Protocol of the Session on December 6, 2017

Herr Präsident! Liebe Kollegen des Hohen Hauses! Gestatten Sie mir, da ich meine fünf Minuten kaum neunteln kann, vor allem ins Detail zu gehen. Es ist ja jetzt auch schon einiges allgemein in der Generaldebatte gesagt worden.

Lassen Sie mich wie letztes Jahr bei der FDP anfangen, die sich anscheinend alle zwei Jahre einen neuen Kaputtsparknaller aussucht. Letztes Jahr waren es - korrigieren Sie mich, wenn das falsch ist - Einsparungen beim Theater, jetzt sind es Einsparungen von 20 Millionen Euro beim ÖPNV. Das ist nicht zu machen. Über die Qualität des ÖPNV in Bremen mag man streiten, aber der ist nicht zum Kaputtsparen da.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Es gab einmal einen Plan eines Bausenators Eckhoff, der das machte!)

Jedenfalls ist die AfD für einen auskömmlich finanzierten ÖPNV. Das ist sie auch geeint in allen 14 Fraktionen. Wir arbeiten in anderen Bundesländern daran. Wir wollen die Kleinbahn in Brandenburg oder den ÖPNV im Ruhrgebiet verbessern. Das wollen wir auch für Bremen tun und den ÖPNV nicht kaputtsparen.

Das gilt auch in der Baupolitik.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Ich bin einmal gespannt, was Sie überhaupt wollen!)

In einem baupolitischen Antrag der FDP heißt es, nicht jeder Bauantrag sei sinnvoll. Das ist richtig,

aber in Bremen wird nach Ansicht der AfD eher zu wenig und zu langsam gebaut als zu viel.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Das denken wir übrigens auch! Dafür brauchen wir Sie nicht!)

Dass Sie immer dazwischen quatschen, ist in Ordnung, hat bloß keinen Sinn.

(Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist im Parlament so!)

Das mag ja sein! Viel eher - lassen Sie mich insoweit mein wie immer differenziertes Abstimmungsverhalten erklären - bin ich hier und da bei der Linkspartei, unter anderem bezüglich des KitaAusbaus und des Schulausbaus. Man kann sagen, es ist pauschal, einfach 10 Millionen Euro daraufzulegen, aber fraglos sind - das sehen wir auch beim Gesamtantrag der CDU - der Kita- und Schulausbau in diesem Haushalt unterfinanziert. Da kann etwas daraufgelegt werden.

Es gibt aber auch - lassen Sie mich das zitieren - durchaus einige Perlen bei der LINKEN. Ein ganz hervorragender Antrag, von Ihnen mit 6 Millionen Euro pro Jahr hinterlegt, betrifft das Projekt einer Förderung von inhabergeführtem kleinem Einzelhandel und von inhabergeführten innovativen Kleinbetrieben in der Produktion. Ich kann mir in der Tat eine Menge kleinerer Quartiere vor allem in Bremen-Nord und in Bremerhaven vorstellen, wo das Geld sehr gut angelegt ist.

Das sind die Gründe, aus denen der AfD-Abgeordnete bei einigen Blöcken oder einigen Einzelanträgen mit Ihnen stimmen wird. Das gilt insbesondere auch für die Projektfinanzierung gegen den Salafismus. Wie man mit 5 000 Euro - da hat DIE LINKE völlig recht - auskömmlich arbeiten soll, ist mir unklar. Sie wollen den Ansatz, soweit ich weiß, um 50 000 Euro erhöhen. Dafür haben Sie meine volle Unterstützung.

Schließlich und endlich zum Antrag der CDU, den ich mittragen werde. Dementsprechend werde ich den Haushalt der rot-grünen Koalition natürlich ablehnen, vor allem wegen der Fehlallokation in der Flüchtlingspolitik. Dazu hat der Kollege Leidreiter schon etwas gesagt.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Es ist auch unerträglich, was Sie reden!)

