Protocol of the Session on September 26, 2018

Das war das Fazit des Bremischen Richterbundes, dem wir uns als Fraktion der CDU anschließen. Meine Damen und Herren der Regierungskoalition, wenn Sie nach diesem Ergebnis und nach dieser Umfrage immer noch bei Ihrer Behauptung bleiben, dass die bremische Justiz personell sowie sachlich ausreichend auskömmlich ausgestattet ist und wenn Sie nicht vorhaben, dringend Gegenmaßnahmen zu ergreifen, dann kann ich Ihnen versichern, werden Sie ab dem heutigen Tage nicht mehr ernst genommen.

(Beifall CDU, BIW)

Die Justiz ist nicht über Nacht in diese prekäre Lage geraten. Über Jahre hinweg, wirklich über Jahre hinweg haben Sie die Hilferufe aus der Justiz überhört. Alle Warnungen, auch aus der Opposition, wurden überhört, und zwar mit einer sturen, fast schon selbstherrlichen, ignoranten Haltung. Um es auf den Punkt zu bringen: Rot-Grün hat die Bremer Justiz kaputtgespart, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU, BIW)

Immer wieder wurde gesagt: Bei den Gerichten ist es eine Frage der internen Organisation im Rahmen der richterlichen Unabhängigkeit. Sie können intern so viel organisieren, wie Sie wollen. Wenn Sie kein Personal zur Verfügung haben, können Sie auch keine Akten bearbeiten. So einfach ist das. Als Beispiel möchte ich einmal unseren Antrag vom letzten Jahr nennen, vom Mai 2017. Da haben wir in die Bürgerschaft einen Antrag eingebracht, in dem wir sechs zusätzliche Stellen für Richter am Landgericht gefordert haben, plus Servicepersonal, plus mehrere Referendare. Ich muss zugeben, auch die FDP hat zusätzliches Personal für die Gerichte gefordert. Sogar die Linken haben im Rahmen der Haushaltsberatungen mehr Richterstellen für das Landgericht gefordert.

Die Regierungskoalition hat aber durch ihre rechtspolitische Sprecherin darauf wie folgt reagiert, ich zitiere: „Ich möchte noch kurz sagen, wir tun uns schwer mit Ihrem Antrag, der erkennbar aktionistisch auf Pressemitteilung reagiert.“ Gemeint war damit der Hilferuf aus dem Landgericht, in dem die Präsidentin per Pressemitteilung fast schon flehentlich um sechs weitere Richterstellen gebeten hatte. Was wurde dann von der Regierungskoalition gemacht? Uns wurde ja Aktionismus vorgeworfen. Dann haben Sie einen externen Landgerichtsberater engagiert, der bis Mai dieses Jahres – knapp ein Jahr hat das dann gedauert seit unserem Antrag – gebraucht hat, um zu dem Ergebnis zu kommen: Sie vermuten sechs Richterstellen mehr für das Landgericht. Danke für das verlorene Jahr, Koalition.

(Beifall CDU, BIW)

Ich möchte auf einen aktuellen besonderen Brennpunkt eingehen, und zwar die Staatsanwaltschaft. Da sind eigentlich 53 Stellen geplant, wovon fünf bis sechs derzeit nicht besetzt sind. Sie können nicht besetzt werden, weil keine geeigneten Bewerber da sind. Auf diesen Punkt angesprochen – der Justizsenator ist zum Glück heute da, Sie werden übrigens überall vermisst in der Justiz – auf diese Frage angesprochen, Herr Senator, haben Sie in der „Nordwest-Zeitung“ geantwortet, ich zitiere: „Die Justiz muss bei dem Kampf um die besten Köpfe selbstbewusst und offen auftreten und für sich werben.“ Ich frage Sie, wie soll die Justiz selbstbewusst auftreten, mit welchen Werten, mit welchen Zahlen, mit der niedrigen Besoldung, mit den sehr hohen Eingangszahlen? Womit sollen die um die besten Köpfe werben? Ich frage Sie, ich habe darauf keine Antwort.

Das spiegelt sich auch in der Bewerbungslage, da wir keine geeigneten Bewerber finden. Sie haben noch ergänzt: „Für den Haushalt 2020 müssen wir uns daher auch die Richterbesoldung und die Besoldung der Staatsanwälte anschauen. Das wird ganz klar ein Thema sein“, haben Sie gesagt, abgesehen davon dass ich es optimistisch finde, dass Sie denken, dass Sie im Jahr 2020 immer noch den Justizhaushalt stellen.

