Protocol of the Session on February 21, 2018

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage - Internationalen Frauentag zum gesetzlichen Feiertag machen Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 1. März 2017 (Drucksache 19/959) 1. Lesung

sowie

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage - 8. Mai zum gesetzlichen Feiertag machen Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 7. März 2017 (Drucksache 19/967) 1. Lesung

und

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage Bericht der staatlichen Deputation für Wirtschaft, Arbeit und Häfen vom 12. Februar 2018 (Drucksache 19/1524)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Bürgermeister Dr. Sieling.

Die Bürgerschaft (Landtag) hat bei den drei genannten Anträgen jeweils die erste Lesung unterbrochen und die Gesetzesanträge in der 40. Sitzung am 9. März 2017 zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Wirtschaft, Arbeit und Häfen - federführend - und die staatliche Deputation für Inneres überwiesen.

Die Deputation für Wirtschaft, Arbeit und Häfen legt mit der Drucksachen-Nummer 19/1524 ihren Bericht und Antrag vor.

Wir kommen zur ersten Lesung der Gesetzesvorlagen.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe ihn mitgebracht, unseren Martin Luther, die meistverkaufte Playmobilfigur.

(Zuruf SPD: Ja, großartig!)

Jeder von uns, der Kinder hat oder der als Kind damit gespielt hat, weiß, wie viel Spaß es macht, mit solchen Gegenständen zu spielen und sie zu verschenken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bevor wir die Debatte beginnen, möchte ich mich bei alle denen bedanken, die sich in den vergangenen Wochen und Monaten an der Debatte darüber, ob nach dem Reformationsjubiläum 2017 der Reformationstag ab dem Jahr 2018 ein dauerhafter Feiertag werden soll, beteiligt haben.

Ich weiß, dass es hierzu quer durch die Gesellschaft, quer durch die Kirchen, aber auch quer durch die politischen Parteien unterschiedliche Einstellungen und Gewichtungen sowie eine Vielzahl von Argumenten gibt. Es gibt weder ein absolut richtiges noch ein absolut falsches Argument, das für beziehungsweise gegen einen der Tage, den von der CDU favorisierten Reformationstag, den Weltfrauentag oder den Tag der Befreiung, als dauerhaften Feiertag spricht. Ich finde, wir sind in den bisherigen Debatten darüber sehr fair miteinander umgegangen. Ich wünsche mir das auch von unserer heutigen Debatte im Parlament.

Warum sage ich das vorab? Ich sage es deswegen vorab, weil sich nicht alle, die sich an dieser Debatte beteiligt haben, so zurückhaltend und sachlich verhalten haben. Ich war erschrocken über den Artikel eines „taz“- Journalisten namens Benno Schirrmeister, der geschrieben hat - ich zitiere -:

„Stattdessen hängen sich - und das belegt ein geradezu widerwärtig verkommenes Staatsverständnis und eine bestürzend unterbelichtete Idee von Gesellschaft - Norddeutschlands Ministerpräsident*innen und die sie stützenden Parteien an die Rockschöße des abgehalfterten evangelischen Klerus und wollen den Reformationstag staatlich begehen.“

Er schreibt weiter:

„Dieser bedenkliche Schulterschluss von Staat und Kirche, der nahe an die funktionale Verwechslung beider geht, spricht in geradezu aggressiver Dummheit aus dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD), wenn er, wie jüngst im Kloster Loccum, behauptet, ‚Gewissheit und Gemeinschaft zu vermitteln‘ wäre ‚die gemeinsame Aufgabe von Staat und Gesellschaft, von Politik, Kirchen und vielen Verantwortlichen mehr‘.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, unabhängig davon, dass das, was er schreibt, falsch ist - das ist der Aspekt der mangelnden journalistischen Gründlichkeit -, komme ich zu der Einschätzung: Er attackiert Ministerpräsidenten, die gewählt sind, in einer Weise, die ich für völlig unvertretbar halte. Aus diesen Worten spricht ein Geist im Umgang mit Religionen, den ich eigentlich nur von Extremisten kenne.

