Protocol of the Session on February 28, 2019

Da haben wir doch ein Problem, denn das ist das Geld, das am Ende des Tages auch bei den Kindern fehlt. Da wünsche ich mir mehr Ambitionen, da wünsche ich mir mehr Entschiedenheit, dass Sie das System systematisch verändern und zu einer echten Kindergrundsicherung kommen, die genau diese Lücken und Sanktionen nicht mehr enthält, liebe Kolleginnen und Kollegen. – Danke schön!

(Beifall DIE LINKE)

Jetzt erhält das Wort die Abgeordnete Aulepp für eine Kurzintervention.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, mir ist an dieser Stelle noch einmal wichtig, zu betonen, was der Kollege Dr. Güldner auch schon gesagt hat. Wenn die Kollegin Leonidakis hier von Ambitionslosigkeit spricht, dann möchte ich doch noch einmal entgegnen, dass ich es für deutlich ambitionierter halte, einen gesellschaftlichen Konsens zu erstreiten

(Zuruf Abgeordnete Leonidakis [DIE LINKE])

und das auf der Ebene der zuständigen Ministerinnen und Minister, auf der Ebene der zuständigen Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, auf der Ebene der Bundesregierung, aber natürlich auch gesamtgesellschaftlich. Man kann doch nicht leugnen, dass es etwa bei den Gewerkschaften

auch im Hinblick auf bestimmte Modelle der Kindergrundsicherung noch Überzeugungsbedarf gibt. Und zu sagen, wir machen einmal einen Antrag im Bundesrat und das sei mit mehr Ambitionen verbunden als das, was wir hier leisten, das kann ich so nicht stehen lassen. – Danke schön.

(Beifall SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich verstehe, dass Wahlkampf ist und dass jede Partei für sich beansprucht, das beste Konzept zu haben, das es auf der Welt so gibt. Es nützt nur nichts.

(Zuruf Abgeordnete Leonidakis [DIE LINKE])

Wir brauchen am Ende des Tages ein Konzept, das hat Herr Dr. Güldner auch gesagt, das auf Bundesebene mehrheitsfähig ist, und zwar in beiden Kammern, sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat. Wenn ich mir dann die Debatte hier und heute anschaue und feststelle, dass es doch sehr viele Gemeinsamkeiten gibt, dann sollten wir uns irgendwie darauf verständigen, dass wir die Gemeinsamkeiten nach vorn und das Trennende nach hinten stellen, damit wir hier wenigstens zu einer gemeinsamen Haltung des Bremer Parlaments kommen, um dann auch mit der geballten Kraft dieses Parlaments mit drei Stimmen im Bundesrat für Mehrheiten zu sorgen. Ich habe den Senat so verstanden, dass er genau das auf Bundesebene in den Verhandlungen in den entsprechenden Arbeitsgruppen probiert. Das als eine lahme Ente zu bezeichnen entspricht nicht meinem Politikverständnis.

Ich wünschte mir schon vor zehn Jahren, dass wir das Problem gelöst hätten. Wir haben ganz viele Ansätze probiert. Ich sage einmal, selbst wenn man für Teilhabe Angebote macht, dann muss man feststellen, dass das die Kinderarmut nicht verhindert oder beseitigt, sondern dass es sie bestenfalls lindert. Deswegen glaube ich, dass wir, und da gebe ich dem Kollegen Dr. Buhlert ganz recht, das System tatsächlich ganz grundsätzlich neu aufstellen müssen. Und ich finde den Einwand, je mehr man verdient, desto besser wird man gefördert, auch absurd. Das muss genau umgekehrt werden. Das will aber die Fraktion DIE LINKE an der Stelle, glaube ich, auch, wenn ich das richtig verstanden habe. Mein Appell an dieser Stelle geht jedenfalls in die Richtung, eher über das Gemeinsame zu diskutie

ren und zu versuchen. Überhaupt soll auch niemand so tun, als hätte man schon die beste Lösung aller Zeiten, sondern das wird am Ende ein sehr schwierig auszuhandelnder Kompromiss sein. Ich hoffe, dass das Ende für die Kinder gut ausgeht, denn die sollte man bei all den auch ideologischen, politischen und sonstigen Streitereien nicht aus dem Blick verlieren. Es geht um die Kinder, die darunter leiden, in Armutsverhältnissen aufzuwachsen. Hier zu erzählen, wie schwer das für genau diese Kinder ist, sich im Leben zurechtzufinden, ist, glaube ich, nicht nötig. Ich gehe davon aus, dass das jeder im Kopf hat.

