Protocol of the Session on November 9, 2017

Wenn man sich die Statistik anschaut, sind mittlerweile über 50 Prozent der Altenheime in privater Hand. Der Anteil der großen Einrichtungen, wie Caritas und so weiter, sowie der Freigemeinnützigen geht zurück, und der Anteil der kommunalen Altenheime liegt sowieso schon nur noch unter fünf Prozent. Das heißt, wir haben da einen riesigen Markt, auf dem Gewinne erzielt werden, und zwar in einem nicht unerheblichen Umfang. Deshalb, sage ich, muss es so etwas wie ein gutes und auch strenges Wohn- und Betreuungsgesetz geben, damit es da eine Aufsichtsfunktion gibt und alles mit rechten Dingen zugeht.

(Beifall DIE LINKE)

Also, genau hinzusehen, das ist wichtig.

Das Neue und auch von der LINKEN durchaus zu begrüßende an diesem Wohn- und Betreuungsgesetz ist tatsächlich - Frau Grönert hat es auch ein bisschen angeschnitten -, dass es eine Ausweitung auf ambulante Pflegedienste gibt, denn das gab es vorher nicht. Allerdings bezieht sich die Ausweitung auf ambulante Pflegedienste nur auf ambulante Pflegedienste, die in den Einrichtungen arbeiten. Alle anderen, die nur ambulante Pflegedienste zu Hause oder anderswo erbringen, fallen nicht darunter, und das kritisieren wir, DIE LINKE, ganz deutlich!

(Beifall DIE LINKE)

Wir sind der Meinung, es gibt da einen unheimlichen Wildwuchs in der ambulanten Pflege, und man muss sagen, da muss irgendeine Aufsicht eingezogen werden, es muss jemand schauen, was da passiert, nicht nur im Sinne der Nachhaltigkeit der Kosten, also im Hinblick auf die Krankenkassen und so weiter, sondern auch im Hinblick auf die Versorgung und die Betreuung der alten Menschen. Deshalb haben wir in unserem Antrag auch festgeschrieben, dass das Wohn- und Betreuungsgesetz auf alle ambulanten Bereiche ausgedehnt werden muss. Natürlich geht das nicht mit der Besetzung, die die Wohn- und Betreuungsaufsicht zurzeit hat, und deshalb haben wir auch gleichzeitig einen Änderungsantrag für den Haushalt gestellt, in dem wir zehn Stellen vorgesehen haben, damit die Wohn- und Betreuungsaufsicht diese Aufgaben auch tatsächlich wahrnehmen kann.

(Beifall DIE LINKE)

Der nächste Punkt, der natürlich auch ganz wichtig ist, Frau Grönert hat das ebenfalls erwähnt, also sind wir mit der CDU in einigen Punkten wirklich sehr einig, was nichts

Schlechtes ist: Man muss deutlich sagen, dass auch endlich die Mitbestimmung und die Möglichkeit der Heimbeiräte und der Bewohner, sich zu organisieren und ihre Interessen gegenüber einer Heimleitung zur Geltung zu bringen, gestärkt werden müssen.

(Beifall DIE LINKE)

Da ist es wieder so, dass es in dem Gesetz vorkommt, aber wie kommt es vor? Es kommt als Mitwirkung vor. Wir sagen, Mitwirkung ist zu wenig, wir wollen Mitbestimmung! Mitbestimmung für die Heimbeiräte, damit sie auch wirklich ihre Interessen gegenüber der Heimleitung durchsetzen können!

(Beifall DIE LINKE)

Die CDU hat so ähnliche Punkte, da sind wir gemeinsam der Auffassung, dass das so geht, das ist der nächste Punkt.

Dann sind wir wieder einmal beim Personal, wie so oft im sozialen Bereich. Es geht darum, wie der Nachtdienst besetzt sein soll, darüber gab es große Diskussionen. Wir haben uns natürlich dem neuen Slogan von ver.di angeschlossen, er lautet „Keine Nacht alleine!“. Es kann nicht sein, dass man in die Personalverordnung zunächst nur eine examinierte Kraft für 50 Bewohnerinnen und Bewohner hineingeschrieben hat. Das ist unmöglich, das geht nicht!

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Jetzt sind Sie alle so ein bisschen hin und her geschaukelt, denn die Verbände, die sozialen Träger, alle haben sich dagegen gewendet. Es ist irgendwie herausgekommen, dass wir noch einmal so einen kleinen Änderungsantrag bekommen haben, in dem 1 zu 40 steht, aber das soll auch nicht ab sofort gelten, sondern erst später. Ich finde, wie so oft an dieser Stelle, was Rot-Grün hier veranstaltet, ist meistens oder immer zu spät, und es ist zu wenig.

