Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei einem so wichtigen Thema wie dem Extremismus finde ich es schade, wenn wir es nicht schaffen, aus unserer eigenen politischen Ecke herauszukommen. Es ist natürlich klar, dass diejenigen, die auf der rechten Seite des Parlamentes sitzen, eher den Linksextremismus, und diejenigen, die auf der linken Seite des Parlamentes sitzen, eher den Rechtsextremismus als Problem sehen. Und wir alle gemeinsam sehen den Islamismus als Problem.
Aber weder rechte Positionen sind ein Problem noch sind linke Positionen ein Problem, noch ist das Bekenntnis zum Islam das Problem. Der Extremismus selbst ist das Problem.
Die Frage ist, warum wir in unserer Gesellschaft gerade in dieser Zeit immer stärker die Tendenz haben, extremistisch zu denken und zu agieren. Ich will das auf eine persönliche Ebene runterbrechen. Vielleicht hat Ihnen die Beobachtung, schlimmstenfalls die eigene Erfahrung, schon gezeigt, wie eine Auseinandersetzung in einer Meinungsverschiedenheit eskalieren kann. Man ist unterschiedlicher Meinung, man tauscht vermeintlich vernünftige Argumente aus, und man kann den Gegner in der Auseinandersetzung nicht überzeugen. Dann kann es passieren, dass die Situation eskaliert. Man wird dann harscher, vereinfacht, polarisiert, beleidigt vielleicht jemanden. Man macht globalisierte Vorwürfe, stellt jemanden in die Ecke. Und irgendwann, wenn man nicht weiterkommt, wird man sogar laut. Man schreit sich vielleicht an. Das kann so weit gehen, dass man Gewalt – auch körperliche Gewalt – anwendet. Man findet das in Ehen, man findet das im Freundeskreis. Es kann sogar sein, dass das in Gruppen eskaliert. Wir haben das gerade am Bahnhof wieder gesehen, da stehen sich Leute mit Kanthölzern gegenüber und sagen, wir tragen das jetzt aus.
Auf staatlicher Ebene ist das in der Vergangenheit auf dem Schlachtfeld in Form von Kriegen ausgetragen worden. Diese Eskalation von Meinungsverschiedenheiten haben wir in unserem System, in der Demokratie, dadurch in den Griff bekommen, dass wir einen Modus Operandi gefunden haben, mit unseren Meinungsverschiedenheiten konstruktiv umgehen, über diese Meinungsverschiedenheiten diskutieren und dem Inhaber der anderen Meinung zuhören, versuchen, ihn zu überzeugen. Aber wenn wir ihn nicht überzeugen können, dann handeln wir das aus. Nicht alle Entscheidungen, die wir treffen, sind Entscheidungen, die wir selber für richtig halten. Wir akzeptieren die Entscheidung, die eine Mehrheit trifft, weil sie das Zusammenleben vernünftig macht und weil diese Spielregeln für alle am besten funktionieren.
Wenn wir nach Außen gucken, stellen wir fest, es funktioniert nicht, oder es funktioniert nicht bei allen. Viele Leute radikalisieren sich. Sie vereinfachen ihre Botschaft, sie radikalisieren sich in der Wahrnehmung ihrer Botschaft bis hin zu dem Punkt, dass sie undemokratische, gewalttätige, extremistische Aktionen für notwendig halten, um sich durchzusetzen.
Es ist ganz einfach, immer nach außen zu gucken und zu sagen, die da draußen sind ein Problem. Wir haben das Problem auch hier. Wir haben das Prob
lem bei uns direkt. Herr Timke hat das eben angesprochen. Es ist natürlich so, dass Politiker, Repräsentanten von Parteien, offen vom Verfassungsschutz beobachtete, vermeintliche oder tatsächlich extremistische Organisationen unterstützen. Wir haben gehört von den Unterstützern der Roten Hilfe, übrigens eine Gruppierung, die der Meinung ist, dass die Rote Armee Fraktion ein sinnvolles und wichtiges Projekt war. Wir haben gerade wieder aktuell einen Fall eines Politikers, der in seinem Wahlkreisbüro ein Mitglied der Identitären Bewegung beschäftigt, eine Gruppierung, die mehr oder weniger offen rassistisch agiert.
