Wer der Unterbrechung der ersten Lesung und der Überweisung des Gesetzes an den Rechtsausschuss, federführend, und an die staatliche Deputation für Bau, Umwelt und Verkehr zustimmen möchte, den bitte ich nun um das Handzeichen!
Wer das Bremische Wohnraumschutzgesetz, Drucksache 19/1646, in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich nun ebenfalls um das Handzeichen!
Der Opfer und Angehörigen der Geiselnahme von Gladbeck angemessen gedenken Antrag (Entschließung) der Fraktionen der CDU, der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE vom 23. Mai 2018 (Drucksache 19/1673)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten Tagen habe ich häufig darüber nachgedacht, was man eigentlich in fünf Minuten zu diesem Thema sagen will. Ich habe mich gefragt: Warum debattieren wir erst jetzt über einen solchen Antrag? Warum hat man als Abgeordneter nicht im Jahr 1998, vielleicht zum zehnjährigen Erinnern an diese schrecklichen Vorkommnisse im August 1988, einen solchen Antrag gestellt, warum nicht allerspätestens 20 Jahre später? Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bilder von damals haben sich, glaube ich, bei uns allen eingebrannt, zumindest bei denen, die zu den 13 Millionen Menschen gehörten, die auch direkt das, was in Huckelriede passierte, im TV verfolgen konnten. Offensichtlich haben wir die Opfer, die Hinterbliebenen und die Angehörigen vergessen.
Dieser Antrag, den wir heute gemeinsam vorgelegt haben – und dafür bin ich sehr dankbar, dass wir das mit vier Fraktionen gemeinsam auf den Weg bekommen haben –, kommt spät, sehr spät, und ich hoffe, nicht zu spät. Ich möchte an dieser Stelle auch damit beginnen, dass wir als Parlament wegen des Fehlverhaltens, das es bei staatlichen Behörden gab, das es bei der Nachsorge, gerade bei der Opferbetreuung gab, im Namen der Bremischen Bürgerschaft bei allen Betroffenen – bei den Opfern, den Hinterbliebenen, den Verwandten, den Freunden, den Bekannten – um Entschuldigung bitten.
Was am 16. August 1988 in Gladbeck begann und damals auch schon medial begleitet wurde, entwickelte sich spätestens am 17. August 1988 und allerspätestens um 19.00 Uhr in Huckelriede zu einem kompletten Desaster: In einem Bus wurden 32 Menschen als Geiseln genommen. Ich glaube, keiner von uns kann sich vorstellen, was diese Geiseln in den kommenden 14 Stunden, die sie in dem Bus waren, aushalten mussten, und spätestens nach der kaltblütigen Ermordung des 14-jährigen Emanuele de Giorgi auf der Raststätte Grundbergsee müssen die Leiden der anderen Geiseln fürchterlich gewesen sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, umso erschreckender ist es, dass es offensichtlich tatsächlich Geiseln gab, die den Bus danach verlassen haben und die von Bremen – von der BSAG, von wem auch immer, der damals verantwortlich war – danach nie wieder etwas gehört haben. Das ist, glaube ich, vielleicht die Spitze eines Eisbergs, wo wir in Deutschland noch vieles zu verbessern haben.
Wir sprechen bei Attentaten, bei Geiselnahmen häufig über die Täter, aber viel zu wenig über die Opfer, über die Betroffenen oder die Verwandten. Ich glaube, auch 30 Jahre später muss man feststellen, dass wir dort noch einiges zu verbessern haben.
Deshalb bin ich froh, dass wir uns in den fünf Punkten auch darauf verständigt haben, dass wir die Vorschläge, die jetzt auch nach den schrecklichen Anschlägen in Berlin auf dem Breitscheidplatz entwickelt worden sind, schleunigst auch in Bremen als Maßnahmen – als Rat und als Leitlinie, Leitfaden für die Zukunft – umsetzen wollen.
Ich hoffe, dass sich so etwas in Bremen nie wiederholen wird. Wir haben damals aus den Fehlern gelernt, es wurden auch politisch Verantwortlichkeiten übernommen, aber ich glaube, wir müssen auch 30 Jahre später erkennen, dass wir aus der Verantwortung, die wir aus der damaligen Zeit haben, nicht zurücktreten können und auch nicht wollen. Insofern hoffe ich, dass wir diesen Antrag heute im Parlament möglichst einstimmig beschließen werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Geiselnahme von Gladbeck steht in der bundesdeutschen Geschichte für das Versagen der Sicherheitsbehörden und eine Entgleisung der Medien. Sie steht aber auch für unfassbares Leid, das den Opfern und ihren Angehörigen widerfuhr. Der Staat kam seiner Aufgabe nicht nach, seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen, er hat versagt.
