Protocol of the Session on January 24, 2019

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Siering.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie so oft ist es jetzt meine Aufgabe, die tiefe Spaltung dieses Parlaments durch konsensuale Ausführungen wieder zusammenzubringen.

(Heiterkeit)

Wenn ich das vorher richtig verstanden habe, wird uns das mit diesem vorliegenden Antrag auch weitgehend gelingen, weil wir uns nur in Nuancen unterscheiden. Zunächst einmal möchte ich sagen, dass wir uns in der Analyse relativ einig sind. Wir haben die Situation insgesamt in Deutschland, dass wir natürlich unverändert gerade in Bremen ein bedeutender Produktions- und Industriestandort sind, einer der größten in der Bundesrepublik Deutschland, ein großer in Europa. Wir haben nach wie vor auch in diesem Bereich viele Arbeitsplätze, die als klassische Industriearbeitsplätze bezeichnet werden müssen.

Für diese Arbeitsplätze hat der Senat auch eine wirtschaftspolitische Strategie, indem er eben auf einen Masterplan Industrie setzt und auch für bestimmte industrielle Felder wie beispielsweise die Luft- und Raumfahrt, aber auch Automotive bestimmte Clustervorstellungen hat, also konkrete Zielvorstellungen darüber, wie sich diese wirtschaftliche Prosperität in Zukunft entwickeln soll.

Wir haben aber die Situation, dass wir in Deutschland und eben auch in Bremen eine Verschiebung der wirtschaftlichen Aktivitäten und damit auch der Beschäftigungsverhältnisse von der reinen Produktion hin zur Dienstleistung haben. Das führt dazu, dass im Bund wie im Land auch der Bereich der Dienstleistungen einen immer stärkeren Anteil an unserer Wirtschaftskraft und eben auch an den im Land befindlichen Arbeitsplätzen einnimmt.

Die preisbereinigte Wirtschaftsleistung der bremischen Dienstleistungswirtschaft ist seit 1991 in Bremen um 38 Prozent gewachsen. Das ist zwar noch weniger als im Bundesdurchschnitt, wo wir 56 Prozent Wachstum hatten, aber die Zahl der Erwerbstätigen eben in diesem Bereich hat im Land Bremen mit 23 Prozent doch deutlich zugenommen,

auch wenn es auch hier im Bund mit 36 Prozent deutlich stärkere Umbrüche gab. Das spiegelt wieder, dass wir unverändert auch ein starker Industrie- und Produktionsstandort sind.

Deswegen glauben wir gemeinsam, glaube ich im Haus, wenn ich das richtig verstanden habe, mit beiden Anträgen, dass es an der Zeit ist, dass wir die wirtschaftspolitische Strategie durch einen Masterplan Dienstleistungen ergänzen, wo wir gezielt zunächst analysieren, was in unserem Land vorhanden ist und dann gemeinsam beraten und verabreden, wie wir diesen Bereich der Dienstleistungen am Standort stärken, Arbeitsplätze erhalten und neue Arbeitsplätze schaffen können.

Es ist an der Zeit, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir dem Dienstleistungssektor politisch eine größere Aufmerksamkeit schenken. Dies soll durch den Masterplan Dienstleistungen erfolgen. Ein Schwerpunkt ist, wen überrascht das, die wissensintensive Dienstleistung, die in Bremen ganz besonders ausgeprägt ist, weil wir hier entsprechend eine weniger dynamische Entwicklung haben, aber einen hohen Anteil an unseren Dienstleistungsberufen überhaupt.

Wir wollen deswegen den Senat auffordern, einen Masterplan Dienstleistungen zu erstellen. Das ist, wenn ich das richtig verstehe, auch das Anliegen der Koalition, die in diesem Punkt ja auch einen gleichlautenden Antrag zu unserem Antrag eingebracht und signalisiert hat, den Ziffern 1 und 3 unseres Antrages zuzustimmen. Das finde ich gut.

Schade finde ich, dass Sie unserer Ziffer 2 des Antrages nicht zustimmen können, in der wir dem Senat einen gewissen Themenkatalog aufgeben, von dem wir uns versprechen, dass der Plan dann eben auch hinreichend konkret ist, dass wir eben erwarten, dass der Senat die Themen Qualitätsverbesserung im Bildungssystem, Förderung lebenslangen Lernens, Exzellenzstatus der Universität, Ausbau der Studienkapazitäten, Cluster Gesundheitswirtschaft insbesondere, weil es einen bedeutenden Stellenwert bei uns hat, bessere Vernetzung der Zusammenarbeit, natürlich auch das gesondert bearbeitete Thema Aufbau eines Studiengangs Medizin an der Universität und konsequenter Ausbau EGovernment und Smart City bearbeitet, um nur einige Bereiche zu nennen, bei denen wir in unserem Antrag viel konkreter sind als das, was die Koalition hier vorschlägt.