Aber sei es drum! Die CDU legt, wie auch vor zwei Jahren, eine Art Regierungsprogramm mit finanzpolitischen Anteilen vor. Dazu ist zu sagen: Da ich dem Antrag der CDU zustimme, geht das für mich selbstverständlich in die richtige Richtung. Allerdings sind einige Punkte von genialischer Frechheit. Ein Punkt ist fett überschreiben mit: „Nicht nur durch Zuwanderung in die Sozialsysteme wachsen‟. Das wirft gewissermaßen einen kleinen Blick auf die künftig zahlreichen AfD-Wähler nach dem Motto: Wir von der CDU wollten eine Zuwanderung in die Sozialsysteme noch nie haben. Dass Sie es dann aber unterlassen mitzuteilen, dass es nicht der rot-grüne Senat ist, der ursächlich schuld ist an der Zuwanderung in die Sozialsysteme in Bremen, sondern die CDU-geführte Bundesregierung, ist schon hart. Aber gut!

In dem Text des CDU-Antrages eine Unterfütterung dieser Überschrift zu unterlassen und gar nichts dazu zu schreiben, wie man sich in Zukunft die Zuwanderung in Bremen vorstellt, sondern etwas zu anderen Sachen zu schreiben, die, wie gesagt, gar nicht falsch sind, ist schon eine ziemliche Frechheit. Aber gut. Das sind die Strategien, die die CDU eben hat, die durchschaut sind. Da werden wir von der AfD Sie auch stellen.

Soweit meine kleinen Ausführungen, die ich kurz halten will. Vielleicht fällt mir im Laufe der Debatte noch etwas ein.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Hoffentlich nicht!)

Daher werde ich meine fünf Minuten nicht ganz ausnutzen. - Vielen Dank!

(Abg. Frau Grotheer [SPD]: Das Protokoll vermerkt rauschenden Beifall!)

Da es Irritationen über die Anwesenheit oder Nichtanwesenheit von Senatorinnen und Senatoren gegeben hat, gebe ich zur Kenntnis und zu Protokoll: Senator Mäurer befindet sich auf der Innenministerkonferenz in Leipzig, Senator Günthner auf der Arbeits- und Sozialministerkonferenz, Frau Senatorin Stahmann ebenfalls auf der Arbeits- und Sozialministerkonferenz. Es ist Konsens des Parlaments mit dem Senat, dass sie somit als entschuldigt gelten und dass die Senatoren und Senatorinnen an Ministerkonferenzen teilzunehmen haben.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Bürgermeisterin Linnert.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Erstes will ich nichts zum Haushalt, sondern zu Ihnen, Herr Leidreiter, sagen. Ich habe mich immer aus Respekt vor Ihnen als Mensch und aus Respekt vor dem Parlament bemüht, mich mit dem, was Sie sagen, auseinanderzusetzen. Sie haben im Haushaltsausschuss auch eine konstruktive Rolle. Man kann sich selbstverständlich darüber streiten, wie viel Zuwanderung stattfinden sollte und wie man sie steuern sollte und so weiter. Aber was man, glaube ich, nicht machen kann, ist, sich hier hinzustellen und zu sagen, dass bei den Flüchtlingen ein Return on Investment nicht gegeben ist.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen - Zuruf Abg. Leidreiter [BIW])

Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass das mein Wertesystem - das ist das, was uns unser Grundgesetz vorschreibt - in eklatanter Weise verletzt. Ich bitte Sie, darüber nachzudenken, ob es nicht vielleicht schon auch sein kann, dass Sie sich, wenn Sie so etwas sagen, in einer Denktradition befinden, bei der man am Ende nicht nur über den Return on Investment bei Flüchtlingen,

(Abg. Leidreiter [BIW]: Nein! Nein!)

sondern auch bei Alten, Behinderten und Schwachen nachdenkt.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich möchte mich beim Haushaltsausschuss und seinem Vorsitzenden für die konstruktiven, zügigen Haushaltsberatungen bedanken. Dieser Haushalt stellt aus Sicht des Senats und auch aus meiner Sicht eine Zäsur dar. Bremen als Bundesland hat, wenn wir diese beiden Haushaltsjahre geschafft haben, finanziell eine Zukunft. Das hat man uns ganz lange nicht zugetraut, man hat nicht geglaubt, dass wir das schaffen können. Ich bin darüber sehr froh. Natürlich reklamiere ich das nicht für mich allein als Leistung, sondern das ist eine Leistung des gesamten Senats, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Verwaltungen, die trotz Spardrucks mitgearbeitet haben, und natürlich auch der Bremerinnen und Bremer, die am Ende doch akzeptiert haben, dass es keine realistische, sinnvolle Alternative dazu gegeben hat, diesen Sanierungsvertrag abzuschließen und sich darum zu bemühen, ihn einzuhalten.