30 Jahre nach diesen schrecklichen Ereignissen legen nun heute die Fraktionen der CDU, der SPD, der Grünen und der LINKEN einen gemeinsamen Antrag vor, eine politische Kombination – lassen Sie mich das sehr deutlich sagen –, die deutlich macht, dass es sich eben nicht um einen normalen Vorgang handelt, sondern um einen Vorfall, der sich tief in die Geschichte unseres Bundeslandes eingebrannt hat. Es ist ein Vorfall, der sich nicht für das politische Klein-Klein eignet, in welchem wir uns hier durchaus auch einmal verlieren, sondern ein Vorfall, der ein klares und deutliches Signal dieses Parlaments verlangt, meine Damen und Herren.
Wir gedenken der Opfer dieses 54-stündigen Martyriums und kennen dabei sehr wohl die Verantwortung unseres Landes. Ebenso hilflos, wie das Agieren bremischer Behörden während der Geiselnahme war, genauso hilflos erscheint heute auch der damalige Umgang mit den Opfern und deren Angehörigen; ein Vorwurf, der sich übrigens bis heute durch die bundespolitische Landschaft zieht, wenn es um den Umgang mit Menschen nach Attentaten oder Geiselnahmen geht, zuletzt beim Attentat auf dem Breitscheidplatz.
Die aktuell erarbeiteten Lösungen und Vorgehensweisen sollen auch in Bremen, wenn nicht schon erfolgt, umgesetzt werden. Der Kollege Eckhoff hat darauf hingewiesen, dass die Fixierung auf die Täter bei eben diesen Ereignissen sehr stark ist, wir aber immer wieder vergessen, dass es auch Menschen gibt, denen unfassbares Leid zugefügt wurde, die Opfer waren und Hilfe suchen. Das muss gar nicht in einem großen finanziellen Ausmaß sein, sondern es geht darum, Ansprechpersonen zu haben und Fragen beantwortet zu bekommen, und auch da, meine Damen und Herren, gibt es bei uns sehr viel Nachholbedarf.
Wenn Sie den Bericht und die Berichterstattung von Kurt Beck und seine Ergebnisse und Erlebnisse rund um das Attentat auf dem Breitscheidplatz lesen, dann stellen Sie auch fest, wie erschüttert er selbst als derjenige war, der mit den Opfern direkt Kontakt gesucht hat, der auf Menschen getroffen ist, die versucht haben, ihr Leid zu teilen und Antworten auf ihre Fragen zu bekommen. Auch heute ist Deutschland da leider noch nicht so weit, wie es sein sollte.
Das Gladbecker Geiseldrama ist Bestandteil der Geschichte Bremens. Das wird es auch immer bleiben, und dies durch einen entsprechenden Gedenkort zu dokumentieren und an die Opfer zu erinnern, ist aus unserer Sicht richtig. Dies mit den Angehörigen und den Opfern abzustimmen und auch den Beirat Neustadt einzubinden, sollte selbstverständlich sein.
Wir werden damit das unfassbare Leid nicht wieder gutmachen können, und wir werden niemanden in die Lage versetzen können, die Erinnerung an geliebte Menschen zu vergessen. Wenn man sich anschaut, welche Dramatik es damals war, dass man am Fernseher live verfolgen konnte, wie eigene Angehörige mit einer Waffe am Kopf bedroht wurden und wenn man mitbekommen hat, dass der Staat hilflos danebenstand und das Ganze auch noch von einer aufgebrachten Meute von Journalisten begleitet wurde, dann weiß man, dass wir alle die Verpflichtung haben, dass dies nie wieder passieren darf.