(Beifall CDU – Lachen CDU)

Das ist ein Beweis dafür, dass Sie nicht vorhaben, bis zum Jahr 2020 irgendetwas zu unternehmen, denn Sie verweisen auf das Jahr 2020.

(Abgeordneter Hinners [CDU]: Wie andere Senato- ren auch!)

Ich möchte noch auf zwei Feststellungen des externen Landgerichtsberaters eingehen. Der hat eine explosive Gemengelage an angestauten alten Fällen und vielen neu eingehenden Akten attestiert. Eine explosive Gemengelage. Bis heute habe ich keine wahrnehmbaren Handlungen der Regierungskoalition feststellen können, die dieser explosiven Gemengelage Abhilfe schaffen.

(Beifall CDU)

Ferner hat der externe Landgerichtsberater festgestellt, Bremen sei ein Paradies für Wirtschaftsstraftäter, weil in Bremen Wirtschaftsstrafakten derzeit kaum oder wenig behandelt oder bearbeitet werden können, da andere Verfahren vorgezogen werden müssen, auch aufgrund des Personalmangels. Auch für diesen zweifelhaften Titel „Paradies für Wirtschaftsstraftäter“, danke, Regierungskoalition!

(Beifall CDU, BIW)

Mit Ihrer falschen Personalpolitik in der Justiz und den daraus resultierenden Folgen gefährden Sie nicht nur den funktionierenden Rechtsstaat, sondern Sie zerstören gleichzeitig auch das Vertrauen der Bevölkerung in ihn. Abschließend möchte ich für die Fraktion der CDU in der ersten Runde, ich behalte mir vor, noch einmal nach vorn zu kommen, falls irgendwelche – –.

(Zuruf Abgeordneter Strohmann [CDU] – Heiter- keit)

Sie haben es mir aus dem Mund genommen. Für die Fraktion der CDU fordern wir ganz klar mehrere Referendare, um den eigenen Nachwuchs zu rekrutieren, die Einstiegsgehälter für die Richterschaft und die Staatsanwälte anzuheben und durch Personalaufstockung die Eingangszahlen pro Richter und Staatsanwalt auf das Bundesniveau zu senken. – Danke!

(Beifall CDU, FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Remkes.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Eine Umfrage des Bremischen Richterbundes – Verein Bremischer Richter und Staatsanwälte hat mit Zah

len untermauert, was eigentlich schon lange offensichtlich ist. Bremens Justiz ist völlig überlastet und steht nach jahrelangen Versäumnissen der politisch Verantwortlichen nun vor dem Kollaps. 85 Prozent der Befragungsteilnehmer gaben an, dass ihre Arbeitsbelastung zu hoch ist. Dass diese Einschätzung keineswegs aus der Luft gegriffen ist, zeigt die große Zahl von Überstunden der Richter und Staatsanwälte, die sie Woche für Woche ableisten müssen, damit der Betrieb nicht völlig zusammenbricht. Unter der hohen Arbeitsbelastung leidet offenbar auch die juristische Qualität der Arbeit. So bleibt den Staatsanwälten und Richtern immer weniger Zeit, sich in Prozessakten zu vertiefen, Gesetzeskommentare zurate zu ziehen oder an Fortbildungsmaßnahmen teilzunehmen.

Knapp 56 Prozent der Befragten gaben an, mit der Qualität ihrer Arbeit kaum noch oder überhaupt nicht mehr zufrieden zu sein. Das ist ein besorgniserregend hoher Wert, der die zentrale Frage aufwirft, ob der Rechtsstaat im Land Bremen noch funktionsfähig ist. Die Bremer Justiz ist wegen wachsenden Arbeitsanfalls und einer völlig unzureichenden Personalausstattung als Folge rigoroser Sparmaßnahmen schon seit Jahren nicht mehr in der Lage, Verfahren in einem zeitlich angemessenen Rahmen abzuschließen. Der Berg der nicht erledigten Altfälle, die sich auf den Schreibtischen von Richtern und Staatsanwälten türmt, wird immer höher. Selbst schwere Straftaten, die von hohem öffentlichen Interesse sind und das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung erheblich tangieren, bleiben zum Teil jahrelang liegen.