Also denken Sie nicht nur an Ihre eigene politische Sichtweise, sondern gehen Sie von den Kindern aus und versuchen Sie, insgesamt mit allen zusammen eine Lösung zu finden, die den Kindern hilft. Denn das wird wirklich Zeit an der Stelle. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich Teilnehmende von Jugend im Parlament, was im November 2018 hier stattgefunden hat. Herzlich willkommen hier im Haus!

(Beifall)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielen Dank an die Kollegin Aulepp, dass Sie noch einmal klargestellt haben, wie bei solchen Themen am Ende des Tages nicht nur Forderungen, sondern Beschlüsse zustande kommen, die sich praktisch für die Kinder auswirken. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE, Frau Kollegin Leonidakis, besagt ja, sich auf Bundesebene einzusetzen und dem Bundesrat einen Vorschlag zu unterbreiten.

(Abgeordnete Leonidakis [DIE LINKE]: Ja!)

Das kann man machen. Damit ist aber überhaupt nichts gewonnen. Das ist eine Nullleistung gegen die Kinderarmut. Erst wenn in diesen Gremien etwas beschlossen wird, und das ist eine sehr komplexe Verhandlung und Mehrheitsbeschaffung, dann wird es tatsächlich Verbesserungen geben. Sie haben gehört, dass die anderen Fraktionen auch sehr stark an diesen Verbesserungen interessiert sind. Dann erst, wenn es in diesen Gremien

beschlossen und nicht nur vorgelegt und dann abgelehnt wird, dann ist tatsächlich für die Kinder etwas erreicht.

Ich wollte zu einem zweiten Punkt etwas sagen, der noch nicht angesprochen worden ist: Es gibt diese Zweiteilung, die direkten Leistungen für Kinder, die jetzt neu geordnet werden sollen, und den Aufbau der so genannten kinderbezogenen Infrastruktur. Unter diesem komplizierten Wort versteht man Kindergärten, Schulen, Freizeiteinrichtungen, Jugendarbeit und so weiter. Das ist eine Säule, von der ich glaube, dass wir in Bremen sehr viel vorzuweisen haben. Wenn man sich in Bremen den Ausbau der Kindertagesbetreuung und den Ausbau vieler Leistungen in dieser so genannten kinderbezogenen Infrastruktur anschaut, dann ist auf dieser zweiten Säule in relativ kurzer Zeit ziemlich viel gemacht worden.

Jetzt fand ich es sehr interessant, dass in dem Antrag der Fraktion DIE LINKE zu diesem Thema ein interessanter Satz steht, Zitat: „In dem Maße, wie dies geschieht, also die Infrastruktur ausgebaut wird und indirekte Kinderförderung ausgebaut wird, könnte die direkte Förderung durch die Kindergrundsicherung reduziert werden.“ Erst einmal ein großes Lob von mir, ich finde, es ist ein vernünftiger Gedanke, dass man nicht sagt, es muss immer alles gemacht werden und von allem viel, sondern es hat auch etwas miteinander zu tun, und es gibt ein Wechselverhältnis zwischen der Säule der Kindergrundsicherung und der Ebene der Infrastruktur.

Nur, wenn ich das an dieser Stelle einmal so sagen darf, ich glaube, die Phantasie haben Sie auch alle, ich habe sie jedenfalls ganz lebhaft: Wenn wir an dem Punkt wären, an dem jemand sagt, jetzt haben wir Kitaplätze und Schulen und so weiter ausgebaut, und dann vorschlägt, die Kindergrundsicherung zu reduzieren, dann glaube ich, gäbe es, das sage ich ganz, ganz vorsichtig und mit aller Zurückhaltung, eine sehr schwierige Diskussion darüber, ob dieser Punkt tatsächlich erreicht wurde, wie hoch die Messlatte sein müsste und ob man nicht noch viel mehr tun müsste. Also, ob es jemals zu dieser Anrechnung der indirekten und der direkten Kinderförderung käme, da habe ich sehr große Zweifel. Ich fände es eigentlich gut, aber ich kenne die Diskussion darüber, wenn man sagt, man hat an der einen Stelle etwas gemacht, dann kann man an der anderen Stelle vielleicht auch ein bisschen weglassen. Meistens ist es am Ende nicht

so gekommen. Sie waren eigentlich immer bei denjenigen, die gesagt haben, das geht am Ende so gar nicht.

