Protocol of the Session on December 12, 2018

Heute haben wir zusätzliche Kosten durch eine forcierte Masseneinwanderung, die wir tragen müssen. Wir bekommen für das, was wir versuchen, für die Zukunft privat vorzuhalten, keine Zinserträge mehr und das macht einen ganz großen Teil dieser Bevölkerung arm. Ob der Mindestlohn bei zehn Euro, 12,00 Euro oder 15,00 Euro liegt, spielt dabei keine Rolle. Das Problem ist, dass wir die Leistungsträger dieser Gesellschaft, die Arbeiterinnen und Arbeiter, die Arbeitnehmer zu stark belasten.

Darum müssen wir uns kümmern. Es kann nicht sein, dass wir in einem Bereich, von dem wir sagen, das ist eigentlich zu wenig Geld, um davon anständig leben zu können, eine so hohe Abgabenquote haben. Das heißt, wir müssen darüber nachdenken, dass wir höhere Steuerfreibeträge als Grundfreibeträge haben, und wir müssen darüber nachdenken, dass wir die Progression, die wir aus dem Einkommensteuerrecht kennen, auch auf die Sozialbeiträge anwenden.

Für die meisten Leute funktioniert das nämlich umgekehrt. Verdienen Sie unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze, zahlen Sie und ihr Arbeitgeber insgesamt 40 Prozent Sozialabgaben. Sind Sie Einkommensmillionär, sind Sie außen vor. Diese 40 Prozent zahlt derjenige, der 500 Euro, der 800 Euro im Monat verdient genauso wie derjenige, der 5 000 Euro im Monat verdient. Das führt dazu, dass die Gesamtprogression aus Steuern und Sozialabgaben in unserem Land so ist, dass sie bei geringfügig Beschäftigten ungefähr bei 35 Prozent anfängt, dann ganz schnell auf über 50 Prozent steigt und bei einem Single bis zu einem Monatseinkommen von 5 000 Euro bis 6 000 Euro in diesem Bereich bleibt. Danach sinkt sie wieder ab.

Bei Einkommensmillionären liegt sie bei ungefähr 45 Prozent. Das ist aus meiner Sicht nicht in Ordnung. Wir haben einen großen Teil der Bevölkerung wirtschaftlich abgehängt, und ich sage es noch einmal: Das sind die Leistungsträger. Wir leben in diesem Land von dem, was unsere Arbeiterinnen und Arbeiter, unsere Arbeitnehmer mit ihrer Arbeit erwirtschaften. Das wird viel zu stark belastet. Im Übrigen, wir hatten heute Morgen das Gespräch zum Thema Infrastruktur und was das alles kostet. Es ist tatsächlich so, dass uns eine Erhöhung der Abgabenlast nicht weiterführt. Wir sind – mit Ausnahme von Belgien – bereits bei der höchsten Abgabenquote in der OECD.

Wir müssen zusehen, dass wir unser Land effizienter gestalten, und dazu gehört auch ein Umbau des Sozialsystems. Es kann nicht sein, dass wir Geringverdiener immer stärker belasten und deshalb immer stärker in Transferleistungen und in ein aufgeblähtes Sozialsystem kommen. Nur um einmal eine Zahl in den Raum zu werfen: 30 Prozent unserer gesamten Wertschöpfung, 30 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes gehen mittlerweile in den Sozialetat. Das war Anfang des Jahrhunderts schon einmal so, im Jahr 2004 schon einmal in diesem – –.

Das ist im Vergleich zu dem, was wir aus den Siebziger-, aus den Sechzigerjahren kennen, als wir Infrastrukturmaßnahmen durchgeführt haben, doppelt oder dreifach so viel, und was hat es uns gebracht? Was hat es uns gebracht? Die Kaufkraft sinkt! Ich glaube, dass eines der Grundprobleme, an denen unser System heute krankt, die zu hohe Belastung von einfacher Arbeit mit Abgaben ist. – Vielen Dank!