Ein Beispiel ist die juristische Aufarbeitung der Vegesacker Krawalle bei der Fußballweltmeisterschaft im Juli 2014. Damals zogen zumeist jugendliche Randalierer durch den Ortskern des Stadtteils, attackierten Passanten und griffen Polizeifahrzeuge an. Die Staatsanwaltschaft klagte insgesamt elf Personen wegen Landfriedensbruch an. Der Prozess gegen die erwachsenen Tatverdächtigen wurde erst im März 2017 eröffnet, also fast drei Jahre nach den Ereignissen. Ein weiterer spektakulärer Fall ist der brutale Überfall von Angehörigen eines stadtbekannten Familienclans auf vier Bauarbeiter am Hohentorsplatz, der sich im August 2013 ereignete. Bis heute hat die Gerichtsverhandlung gegen die Beschuldigten nicht begonnen, wir schreiben 2018, meine Damen und Herren, die sogar kurz nach der Tat aus der Untersuchungshaft entlassen wurden und sich seither auf freiem Fuß befinden.

(Beifall BIW)

Nach Angaben aus Justizkreisen soll der Prozess in diesem Herbst eröffnet werden, fünf Jahre nach der Tat. Man muss sich die Frage stellen, wie sich die Zeugen der Staatsanwaltschaft nach so langer Zeit noch an Einzelheiten des Vorfalls erinnern sollen. Eine hieb- und stichfeste Beweisführung dürfte wegen des großen zeitlichen Abstands zu den Ereignissen kaum noch möglich sein. Es steht zu befürchten, dass die Angeklagten am Ende mit einer eher unbedeutenden Strafe davonkommen werden, wenn es denn überhaupt zu einer Verurteilung kommt. Strafmildernde Umstände können die Beschuldigten wegen der langen Verfahrensdauer schon jetzt geltend machen. Ein geringes Strafmaß oder sogar ein Freispruch würde von den Angeklagten wie ein Sieg empfunden werden und das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat weiter untergraben.

Aufsehenerregend auch ein Fall aus Bremerhaven: Dort hatten Angehörige eines ethnischen Familienclans im Juli 2017 fünf Polizisten bei einer Verkehrskontrolle verletzt, weil sie ihren Ausweis nicht vorzeigen wollten. Obwohl die Staatsanwaltschaft bereits im August Anklage gegen die vier Beschuldigten erhoben hatte, mussten die Tatverdächtigen nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Bremen aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Der Grund: Weil nicht genug Personal vorhanden war, hat es das Landgericht nicht geschafft, die erforderlichen Verhandlungstermine mit den Verfahrensbeteiligten zu vereinbaren. Der Prozess, der eigentlich schon Anfang Januar beginnen sollte, wurde erst jetzt, am Montag dieser Woche, eröffnet.

Darüber hinaus gibt es immer wieder langwierige Verfahren, die zu einer personellen Belastung für unsere Bremer Justiz werden und damit die Verhandlung anderer Verfahren extrem blockieren, wie beispielsweise der Beluga-Prozess vor dem Bremer Landgericht, der erst nach mehrjährigen Ermittlungsarbeiten der Staatsanwaltschaft begann und dann nach zweijähriger Prozessdauer im März dieses Jahres mit einem Urteil abschloss und somit Personal gebunden hat. Wie gesagt, die Bremer Justiz arbeitet an der Grenze des Möglichen, und Besserung ist jedenfalls unter der Ägide des politisch völlig überforderten SPD-Senators für Justiz und Verfassung nicht in Sicht, im Gegenteil. Es dürfte sich die schon jetzt dramatische Personalsituation mittelfristig weiter zuspitzen, denn in den nächsten Jahren werden zahlreiche Richter und Staatsanwälte im Land Bremen in den Ruhestand gehen, wie überall in Deutschland. Das ist ganz normal.

