Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ministerpräsident hat gesagt, dass die Opposition – und wahrscheinlich hat er das auf SPD und GRÜNE bezogen; denn wir haben in der Rede auch gelernt, dass es egal ist, ob die FDP mitregiert oder nicht – frei von jeder Verantwortung sei. Herr Koch, ich sage Ihnen: Wenn hier jemand frei von jeder Verantwortung geredet hat, dann waren das in den letzten 35 Minuten Sie und niemand anderes in diesem Plenarsaal.
Herr Ministerpräsident, ich möchte Ihnen auch den Grund dafür nennen. Sie haben 1999 und 2003 – 2003 als Amtierender – Wahlen mit typischen Oppositionsstrategien gewonnen. Allerdings sind wir nicht mehr in der Situation – steuerpolitisch schon gar nicht –, dass wir hier in Deutschland in dieser Frage dieses Spiel von Regierung und Opposition überhaupt spielen könnten. Herr Ministerpräsident, Sie sind nicht Opposition – nicht in Hessen und in Steuerfragen auch nicht im Bund. Denn jede dieser Maßnahmen braucht von Ihnen, vom Land Hessen, im Bundesrat eine Zustimmung oder eine Ablehnung. Und wir haben gerade gehört,dass Sie weiterhin das Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform ablehnen wollen. Das ist die Quintessenz dieser 35 Minuten, in denen Sie hier versucht haben, um den heißen Brei herumzureden.
was Ihre Position ist. Ich bin ein sehr aufmerksamer und professioneller Beobachter der Christlich Demokratischen Union Deutschlands und der Christlich Demokratischen Union Hessens.
Am Montag vor drei Wochen sitzt Roland Koch im CDUPräsidium in Berlin dabei, und die Union fordert ein Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform. Vor einer Woche – nachdem die Bundesregierung gesagt hat, wir machen das –
fordert derselbe Roland Koch: nicht vorziehen.Am Montag – vor zwei Tagen! – sagt derselbe Roland Koch:
Herr Ministerpräsident, in diesem Zusammenhang kann ich vielleicht sagen:Wenn ausgerechnet Sie – nachdem Sie vier Jahre lang Hessen zum Sanierungsfall gemacht haben und wir in diesem Land in den Schuldenstaat marschieren,
nachdem Sie vor der letzten Landtagswahl aus taktischen Gründen gerade keine Sparmaßnahmen ergriffen haben, sondern alles in die Neuverschuldung gegangen ist – auf einmal die Generationengerechtigkeit entdecken, dann kommen mir angesichts Ihrer eigenen Bilanz die Tränen, aber vor Rührung.
Herr Ministerpräsident, ich kann Ihnen in diesem Zusammenhang nur sagen: „Man soll sagen, was man tut, und tun, was man sagt.“ Das hat Roland Koch immer gesagt und damit Johannes Rau zitiert. Aber ein Blick auf Ihre eigene Bilanz zeigt, dass Sie in diesem Punkt wirklich der Allerletzte sind, der sich beschweren darf.
Herr Koch, ich sage Ihnen, was Ihr Grundproblem ist. Ihr Grundproblem ist, dass Sie alles, aber wirklich alles in Ihrer Politik in der Bundesrepublik Deutschland, im Land Hessen immer nur taktisch sehen. Alles. Sie haben in der Sache null Interesse, keine Stringenz, keine gerade Linie. Alles ist nur taktisch.
Das ist die Leitlinie Ihrer Politik. Herr Ministerpräsident, das können wir uns aber in diesem Land nicht mehr leisten.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Volker Hoff (CDU))
Herr Ministerpräsident, die Funktion des Vorziehens der dritten Stufe der Steuerreform ist eine doppelte.
Herr Kollege Hoff, wenn Sie aufhören würden, dauernd dazwischenzurufen, dann könnte ich etwas zur Sache sagen.
Die eine Funktion des Vorziehens der dritten Stufe der Steuerreform ist die volkswirtschaftliche: Man lässt den Leuten mehr Geld in der Tasche, das sie dann ausgeben.
Die zweite Funktion – und die ist fast noch wichtiger – besteht darin, dass die Menschen das Gefühl haben, dass die Politik gemeinsam in der Lage ist, die Probleme anzugehen und auch etwas zu bewegen.
Herr Ministerpräsident, und genau an diesem Glauben versündigen Sie sich aus taktischen, billigen, parteipolitischen Motiven. Und das können wir uns nicht mehr leisten.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Volker Hoff (CDU): Das glaubt doch kein Mensch mehr! – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))
Herr Koch, das, was Sie eigentlich tun, ist Sonthofen – Sonthofen 1974, eine Rede von Franz Josef Strauß. Ich zitiere einmal aus eben dieser Rede von Franz Josef Strauß aus dem Jahr 1974. Franz Josef Strauß hat gesagt:
Es muss wesentlich tiefer sinken, bis wir Aussicht haben, politisch mit unseren Vorstellungen, Warnungen,Vorschlägen gehört zu werden.
Wir können uns gar nicht wünschen, dass dies jetzt aufgefangen wird. Sonst ist es nur eine Pause, und nach der Pause geht es dann doch in der falschen Richtung weiter. Die Auflösung der jetzigen Bundesregierung ist das vorrangige Ziel.