Protocol of the Session on December 12, 2018

und dabei beachten, dass etwas dabei herauskommen muss. Wenn nichts dabei herauskommt, wenn am Ende die Wirkung der Sache nicht bis dahin reicht, wohin sie reichen soll, dann haben wir mit Zitronen gehandelt. Das schlage ich nicht vor.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kastendiek.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach

dem Wortbeitrag von Robert Bücking könnten wir uns eigentlich zusammentun und das Landesmindestlohngesetz abschaffen, denn deutlicher kann man nicht zum Ausdruck bringen, worum es den Fraktionen der SPD und DIE LINKE im Augenblick geht. Es ist der 26. Mai 2019 und offensichtlich der Wettbewerb: Wer ist der bessere Vertreter der Enterbten und ungerecht Behandelten in diesem Land, meine sehr verehrten Damen und Herren. So kommt es einem vor, –

(Beifall CDU)

was wir hier seit Wochen und Monaten erleben.

(Zuruf [FDP]: Haben wir schon!)

Wir hatten uns schon überlegt, einen Gesetzentwurf einzubringen, mit dem wir sagen einfach N+1 als Mindestlohn festsetzen nach dem Motto: Wer hat jetzt die letzte Zahl in den Raum hineingeworfen? Ich habe überhaupt kein sachliches Argument gehört, warum 12,64 Euro oder, oder, oder der richtige Mindestlohn sein soll. Die Problemstellung die Sie angesprochen haben werden Sie damit nicht lösen.

(Beifall CDU)

Das ist doch das Vordergründige Ihrer Argumentation. Natürlich haben wir langfristig ein Problem, insbesondere für die Generation der jetzt 20-, 30Jährigen. Wie sieht es in 30, 40, 50 Jahren mit den Alterseinkünften aus? Das werden Sie übrigens mit dem Thema Landesmindestlohn keineswegs lösen. Deswegen ist es richtig, dass auf Bundesebene eine Kommission eingesetzt worden ist, um hoffentlich langfristige Lösungsvorschläge zu erarbeiten, die dann nicht nur die nächsten vier Jahre gelten, Damit werden Sie das Problem nicht dauerhaft lösen.

Wenn Sie jetzt einem 25-Jährigen eine Antwort geben sollen, ob er mit 65, 67 oder 69, wie hoch auch immer das Renteneintrittsalter dann ist, entsprechende Einkünfte hat, mit denen er in Metropolen leben kann, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann ist das nicht die Antwort, die Sie damit geben können.

(Beifall CDU)

Sie geben mit dem Landesmindestlohn auch keine Antwort, wie wir das dauerhafte Problem in Bremen lösen, nämlich die überdurchschnittlich hohe Anzahl von Langzeitarbeitslosen.

(Abgeordneter Rupp [DIE LINKE]: Das wollen wir damit auch gar nicht!)

Ach so! Das wird sogar noch verschärft, meine sehr verehrten Damen und Herren, weil Sie nämlich das Lohnabstandsgebot, das Sie auch im Hinterkopf haben müssen, ignorieren. Sie werden es noch verschärfen! Auch das werden Sie nicht lösen. Sie werden auch nicht langfristig das Problem lösen, wie wir dauerhaft, wenn jemand wirklich 45 Jahre, das ist ja Ihre Fiktion, die Sie

(Abgeordneter Rupp [DIE LINKE]: Das ist keine Fiktion, das ist eine Berechnungsgrundlage!)

die sie auch als Grundlage – –. Ach ja, das ist nämlich nur eine Berechnungsgrundlage, das hat mit der Realität nicht allzu viel zu tun, weil der Anteil derjenigen, die 45 Jahre auf Landesmindestlohnniveau arbeiten, minimal ist. Auch das hat die Antwort auf ihre Große Anfrage ergeben. Sie arbeiten nur mit Berechnungsgrundlagen, die mit der Realität nicht allzu viel zu tun haben, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall CDU, FDP)

Für uns als Fraktion der CDU ist daher das, was sich auf Bundeebene bewährt hat und übrigens auch eine hohe Akzeptanz bei Unternehmen, bei Handwerksbetrieben findet, soweit es den bundesweiten Mindestlohn angeht – –. Der hat sich bewährt. Deswegen gibt es in unseren Augen keinen Grund, kein Argument, hier von der bundesweiten Regelung, die am 1. Januar 2019 auf 9,19 Euro, am 1. Januar 2020 auf 9,35 Euro ansteigt, abzuweichen. Ich habe auch keins in der Diskussion gehört, bis auf Wahlkampfgetöse und vielleicht den Nominierungsparteitag der SPD im September, der ja offensichtlich den Bürgermeister dazu motiviert hat, in diese Argumentation einzusteigen.

