellets – dort ankommen, wo sie hin sollen?

(Zuruf der Abg. Elisabeth Apel (CDU))

Wo ist die Logistik, die dafür zu sorgen hat, dass diejenigen, die umrüsten, auch versorgt werden?

(Zuruf der Abg. Elisabeth Apel (CDU))

Hier ist einer der großen Rohstoffproduzenten in Landeshand – aber er ist nicht in der Lage, das auf die Reihe zu bringen, obwohl es im Verantwortungsbereich des zuständigen Ministers liegt. Ich denke, an dieser Stelle müssen Sie ebenfalls nacharbeiten.

Dann haben wir den netten Punkt Biomasse zu Treibstoff.

(Norbert Schmitt (SPD): Oh ja!)

Das finde ich besonders nett. Denn ich hatte das Vergnügen, mit einigen Unternehmen zu reden, die das gerade machen. Diese Unternehmen lösen sich ein Stück weit von der Strategie „Wir machen nur Pflanzenöl“ und sagen:Wir können mehr;wir können dafür sorgen,dass Müll zu Treibstoff gemacht wird und dass Getreide sehr viel besser ausgebeutet wird, als wenn wir es verbrennen, oder dass aus der gesamten Biomasse Holz oder anderem ein vernünftiger Ersatztreibstoff wird, der unsere Abhängigkeit vom Öl reduziert.

Das Spannende ist: Mindestens eines oder zwei dieser Unternehmen haben in Hessen einen Standort gesucht, und ich würde gerne wissen, was die Landesregierung dafür getan hat. Denn es fehlen einer bis zwei große Standorte in Süddeutschland, und die bayerische und die baden-württembergische Landesregierung kümmern sich darum. Die Hessische Landesregierung hat zur Kenntnis genommen, dass es bereits eine Geländebesichtigung in Hessen gab – und das wars dann.

Ich glaube,an dieser Stelle brauchen wir einmal aktive Politik, nicht Abwarten.

(Beifall bei der SPD)

Dann komme ich zu dem berühmten Motto: Kooperation statt Konfrontation. Das Motto ist ja nett.

(Clemens Reif (CDU): Ein Töpfer-Zitat!)

Die spannende Frage aber ist: Mit wem kooperieren Sie, und wo suchen Sie die Konfrontation?

Sie kooperieren mit all denen, die die Umwelt belasten. Das machen Sie in der Umweltallianz und in vielen anderen Bereichen. Denjenigen aber, die dafür eintreten, dass die Umweltsituation besser wird, die in Verbänden in jahrzehntelanger ehrenamtlicher Arbeit dafür tätig sind, denen erklären Sie, sie würden nicht gebraucht. Das ist Ihre Vorstellung von Kooperation.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Kordula Schulz- Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Der nächste Widerspruch: Sie reden vom entschlossenen Ordnungsrecht und sagen, wir brauchen einen klaren, starken Staat, der alle Übertritte ahndet und dafür sorgt, dass sie nicht stattfinden. Auf der anderen Seite verzichten Sie in der Umweltpolitik auf genau dieses Ordnungsrecht und betreiben stattdessen Ihre Umweltallianz. Was ist dabei herausgekommen? – Wie gesagt: Wir warten noch auf die Antwort.

Wenn man das zusammenfasst, würde ich sagen: Wir haben in Hessen einen netten, auch durchaus humorvollen Minister, der sich um Landwirtschaft kümmert.

(Norbert Schmitt (SPD): Ein echter Ökologe: Der reißt keinen Baum aus! – Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schmitti! Das ist nicht mein Stil, aber es war trotzdem ganz gut.

(Heiterkeit)

Ein netter Minister, der sich um Landwirtschaft kümmert und auch etwas anderes tut – wenn der Bauernverband es anstößt.Aber,liebe Kolleginnen und Kollegen,einen Umweltminister in Hessen vermissen wir seit sieben Jahren. Hoffentlich bekommen wir irgendwann einen. – Danke schön.