Protocol of the Session on February 28, 2019

(Abgeordnete Leonidikas [DIE LINKE]: Das ist ein Vorschlag!)

Aber es ist keines umsetzungsfähig. Es ist keines über das Stadium von Überlegungen, wie man eventuell in eine Richtung gehen könnte, in die Praxis umsetzbar. Sie verlangen hier allen Ernstes, dass wir so etwas als Blackbox beschließen sollen, wobei man ganz klar sagen kann, dass das nur ein Impuls ist. Es tut mir wirklich leid, Frau Kollegin, so funktioniert echte Armutsbekämpfung nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU – Abgeordnete Leonidakis [DIE LINKE]: Was machen Sie denn?)

Wenn Sie wirklich Armut direkt und sofort bekämpfen wollen, dann wäre es doch schön, wenn wir alle, die wir fraktionsübergreifend die 88 konkreten Verbesserungsmaßnahmen um Armut – und Armut ist sowohl die Armut der Familien als auch die Armut der Kinder, die korrespondieren miteinander, das erzählen Sie uns, das erzählt uns Herr Janßen hier bei jeder Gelegenheit –, wenn wir diese 88 Maßnahmen, die DIE LINKE beschlossen hat, die die SPD beschlossen hat, die Bündnis 90/Die Grünen beschlossen haben, die wir als CDU und die FDP mitgetragen haben, tatsächlich einmal hier in Bremen umsetzen würden. Dann würden

wir nämlich sofort und konkret hier zum Thema Armut in Bremen etwas verbessern können.

(Beifall CDU – Zuruf Abgeordnete Leonidakis [DIE LINKE])

Keiner außer der Fraktion der CDU ist hier in dieser Debatte auf dieses Thema eingegangen. Stattdessen wollen Sie mit irgendwelchen Prüfaufträgen auf Bundesebene in der Zukunft zum Tag X, wahrscheinlich in 20 Jahren, irgendwie eine Kindergrundsicherung einführen, um dann vielleicht einmal eine Verbesserung herbeizuführen. Das ist zu kurz gesprungen. Wenn man sich das anschaut, dann stelle ich fest, dass der Kommentar von Silke Hellwig über Armut heute doch ein durchaus spannender Kommentar war. Da ist nämlich noch einmal ganz deutlich gemacht worden, dass es darum geht, den Durchblick in dem Sozialsystem zu behalten, weil viele Menschen, gerade diejenigen, die nicht so gut ausgestattet worden sind und dann über verschiedene Systeme aufgefangen werden, ihr Recht inzwischen nicht mehr wahrnehmen. Beispielsweise beim Wohngeldzuschlag haben wir das Problem, dass ihn ungefähr 70 Prozent, 66 Prozent genau, inzwischen nicht mehr in Anspruch nehmen, weil es für sie zu bürokratisch ist oder weil sie sich das nicht zutrauen oder weil sie vielleicht gar nicht bei dieser Behörde ankommen. Das wäre ohne Probleme relativ einfach zu lösen, wenn man es bündelt, wenn man es von einem Antragsverfahren auf ein automatisches Gewährungsverfahren umstellt, natürlich mit Bedürftigkeitsprüfungen, wie es bisher auch der Fall ist, aber dann automatisiert durchgeführt. Dafür würde man aus unserer Sicht höchstwahrscheinlich auch eine Mehrheit im Bundesrat und an anderer Stelle in der Konferenz hinbekommen. Das, meine Damen und Herren, ist eine wesentlich schnellere Möglichkeit, dort zu einer Lösung zu kommen.

(Abgeordnete Leonidakis [DIE LINKE]: Genau das meine ich mit ambitionslos!)

Wenn ich an der Stelle feststelle, dass wir hier in Bremen in der dritten Generation Sozialhilfeempfänger haben, bei denen sich die Armut und die ganzen Probleme von der Großelterngeneration über die Elterngeneration bis in die Kindergeneration hinziehen, dann zeigt das doch, dass wir dem Thema Armut hier in Bremen nicht gerecht geworden sind und dass wir hier vor Ort in Bremen auch ganz schnell mit dem Bereich anfangen müssen. Das heißt, dass wir das Zweite, nämlich die monetäre Ausstattung, nicht lassen sollen, deswegen gab es diese ganzen Möglichkeiten. Das bedeutet

aber auch, um das noch einmal ganz deutlich zu sagen, dass wir hier in Bremen jetzt dringend aktiv werden müssen. – Danke schön!

(Glocke – Beifall CDU)

Erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Als nächster Redner hat Herr Staatsrat Fries das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als Erstes möchte ich den erhobenen Vorwurf, dieser Senat hätte in den letzten vier Jahren nichts gegen Armut getan, auf das Schärfste zurückweisen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Es ist aber nicht der heutige Debattenpunkt, die Maßnahmen, die wir in kommunaler und Landesverantwortung vorantreiben können, zu diskutieren, sondern es ist die Frage, wie unser Transferleistungssystem und das Unterstützungssystem für Familien ausgestattet ist und ob es zielgenauer und besser werden kann. Ich finde es vor diesem Hintergrund schwierig, die soziale Teilhabe und die Maßnahmen dafür einerseits und die Frage des Vorgehens gegen materielle Armut andererseits gegeneinander auszuspielen, weil wir längst wissen, dass das häufig zusammenhängt. Aus der Anhörung ist hervorgegangen, dass man eine Reihe von Maßnahmen hat, die man schnell umsetzen kann – was die Bundesregierung zum Teil schon tut – und dass es langfristig die Perspektive gibt oder geben muss, eine Kindergrundsicherung einzuführen.