Sie wollen eher eine ergebnisoffene Prüfung, in der der Senat selbst die Themen und Schwerpunkte

setzen kann. Wir hätten uns gewünscht, dass wir das an den konkreten Herausforderungen, die bei uns in der Ziffer 2 des Antrages enthalten sind, auch deutlich machen, aber gleichwohl, selbst wenn ich Sie mit meiner Rede nicht davon überzeugen kann, dass Sie dieser Konkretisierung der Anforderung des Masterplans zustimmen, glaube ich, ist es gut, dass wir gemeinsam dem Senat heute einen entsprechenden Arbeitsauftrag erteilen.

Ich freue mich auf die weitere Beratung und die Beschlussfassung heute, aber insbesondere natürlich auch auf die gemeinsame Beratung des dann innerhalb eines Jahres vorzulegenden Masterplans Dienstleistungen. – Vielen Dank!

(Beifall CDU, FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Reinken.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, in der Tat, wir können das heute sehr sachlich und auch sehr konstruktiv diskutieren. Das sehen wir auch so. Vor allen Dingen, Herr Röwekamp, bin ich sehr dankbar, dass sie dem Senat in Ihren Eingangsworten heute ungewöhnlicherweise attestiert haben, dass er für die Kernbranchen in Bremen eine zukunftsweisende Strategie hat.

(Heiterkeit)

Das hören wir sonst ganz selten aus Ihren Reihen, das sehen wir natürlich genauso.

(Beifall SPD)

Wir sehen es auch genauso, dass wir uns dem Thema der Dienstleistungen vor dem Hintergrund der Tatsache widmen müssen, dass wir das, was Sie in Ihrem Antrag mit Tertiarisierung der Wirtschaft beschreiben, als einen Zustand wahrnehmen, als eine Entwicklung wahrnehmen, die nicht zu verleugnen ist, die tatsächlich stattfindet. Es ist aber übrigens auch so, dass wir gerade in dem Bereich wissensintensiver Dienstleistungen in Bremen in den letzten Jahren einen enormen Zuwachs hatten, auch gerade dadurch, dass eine gezielte Strukturpolitik betrieben worden ist.

Es gibt eine spannende Debatte in der Wirtschaftswissenschaft über das Wachstum der Dienstleistungen. Es gibt dann ganz spannende Debatten dar

über, auch zum Teil interessengeleitet, dass voneinander abgegrenzt wird: Wodurch entsteht eigentlich eine Dienstleistung? Wichtig ist, glaube ich, dass wir in der Debatte hier solche abstrakten wirtschaftspolitischen Debatten nicht führen, sondern konkrete Debatten darüber führen, was zu tun ist. Wenn zum Beispiel ein Industrieunternehmen eine Ingenieursabteilung ausgliedert und verkauft, dann ist das ein Verringern der Industrie und ein Wachstum der Dienstleistung. Das ist etwas, das man konstatieren muss, auf der Basis einer industriellen Substanz. Darüber kann man sich jetzt lange streiten: Was ist es eigentlich? Wichtig für uns ist, wenn daraus, aus einer solchen Ausgliederung in den Bereich Dienstleistung hinein neue weitere Aktivitäten entstehen, die möglicherweise mit dem Ursprung nichts zu tun haben, dass es etwas Positives ist und dass es Dinge sind, die getrieben werden müssen, die gut sind.

Spannend wird es immer dann, wenn man sich in die Details hineinbegibt: Wo wächst etwas zusammen, wo wächst etwas und warum? Daraus folgt, und das wird auch Gegenstand der Untersuchung sein, auch Gegenstand, glaube ich, des Vorschlages, den der Senat dann irgendwann unterbreiten wird: In welchen Themen kann Bremen punkten? Welche Felder sind schon besetzt? Hier haben wir möglicherweise Differenzen, die man dann diskutieren muss.

