Protocol of the Session on October 14, 2015

Nein, auch das Abendland, liebe Anhänger von Pegida, AfD und sonstigen rechten Splittergruppen, wird nicht untergehen. Jedes Mal, wenn wir diese Debatte führen, ist wieder ein Land dazugekommen, das die Ehe für homosexuelle Paare geöffnet hat. Jedes Mal! Die Iren haben wir gefeiert. Die Mexikaner haben wir schon gar nicht mehr wahrgenommen.

Und: Haben Sie in den vergangenen 14 Jahren bei unseren niederländischen Nachbarn etwas festgestellt?

(Zuruf CDU: Ja!)

Ja, Sie haben sich nicht qualifiziert, das stimmt. Ich wusste, was an der Stelle kommen würde.

(Heiterkeit, Beifall)

Haben Sie in den vergangenen zwölf Jahren bei den Belgiern etwas festgestellt?

(Zuruf FDP: Die haben sich qualifiziert!)

Ist bei den Spaniern in den vergangenen zehn Jahren etwas Schlimmes passiert? Nein! In diesen Ländern hat man homosexuellen Paaren gezeigt, dass sie integraler Bestandteil der Gesellschaft sind und auch heiraten dürfen. Das sind Länder, die ein klares Bekenntnis ausgesandt haben. Dieses Bekenntnis wünschen wir uns auch von der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Lassen Sie mich noch zur Gretchenfrage kommen: „Nun sag‘, wie hast du’s mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann. Allein, ich glaub‘, du hältst nicht viel davon.“ Die Frage galt eigentlich Goethes Faust. Die Religion wird aber natürlich auch immer als Punkt in diesen Debatten benannt. Ich bin mir nicht sicher, wer sich in dieser Frage am Ende eher bewegen wird, der Heilige Stuhl oder das Kanzleramt. Sicher bin ich mir jedoch, dass ich auch als Christ hier und heute nicht gegen meinen Glauben handele. Ich will an dieser Stelle darauf verzichten, mit Ihnen in einen Bibelkurs einzusteigen, drohe aber an, dass ich es könnte, wenn Sie mich reizen würden.

(Heiterkeit, Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Meine Damen und Herren, die Zeit ist reif. Ich habe – das will ich an dieser Stelle vorwegnehmen – hohen Respekt vor einer Entscheidung, die eine Fraktion in diesem Hause für die heutige Abstimmung getroffen hat. Das zu erklären überlasse ich natürlich dem Kollegen. Ich möchte jedoch anmerken, dass wir, wenn im Deutschen Bundestag in dieser Frage nicht entlang von Fraktionsgrenzen entschieden würde, sondern die Abgeordneten nach ihrem Gewissen ent

scheiden könnten, an dieser Stelle schon deutlich weiter wären.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Das ist auch das, was mich am Ende hoffnungsfroh stimmt. Es gibt nämlich in allen politischen Lagern – vielleicht mit Ausnahme einer kleinen Gruppe am äußersten rechten Rand unserer Gesellschaft – die Bereitschaft, sich auch in dieser Frage mit der Lebensrealität der Menschen in dieser Republik auseinanderzusetzen. Auch in Deutschland wurden Homosexuelle systematisch verfolgt. Noch in der Nachkriegszeit gehörten Homosexuelle zu den Menschen, die vom Staat auf massive Art und Weise diskriminiert wurden. Wir alle sollten dieser und anderen Formen von Diskriminierung endlich und abschließend eine Absage erteilen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Ich will abschließend etwas in Erinnerung rufen. Im Juli 1990 stellten die Grünen im Bundestag erstmals einen Antrag auf Öffnung der Ehe. Das war vor 25 Jahren. Damals wie heute gab es dafür keine Mehrheit im Hohen Haus. Ich glaube, wir haben genug debattiert. Wir brauchen endlich eine positive Entscheidung. Es ist an der Zeit. Lassen Sie uns gemeinsam als Parlament hier und heute ein deutliches Signal senden! – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie immer bei der Beratung von Anträgen stellt sich für jede Fraktion die Frage, welche Antwort sie auf den Antrag geben soll. Oft fällt uns die Antwort leicht, weil wir entsprechende inhaltliche Überzeugungen haben, die uns – nicht zufälligerweise – in Fraktionen verbinden. Manchmal werden Anträge anderer Fraktionen, wie es in einem geflügelten Wort so schön heißt, „naturgemäß“ abgelehnt, das heißt nur deshalb, weil sie von Fraktionen, die einer anderen politischen Richtung angehören, gestellt werden.