Die anstehende Pensionierungswelle wird bis zum Jahr 2030 bundesweit 40 Prozent aller Juristen erfassen, so die Einschätzung der Bundesregierung. Gleichzeitig gestaltet es sich sehr schwierig, qualifizierte Nachwuchsjuristen für die Bremer Justiz zu rekrutieren, was wegen der unattraktiven Arbeitsbedingung auch kein Wunder ist. Mein Vorredner hat es schon plausibel erklärt. Aktuell hat die Staatsanwaltschaft erhebliche Probleme, zwei offene Stellen zu besetzen, weil sich keine geeigneten Bewerber finden. Gleichzeitig hat man den Weggang von fünf Kollegen zu verkraften, das sind zehn Prozent aller Staatsanwälte, die zurzeit in Bremen tätig sind. Es ist absehbar, dass die Arbeitsbelastung des vorhandenen Justizpersonals weiter zunehmen wird. Das bedeutet in der Praxis, dass die Verfahren in Bremen noch länger dauern und Verhandlungstermine – auch der Fachgerichte – immer später angesetzt werden. Außerdem wird die Qualität der Rechtsprechung leiden, was aber nicht den Justizmitarbeitern anzulasten ist, die trotz widriger Umstände ihr Bestes geben, um arbeitsfähig zu bleiben. Dem gebührt ein hohes Lob von uns.

Die Verantwortung für die Zustände liegt allein beim rot-grünen Senat, meine Damen und Herren. Klar ist, so kann es nicht weitergehen. Es müssen dringend geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um die Personalsituation zu entspannen, damit die Justiz in Bremen wieder vernünftig arbeiten und den Gesetzen Geltung verschaffen kann, so wie es ihr verfassungsrechtlicher Auftrag ist. Eine schwache Justiz gefährdet nicht nur den Rechtsstaat, sondern am Ende auch die innere Sicherheit, weil potenzielle Kriminelle den Eindruck gewinnen können, für ihre Verbrechen nicht oder nur unzureichend zur Verantwortung gezogen zu werden. Ein wesentlicher Grund für die Probleme, Nachwuchsjuristen für die Justiz zu gewinnen, ist auch in Bremen die relativ schlechte Besoldung, auch dies hörten wir heute schon. Das gilt sowohl im Vergleich mit den Justizverwaltungen anderer Bundesländer als auch der freien Wirtschaft.

In Bayern zum Beispiel verdienen angehende Staatsanwälte im Monat 350 Euro mehr als in Bremen. Noch größer sind die Unterschiede mit Blick auf größere Anwaltskanzleien, die deutlich höhere Gehälter bezahlen als der Staat. Trotz der bekanntermaßen angespannten Haushaltslage des Landes Bremen und der daraus resultierenden Sparzwänge ist es unerlässlich, die Besoldung von angehenden Richtern und Staatsanwälten auf das höhere Niveau anderer Bundesländer anzuheben. Deswegen ist es unverständlich, sich erst 2020 mit

diesem Problem zu beschäftigen, wie wir gerade hörten. Andernfalls werden die Nachwuchsprobleme der Bremer Justiz nicht zu lösen sein, sondern im Gegenteil weiter eskalieren. Darüber hinaus muss die Stellenzahl in der Bremer Justiz auch wieder deutlich ausgeweitet werden. Das gilt gleichermaßen für Richter, Staatsanwälte und Servicemitarbeiter.

Die heutigen Personalzielzahlen sind zu niedrig angesetzt und werden dem zunehmenden Arbeitsanfall nicht mehr gerecht. Die Mehrbelastung ist nicht nur auf steigende Fallzahlen zurückzuführen, sondern auch Folge der wachsenden Komplexität und des Umfangs von Verfahren, etwa im Bereich der Wirtschaftskriminalität. Auch die starke Zuwanderung, insbesondere von Flüchtlingen, und die damit verbundenen Belastungen für die Justiz sind von den Verantwortlichen erheblich unterschätzt worden. Den gewandelten Anforderungen muss endlich auch in Bremen durch eine realistische Personalplanung Rechnung getragen werden. Darüber hinaus sind die Möglichkeiten der Digitalisierung in der Justizverwaltung konsequent auszuschöpfen, um die Arbeit von Staatsanwälten und Richtern wirksam zu unterstützen und diese endlich von administrativen Aufgaben zu entlasten.

Um den personellen Aderlass als Folge der anstehenden Pensionierungswelle abzumildern und Erfahrungswissen möglichst lange zu halten, müssen geeignete Anreize geschaffen werden, damit Richter und Staatsanwälte eventuell ihren Dienst über die Regelaltersgrenze hinaus freiwillig fortsetzen können. So könnte zum Beispiel ein besoldungsrechtlicher Zuschlag für Pensionsberechtigte eingeführt werden. Ferner ist die Möglichkeit zu prüfen, bereits im Ruhestand befindliche Richter und Staatsanwälte auf freiwilliger Basis zeitweise zu reaktivieren. Einen mittelfristigen Beitrag zur Bewältigung der Personalprobleme in der Bremer Justiz könnte auch das Wissenschaftsressort leisten. Durch die Erweiterung der Ausbildungskapazitäten an der juristischen Fakultät der Universität Bremen könnte die Zahl der Absolventen gesteigert werden.