Ich will einen Punkt noch einmal sagen zu dem, was Sie angeführt haben, Herr Schäfer: Ich finde nicht, dass man bei dem Thema den Faktor Eltern außen vor lassen kann. Es gibt einen Faktor Eltern bei der Frage wie es den Kindern geht. Das ist vollkommen logisch. Wenn man selbst Elternteil ist und mit vielen anderen Eltern zu tun hat, kann man das jeden Tag im Alltag beobachten. Ich würde das mit meinen Worten auf folgende Formel bringen: Ich finde, wir müssen eine Regelung haben, die die Mitwirkung der Eltern am Kindeswohl fördert und Fehlanreize vermeidet. Das ist die kluge Anforderung an eine solche Kindergrundsicherung, die die Kinder im Fokus hat, die aber im Hintergrund auch immer die Eltern mitbedenkt, weil die Kinderförderung weder finanziell noch von ihrer Lebenswirklichkeit tatsächlich ohne das Agieren der Eltern denkbar ist.

Insofern finde ich, dass man die Eltern in dem Zusammenhang erwähnen sollte und dass die Eltern auch eine Rolle spielen. Man darf sie aber nicht gegen die berechtigten Interessen der Kinder auf Kindergrundsicherung ausspielen, sondern muss sie zusätzlich mit in das Konzept aufnehmen. Der Vollständigkeit halber noch an die Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion: Ich habe das mit Interesse gelesen, fand einige Dinge, für die ich jetzt keine Zeit habe, die noch weiter auszuführen, eher merkwürdig und eher so ein bisschen begrifflich schwerfällig. Ob die Kinder nun eigenständig gehandhabt werden, aber das Geld von den Eltern verwaltet wird oder ob es in der Familie aufgeht, das finde ich nicht den entscheidenden Durchbruch. Wir haben es zur Kenntnis genommen, auch in der Kurzfristigkeit, sind aber unter dem Strich der Meinung, dass wir Ihren Antrag ablehnen werden. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ja, es ist vielleicht so, dass die meisten Eltern nur das Beste für ihre Kinder wollen und sich dafür anstrengen, dass es ihnen gut geht. 100 Prozent gibt es aber an der Stelle auch nicht, sonst gäbe es keine Kindeswohlgefährdungen und Inobhutnahmen. Das muss man sehen, Frau Leonidakis. Trotzdem ist es so,

dass unser Elternbild sagt: Die wollen das Beste für ihre Kinder. Deswegen wollen wir auch schauen, dass wir mit den Eltern das erreichen. Wir brauchen sie auch, denn in der Tat, Herr Güldner sprach das als Problem an und es bleibt ja auch so, die Kinder sind nicht geschäftsfähig, insofern müssen Sorgeberechtigte das Geld verwalten und insofern muss man dort auch den Sorgeberechtigten vertrauen und den Sorgeberechtigten, die das nicht tun, dann gerechtfertigt misstrauen.

(Zurufe DIE LINKE, CDU)

Was der Kern unserer Idee des eigenen Anspruchs der Kinder ist, – das ist etwas, bei dem ich gedacht hätte, das würden die LINKEN dann verstehen – ist, dass dieser Teil nicht mehr sanktionsbewährt ist. Er ist ein eigener Anspruch des Kindes, das nicht mehr zur Bedarfsgemeinschaft gerechnet wird. Das Kind kann auch nichts dafür, wenn Eltern bei der Agentur für Arbeit irgendwelche Dinge anstellen, die dort sanktioniert werden. Deswegen haben wir die Idee eines eigenen Anspruchs für Kinder, der direkt an dem Kind ansetzt und nicht mit dem Anspruch der Eltern verrechnet werden kann.

Zu Ihrem ersten Beitrag, Herr Güldner, wollte ich noch sagen: Sie haben recht. Wir wollen vieles verrechnen und vieles kann man auch verrechnen und am Ende vereinfachen. Einen Teil, und den haben Sie zu Recht angesprochen, kann man nicht verrechnen. Das ist die Eingliederungshilfe, weil die sehr speziell auf sehr spezielle Fälle eingeht, und diesen Teil unseres Sozialsystems müssen wir erhalten, weil es dort viele gibt, die individuell betrachtet werden müssen. Das kann man nicht mit Pauschalen lösen. Die meisten anderen Fälle kann man aber mit Pauschalen lösen, und deswegen haben wir unseren Vorschlag unterbreitet. Er ist ein Diskussionsbeitrag, als nichts anderes ist er zu verstehen. Am Ende brauchen wir einen politischen Kompromiss auf Bundesebene, das ist mehrfach gesagt worden. Es wird ihn hoffentlich bald geben. Eins ist offensichtlich, wir reden immer darüber, aber die Kinder brauchen eine Lösung. Wenn wir schon zehn Jahre darüber reden, hat eine Generation von Kindern schon keine Lösung gehabt, und das haben sie nicht verdient. – Danke schön!