(Beifall BIW)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Steiner.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als Ende 2017 der Landesmindestlohn mit dem Bundesmindestlohn gekoppelt wurde, waren wir noch guter Dinge, dass wir in Bremen den ersten Schritt zur Abschaffung des Bürokratiemonsters Landesmindestlohn gegangen sind. Das haben wir jedenfalls gedacht. Wir hatten auch gehofft, dass sich beim Senat und der Koalition endlich die Vernunft durchsetzt und ihnen klar wird, dass wir eben keine zwei Mindestlöhne mit unterschiedlichen Kontrollinstrumenten brauchen.

(Beifall FDP)

Wir hatten gehofft, dass ein Mindestlohn genug ist. Aber eins haben wir bei dieser Hoffnung vergessen: Bald ist in Bremen Wahlkampf, und die SPD bundesweit und auch bei der Europawahl muss leider um ihr Überleben als Volkspartei kämpfen, denn nicht anders können wir uns im Moment die Einlassung von Ihnen, Herr Bürgermeister Dr. Sieling, erklären. Jetzt liegt uns der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE vor, der den Landesmindestlohn noch einmal per Parlamentsbeschluss und ohne Beteiligung von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften anheben will. Mit diesem Vorstoß beginnen Sie die Politisierung der Lohnfindung, und diese lehnen wir als Freie Demokraten auf jeden Fall ab.

(Beifall FDP)

Wir stehen zu den Tarifparteien, und wir stehen zu den Branchentarifen, die von diesen ausgehandelt werden. Vor allem ist es so, dass wir davon ausgehen, dass gerade die Tarifparteien ihr Umfeld am allerbesten kennen. Eine Fremdbestimmung der Löhne durch das Parlament endet zwangsläufig in einem Überbietungswettbewerb linker Parteien und bringt damit nur großen Schaden für unseren Wirtschaftsstandort und vor allem für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die dann im schlechtesten Fall gar keine Arbeit mehr haben.

(Beifall FDP)

Schauen wir doch einmal in andere Länder. Wir haben viele Länder mit Mindestlöhnen. Wir sind schon relativ weit vorn mit der Höhe des Mindestlohns. Es gibt ein Land, nämlich die Schweiz, die einen flächendeckenden Mindestlohn von 16,35 Euro hat. Wissen Sie was? Die Menschen in der

Schweiz, die aus dem Ausland dort hinkommen, um zu arbeiten, sagen, sie hätten noch nie so viel verdient und dabei so wenig Geld zur Verfügung gehabt.

Die Kaufkraft in der Schweiz ist trotz des Mindestlohns sehr viel niedriger als unsere in Deutschland. Da kann es passieren, dass ein Besuch im Aquapark für eine Familie mit zwei Kindern schnell 150 Franken kostet, und dann sind noch keine Pommes Frites und Coke für die Pause dabei. Das kann nicht unser Ziel sein, das wollen wir nicht. Der Hebel immer höhere Mindestlöhne festzusetzen scheint dann eben nicht zu funktionieren.

(Beifall FDP)

Von der Fraktion DIE LINKE erwarte ich ja die Forderung, dass höhere Löhne angeblich zu mehr Kaufkraft führen und der Staat diese Löhne dann auch noch festlegen soll. Aber dass sich jetzt auch noch die SPD in Person des Bürgermeisters von diesem Modell einer paritätisch besetzten Kommission verabschieden will, das halte ich für absolut bedenklich.

(Beifall FDP)

Deutschland ist in den vergangenen Jahrzehnten gut damit gefahren, die Sozialpartnerschaft von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu stärken, und wir als Freie Demokraten setzen uns weiterhin dafür ein, dass diese Sozialpartner und diese Tarifautonomie bestehen bleiben. Wir fordern die Fraktion der SPD auf, zur Vernunft zurückzukehren und die Sozialpartnerschaft nicht diesem billigen Wahlkampfgetöse zu opfern, denn so werden Sie ihre vermissten 20 Prozent auch nicht zurückholen können.