Heute Morgen hatten wir schon die Frage zur künstlichen Intelligenz. Ich finde, das war geradezu ein herausragendes Beispiel dafür, wie die unterschiedlichen Bereiche der Wirtschaft miteinander vernetzt werden können. Wir haben ein starkes industrielles Interesse an Robotik. Wir haben starke wissenschaftliche Institutionen, die im Bereich künstlicher Intelligenz agieren. Wir haben dazu heute Morgen auch in den Antworten der Wissenschaftssenatorin gehört, dass es bis hinein in den Bereich auch persönlicher Dienstleistungen möglicherweise Ausformungen der Anwendung von künstlicher Intelligenz geben kann, also klassisch das, das wir dann als Dienstleistung bezeichnen würden.

Dort gibt es eine ganze Menge Dinge, die man im Auge haben muss, die sich entwickeln müssen. Es kommt drauf an: Was macht man daraus? Es kommt darauf an, dass man die richtigen Entscheidungen trifft, dass man die richtigen Bereiche fördert. Wir sehen auch in der Tat zwischen unseren beiden Anträgen keine großen, tiefen, wahnsinnig tiefen Differenzen. Deswegen würden wir Ihren Punkten 1 und 3 zustimmen, denn konkret wird es nachher

in der Abarbeitung. Nicht in einem Jahr, sondern im halben Jahr ist unser beider Wille, den Masterplan Dienstleistung vorzulegen.

Jetzt will ich ein paar Punkte nennen, weswegen wir Ihrem Punkt 2 nicht zustimmen können. Wir teilen Ihre vorgeschlagene Festlegung darauf, dass die Schaffung einer eigenständigen Medizinfakultät in Bremen einer der entscheidenden Gesichtspunkte der Dienstleistungsentwicklung ist, nicht. Wir glauben, dass die Verknüpfung zwischen dem Exzellenzstatus der Universität, den wir auch weiter wollen, den wir auch wieder wollen, und dem Masterplan Dienstleistungen nicht sinnvoll ist. Zum Thema Studienplatzkapazitäten ist, glaube ich, in der Diskussion um den Wissenschaftsplan ausreichend viel gesagt worden und wird ausreichend entschieden.

Ob man solche Cluster wie Gesundheitswirtschaft braucht und wie sie genau aussehen, würden wir auch der weiteren Entwicklung überlassen. Ich möchte dazu nur sagen, wenn Sie in Ihrer Begründung zum Beispiel anführen, dass man Arztpraxen oder auch Anwaltskanzleien in die Förderung über einen Masterplan Dienstleistung einbeziehen muss, würde ich große Fragezeichen setzen. Damit, den niedergelassenen Röntgenarzt, der seine Investitionen nachher über die Sozialversicherung refinanziert, über die Abrechnung mit den Kassenpatienten zum Gegenstand einer Wirtschaftsförderpolitik zu machen, hätte ich große Probleme, Herr Bensch, Sie wahrscheinlich auch. Trotzdem muss man selbstverständlich ein Start-up im Bereich Analytik, der Dienstleistungsanalysen erbringt, unbedingt in den Bereich von Förderpolitik nehmen, dies wird aber im Übrigen auch schon getan.

(Beifall SPD)

Deswegen ist es wichtig, dass man hier trennscharf vorgeht. Alles das wird man dann weiter diskutieren können. Wir sind darauf gespannt, was uns dann hier in diesem Hohen Haus in sechs Monaten erreichen wird und wie man das weiter unter den Parlamentariern, aber auch mit der entsprechenden Fachöffentlichkeit, diskutieren kann. Insofern bitten wir um vollständige Zustimmung zu unserem Antrag und würden dem Punkt 1 und dem Punkt 3 des Antrags der Fraktionen der CDU und der FDP ebenfalls zustimmen. – Vielen Dank!

(Beifall SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Bücking.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Weil wir uns alle so einig sind, droht es sich alles zu wiederholen. Ich möchte aber trotzdem gern zuallererst sagen, gewissermaßen als Zitatnachweis: Wir haben uns bei der Arbeitnehmerkammer zu bedanken. Es ist die Arbeitnehmerkammer gewesen, die ganz beharrlich und sehr kompetent immer wieder angemahnt hat: Wir müssen uns um das Thema Dienstleistungen, namentlich um das Thema wissensintensive Dienstleistungen kümmern. In der bis dahin aufgestellten systematischen Förderstrategie des Wirtschaftsressorts hatte das keine angemessene Bedeutung.

(Beifall FDP)

Das kann man denen vorwerfen, das kann man auch freundlich erklären, denn die Ableitung von dem, wie wir Wirtschaftsförderung betreiben, ist ein sehr langfristiger Prozess. Mittelbindungen über Programme sind weitreichend, und man kann das nicht wie ein Schnellboot hin- und herorganisieren. Jetzt ist aber ein Moment erreicht, an dem wir diese EFRE-Programme, die GRW-Programme neu aussteuern können. Es findet da gerade eine Zäsur statt, und es ist höchste Zeit, dass wir den Blick weiten und auch dem Aspekt Dienstleistungen mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen.