Was ist denn der nächste Schritt? Sie machen einen Landesmindestlohn. Und dann kommt der nächste Parteitag der SPD, auf dem gesagt wird: Wir verpflichten hierzu alle Unternehmen, an denen Bremen Anteile hat, und der muss jetzt auch gezahlt werden. Da kommen Sie natürlich gerade im Logistikbereich in Wettbewerbsthematiken hinein. Tun Sie jetzt nicht so, ich weiß ja, was der Bürgermeister, wenn er gleich sprechen wird, sagen wird: Nein, das haben wir alles überhaupt nicht vor, wir sind davon meilenweit von entfernt. Das haben Sie, als der Landesmindestlohn ausgesetzt wurde, übrigens auch allen erklärt: Die Bundesregelung ist die

gute Regelung, und die lassen wir dauerhaft bestehen. Es gibt überhaupt keinen Grund, jetzt den Landesmindestlohn wieder einzuführen, das machen wir nur dann, wenn der Bundesmindestlohn abgeschafft wird. Das war damals die Argumentation der Fraktion der SPD, und deswegen traue ich Ihnen, trauen wir Ihnen an der Stelle nicht. Wenn Sie diesen Einstieg machen, werden Sie weitermarschieren, damit es sich am 26. Mai in Ihrer Philosophie auswirkt und deswegen kann ich mich nur der Argumentation des Kollegen Bücking anschließen:

(Abgeordneter Bücking [Bündnis 90/Die Grünen]: Bilden Sie eine kleine Differenz!)

Mehr Sachlichkeit unabhängig von Wahlkampfgetöse, die Problemstrukturen auch strukturieren, ein Problem nach dem anderen abarbeiten, statt sich hier nur aufzuspielen nach dem Motto, wer ist der Gerechteste in diesem Land und dann zu hoffen, dass die jeweils Ungerechten Sie dann wählen werden. Dieses Spielchen wird übrigens auch nicht aufgehen. – Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Bernhard.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, Herr Kastendiek, wie Sie das machen wollen, aber Sie müssen rechnen, um irgendetwas prognostizieren zu können. Sie brauchen Berechnungsgrundlagen.

(Beifall DIE LINKE)

Ohne Zahlen kommt auch die Fraktion der CDU nicht aus. Die Frage ist, welche Berechnungsgrundlage nehmen wir denn? Natürlich ist das die Frage, das ist eine politische Entscheidung. Wenn wir sagen, die Grundlage ist die Existenzsicherung, dann finde ich das vollkommen richtig. Wie sehen unsere Lebenshaltungskosten aus? Was heißt Bedarfsdeckung? Da habe ich dann tatsächlich die Frage an die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die sagen: Es muss armutsfest sein, Bedarfsdeckung ist richtig, Existenzsicherung ist richtig. Aber auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird eine Zahl brauchen. Und darum drücken Sie sich.

(Abgeordnete Dr. Müller [Bündnis 90/Die Grünen]: Nein, das ist Quatsch!)

Natürlich drücken Sie sich, großräumig!

(Beifall DIE LINKE, Abgeordnete Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Wir machen es uns nur nicht so leicht wie Sie!)

Das ist genau der Punkt, und deswegen verstehe ich es letztendlich nicht. Gibt es irgendetwas von den Grünen? Habeck sagt bundesweit: Natürlich müssen wir uns darüber Gedanken machen, wie Existenzsicherung aussieht. Letztendlich kommt dann nichts, das bleibt sehr unkonkret.

(Abgeordnete Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Warten Sie es doch einmal ab, Frau Bern- hard!)

Wir können gleich die nächste Debatte anschließen, das muss man ein Stück weit auseinander halten, das ist die Auseinandersetzung um Hartz IV. Da haben wir ganz ähnliche Verwerfungen. Ich finde das ganz interessant, es gibt von den Grünen ein paar Vorschläge, die SPD ist etwas zögerlicher.

(Zwischenruf Bündnis 90/Die Grünen)