Wer gehen wir mit so etwas um? Ich finde es richtig, solche Dinge transparent zu machen, unsere Kollegen zu stellen, unsere Kollegen darauf anzusprechen und auch dem Wähler deutlich zu machen, wen er da wählt. Aber auch hier gilt: Wir müssen selbst die Grundsätze der Demokratie wahren und den politischen Gegnern die gleichen demokratischen Rechte zubilligen, die wir selbst für uns in Anspruch nehmen. Demokratie ist nicht nur für Meinungsfreunde gedacht, sondern auch für den politischen Gegner.
Wenn dann in dem Falle des Politikers, der diesen Angehörigen der Identitären Bewegung in seinem Wahlkreisbüro anstellen möchte, dazu führt, dass demokratisch gewählte Politiker hingehen und eine Demonstration maßgeblich mitbestreiten, die diesen Abgeordneten daran hindern wollen, überhaupt ein Wahlkreisbüro zu eröffnen, und sagen, wir wollen von euch kein Wahlkreisbüro in unserer Stadt, in unserem Stadtteil, dann ist diese Verhalten zutiefst undemokratisch. Es ist der erste Schritt auf dem Weg in Richtung Extremismus. Dieses Verhalten ist eines Parlamentariers unwürdig. Insbesondere ist dieses Verhalten einer Senatorin unwürdig. Schade, dass Frau Stahmann jetzt gerade nicht da ist.
Wir müssen nicht nur Linksextremismus erforschen, Rechtsextremismus oder Islamismus. Wir müssen Extremismus insgesamt erforschen. Wir müssen Erkenntnisse darüber gewinnen, was Leute dazu bringt, den Pfad der konstruktiven Auseinandersetzung zu verlassen. Wir müssen uns selber, uns Parlamentariern, einen Verhaltenskodex geben, der uns immer wieder daran erinnert und dazu verpflichtet, selbst die demokratischen Grundregeln uneingeschränkt anzuwenden, auch
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatten zum politischen Extremismus sind ja immer dazu geeignet – es gab hier eben schon ein schönes Beispiel im Verlauf der Debatte –, der jeweils anderen Seite vorzuwerfen, sie würde verharmlosen.
Ich habe da insgesamt eine sehr klare Haltung, denn Basis von allem, was erlaubt ist, und aller unserer Zusammenarbeit und unseres Gemeinwesens ist unser Grundgesetz, meine Damen und Herren. Das bedeutet auch, dass Gewalt kein legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung ist und auch nicht sein darf,
Der Staat ist aufgefordert, allen Verfassungsfeinden entschieden entgegenzutreten. Sowohl Rechts- als auch Linksextremisten sind Gegner des demokratischen Verfassungsstaates und das ist ihnen auch gemeinsam.
Darüber hinaus lehnen Rechtsextremisten aber auch die im Grundgesetz konkretisierte fundamentale Gleichheit der Menschen und die universelle Geltung der Menschenrechte ab.
Das rechtsextremistische Weltbild ist geprägt von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, und wer auf diese Unterschiede hinweist, der verharmlost eben den Linksextremismus nicht. Wenn überhaupt, dann gilt das Gegenteil, und wer diese Unterschiede verleugnet und ihre Bedeutung kleinredet, der läuft Gefahr, Rechtsextremismus zu verharmlosen.
Die CDU behauptet, es gebe in Deutschland sehr wenige Forschungsarbeiten zum Thema Linksextremismus. Ich frage mich ein bisschen, wie Sie darauf kommen, denn tatsächlich gibt es unzählige
Studien und Untersuchungen zu diesem Themenfeld. Nur selten steht „Linksextremismus“ darauf, wenn Sie googeln. Das liegt vor allem daran, dass dieser Begriff von vielen Fachleuten abgelehnt wird. Der Begriff wird abgelehnt, weil er eine Gleichartigkeit mit dem Rechtsextremismus suggeriert, die so nicht besteht. Wenn Sie aber nach Studien im Zusammenhang mit Revolution, Kommunismus, Bewegungs- oder Anarchismusforschung suchen würden, dann werden Sie fündig, und zwar ziemlich umfangreich.
Gerade zu linker Militanz gibt es aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen, zum Beispiel im Nachgang zu den Blockupy-Krawallen im Jahr 2015 in Frankfurt. Das Deutsche Jugendinstitut forscht sehr ausführlich zu diesem Thema, gefördert von der Bundesregierung, und es ist doch klar, dass auch der G-20-Gipfel im vergangenen Jahr in Hamburg ein intensiver Forschungsgegenstand von deutschen und internationalen Wissenschaftlern ist und auch sein wird.