(Beifall CDU, SPD, FDP, BIW)

Ich kann uns alle nur davor warnen, die Debatte um die Fragen, ob und wenn ja, welche kirchlichen Traditionen wir in Deutschland haben, ob und wenn ja, wie wir der Reformation gedenken, mit solchen Worten in eine Ecke zu stellen, von der ich dachte, dass wir sie in Deutschland seit mehreren Jahrzehnten überwunden hätten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte Sie jetzt mit zurücknehmen, 500 Jahre zurück.

(Zuruf Bündnis 90/Die Grünen: Bitte nicht!)

Wie sah vor 500 Jahren der Tag in Bremen aus?

(Abg. Gottschalk [SPD]: Keine CDU! - Heiterkeit SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Der Tag begann an jedem Morgen und endete an jedem Abend mit dem Glockengeläut der Kirchen. Der Schlüssel des Petrus, die apostolische Legitimation des Petrus und seiner Nachfolger, der Bischöfe in Rom, die Tore des Himmels zu öffnen, wurde zum Wappen der Stadt Bremen - und ist es übrigens heute noch.

Symbole des Segens und Schutzes durch die Heiligen waren an vielen Straßenecken in der Stadt und an Wegkreuzungen außerhalb aufgestellt, um die Bürger vor den Angriffen böser Möchte zu schützen. In Bremen standen rings um das Rathaus acht Propheten. Es gab zahlreiche Kapellen, natürlich über die normalen Pfarrkirchen hinaus. Vor 500 Jahren war auch Bremen noch fest in der Hand des Bistums und des Bischofs.

Warum sage ich das? Ich sage das deswegen, weil die Reformation die Kirche verändert hat. Ich sage das natürlich auch, weil die Reformation auch unsere Gesellschaft verändert hat. Die Reformation, die in den Jahren danach begann, hat aber auch und gerade Bremen verändert. Aufgrund der Reformation, die auch über Bremen gezogen ist, hat sich hier eine Menge verändert, nicht nur in der Kirche und den Gottesdiensten, sondern auch in den Einstellungen der Menschen.

Die Reformation ist eng verbunden mit den Gedanken der Aufklärung und des Humanismus. Die Freiheit des Einzelnen, die ihre Grenze nur dort findet, wo die Freiheit der anderen betroffen ist, zu achten und zu schützen; Solidarität miteinander; Toleranz gegenüber anderen Religionen, das heißt gegenüber Menschen anderer religiöser Überzeugungen, aber auch gegenüber Menschen, die keine religiöse Überzeugung haben; Toleranz gegenüber Menschen anderer örtlicher oder sozialer Herkunft - das sind die Gedanken, die von der Reformation ausgingen und unsere Gesellschaft insgesamt verändert haben.

(Beifall CDU)

Deswegen sage ich, es ist gut, wenn auch wir in Bremen und Bremerhaven einen Tag finden, der an diese großartigen Ideen der gesellschaftlichen Veränderung durch die Reformation erinnert.

(Beifall CDU)

Wir, die CDU-Fraktion, haben vor knapp einem Jahr, noch vor dem Jubiläum der Reformation, einen Antrag eingebracht, mit dem wir darum geworben haben, den Reformationstag zum dauerhaften Feiertag zu erklären. Wir haben den Antrag, wie der Herr Präsident eingangs sagte, an die Ausschüsse und Deputationen mit der Bitte um Beratung überwiesen. Wir sind uns sicherlich alle einig, dass die Art und Weise, wie die evangelische Kirche, wie Bremen, wie Deutschland insgesamt der Reformation im Jubiläumsjahr gedacht haben, ein guter Beleg dafür ist, dass dieser Tag an vieles erinnern und dass durch ihn vieles wieder wach werden kann, was uns miteinander verbindet. Ich finde, die Evangelische Kirche in Deutschland, auch die Ökumene, ist mit dem Reformationsjubiläum in einer Weise umgegangen, die das vergangene Jahr bereichert hat. Es hat eben kein kirchliches Fest stattgefunden, sondern ein ganzes Jahr der Diskussion und der Besinnung, des Zulassens von anderen Auffassungen und Meinungen, des Dialogs innerhalb und außerhalb von Kirche und Gesellschaft, an dem sich viele Menschen beteiligt haben. Ich finde, das Reformationsjubiläum hat uns in Deutschland richtig gutgetan.

