Protocol of the Session on February 21, 2018

(Beifall CDU, BIW)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute nicht nur über den Antrag der CDU-Fraktion, sondern auch über zwei Anträge unserer Fraktion, mit denen wir zum einen den Internationalen Frauentag, den 8. März, und zum anderen den 8. Mai als Tag der Befreiung vom Faschismus zu gesetzlichen Feiertagen machen wollen.

(Beifall DIE LINKE)

Auch ich gehe ein wenig historisch zurück. Das muss man, wenn man über die Frage debattiert, welche Gedenktage gesetzliche Feiertage werden sollen.

In diesem Jahr jährt sich zum 100. Mal die Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland. Es waren mutige Frauen, die das allgemeine, freie und gleiche Wahlrecht für beide Geschlechter im wahrsten Sinne des Wortes erkämpft haben. Im

Jahr 1910 fand die Zweite Internationale Sozialistische Frauenkonferenz in Kopenhagen statt. Die Frauen beschlossen dort, nach dem Vorbild der USA jährlich Frauentagskundgebungen durchzuführen, um insbesondere das Frauenwahlrecht einzufordern. Zu diesem Zeitpunkt unterstützte nur die SPD die Forderung nach dem Wahlrecht für alle.

(Abg. Frau Grotheer [SPD]: Genau!)

Aus kaiserlichen und konservativen Kreisen, aber auch von den Kirchen gab es erbitterten Widerstand gegen ein gleichberechtigtes Wahlrecht für Frauen.

Im Jahr 1911 fanden zum ersten Mal groß angelegte Frauentagskundgebungen in vielen Städten Europas statt. Vor allem die Arbeiterbewegung - die Arbeiterinnenbewegung - trug diese ersten Massendemonstrationen, die von Frauen organisiert waren. In Berlin nahmen über 45 000 Menschen an der ersten Frauentagskundgebung teil. Clara Zetkin, damals noch SPD-Abgeordnete, wurde zusammen mit Käte Duncker das Gesicht der Frauenbewegung und zu einer der wichtigsten Kämpferinnen für das Frauenwahlrecht und den Internationalen Frauentag.

Der Frauentag hat seinen politischen Charakter behalten, auch nachdem Ende 1918 das Frauenwahlrecht endlich eingeführt wurde. Die Forderungen richteten sich danach auf materielle Gleichstellung, auf tatsächliche politische Mitbestimmung und auf Fragen der familiären Arbeitsteilung. Von diesen Fragen sind wir heute übrigens nicht so weit entfernt.

Clara Zetkin musste 1933 in das russische Exil gehen und starb dort wenig später. Käte Duncker ging in das Exil nach New York. Die Nationalsozialisten verboten jegliche Frauentagskundgebungen, weil sie sowohl die Forderungen nach Frauenrechten als auch ein Wiedererstarken der zerschlagenen Arbeiterbewegung fürchteten.

Wir sehen - ich schaue hier insbesondere zu den Kolleginnen und Kollegen der SPD -: Der Internationale Frauentag ist auf das Engste mit Kämpfen für politische und materielle Gleichberechtigung der Geschlechter verbunden und wurde über 100 Jahre lang vor allen Dingen aus dem sozialdemokratischen und sozialistischen Spektrum gestützt. Es gibt kaum einen Feiertag, abgesehen vom 1. Mai, der gesellschaftlich und historisch passen

der wäre als der 8. März. Der Internationale Frauentag ist ein Tag, auf den gerade auch die Sozialdemokratie mit Stolz blicken sollte.