(Beifall FDP)

Ich will zum Schluss noch eine Sache zur Situation in Bremen sagen. Ja, wir haben ein Problem mit der hohen Langzeitarbeitslosigkeit und natürlich auch mit teilweise niedrigen Löhnen. Beides sind aber Symptome und nicht die Ursachen. Es sollte jetzt Schluss sein mit dem Herumdoktern an den Symptomen, sondern wir sollten uns um die Ursachen kümmern. Nicht willkürlich staatlich festgelegte Löhne schützen vor Armut, sondern eine gute Bildungspolitik und gute, vor allem auch gute politische, Rahmenbedingungen für die Wirtschaft.

Wer glaubt, mit einem staatlichen Landesmindestlohn, auch, wenn er übrigens nur bei Vergaben und

öffentlichen Beschäftigten gilt, die Fehler von 70 Jahren sozialdemokratischer Bildungspolitik in Bremen korrigieren zu können, der glaubt auch noch daran, dass der Weihnachtsmann Heiligabend die Geschenke unter den Weihnachtsbaum legt.

(Unruhe – Zuruf Abgeordneter Röwekamp [CDU])

Ich freue mich darauf, was Sie mir am 24. erzählen. Bremen braucht dringend ein Umsteuern. Ich glaube, es gibt viele Parteien in diesem Hause, die dafür auch nächstes Jahr bereitstehen.

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Bücking.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich finde, an den Ausgangspunkt der gesamten Diskussion gehört, dass wir feststellen: In der untersten Etage des Lohnsystems unserer Republik läuft etwas schief. Diese 1 100 Euro netto, von denen Frau Böschen gesprochen hat, sind zu wenig.

Wir beobachten, dass die Konjunktur, die uns jetzt schon so lange beglückt, abgesehen von ihren ökologischen Nebenwirkungen, daran offenkundig nur wenig ändert. Richtig ist auch zu sagen: Die letzte segensreiche Veränderung war die Einführung des Mindestlohns. Die hat etwas spürbar verbessert, man sieht es in der Statistik.

Insofern ist die erste Frage: Gibt es eine Dysfunktionalität der Bezahlung der ungelernten Arbeit? Um die geht es ja im Wesentlichen. Ich würde sagen: Ja, die gibt es. Die gibt es und man muss dagegen ansteuern. Jetzt kommen wir zur nächsten Frage: Das hat so gut geklappt mit dem Landesmindestlohn, der war der Ausgangspunkt einer Bewegung, die am Schluss dazu geführt hat, dass auch der Bund einen allgemeinverbindlichen Mindestlohn eingeführt hat, das machen wir einfach noch einmal. Das ist die Frage, mit der wir uns jetzt beschäftigen: Ist das Instrument geeignet, die nächste Korrektur einzuleiten?

Ich will ausdrücklich an den Anfang der Debatte stellen, dass es Bedarf an dieser Korrektur gibt. Wir diskutieren über die Frage: Ist der Landesmindestlohn ein Instrument, und wenn ja, wie müsste er ausgestaltet werden? Was kann so ein Bundesland wie Bremen zur Korrektur beitragen? Das, finde ich, ist die Frage.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Da sagen wir: Das Stichwort, das in der ersten Reihe der Fraktion der CDU gefallen ist, – wir beobachten im Moment so eine Art Versteigerung: Wer bietet mehr? – das hat, finde ich, die Eröffnung dieser Debatte schon beschädigt. Da war innerhalb von 14 Tagen zunächst die Fraktion DIE LINKE mit ihren 12,64 Euro, dann die Fraktion der SPD mit ihren 12,00 Euro, dann der Bürgermeister mit, ich weiß es nicht mehr genau, 10,90 Euro oder 10,80 Euro, und dann ging das noch ein bisschen hin und her. Irgendwann wurde die Zahl gefunden, auf die diese beiden Parteien sich offenkundig einigen können.