Eine Schlüsselstelle in der kurzfristigen Verbesserung der finanziellen Lage von Kindern nimmt der Kinderzuschlag ein, der es Familien, die ohne Kinder nicht in den Hilfebezug rutschen würden, ermöglicht, mit ihrem Geld auszukommen. Die von der Bundesregierung in diesem Zusammenhang angestoßene Reform geht in die richtige Richtung und hilft essentiell weiter. Das angesprochene Problem, dass viele ihn nicht in Anspruch nehmen, obwohl sie das Recht hätten, ist ein Punkt, an dem wir arbeiten.

(Abgeordnete Leonidakis [DIE LINKE]: Ja, wie denn?)

Lassen Sie mich doch weiterreden. Das Projekt „Einfach Leistungen für Eltern“, bekannt als ELFE, bei dem es uns darum geht, im ersten Schritt die Beantragung von Kindergeldzahlungen, Elterngeld und Geburtsurkunde zusammenzufassen, hat einen zweiten Ausbauschritt, der die Beantragung des Kinderzuschlags mit einführen und Eltern darauf hinweisen beziehungsweise die geforderte Automatisierung vorbereiten soll.

(Abgeordnete Ahrens [CDU]: Ja, es wäre schön, wenn das nicht mehr so lange dauern würde. Kommt das noch in einem halben Jahr? – Abgeord- nete Leonidakis [DIE LINKE]: Wann denn? – Abge- ordneter Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Ist das jetzt eigentlich die Fragestunde?)

Zu der Frage, wie die Modernisierungsprojekte wirken, können wir gern in der Sozialdeputation berichten. Projekte, und das ist, glaube ich, auch der Kern bei der Kindergrundsicherung, die ein Zusammenwirken von Verwaltungskompetenz der Länder auf der einen Seite und Bundesgesetzgebung auf der anderen brauchen, sind aufwändig und brauchen viel Geduld. Auch wenn man sich wünscht, dass das schnell geht, muss man trotzdem alle an einen Tisch bekommen. Noch einmal zum Familienstärkungsgesetz. Hier wurden von der Bundesregierung zwei Chancen vertan. Dies ist von Bremen, vom Senat, kritisiert worden. Das eine ist die angesprochene Anrechnung des Kindergelds für Transferleistungsbezieher, das haben wir als Senat immer wieder kritisiert. Das andere ist die Frage, wie der Bedarf und der Regelsatz für Kinder überhaupt festgestellt werden? Auch das ist vom Senat und von beiden den Senat tragenden Parteien immer wieder kritisiert worden.

Zur langfristigen Perspektive der Kindergrundsicherung ist das Bild, das in dem Prozess in der Arbeits- und Sozialministerkonferenz entstanden ist, nicht zutreffend. Es geht darum, nicht in einen Wettbewerb der schönsten Modelle einzutreten und zu behaupten, es gäbe schon eine Lösung, die alle rechtlichen Konsequenzen über die drei Verwaltungsebenen und den Zusammenhang aller Leistungen tatsächlich beschreibt und umsetzungsreif vorlegt. Dieses Modell gibt es nicht, und das kann man auch nicht behaupten. Deswegen muss man an den entscheidenden Stellen weiterarbeiten. Die Arbeits- und Sozialministerkonferenz tut das an drei Punkten, nämlich einmal in der Frage, wie ich die Höhe und die damit verbundene Abschmelzung bestimme, an der Frage, wie ich es organisatorisch einbinde, welche Behörden für die Auszahlung zuständig sind, und drittens, wie die

rechtlichen Schnittstellen zu den anderen Systemen sind.

An diesen Punkten arbeiten wir konsequent weiter. Ich glaube, es ist der richtige Weg, um schnell zu einer Einführung zu kommen. – Danke schön!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Als Erstes lasse ich über den Antrag der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksachen-Nummer 19/1056, Neufassung der Drucksache 19/1049, abstimmen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen!

(Dafür DIE LINKE, Abgeordneter Patrick Öztürk [SPD, fraktionslos], Abgeordnete Wendland [par- teilos])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, BIW, Abgeordneter Schäfer [LKR], Abgeord- neter Tassis [AfD])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Nun lasse ich über den Antrag der staatlichen Deputation für Soziales, Jugend und Integration mit der Drucksachen-Nummer 19/1949 abstimmen. Die Ziffer 1 des Antrags enthält allein die Empfehlung, den Antrag der Fraktion DIE LINKE abzulehnen. Dies hat sich somit erledigt.

Ich lasse deshalb nur über Ziffer 2 und 3 des Antrags abstimmen. Hier ist getrennte Abstimmung beantragt. Zunächst lasse ich über die Ziffer 2 des Antrags abstimmen. Wer der Ziffer 2 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen CDU, BIW, Abgeordneter Schäfer [LKR], Abgeordneter Tassis [AfD], Abgeordnete Wend- land [parteilos])

Stimmenthaltungen?

(FDP, Abgeordneter Patrick Öztürk [SPD, frakti- onslos])

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Nun lasse ich über die Ziffer 3 des Antrags abstimmen. Wer der Ziffer 3 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt entsprechend.

(Einstimmig)

Zum Schluss lasse ich über den Antrag der Fraktion der FDP mit der Drucksachen-Nummer 19/2062 abstimmen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen!

(Dafür FDP)

Ich bitte um die Gegenprobe!