(Beifall CDU)

Deswegen ist es richtig, dass wir jetzt darüber nachdenken, diesen Tag zu einem dauerhaften Feiertag zu erklären, nicht deswegen, weil wir in Bremen weniger Feiertage haben als andere Bundesländer - dazu komme ich gleich noch -, sondern insbesondere deswegen, weil, wie wir alle miteinander merken, unser gesellschaftliches Zusammenleben in Bremen und Bremerhaven, in Deutschland, in Europa, ja in der Welt unter Fliehkräften leidet. Die Angst vor Überfremdung, vor fremden Religionen, vor Unwägbarkeiten, die Kriege, die geführt werden - all das stürzt viele Menschen, auch in Bremen und Bremerhaven, in ein Gefühl der Unsicherheit. Das Gefühl von Ungewissheit und Unsicherheit machen sich, leider, Populisten in Bremen und Bremerhaven, in Deutschland, in Europa, in der Welt zunutze. Das wirksamste Mittel gegen extremen politischen Aufstand, gegen populistische Formulierungen, gegen Angst vor Fremden und Überfremdung ist aus der Sicht der CDU-Fraktion die Besinnung auf das, was uns als Gesellschaft verbindet, was uns gemeinsam stark macht, was uns Brücken schlagen lässt von unseren Überzeugungen, Grundvorstellungen und Werten zu Menschen, die andere Vorstellungen und Werte haben. Wir brauchen in Deutschland und damit auch in Bremen und Bremerhaven wieder einen Tag, an dem wir uns an das Gemeinsame

erinnern, an das, was uns in unserem Zusammenleben miteinander verbindet.

(Beifall CDU)

Gegen den Reformationstag als dauerhaften Feiertag werden, was die Debatte in Bremen betrifft, im Wesentlichen zwei Argumente eingewandt. Ein Argument lautet, die Reformation sei nicht nur gut gewesen. Ja, das stimmt. Auch Luthers Ansichten sind nicht nur richtig gewesen. Im Gegenteil, sie sind, zumindest in einem Punkt, ausdrücklich falsch gewesen. Dass ein Mensch wie Martin Luther auch antisemitische Schriften verfasst hat, gehört zur Geschichte seiner Person und der Reformation dazu. Wir wollen aber am Reformationstag gerade nicht an Martin Luther erinnern, sondern an die Bewegung, die damals Deutschland und Europa erfasst hat, eine Bewegung, die sich nicht in den Schriften Martin Luthers erschöpft, sondern die unsere Gesellschaft insgesamt verändert und, aus meiner Sicht, fortschrittlicher gemacht hat. Der Reformationstag ist deswegen gerade nicht nur ein religiöser Feiertag, sondern auch ein Tag, der uns an ein gemeinsames Werteverständnis erinnert, an eine Revolution vor 500 Jahren, die unsere Gesellschaft zwar nicht in den Idealzustand gebracht, aber doch in vielerlei Hinsicht verändert hat. Deswegen geht es am Reformationstag um die Reformation an sich, nicht um einzelne Akteure wie Martin Luther.

Das zweite Argument, das gegen den 31. Oktober als dauerhaften Feiertag vorgebracht wird, lautet, dass Bremen sich einen weiteren Feiertag nicht leisten könne. Wer behauptet, es gebe eine Verbindung zwischen der Anzahl der Feiertage und dem wirtschaftlichen Erfolg eines Bundeslandes, dem empfehle ich den Blick auf andere Bundesländer. Dann käme man vielleicht zu der umgekehrten Schlussfolgerung, dass nämlich ein zusätzlicher Feiertag nicht ausreicht, wenn wir in unserer wirtschaftlichen Entwicklung so erfolgreich sein wollen wie die Baden-Württemberger, die Bayern und die Hessen. Möglicherweise brauchten wir dann vier zusätzliche Feiertage.