Wir sind wieder ein geachteter und seriöser Partner auf Bundesebene. Unsere Reformprojekte, mit denen wir gezeigt haben, dass man durch stumpfes Sparen nicht mehr weiterkommt, sondern dass Umbauprozesse die Seele vom Spiel sind, werden bundesweit beachtet. Wir haben jetzt die Chance, in den 20er-Jahren in die haushaltspolitische Normalität zu kommen. Die heißt, Prioritäten zu setzen. Bisher haben wir, weil fast alles im Haushalt für Pflichtaufgaben gebunden war, die wenigen neuen Dinge, die wir machen wollten, stark unter dem Gesichtspunkt kurzfristigerer Effekte betrachten müssen. In Zukunft können wir Prioritäten setzen, wir können stärker auf Langfristwirkungen achten, wir können den Personalabbau beenden und Reformen durchführen, die die Qualität der Verwaltung verbessern.

Trotz Konsolidierungsdrucks sind von 2007 bis 2015 sowohl die Anzahl der Einwohnerinnen und Einwohner als auch die Steuereinnahmen angestiegen, und das sogar deutlich, und auch die Zahl der Erwerbstätigen ist gestiegen - anders, als Herr Röwekamp es in seiner Rede zur ersten Lesung bei seinen öfter vorkommenden Ausflügen ins Postfaktische hier behauptet hat -, und zwar jährlich im Durchschnitt mehr als zu Zeiten der Großen Koalition.

Wenn sich die LINKEN hinreißen lassen - Herr Rupp, Sie wissen, ich schätze Sie -, kommt dabei heraus: Es ist immer alles zu wenig.

(Abg. Rupp [DIE LINKE]: Manchmal ist das so!)

Das ist Old School. Wenn Sie so eine Sichtweise vertreten, tragen Sie nämlich nicht dazu bei, dass Qualität, Nachhaltigkeit und Verbesserung von Prozessen das Spiel der nächsten Jahre sein werden. Wenn Sie allen Leuten sagen, es sei sowieso immer alles zu wenig, dann heißt das auf Deutsch, dass man sich gar nicht anstrengen muss, es ist sowieso immer alles zu wenig. Auch da sage ich: Postfaktisch! Wir wissen doch über Benchmarks, in welchen Bereichen wir weniger ausgeben als andere Bundesländer oder Großstädte, und wir wissen auch, wo wir mehr ausgeben beziehungsweise wo wir gut, im Durchschnitt, liegen. Gerade bei den von Ihnen beklagten Zulagen bei Polizei, Feuerwehr, Lehrerinnen und Lehrern liegen wir nach der Reform der Zulagen mit Wirkung von 2017 in den Haushalten 2018/19 auf Platz acht. Das ist für ein Bundesland wie unseres eine stolze Leistung.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Wir wissen, dass wir im Bereich Bildung noch eine große Strecke vor uns haben. Die zusätzlichen 100 Millionen Euro sollen zur Verbesserung der Situation in unseren Schulen eingesetzt werden. Jetzt wird es darum gehen, das Geld klug, verlässlich und regelkonform auszugeben. Das wird auch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Die nächsten Schritte im Bildungsbereich müssen noch in dieser Legislaturperiode geplant werden, damit sie auch in den 20er-Jahren funktionieren können.

Die Schwerpunkte „Sichere und saubere Stadt“ und „Digitalisierung“ sind die Bereiche, für die wir Geld freigeschaufelt haben, was, wie gesagt, nicht ganz einfach ist. Viele können sich gar nicht vorstellen, wie stark festgenagelt und verpflichtend so ein Haushalt ist. Ich bin mir ganz sicher, dass die Bremerinnen und Bremer in den nächsten Jahren sehen werden, dass sich Dinge verbessern.

Zu den immer wieder beklagten zu niedrigen Investitionen. Ich kann es wiederholen. Die Lage in Bremen ist nicht einmalig. Alle Gebietskörperschaften in Deutschland investieren zu wenig. Mittlerweile kommt das auch an und gerät in den Fokus der Überlegungen zu der Frage, welche Regeln für die Schuldenbremse gelten. Herr Leidreiter, es ist mit Sicherheit nicht so, dass wir jemals wegen zu niedriger Investitionen Ärger mit dem Stabilitätsrat bekommen hätten. Im Gegenteil. Auch dort sieht man in den Benchmarks, dass Bremen noch immer eine ganz gute Position einnimmt. Der Stabilitätsrat hat mehrmals, als wir gesagt haben, dass wir das nicht können, gesagt, wir müssten weiter Investitionen kürzen. Es ist auch so gewesen, dass uns die hohe bundespolitische Investitionstätigkeit der Großen Koalition sehr geschadet hat.