Durch eine gezielte Ansprache schon auf dem Campus muss versucht werden, möglichst viele der angehenden Juristen für den Staatsdienst in der Bremer Justiz zu gewinnen, was, wie bereits gesagt, nur gelingen kann, wenn die Einstiegsbesoldung auf ein konkurrenzfähiges Niveau angehoben wird. Was wir jetzt brauchen, ist ein umfassendes langfristig orientiertes Personalkonzept für die

Bremer Justiz. Ziel muss es sein, die Arbeitsbelastung von Staatsanwaltschaft und Gerichten nachhaltig auf ein erträgliches Niveau zu senken. Nur so kann die Qualität der Rechtsprechung in Bremen auf hohem Niveau sichergestellt und ein effektiver Rechtsschutz für die Bürger gewährleistet werden. Die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaates ist von der Fähigkeit der Justiz abhängig, das geltende Recht zeitnah durchzusetzen und Gesetzesbrecher ihrer angemessenen Bestrafung zuzuführen.

Diese Fähigkeit hat die Bremer Justiz infolge der Sparorgien des Senats in den vergangenen Jahren zunehmend eingebüßt. Jetzt ist eine Kehrtwende erforderlich, damit die Rechtspflege und die innere Sicherheit in Bremen nicht noch weiter unter die Räder geraten. Ob die amtierende rot-grüne Landesregierung und vor allem voran der längst rücktrittsreife Senator für Justiz und Verfassung dazu noch die politische Kraft aufbringen werden, ist allerdings fraglich. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall BIW)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren hier heute die Situation der Justiz im Land Bremen. Vorab, eigentlich hätten wir diese Aktuelle Stunde nicht gebraucht. Der Bremische Richterbund hat letzte Woche seine Umfrage veröffentlicht und eine ziemlich gut besuchte Veranstaltung dazu durchgeführt, auf der wir auch alle waren. Die Fakten sind bekannt, und statt Aktueller Stunden müsste man eigentlich eher einmal Handlungen vollziehen.

(Beifall DIE LINKE – Zwischenruf CDU)

Auch durch das Gutachten des ehemaligen Präsidenten des Landgerichts Osnabrück, Herrn Antonius Fahnemann, sind die Erkenntnisse eigentlich schon lange vorhanden. Für die Bremer Gerichte galt jahrelang die PEP-Quote, die Personaleinsparungen vorsah, und laut dem Gutachten von Herrn Fahnemann ist allein für das Landgericht seit 2013 eine negative Entwicklung eingetreten. Das ergibt sich aus den Zahlen der Eingänge, der Erledigungen und der Bestände. Seit 2013 wurden dadurch weniger Verfahren beendet als eingingen. Dadurch haben sich die Bestände entsprechend erhöht. Es wurden zwar seit 2016 fünf zusätzliche

Richterinnen und Richter eingestellt, aber seit 2016 stieg die Anzahl der eingehenden Verfahren exorbitant an. Das ist übrigens auch kein Wunder, denn wir haben eine rasant wachsende Bevölkerung. In allen Bereichen des öffentlichen Lebens hätte dementsprechend auch das Personal angepasst werden müssen. Das haben wir gerade in der Aktuellen Stunde auch schon gesehen.

Dies ist aber weitgehend außer im Kita- und im Schulbereich unterblieben. Das ist eines der Kernprobleme. Durch diese steigenden Eingangszahlen und aufgrund der seit 2013 angespannten Situation der Altfälle spitzt sich die Situation der Bremer Justiz stetig zu, und die Folge ist die vorhin beschriebene Belastungssituation der Beschäftigten der Justiz und, das ist hier noch gar nicht gesagt worden, eine total lange Verfahrensdauer. Die, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist für die Betroffenen oft unerträglich.