Zu dem vorliegenden Antrag kann ich für die CDUFraktion erklären, dass wir keine einfache Antwort auf die Frage nach unserem Abstimmungsverhalten gefunden haben. Dies hat dazu geführt, dass wir, die CDU-Fraktion, uns heute zu diesem Antrag differenziert verhalten werden. Unsere Fraktion wird den Antrag weder geschlossen unterstützen noch geschlossen ablehnen.

Ich werde den Antrag unterstützen. Auf die Frage, wie ich zu dieser Entscheidung gekommen bin, will ich sagen, dass eine so einfache Antwort, wie Sie, Herr

Fecker, sie gegeben haben, von der Bevölkerung gerade nicht akzeptiert wird. Was sind die Maßstäbe, ob man eine Forderung politisch-inhaltlich unterstützen soll? Was sind die Maßstäbe dafür, ob dieser Antrag unterstützt werden soll?

Die Antragsteller sprechen von „verfassungswidriger Diskriminierung“. Ja, es stimmt, das Bundesverfassungsgericht hat in der jüngeren Rechtsprechung, insbesondere zu der Frage der steuerlichen Gleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften mit der Ehe, den Gleichheitsgrundsatz als verletzt angesehen.

Es stimmt aber auch, dass das Bundesverfassungsgericht, ausgehend von Artikel 6 des Grundgesetzes, in ständiger Rechtsprechung den Begriff der Ehe im Grundgesetz als Verbindung von Frau und Mann verstanden und dies in zahlreichen Entscheidungen zur Begründung einer unterschiedlichen Behandlung von Lebensgemeinschaften, wenn auch nicht beschränkt auf solche von Angehörigen des gleichen Geschlechts, herangezogen hat.

Gibt es also eine eindeutige rechtliche Antwort? Ich glaube, nein. Nicht nur deswegen wird vor dem Bundesverfassungsgericht die Frage, wie es mit dem Adoptionsrecht weitergeht, verhandelt und entschieden werden. Man kann jedenfalls nicht behaupten, dass das, was zurzeit Gesetzeslage in Deutschland ist, rechtlich eindeutig verfassungswidrig sei. Einige Menschen sehen das so und klagen vor dem Bundesverfassungsgericht. Andere Menschen sehen das nicht so und treten diesem Antrag entgegen.

Gibt es eine eindeutige wissenschaftliche Begründung für den Antrag? Es gibt eine Vielzahl von Studien. Eine Studie, die immer wieder ins Feld geführt wird, kommt zu dem Ergebnis, dass es für Kinder am besten sei, wenn sie in einer Familie mit Vater und Mutter aufwachsen und noch Geschwister haben. Das mag so sein.

Ich bin übrigens der festen Überzeugung, dass es für Kinder am besten ist, wenn sie nicht nur von Grundschullehrerinnen, sondern auch von Grundschullehrern unterrichtet werden. Ich bin zudem der Auffassung, dass es für Kinder am besten ist, wenn sie nicht nur von Erzieherinnen, sondern auch von Erziehern ins Leben geführt werden.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Entscheidend ist also nicht die Frage nach dem Geschlecht der Bezugspersonen. Diese stellt sich bei dem Antrag auch gar nicht. Wir fragen vielmehr, ob die sexuelle Orientierung einer Person, unabhängig von deren Geschlecht, ein Maßstab für Ungleichbehandlung in Deutschland sein kann. Deswegen sage ich, ich schließe mich diesen Studien ausdrücklich nicht an. Dabei spielt für mich die Frage, ob sich das Grundgesetz der Gesellschaft oder die Gesellschaft dem Grundgesetz anpassen sollte, keine Rolle.

Drittes Entscheidungskriterium! Ist es Zeitgeist, der in der Debatte eine Rolle spielt? Ich sage für meine Person ganz klar: Nein! Die wenigen Mütter und vielen Väter des Grundgesetzes sind in Bezug auf die Frage, wie sie die Begriffe „Ehe“ und „Familie“ in Artikel 6 des Grundgesetzes verstanden haben, natürlich von dem damals weitverbreiteten Gesellschaftsbild ausgegangen.

Ich weiß nicht, zu welchen Ergebnissen die Beratungen über eine neue Verfassung Deutschlands heute bei der Frage, wie verstehen wir Ehe und Familie, führen würden. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass sich die Gesellschaft in dieser Frage weiterentwickelt hat.

Im Übrigen, Herr Fecker, hat sich auch die Union, unabhängig davon, ob man nun für die endgültige und vollständige Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft mit der Ehe ist oder nicht, weiterentwickelt. Ich bin der festen Überzeugung, dass es sich um eine Familie handelt, wenn Kinder vorhanden sind, und zwar unabhängig davon, wer die Eltern dieser Kinder sind.