(Beifall FDP)

Für eine Kurzintervention hat das Wort die Abgeordnete Leonidakis.

Ich hatte mich eigentlich nach dem Beitrag von Herrn Dr. Güldner gemeldet. Ich finde, die Beschreibung gehoppelt passt ganz gut zu dem Antrag der FDPFraktion. Ich finde, sie passt aber auch ganz gut zu Ihrem eigenen Koalitionsantrag.

Sie haben im Jahr 2015 versprochen, Sie würden ab jetzt aus der Sicht des Kindes denken. Sie haben sich viele Maßnahmen in den Koalitionsvertrag geschrieben, unter anderem die Kindergrundsicherung. Das steht in Ihrem eigenen Koalitionsvertrag. Sie haben bis heute nicht gesagt, wie Ihr Modell der Kindergrundsicherung eigentlich konkret aussehen soll. Das haben Sie bis heute nicht geäußert. Wir haben uns diese Arbeit gemacht. Und das Einzige, was wir von Ihnen heute verlangen, ist, Ihren eigenen Koalitionsvertrag umzusetzen.

Deswegen finde ich es wirklich enttäuschend, dass Sie sich nicht dazu durchringen können, heute einem Antrag für eine Kindergrundsicherung zuzustimmen. Denn das, was wir von Ihnen verlangen, ist ja, das haben Sie richtig vorgelesen oder richtig gelesen, dass wir dem Bundesrat einen Vorschlag unterbreiten. Das ist ein Diskussionsbeitrag, das ist ein Modell, ein Vorschlag, den man in die Diskussion im Bundesrat, sei es im Sozialausschuss oder meinetwegen auch in der ASMK einführen kann, denn das, was dort passiert, reicht doch nicht. Da sind wir uns doch einig, dass das Teilhabegeld nicht geeignet ist, die Familienförderung vom Kopf auf die Füße zu stellen, dass es nicht geeignet ist, Versorgungslücken zu schließen, Sanktionen abzuschaffen et cetera. Wenn Sie mit mir dieser Meinung sind, dann stimmen Sie heute unserem Antrag zu. – Danke!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Ahrens.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich in Vorbereitung auf die Sitzung die Einzige war, die sich noch einmal die komplette Anhörung durchgelesen hat.

(Abgeordneter Pohlmann [SPD]: Sie sind so schlau! – Abgeordneter Röwekamp [CDU]: Aber nicht so schlau wie Herr Gottschalk!)

Ich empfehle Herrn Pohlmann, sich noch einmal die Seite 66 anzusehen.

(Abgeordneter Pohlmann [SPD]: Gern! – Vizepräsi- dentin Dogan übernimmt den Vorsitz)

Dort hat nämlich Frau Dr. Becker, die wir eingeladen haben, eine genaue Bewertung des hier vorgelegten Antrags der Fraktion DIE LINKE vorgenommen, ich zitiere: „Es gibt keinen konsequenten vertikalen Ausgleich, es gibt kein einheitliches Existenzminimum.“ Da stellt sich mir schon einmal die verfassungsrechtliche Frage, ob das verfassungskonform ist, denn ein einheitliches Existenzminimum, liebe Kollegin, ist verfassungsrechtlich inzwischen ausgeurteilt worden. Dazu ist es eine teure Übergangslösung. Das war Ihr Fazit.

(Zwischenruf Abgeordnete Leonidakis [DIE LINKE])

Da stellt sich mir die Frage – –, und das ist das, was sich durch die ganzen verschiedenen Punkte zieht, sowohl von Herrn Bonin als auch von Frau Dr. Becker, die wir übrigens als Expertinnen und Experten eingeladen haben und die zu allen Konzepten gesagt haben, sie enthalten gute Ansätze, sie enthalten gute Impulse.

(Abgeordnete Leonidikas [DIE LINKE]: Das ist ein Vorschlag!)