(Abg. Leidreiter [BIW]: Sie müssen den Investiti- onsstau anschauen!)

Ich habe Ihnen doch gerade erklärt, dass der Investitionsstau ein Problem in allen Gebietskörperschaften ist und dass wir in den nächsten Jahren, auch mit den zusätzlichen Mitteln, die wir als Belastungsausgleich vom Bund bekommen, zusätzliche Investitionsanstrengungen unternehmen müssen. Aber Ihre Behauptung, der Sanierungsweg sei sozusagen dadurch erkauft worden, dass wir alles vergammeln ließen, lasse ich nicht einfach so stehen. Das können Sie auch gar nicht belegen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Es ist über den Zinshaushalt und seine angeblich zu üppige Ausstattung gesprochen worden. Wir

brauchen 20 Millionen Euro wegen des Disagios, mit dem wir rechnen müssen. Herr Eckhoff, das ist Ihnen im Haushaltsausschuss ordentlich dargelegt worden. Im Jahr 2018 werden wir 2 Milliarden Euro und im Jahr 2019 werden wir 2,5 Milliarden Euro an neuen Krediten für alte, die auslaufen, aufnehmen müssen. Da sind 20 Millionen Euro Puffer, um gute Verträge abschließen zu können, weiß Gott keine große Ausstattung. Es ist auch nicht so, dass wir das Geld sozusagen nehmen und damit davonlaufen.

(Abg. Eckhoff [CDU]: Das hat auch keiner behaup- tet, Frau Senatorin!)

Der Zinshaushalt hat in all den Jahren immer dazu beigetragen, dass wir weitere Haushaltsprobleme lösen konnten. Was Sie hier an die Wand malen - dass nämlich bei Zinssteigerungen in den 20erJahren 400 Millionen Euro zusätzlich an Zinsen gezahlt werden müssen -, verhindern wir gerade durch das Zinsmanagement. Dafür brauchen wir Spielräume.

Ein letzter Gedanke zu Bremerhaven. Wir führen Gespräche über ein neues Finanzausgleichsgesetz, und zwar gern. Aus Bremerhaven gibt es zusätzliche Wünsche für eine bessere Ausstattung. Wir müssen darüber reden, in welcher Form und wie weit wir dem Rechnung tragen können. In meiner Verantwortung ist ein Finanzausgleichsgesetz von uns erarbeitet und von Ihnen beschlossen worden, das eine Zuweisung an die Einwohnerinnen und Einwohner Bremerhavens in der Größenordnung von über 120 Prozent im Vergleich zu den Bremerinnen und Bremern beinhaltet, und zwar mit Absicht, weil die soziale Lage dort deutlich schwieriger ist. Im Moment ist es so, dass 40 Prozent der Landesinvestitionen in Bremerhaven stattfinden. Das ist eine gute Grundlage für vertrauensvolle weitere Verhandlungen, die ich sehr gern führen möchte. Ich weise aber darauf hin: Wer jetzt schon weiß, was bei dem Verhandlungsprozess herauskommen soll, unterstützt den Senat nicht gerade dabei, ein gutes Verhandlungsergebnis zu erzielen.

Ab heute, wenn Sie den Haushalt heute Abend beschlossen haben, ist es die Aufgabe für die Senatorin für Finanzen, für meine Behörde, meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und mich, Ihr Gesetz zu hüten, den von Ihnen beschlossenen Haushalt, der ein gutes, abgewogenes Paket für die Tätigkeit des Staates in den Jahren 2018 und 2019 bedeutet, zu hüten und sicherzustellen, dass das Geld, das Sie uns für die Regierungstätigkeit bereitstellen,

nach allen Regeln, die Sie in aller Regel erlassen haben, auch ausgegeben wird. Wir werden weiter die Investitionen für die 20er-Jahre planen, weil lange Planungsvorläufe dazu führen, dass man schon jetzt Planungsmittel einstellen muss, damit im Jahr 2020 das, was hier gemeinsam gefordert wird, nämlich ein erhöhter Investitionsansatz im Haushalt, auch realisiert werden kann. - Vielen Dank!