Das erkennen Sie im Übrigen auch, wenn Sie jetzt im Moment aktuell ansehen, was wir aufschreiben und tatsächlich tun, wenn es um Innovationsförderung geht, wenn es um die Förderung von Start-ups geht und dergleichen mehr. Da ist bereits eine schnelle, präzise Struktur von Unterstützung und Hilfe, Identifikation von neuen tragfähigen Ideen entwickelt worden. Da, würde ich einmal sagen, gilt ein Dank der Arbeitnehmerkammer. Die einzelnen Fraktionen von der LINKEN bis zur CDU und der FDP haben offenkundig diese Texte auch studiert.

Wenn man den Text der CDU ansieht, hat man fast das Gefühl, das ist ein Exzerpt der letzten Veröffentlichungen der Arbeitnehmerkammer. Das geht ja bis in die Einzelheiten der Formulierungen, das finde ich alles völlig in Ordnung. Da sprechen Sie sogar davon, dass es um gut entlohnte Jobs geht, dass es um einen hohen Anteil von Frauen geht. Ich rede jetzt nicht über die Eiswette, versprochen, nicht an dieser Stelle. Da sind wir uns sehr weitgehend einig.

Mein Kollege Herr Reinken hatte herausgearbeitet, dass, nachdem man sich einig ist, die Arbeit erst beginnt, die wirkliche Arbeit daran, wie man differenziert, weil doch klar ist, dass man weder einen Friseursalon noch eine Reinigungsfirma, die alle beide eine wichtige Rolle in der Dienstleistung spielen und ehrenwerte Arbeit leisten, fördern würde, es sei denn, es wird da eine Neuerfindung gemacht, eine wirtschaftliche Innovation erzeugt.

Uns Grüne interessiert natürlich, das ist doch ganz klar, dieser Aspekt Innovationen ganz besonders, also wissensintensiv und Innovationen, weil wir das Gefühl haben, dass wir diesen kaum erträglichen Rückstand in der Bewältigung der Folgen des Klimawandels, in der Reduktion des CO2-Ausstoßes, in dem Ruinieren von unseren Lebensgrundlagen nur aufholen können, wenn wir dramatische Fortschritte in Bezug auf Innovationen machen, wenn die Produktion von regenerativer Energie viel billiger wird, wenn die Verteilung viel einfacher wird und dergleichen mehr.

Deswegen sind wir entschieden dafür, dass wir diese Innovationskerne genau identifizieren und stärken. Wir sind völlig einverstanden damit, den Ziffern 1 und 3 des CDU-Antrages zuzustimmen. Wir sind aufmerksam genug beim Lesen der Anträge der Opposition, dass uns das U-Boot mit der medizinischen Fakultät nicht durchgeschlüpft ist. Deswegen überspringen wir die Ziffer 2 und sind in der Tat der Meinung, es ist eine Arbeit zu leisten, und fragen und bitten den Senat, an einer Reihe von Punkten, die wir in unserem Antrag aufgeführt haben, er möchte doch bitte dazu Vorschläge entwickeln.

Wir glauben nicht, dass mit diesen Vorschlägen der Job abgeschlossen ist. – Besten Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, begrüße ich auf der Besuchertribüne recht herzlich Teilnehmende des Wahlpflichtkurses für Lehramtsreferendarinnen und Lehramtsreferendare: „Die Bremische Bürgerschaft als außerschulischer Lernort“. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Steiner.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt liegen zwei Anträge vor. Wir haben gesagt, beide haben das gleiche Ziel, nämlich die Förderung und angemessene Anerkennung des wachsenden Dienstleistungssektors durch die Forderung nach einem Masterplan Dienstleistung.

Wir sind uns absolut einig, dass wir hier in diesem Bereich auch bedingt durch den Strukturwandel schnell, zuverlässig und zukunftsfähig reagieren müssen. Der vorliegende Antrag der Koalition, als ich ihn gelesen habe, fand ich ehrlicherweise, dass dieser mehr eine Anfrage als ein Antrag ist. Es werden viele Fragen aufgeworfen und mir fehlt tatsächlich ein bisschen das klare Bekenntnis, an welcher Stelle die Schwerpunktsetzung erfolgen soll und wie Sie sich konkrete Maßnahmen vorstellen.