Ich persönlich bin der Auffassung, dass eine Ehe vorhanden ist, wenn Partner Verantwortung füreinander übernehmen und sich, auch wenn es manchmal nicht eintritt, wechselseitig versprechen, diese Verantwortung lebenslang zu gewähren. Meiner Auffassung nach kommt es dabei weder auf das Geschlecht noch auf die sexuelle Orientierung dieser Personen an.

(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Ich werde deswegen nicht aus Gründen des Zeitgeistes, nicht weil ich eine gefestigte juristische Überzeugung habe oder weil ich eine weitgehende wissenschaftliche Erkenntnis habe, dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen und den Sozialdemokraten mit einer Reihe weiterer Kolleginnen und Kollegen aus meiner Fraktion zustimmen.

Damit sage ich nicht etwas über die Verfassungswidrigkeit, über meine rechtliche Wertung oder über eine Prognose, wie beispielsweise das Bundesverfassungsgericht bei der Frage der Adoptionen entscheiden wird, aus, aber ich will damit eine Haltung zum Ausdruck bringen.

Meine persönliche Haltung und Überzeugung ist, dass das Recht und das Gesetz nicht unterscheiden dürfen, welche Sexualität eine Person hat, und auch nicht, welche sexuelle Orientierung sie hat. – Vielen Dank!

(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tschöpe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Röwekamp: Respekt!

(Beifall SPD und Bündnis 90/Die Grünen)

Vielleicht hilft es Ihnen oder Mitgliedern Ihrer Fraktion, sich noch einmal über die Forderung der Koalition Gedanken zu machen. Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes stellt die Ehe unter den besonderen Schutz des Staates. Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes legt in keiner Weise den Begriff der Ehe fest. Sie haben gesagt – und das ist völlig richtig –, dass es einen gewissen historischen Spiegel gibt, einen Erfahrungsschatz, als das Grundgesetz geschaffen worden ist, aber abschließend legt das Grundgesetz den Begriff der Ehe nicht fest.

Das BGB enthält eine Definition des Begriffs Ehe. Wir haben in Deutschland seit 1875 die obligatorische Zivilehe, in Bremen im Übrigen seit 1855. Es ist ganz deutlich gemacht worden, dass eben keine Religionsgemeinschaften über den Begriff Ehe entscheiden, sie schließen sie nicht, sie haben sie nicht zu beurteilen, sondern das ist allein die Aufgabe des Staates.

(Beifall SPD und Bündnis 90/Die Grünen)

Nun ist es so, ich weiß, dass es auch in meiner Partei durchaus Mitglieder gibt, die sagen, dass sie sich aufgrund ihres religiösen Bekenntnisses nicht vorstellen könnten, dass Ehen zwischen Männern und Männern sowie zwischen Frauen und Frauen geschlossen werden. Ja, es ist so, dass die gleichgeschlechtliche Ehe in gewissen Religionen ein Tabu ist, nicht toleriert, mehr akzeptiert wird. Es ist ein bunter Strauß vorhanden. Die Anglikaner haben seit mehr als 20 Jahren keine Probleme damit, schwule Paare kirchlich zu trauen. Die nordisch-reformierten Kirchen haben keine Probleme damit. Es gibt ganz viele protestantische Gemeinden in Deutschland, die keine Probleme damit haben, aber es gibt eben auch Religionsgemeinschaften, die eine gleichgeschlechtliche Ehe für sich für völlig ausgeschlossen halten.

Ich akzeptiere die unterschiedlichen Auffassungen, weil es sich um die internen Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften handelt. Sie können es für ihren Bereich entscheiden, und das habe ich nicht zu bewerten. Allerdings fordere ich ein, dass diese religiöse Entscheidung nichts, aber auch gar nichts mit der Definition des Staates zu tun hat, wen er eine Ehe eingehen lässt.

(Beifall SPD und Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn wir eine obligatorische Zivilehe haben, dann müssen wir überlegen, was verfassungskonform ist, was richtig ist und was am Ende des Tages diskriminierungsfrei ist.

Der Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes gilt für alle Menschen, und er formuliert, Gleiches muss gleich behandelt werden. Wenn Menschen für die Dauer eines Lebens – so planen es ja viele – einstehen wol

len, dann ist es völlig egal, welches Geschlecht sie haben. Man darf sie nicht diskriminieren, im Gegenteil, man muss die Gesetze ändern. Die obligatorische Zivilehe muss für alle geöffnet werden, und zwar egal, welcher sexuellen Orientierung.