Meine Damen und Herren, das zweite Argument halte ich zwar aus der Situation Bremens heraus für diskussionswürdig. Es spricht aber aus meiner Sicht im Ergebnis nicht dagegen, einen zusätzlichen Feiertag für Bremen und Bremerhaven zu etablieren. Denn die Menschen, die den wirtschaftlichen Aufschwung in Bayern wie in Bremen ermöglichen, die an den Bändern von MercedesBenz oder an den Hochöfen in den Stahlwerken

stehen, die in den Kaufhäusern arbeiten oder in Kitas und Krankenhäusern tätig sind, können für den wirtschaftlichen Zustand unseres Landes nichts. Sie haben genauso jeden Tag ihre Arbeit zu erledigen wie die Menschen in anderen Bundesländern. Deswegen sage ich, umgekehrt wird ein Schuh daraus. Gerade weil andere Länder mehr Feiertage haben als wir, ist das Argument, der zusätzliche Feiertag sei wirtschaftsschädlich, widerlegt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Vorfeld der heutigen Debatte ist die Frage aufgeworfen worden, ob jetzt der richtige Zeitpunkt sei, darüber zu reden. Wir, die CDU-Fraktion, hätten gern schon vor einem Jahr darüber geredet, aber die Zeit ist weitergegangen. Neben unserem Altbürgermeister Jens Böhrnsen hat sich auch unser Bürgermeister Dr. Carsten Sieling aus Anlass der Feierstunde im Rathaus am 31. Oktober 2017 für den Reformationstag als dauerhaften Feiertag ausgesprochen. Ende Januar dann haben sich die norddeutschen Ministerpräsidenten - es sind alles Männer - darauf verständigt, in ihren Landtagen darum zu werben, so verstehe ich den Beschluss, den Reformationstag zum dauerhaften Feiertag zu erklären. Morgen wird der Schleswig-Holsteinische Landtag die entsprechende Gesetzesänderung beschließen. In der nächsten Woche wird die Hamburgische Bürgerschaft voraussichtlich einen Gruppenantrag beschließen, der den Reformationstag zum Feiertag macht. Der Niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil hat angekündigt, dem Landtag Ende Februar oder Anfang März einen Gesetzentwurf zuzuleiten, in dem der Reformationstag als dauerhafter Feiertag vorgeschlagen wird.

Meine Damen und Herren, es ist an der Zeit, dass auch wir in Bremen uns positionieren. Das bedeutet nicht, dass wir nicht darauf achten sollten, ob in den anderen Ländern dieser Tag auch Feiertag wird. Vieles spricht dafür, Bremen und Niedersachsen bei den Feiertagen gemeinsam zu behandeln. Es ergibt keinen Sinn, dass Eltern, die in Bremen arbeiten und deren Kinder in Niedersachsen in die Kita oder die Schule gehen, an einem Tag freihaben, an dem die Kinder nicht freihaben, oder, umgekehrt, dass die Kinder freihaben, während die Eltern in Bremen arbeiten müssen. Ein Gleichschritt mit Niedersachsen ist also wünschenswert.

Auch hier stellt sich aber die Frage wie beim Kaninchen und der Schlange: Wer wartet eigentlich auf wen? Ich finde, wenn wir stolz sind auf unser

Bundesland, dann müssen wir auch einmal den Mut haben, schneller als Niedersachsen zu sein.

(Beifall CDU, BIW)

Deswegen sollten wir heute in erster Lesung - nur in erster Lesung! - darüber abstimmen. Der Alternativantrag, den 8. März zum Feiertag zu erklären, ergäbe für dieses Jahr nicht mehr viel Sinn, weil wir Feiertage nicht rückwirkend beschließen können. Auch für den 8. Mai würde es bei zwei Lesungen, wenn wir im März beginnen würden, etwas eng werden. Also spricht viel dafür, dass wir heute in erster Lesung ein Meinungsbild des Parlaments einfangen. Ich werbe dafür, die Zeit bis zur zweiten Lesung zu nutzen, um zu beobachten, wie andere Länder sich in dieser Frage verhalten und entscheiden. Wir können dann in Ansehung dieser Entscheidungen in der Bremischen Bürgerschaft die zweite Lesung durchführen.

Ich möchte an Sie appellieren, dass Sie mit der Beratung und Entscheidung über unseren Gesetzesantrag in bewegten Zeiten ein Zeichen dafür setzen, dass bestimmte Werte, die die Reformation uns beschert hat, für uns unverhandelbar sind, nämlich die Freiheit des Einzelnen, die Solidarität mit anderen und die Toleranz gegenüber allen, die anders denken oder handeln. - Vielen Dank!

(Beifall CDU, BIW)