(Beifall DIE LINKE)

Der 8. März ist aber noch mehr. Die Gleichberechtigung ist immer noch nicht verwirklicht: Stichwort Unterrepräsentanz von Frauen in der Politik, Stichwort Lohnlücke, Stichwort Aufwertung und faire Verteilung von Sorge- und Pflegearbeit im familiären Kontext. Es gibt seit einigen Jahren immer lautere Rufe von denjenigen, die bereits erkämpfte Frauenrechte zurückfahren und abschaffen wollen. Feminismus gilt als Hassobjekt. Sie wollen zurück in die Fünfziger- oder, noch besser, in die Dreißigerjahre und ein gesamtgesellschaftliches Rollback erreichen. Allein schon deshalb müsste die SPDFraktion diesem Antrag zustimmen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will auch unseren zweiten Antrag begründen. Darin fordern wir, den 8. Mai zum gesetzlichen Feiertag zu machen. Am 8. Mai 1945 kapitulierten die Befehlshaber der Wehrmacht und stellten mit wenigen Ausnahmen die letzten Kampfhandlungen ein. Der 8. Mai markiert seitdem die Befreiung vom Faschismus durch die Alliierten und die Beendigung des industriellen Massenmordes und des Vernichtungskrieges, an dem sich Millionen Deutsche direkt oder indirekt beteiligt hatten.

Wenn man über Feiertage und Gedenktage diskutiert, lohnt sich auch immer ein Blick auf die politische Debatte um die Daten. Erst 1970, also 25 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, gab Willy Brandt als erster deutscher Kanzler eine Regierungserklärung zum 8. Mai ab. Er wurde dafür von Konservativen beschimpft und übel beleidigt. Der 8. Mai sei ein Tag der Schande, und solche Tage feiere man nicht. Willy Brandt war selbst vor dem Faschismus geflohen, ebenso wie Zigtausende, die aus politischen, religiösen oder anderen Gründen Verfolgung, Folter oder Ermordung befürchten mussten. Willy Brandt sagte damals im Bundestag: Der 8. Mai „war für andere Völker die Befreiung von Fremdherrschaft, von Terror und Angst.“

Es hat weitere 15 Jahre gedauert, bis Richard von Weizsäcker formulierte: „Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.“

(Beifall DIE LINKE)

Auch diese Formulierung löste damals kontroverse Debatten aus. Mit wenigen Ausnahmen hat sich die Sicht der Dinge, wie Weizsäcker sie formulierte, aber durchgesetzt. Das macht seine Rede von 1985 auch heute noch bedeutsam.

Wir haben zwei Anträge gestellt, weil wir der Meinung sind, dass Bremen mit dem, statistisch gesehen, zweithöchsten Pro-Kopf-Einkommen der Republik nicht nur einen zusätzlichen Feiertag verträgt, sondern eben auch zwei. Sieht man sich andere Bundesländer an, kommt an zu dem Ergebnis, dass sie, bei teilweise deutlich niedrigerer ökonomischer Wertschöpfung, deutlich mehr Feiertage haben. Deswegen haben wir beide politische wichtigen Gedenktage als Feiertage vorgeschlagen. Natürlich wünschen wir uns eine Debatte. Ich kann jetzt schon ankündigen, dass wir namentliche Abstimmung beantragen, bei der die Abgeordneten ihrem Gewissen folgen. Wenn es eine Mehrheitsentscheidung nur für einen unserer Anträge geben sollte, weil Abgeordnete der Meinung sind, zwei Feiertage vertrage das Bundesland nicht, würden wir diese Entscheidung natürlich mittragen. Dennoch sind uns beide Tage politisch enorm wichtig und wertvoll.

(Beifall DIE LINKE)

Ein paar Sätze zum 31. Oktober, dem Reformationstag! Bürgermeister Dr. Sieling hat, ohne Votum der Bürgerschaft, mit anderen Regierungschefs der norddeutschen Länder vereinbart, einen neuen gesetzlichen Feiertag, nämlich den Reformationstag, einzuführen. Herr Dr. Sieling nannte das „gesellschaftlichen Konsens“. Das finde ich aberwitzig, weil sogar seine eigene Partei sehr kontrovers darüber debattiert, übrigens nicht nur in Bremen, sondern auch in Niedersachsen und in Hamburg. In Hamburg gibt es seit Kurzem einen Antrag, der nicht nur von uns, sondern auch von Sozialdemokratinnen und einigen Grünen-Abgeordneten mitgetragen wird, die ebenfalls nicht den Reformationstag, sondern den Internationalen Frauentag als Feiertag haben wollen.