(Beifall DIE LINKE)

Ich finde es ehrlich gesagt nicht hinnehmbar, wenn Beschäftigte in der Bremer Justiz regelhaft bis zu über fünfzig Stunden arbeiten. Es ist aber auch nicht hinnehmbar, dass Richterinnen und Richter, aber auch Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sagen, dass sie unter diesen Bedingungen ihren eigenen Qualitätsansprüchen nicht mehr gerecht werden können. Ich finde das nicht nur für die Beschäftigten in der Justiz nicht hinnehmbar und nicht mehr vertretbar, sondern ich finde es auch für diejenigen nicht hinnehmbar, die dazu gezwungen sind, Rechtsstreitigkeiten von Gerichten klären lassen zu müssen, egal ob von der ordentlichen Gerichtsbarkeit oder von der Fachgerichtsbarkeit oder für diejenigen, die durch Straftaten geschädigt worden sind. Wenn die hören, dass die Richterinnen und Richter und die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte so überlastet sind, dass sie Zweifel an ihrem eigenen Qualitätsanspruch haben, den sie sonst haben, dann ist das ein erschreckender Befund für diejenigen, die auf Gerichte angewiesen sind.

(Beifall DIE LINKE)

Im Jahr 2017 gab es einen Rekord an Eingängen, einen Höchststand an unerledigten Verfahren, es wurden zusätzliche Richterinnen und Richter eingestellt, aber die Situation entspannte sich nicht. Das daraufhin in Auftrag gegebene Gutachten von Herrn Fahnemann kommt zu dem Schluss, dass zwei neue Kammern am Landgericht, eine Wirtschaftskammer und eine Strafkammer, eingerichtet

werden müssen. Die Beschlüsse gibt es, und jetzt kommen wir zu einem Punkt, der dann auch noch Folgen zeigt. Es wird kein Personal gefunden. Das ist nicht nur bei der Justiz so, Bremen hinkt nämlich bei den Arbeitsbedingungen und bei der Besoldung im Vergleich zu den anderen Bundesländern ziemlich hinterher. Seit der Föderalismusreform 2006 ist in der Bundesrepublik ein wahrer Föderalismuswettbewerb eingetreten, und Bremen hinkt deswegen hinterher, weil seit 2006 Tarifabschlüsse des TV-L nie inhaltsgleich und zeitgleich übernommen worden sind, sondern immer mit Verzögerungen und Abschlägen. Das führt dazu, dass wir inzwischen ein wahres Süd-Nord-Gefälle haben. Die Beamten und Beamtinnen im Süden der Republik verdienen deutlich mehr als die in Bremen.

Wenn wir uns einmal erinnern, 2013 hatte die Fraktion der LINKEN den Antrag gestellt, dass die Tarifabschlüsse zeit- und inhaltsgleich übernommen werden sollten. Das war die große Debatte um die sogenannte Nullrunde für die höheren Besoldungen. Ich kann mich an diese Debatte hier sehr gut erinnern, und zwar nicht nur, weil das Haus hier voll war und weil es draußen massive Proteste gab, sondern auch deswegen, weil die Finanzsenatorin damals von einem Kindergarten sprach und die verbeamteten Beschäftigten im Land Bremen mit ihren Aussagen ziemlich düpiert hat. Ich kann mich auch deswegen daran erinnern, weil ich als Fraktionsvorsitzende der Partei DIE LINKE natürlich gefragt worden bin, auch von eigenen Mitgliedern, die Hartz IV beziehen, warum wir uns denn mit einem Antrag für Beschäftigte im Land Bremen stark machen, die an der oberen Einkommensgrenze sind. Meine Antwort damals wie heute war relativ einfach. Es ist zwar so, dass ich das emotional nachvollziehen kann, dass eine Bäckereifachverkäuferin mir diese Frage stellt, aber wir haben in Bremen Schwierigkeiten, wenn wir nicht ausreichend besolden, und das gilt natürlich genauso für die höheren Besoldungen wie für die unteren. Wir können es uns einfach nicht leisten, dass wir Arbeitsbedingungen haben, bei denen durch Personalmangel die Situation so ist, dass die Beschäftigten überlastet sind und sie dann auch noch deutlich weniger Besoldung bekommen, also weniger verdienen als in anderen Bundesländern. Das führt nämlich dazu, dass wir zwar Beschlüsse haben für diese beiden Kammern, zwölf Richterinnen und Richter zusätzlich, aber das Personal nicht finden. Das Gleiche gilt für die Staatsanwaltschaft.