Lassen Sie mich sagen, eine Frage in der Diskussion ist berechtigt: Warum erst jetzt? Hätte man in Bremen nicht spätestens nach der politischen Aufarbeitung durch den damaligen Untersuchungsausschuss handeln müssen? Die Antwort hierzu ist aus meiner Sicht ein schlichtes Ja. Das soll uns aber heute nicht davon abhalten, Farbe zu bekennen und die Fehler der Vergangenheit zu benennen und zu verändern. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich damit beginnen, Herr Eckhoff, ich danke Ihnen, dass Sie diesen Antrag initiiert haben und eingebracht haben. Ich danke Ihnen deshalb, weil er eine Lücke
schließt. Sie sagen, Sie haben sich gefragt, warum wir nichts gemacht haben. Ich habe mich das, als Sie die Idee vorbrachten, eigentlich auch gefragt. Es hat mich zurückgeführt in meine Zivildienstzeit, in der ich mit einer gewissen Fassungslosigkeit auf der Rettungswache am Lehesterdeich gesessen habe. Parallel habe ich Polizeifunk und den Funk der Feuerwehr gehört und, sozusagen jenseits der Fernsehbilder, bin ich live informiert worden. Mit einer Fassungslosigkeit habe ich dieses Drama, das sich aufbaute und abspielte miterlebt. Ich habe mich sehr dahin zurückversetzt gefühlt.
Ich glaube, es ist richtig, diesen Antrag jetzt zu stellen, und die Frage, warum man es nicht gemacht früher hat, vielleicht einfach stehen zu lassen. Es gibt wahrscheinlich keine Antwort darauf, denn alle haben in der Zeit mit Ausnahme der LINKEN irgendwann einmal regiert, alle haben im Parlament gesessen. Es ist gut, dass Sie jetzt die Initiative ergriffen haben.
Es ist viel dazu gesagt worden. Ich möchte nach vorn gerichtet noch einmal eine Sache in den Fokus stellen. Ja, es hat einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss gegeben, der zu einer grundsätzlichen Neustrukturierung der Polizeiarbeit bei Großschadensereignissen geführt hat. Ja, es hat eine Überarbeitung des Pressekodex gegeben. Das hat dazu geführt, dass zumindest die seriösen Medien gesagt haben: Wir werden uns an der Inszenierung solcher Dinge nicht wieder beteiligen. Ja, es hat Versuche des Senats gegeben, relativ hilflos, mit den Opfern umzugehen.
Wenn man dann über dieses Bemühen der damaligen Sozialsenatorin liest, die Opfer zu einem adventlichen Kaffeetrinken einzuladen, dann steht man jetzt mit der retrograden Besserwisserei davor und sagt: Wie unsensibel ist das! Ich glaube aber, dass das der ernst gemeinte Versuch war, zumindest irgendetwas zu tun. Ich glaube, der Breitscheidplatz und der Bericht von Kurt Beck sagen, dass diese dreißig Jahre in Bremen, nicht nur in Bremen, an der entscheidenden Stelle keinen Fortschritt gebracht haben.
Der entscheidende Fortschritt ist, dass nach einer akuten Einsatzlage Menschen, die Opfer geworden sind, einen zentralen Ansprechpartner haben müssen für all die Fragestellungen und wir eben nicht sagen müssen: Suchen Sie sich einen Anwalt oder wir haben das Formblatt 2703, da bekommen Sie eine Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz, ja, wir haben einen total tollen sozialpsychiatrischen Notdienst und ja, wir haben auch
einen Härtefonds, aus dem bezahlt werden kann. Sondern dass es in Zukunft in Bremen so ist – die Bundesregierung hat ja so etwas schon eingerichtet – dass wir einen zentralen Opferbeauftragten haben, der in der Hierarchie auch oben angesiedelt ist, bei dem sich Opfer und ihre Angehörigen melden können und einfach sagen können: Ich weiß nicht mehr weiter, ich will mich auch nicht nur juristisch informieren. Ich will, dass der Staat, der mich nicht schützen konnte, mir zumindest hilft.
Ich glaube, das ist die Sache, und dann werden wir alle die Versäumnisse, die wir vielleicht dadurch, dass wir es nicht thematisiert haben, begangen haben, ein Stück weit aufarbeiten können, dass wir all unsere Konzentration jetzt darauf richten, dass es diesen Opferbeauftragten in Zukunft geben wird, damit es in Bremen – sollte ein solches Ereignis noch einmal vorkommen –nicht wieder so ist, dass Leute zu einem adventlichen Kaffeetrinken eingeladen werden, sondern dass ihnen wirklich geholfen wird. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Eckhoff! Ich habe mich eben gefragt: Warum gehen wir eigentlich nach Ihrem Redebeitrag noch einmal hinein. Sie haben eigentlich für das Parlament und für uns alle sehr, sehr gut gesprochen. Ich möchte mich auch ganz herzlich bei Ihnen für die Initiative bedanken. Ich finde, das zeigt übrigens auch, dass wir hier in Bremen an sachorientierten Lösungen auch parteiübergreifend arbeiten können, und ich finde, da können sich andere Landesparlamente ruhig einmal eine Scheibe abschneiden.