Deshalb sehen wir schlicht keinen dringenden Bedarf an weiteren Forschungsarbeiten in der Art, wie sie im CDU-Antrag gefordert werden.
Die Grünen halten die Strategie des Senats in der Auseinandersetzung mit Linksextremismus für sinnvoll und zielführend: entschlossenes Einschreiten gegen Straftaten, wachsame Analysen durch den Verfassungsschutz, Stärkung der politischen Bildung, Vermittlung demokratischer Werte. Gerade der am Montag vorgestellte Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2017 zeigt übrigens, dass die Erzählungen der CDU, der Senat wäre auf dem linken Auge blind, jeder realistischen Grundlage entbehren. Über Linksextremismus im Land Bremen wird dort wesentlich umfangreicher berichtet als über Rechtsextremismus, Frau Kollegin Vogt hat darauf hingewiesen, und wenn ich dann hier in der Debatte höre, die Intensität der Auseinandersetzung ist eine andere: Meine Damen und Herren, glauben Sie ernsthaft, die Texte und die Erkenntnisse im Verfassungsschutzbericht kämen allein durch das Googeln bestimmter Suchbegriffe zusammen? Nein! Dahinter steckt eine ganze Menge Arbeit, und es ist richtig, dass der Senat da auch tätig ist.
Frau Kollegin Schnittker, dass wir uns nicht gegen den Linksextremismus bekennen. Ich glaube, ich habe beim letzten Mal, als Sie uns das vorgeworfen haben, hier vorn gestanden und Ihnen die entsprechenden Zitate aus dem „Weser Kurier“ vorgelesen. Darauf verzichte ich jetzt, weil sie da immer noch zu finden sind. Auch in der Auseinandersetzung gerade um den G-20-Gipfel haben wir hier doch eine sehr deutliche Ansage gemacht, dass wir Gewalt als Mittel demokratischer Auseinandersetzungen nicht respektieren. Sowohl Sozialdemokraten als auch Grüne haben da eine sehr klare Haltung.
Dann habe ich mit Interesse verfolgt, welche Bundespolitiker nach dem Jahr 2000 in welchen Organisationen wie unterstützend tätig waren. Bremer Bezüge habe ich ehrlicherweise eben nicht gehört, aber es mag auch sein, dass ich nicht gut zugehört habe. Aber wissen Sie, jetzt würde ich gern einmal fragen: Als wir über Rechtsextremismus diskutiert haben, kam da eigentlich von Ihnen, Herrn Timke, ein Hinweis auf das Agieren der Jungen Alternative? Wenn Sie so weitermachen, schlagen Sie diese demnächst auch noch für den Friedensnobelpreis vor, so, wie ich es hier höre, obwohl sie mit Identitären und anderen Rechtsextremen zusammenarbeiten. Das, meine Damen und Herren, muss auch klar benannt werden.
Jawohl, Sozialsenatorin Anja Stahmann hat an einer Demonstration gegen ein Büro der Alternative für Deutschland in Walle teilgenommen, weil der Bundestagsabgeordnete der AfD dort ein Büro eröffnen wollte.
Sie können sicher sein, wir Grünen werden auch weiterhin dort dabei sein, wo die AfD öffentlich auftritt. Wir werden diesen Verfassungsfeinden keinen Platz in unserer Stadt geben, und zwar mit friedlichen Mitteln.
Das ist nicht unwürdig, Herr Schäfer, das ist unser Grundgesetz! Das garantiert uns zum einen so etwas wie Meinungsfreiheit und zum anderen die Versammlungsfreiheit.
(Unruhe – Glocke – Abgeordnete Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Man muss es nicht gut finden, Herr Schäfer!)
Abschließend: Diese Auseinandersetzung zeigt deutlich, antifaschistisches Engagement ist nötig, es ist aber friedlich nötig – das muss man all denjenigen sagen, die sich daran beteiligen –, weil wir ansonsten diese gute Sache diskreditieren. Deswegen sollten wir all diejenigen unterstützen, die sich friedlich und gewaltfrei gegen den Rechtsextremismus wehren. – Vielen Dank!