Von „gesellschaftlichem Konsens“ kann nicht die Rede sein. Schon heute sind sechs von neun Feiertagen in Bremen christlich-konfessionell gebunden. Da braucht es nicht noch einen Feiertag, evangelisch gebunden ist.

Ich habe in bisherigen Debatten mehrfach gesagt, ich sage es auch hier, dass Martin Luther kein

leuchtender Vertreter von Bürgerrechten, Freiheit und Aufklärung war, wie es einige behaupten und wie es auch Herr Kollege Röwekamp soeben behauptet hat. Man kann den Reformationstag nicht ohne Martin Luther sehen. Nach Ihrem Redebeitrag, Herr Kollege Röwekamp, musste ich dann doch noch einmal in die Schriften von Martin Luther schauen. Ich zitiere aus dem „Handbuch der Judenfrage“:

„Ich will meinen treuen Rat geben. Erstlich, dass man ihre Synagoge oder Schule mit Feuer anstecke, und was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, dass kein Mensch einen Stein oder Schlacke davon sehe ewiglich. Zum andern, dass man auch ihre Häuser desgleichen zerbreche und zerstöre. Denn sie treiben eben dasselbige darin, was sie in ihren Schulen treiben …“

Wenn man sich das vor Augen führt, dann stehen Martin Luther und der Beginn der Reformation mit Sicherheit nicht für Toleranz gegenüber anderen Glaubensüberzeugungen oder überhaupt für Toleranz in der Gesellschaft.

(Beifall DIE LINKE - Abg. Frau Dr. Schaefer [Bünd- nis 90/Die Grünen]: So ist es!)

Luther hat auch nicht den Buchdruck erfunden, wie das vom Bürgermeister in einem Interview in der vergangenen Woche suggeriert wurde. Martin Luther war eben ein glühender Antisemit. Er hasste Bauern, er hasste ärmere Schichten, und er rief zu Gewalt gegenüber anderen Religionen auf.

Daran kommt man auch nicht vorbei, wenn man den Reformationstag aus dem Zusammenhang reißt oder sogar behauptet, der Reformationstag sei kein religiöser Feiertag, sondern einer mit gesellschaftlichem Konsens, und er sei unabhängig von Religion zu betrachten. Mit Verlaub, das ist wirklich Publikumsverblödung.

(Beifall DIE LINKE)

Dass der Reformationstag sehr klar ein evangelischer Feiertag ist, sieht man allein daran, dass die katholischen Kirchen ihn nicht wollen, ziemlich auf die Barrikaden gehen und stattdessen in Niedersachsen den Buß- und Bettag als Feiertag fordern - was übrigens aus unserer Sicht genauso falsch wäre.

(Heiterkeit DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich zitiere jetzt Herrn Fürst, den Vorsitzenden des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen: Die Entscheidung für den Reformationstag ist nicht nur fehlerhaft, sondern untragbar. - Dem schließen wir uns an. Der Reformationstag ist für uns untragbar. Wir werden deswegen den Antrag der CDU-Fraktion ablehnen.

(Beifall DIE LINKE)

Abschließend möchte ich auf das Argument eingehen, wir müssten uns an Niedersachsen orientieren, und die Ministerpräsidenten hätten sich nun einmal festgelegt. Ich stelle hier eine einfache Frage: Wie klein wollen wir uns als Parlament denn noch machen? Wer ist denn der Gesetzgeber? Das Rathaus und Herr Dr. Sieling entscheiden genauso wenig über das Bremische Gesetz über Sonn- und Feiertage wie ein Herr Weil aus Hannover. Über das Gesetz entscheidet die Bremische Bürgerschaft. Herr Dr. Sieling und Herr Weil sind keine Abgeordneten der Bremischen Bürgerschaft.