Aber ich finde, das muss man auseinander halten. Es ist doch ein wichtiger Punkt zu sagen: Tarifbindung funktioniert nicht mehr. Soziale Spaltung und der Niedriglohnsektor sind ein Fakt. Was ich überhaupt nicht verstehen kann, auch nicht von der CDU, das hat Sybille Böschen hier zu Recht angesprochen: Warum muss es bezüglich dessen eine staatliche Co-Finanzierung geben, dass die Menschen praktisch aufstocken? Warum sind wir nicht in der Lage, in diesem Land Existenz sichernde Löhne zu schaffen? Wenn man sich das zu Ende überlegt, ist das doch lächerlich. Genau darum geht es. Aus dieser Situation wollen wir hinaus. Wir haben uns sehr lange damit auseinandergesetzt, wie dieses Gesetz aussehen könnte. Deswegen finde ich es über so einen Einstieg richtig. Der Vorwurf, das sei jetzt Wahlkampfgetöse, der ist maßlos, der ist lächerlich. Wir haben das jedes Jahr hier eingebracht. Wir haben nicht jedes Jahr Wahlkampf, wir sind, was den Mindestlohn anbelangt, vollkommen konsistent.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Uns vorzuwerfen, das wäre jetzt Wahlkampfgetöse – –. Ich gebe zu, leider hat die Fraktion der SPD zugestimmt, das auszusetzen, wir waren immer strikt dagegen, das war auch ein Fehler. Gut, sie können ja schlauer werden an dem Punkt. Es gibt verschiedene andere Punkte, an denen sie auch schlauer werden könnten, aber ich finde es auf jeden Fall zutreffend, dass wir ein Stück vorankommen, die

Grundlage schaffen und das Signal in dieses Land geben: Hallo Leute, es ist wirklich ein Riesenproblem, ihr kommt im Grunde genommen nicht klar mit dem, was ihr monatlich auf dem Tisch habt, wir kümmern uns darum, und wir werden auf Landesebene genau dieses Signal senden. Es wird auch für uns hier einen Effekt haben. Darum geht es. Und dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dazu sagt: So genau wissen wir das noch nicht, das müssen wir erst noch einmal ein bisschen hinausschieben, finde ich ein Armutszeugnis. – Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Dr. Müller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dass das hitzig würde, habe ich mir fast gedacht, aber dass man sich so Umarmungsversuchen verweigern muss, damit hatte ich jetzt doch nicht gerechnet. In der Tat, ich trete da einmal ein bisschen auf die Bremse, lieber Herr Kollege Kastendiek, denn in der Frage passen noch viele Blätter Papier zwischen uns.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Ganz ehrlich habe ich Lösungsvorschläge für die Tatsache, dass sehr, sehr viele Menschen hier im Land Bremen für Löhne arbeiten, die alles andere als Existenz sichernd sind, von Ihnen nicht gehört. Frau Steiner ist jetzt schon gar nicht mehr da, – doch. Sie haben gesagt, es ist keine Ursachenbekämpfung, sondern nur Symptombekämpfung, aber über die Ursachen habe ich auch von Ihnen nichts gehört. Das fand ich für so eine Debatte sehr schade, muss ich sagen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Deswegen sind wir als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gern bereit, die Debatte intensiv fortzuführen, um tatsächlich alle Belange jenseits der Höhe eines Mindestlohns noch einmal miteinander besprechen zu können. Um es für alle, die immer wieder Märchen in der Weltgeschichte verbreiten, noch einmal ganz deutlich zu sagen: Wir sind für einen Mindestlohn, eindeutig, das steht sogar im Wahlprogramm. Ja, da steht ein bisschen interpretierbar armutsfester Mindestlohn, aber das ist auch tatsächlich gerade unsere Situation: Wir haben uns noch nicht auf eine Berechnungsgrundlage geeinigt. Das sehe ich, ehrlich gesagt, auch auf der lin

ken Seite des Hauses noch gar nicht so richtig, sondern es wird relativ, wie soll ich sagen, spontan immer wieder einmal irgendeine Zahl in den Raum geworfen. Also allein heute in der Debatte: Wir haben angefangen zu erwähnen, dass der Bund sich auf 9,19 Euro festlegt, übrigens mit nicht ganz von der Hand zuweisenden Argumenten. Dann waren die Zahlen 10,80 Euro, 10,93 Euro, 12,00 Euro, 12,63 Euro im Raum. Was denn nun? Wieso nicht 11,78 Euro?

(Zwischenruf Frau Vogt [DIE LINKE])

Ich sage jetzt 11,78 Euro, vielleicht reicht das ja auch aus. Mir sind die Datengrundlagen überhaupt noch nicht einleuchtend, weder von der HansBöckler- noch von allen anderen Stiftungen. Ich möchte das intensiv beraten und besprochen haben, und ich möchte, dass, wenn wir im politischen Raum, was ich richtig finde, was meine Fraktion richtig findet und auch die Partei, wieder als politische Entscheidung einen Landesmindestlohn festlegen, dass wir uns dann auch wirklich gründlich mit den Berechnungsgrundlagen auseinander gesetzt haben und nicht einmal ungefähr sagen, nehmen wir einmal 10,63 Euro oder 10,93 Euro.

(Abgeordnete Strunge [DIE LINKE]: Wann fangen Sie denn damit an!)