So geht das mit uns nicht. Ich finde, eine der Erfahrungen aus der Auseinandersetzung um den Landesmindestlohn und die dann folgenden Prozesse war, dass man sich bei der Erarbeitung der Struktur wie auch der Höhe mit Maß und Zahl dieser Gesellschaft auseinandersetzen muss, dass man schauen muss: Was passiert im Tarifsystem? Welche Gruppen von Arbeitnehmern fallen heraus? Warum ist das so, dass die Gewerkschaften und Arbeitgeber eine Lohnstruktur vereinbaren, bei der die Untersten da landen, wo sie im Moment landen? Was kann man dafür tun, dass ordentliche Tarifverträge allgemeinverbindlich erklärt werden, und all diese Gesichtspunkte. Ich finde, das ist auch im großen Stil eine Debatte unter linken Tarifpolitikern und unter sozialdemokratischen Tarifpolitikern. Ich bedaure das ja sehr, dass von den Grünen so wenige dabei sind. Aber Sie haben – –. Ich sage einmal, es sind Ihre Parteimitglieder, –

(Unruhe DIE LINKE)

die in diesen Tarifkommissionen sehr oft Strukturen unterschrieben haben, bei denen ein Abstand zwischen Helfern und Gelernten und Ausgelernten und so weiter besteht, der sehr deutlich ist. Und Sie müssen sich fragen: Warum haben Sie das gemacht? Ich bitte, dass diese Argumente in der Debatte eine Rolle spielen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, CDU, FDP)

Ich finde, wir müssen darüber nachdenken, ob es eine kluge Idee ist, die Tarifstruktur des öffentlichen Dienstes allgemeinverbindlich machen zu wollen. Bei allem Respekt, viele von Ihnen arbeiten im öffentlichen Dienst. Ehrlich gesagt, von uns auch. Aber das ist, glaube ich, kein hinreichender

Grund. Das ist ein Bundestarif. Es ist ein Bundestarif, der nun in allen Branchen, in allen Ländern wirken soll.

(Abgeordnete Böschen [SPD]: Nein, der Länder!)

Ich frage mich, ob das eine gute Idee ist. Ich frage mich, ob dabei berücksichtigt ist, dass Löhne in diesem Land in der Regel auf der Ebene von Branchen verhandelt werden.

(Abgeordnete Leonidakis [DIE LINKE]: Dann kann man den Mindestlohn ja gleich abschaffen!)

Ja, aber ich bitte Sie einfach nur, darauf zu achten, dass die Argumente, die beim Durchsetzen des ersten Durchlaufs des Mindestlohns gewirkt haben, berücksichtigt werden, dass man nicht einfach so tut, als hätte man damit nichts mehr zu tun, als hätte das nicht auch gesellschaftlich eine gewisse Akzeptanz gehabt, weil wir da versucht haben, widerspruchsfrei zu argumentieren. Das muss man in der zweiten Runde auch. Aus all diesen Gründen –

(Zuruf SPD)

treten wir auf die Bremse. Nicht, weil wir finden, dass das Einkommen der untersten Lohnschichten reicht,

(Glocke)

sondern weil wir die Begründung schlecht finden und die Konsequenzen schlecht finden, die Sie entwickeln, treten wir auf die Bremse und sagen: Lasst uns sorgsam arbeiten. Lasst uns die Sache auf die Tagesordnung der Deputation setzen, lasst uns jedes einzelne Argument prüfen

(Unruhe SPD, DIE LINKE – Zuruf Abgeordnete Vogt [DIE LINKE] – Abgeordnete Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: So ein Quatsch!)

und dabei beachten, dass etwas dabei herauskommen muss. Wenn nichts dabei herauskommt, wenn am Ende die Wirkung der Sache nicht bis dahin reicht, wohin sie reichen soll, dann haben wir mit Zitronen gehandelt. Das schlage ich nicht vor.