Wir sehen doch, dass selbst in Niedersachsen - zum Beispiel - die Präsidentin des dortigen Landtags, übrigens eine Genossin der SPD, sich entschlossen für den Frauentag einsetzt und gegen den Reformationstag argumentiert. Deswegen wäre es hier und heute ein starkes Zeichen, wenn sich dieser Landtag selbstständig entscheiden und dem unverbindlichen Meinungsbild der Ministerpräsidenten einiger Länder, das uns hier als Ultima Ratio vorgesetzt wird nach dem Motto, wir könnten gar nicht anders votieren, eine eigene Entscheidung entgegensetzen würde. Wir sollten hier tatsächlich eine politische Entscheidung treffen, welche Tage wir als würdig empfinden, zu gesetzlichen Feiertagen erklärt zu werden.

Ich finde das Vorgehen der Ministerpräsidenten wirklich bemerkenswert. Es geht nicht, dass Ministerpräsidenten sich hinstellen und sagen, sie müssten sich absprechen und dem Gesetzgeber im jeweiligen Land quasi vorgeben, wofür dieser sich zu entscheiden habe. Als Abgeordnete müssen wir selbstbewusst sein und schon aus diesem Grund verdeutlichen, dass es so überhaupt nicht geht.

(Beifall DIE LINKE)

Ein Landtag muss den ersten Schritt machen. Das sind heute wir. Wenn wir heute beschließen, dass wir uns sehr gut auch etwas anderes vorstellen können, wird eine ergebnisoffene Diskussion überhaupt erst möglich. Diese kann nicht durch ein paar Ministerpräsidenten determiniert werden, die noch

nicht einmal die Abgeordneten ihrer eigenen Parteien befragt haben.

Auch wir Linke finden es übrigens sinnvoll, sich mit Niedersachsen abzusprechen. Eine einheitliche Regelung mit Niedersachsen kann aber durchaus auf der Grundlage des 8. März oder des 8. Mai erfolgen und muss nicht zwangsläufig für den Reformationstag ausgehen. Ich finde, wir sollten uns hier nicht länger kleinmachen, sondern wir sollten selbstbewusst und politisch entscheiden.

Die Argumentation für unsere beiden Anträge habe ich vorgebracht. Ich hoffe auf eine interessante Debatte im weiteren Verlauf. Vor allen Dingen hoffe ich auf eine interessante Entscheidung bei der Abstimmung. - Danke schön!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Tschöpe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Manchmal wird eine Entscheidungsfindung dadurch erleichtert, dass man schaut, welche Entscheidungen anderswo getroffen werden, das heißt, wie andere Parlamente mit genau dieser Fragestellung umgehen.

Kollege Röwekamp, Sie haben die Entscheidungslage in Schleswig-Holstein richtig skizziert. Dort scheint es am unproblematischsten zu sein. Dem Schleswig-Holsteinischen Landtag liegt ein Antrag vor, den die Jamaika-Koalition und die SPD unterschrieben haben. Die Fraktionen habe es ihren Mitgliedern freigestellt, wie sie sich zu dem Antrag verhalten wollen. Als gesetzlicher Feiertag soll der 31. Oktober - als Reformationstag - eingeführt werden. Wenn ich richtig orientiert bin, wird dieser Antrag im dortigen Landtag heute, das heißt parallel zu unserer Beratung, behandelt.

In der Hamburgischen Bürgerschaft hingegen ist die Situation schon etwas anders. Es gibt in der Tat den von Ihnen, Frau Kollegin Vogt, skizzierten Gruppenantrag zum 8. März. Ein weiterer Gruppenantrag hat schon so viele Unterstützungsunterschriften, dass man davon ausgehen kann, dass er die Lösung darstellen wird. Dieser fordert die Einführung eines „Tages der Reformation“ - nicht des Reformationstages! - und liefert eine Neuinterpretation dieses Tages gleich mit: Das Mittelalter endete und die Neuzeit begann. - Das ist die Argu