(Beifall DIE LINKE)

Nun gut, für die Erklärung, wie wir mit dieser Flut von Anträgen und diesen verwirrenden Sachen umgehen, komme ich gleich in der zweiten Runde noch einmal wieder. - Danke!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich

Landtag 4044 52. Sitzung/09.11.17

direkt zum Wohn- und Betreuungsgesetz etwas sage, lassen Sie mich einmal über ein Gespräch berichten, das ich in einer Einrichtung in Bremerhaven mit einer Leitung der Einrichtung geführt habe! Die AWO führt ein Altenwohnheim, und dessen Leitung hat mir versichert, dass es für ihre Mitarbeiterinnen einer der schlimmsten Zustände ist, dass immer nur über die Krisen, die Fehler und Mängel in dem Bereich gesprochen wird, aber ihre wirklich sehr gute Arbeit nicht anerkannt wird. Ich habe dieser Frau gesagt, nein, wir erkennen diejenigen, die gute Arbeit in der Altenpflege leisten, sehr wohl an, und ich werde das hier auch so zum Ausdruck bringen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Es kann nicht sein, dass man aufgrund von Missständen, die es wahrlich auch zur Genüge gibt, das ist keine Frage, nicht diejenigen benennt, die es ordentlich, gut und richtig machen!

Lassen Sie mich jetzt einmal ein paar Punkte aus den Zielen des Gesetzes vortragen! Dort heißt es in Absatz 2: „Die Leistungsanbieter und die zuständige Behörde haben insbesondere die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer auf Wahrung ihrer Würde, ihrer körperlichen und seelischen Unversehrtheit, Selbstbestimmung, Selbstständigkeit, Selbstverantwortung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, Selbstverantwortung am Lebensende und ein Sterben in Würde, Wahrnehmung ihres Wunsch- und Wahlrechts, Berücksichtigung ihrer kulturellen, religiösen und sprachlichen Herkunft sowie ihrer sexuellen Identität, Ermöglichung, Förderung und Unterstützung einer individuellen Lebensgestaltung unter Sicherung der Privatsphäre und der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, Stärkung ihrer Stellung als Verbraucherinnen und Verbraucher zu achten.“ Allein diese Auflistung dessen, was dieses Gesetz leisten soll, macht schon deutlich, wie kompliziert es ist.

Erstens ist es natürlich so, dass der Weg in ein Heim angstbesetzt ist. Ich persönlich möchte, dass wir dahin kommen, dass die Heime allesamt so gut sind, dass niemand Angst davor haben muss, in eine solche Einrichtung zu gehen. Es kann im Übrigen sein, dass manch ein Angehöriger gar nicht in der Lage ist, die Pflege zu Hause oder wie auch immer in Eigenarbeit zu leisten, und dann muss man das Gefühl haben, wenn man seinen Angehörigen in solch ein Heim gibt, dass das Familienmitglied dort gut und ordentlich aufgehoben ist. Dieser Versuch, das mit einem Gesetz zu regeln, ist genau das, was uns hier jetzt vorliegt.

Wir haben als Allererstes immer wieder nur Kritik gehört. Dass wir die ambulante Pflege zusätzlich kontrollieren, ist im Übrigen nicht so einfach, wie es sich der eine oder die andere einmal eben so vorstellt. Erstens gibt es dort Datenschutzgründe, zweitens Persönlichkeitsrechte, und drittens muss man auch immer mit denen reden, die kontrolliert werden, und sie müssen einverstanden sein. Dass wir mit diesem Gesetz aber einen Einschnitt, also einen Einstieg in genau diese Kontrolle erreichen, halte ich, ehrlich gesagt, für ausgesprochen positiv.

Im Übrigen, zum Thema kultursensibler Umgang mit den Bewohnerinnen und Bewohnern: Natürlich kommen jetzt immer mehr Migrantinnen und Migranten auch in die Situation, in Altenheime zu gehen, und natürlich ist es richtig, genau da auch darauf zu achten, denn kultursensibel bedeutet genau dies, nämlich auch diesen Menschen eine vernünftige Betreuung in den Einrichtungen zu vermitteln.

Zur Aussage, es wäre nicht öffentlich transparent diskutiert worden: Sowohl der Landesbehindertenbeauftragte als auch die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste, die Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen, der Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe, die Seniorenvertretung Bremen, die Arbeitsgemeinschaft der Pflegeverbände im Lande Bremen, die Gewerkschaft ver.di, die Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassenverbände im Lande Bremen, die Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe behinderter Menschen e. V. und der Sozialverband Deutschland, alle sind gehört worden. Es ist nicht irgendwie hinter verschlossenen Türen verhandelt worden, sondern es hat eine breite öffentliche Diskussion und Beteiligung gegeben.

Mit Verlaub, ich glaube, man kann immer sagen, es gibt noch Verbesserungsvorschläge, aber wenn wir diesen Gesetzentwurf jetzt beschließen, dann gehen wir einen Weg in die richtige Richtung. Ich bin fest davon überzeugt, dass es in den nächsten Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten eine der größten sozialpolitischen Herausforderungen bleiben wird, die Pflege zu organisieren. Das wird eine Mammutaufgabe.

Ich gebe Herrn Erlanson insofern recht: Auch mich stört es sehr, wenn ich im Internet richtig gute Angebote für ein Investment in Pflegeimmobilien finde, bei denen einem eine Rendite von fünf Prozent versprochen wird mit dem Hinweis, dass ja 300 000 Plätze in dieser Republik fehlen und man damit langfristig richtig

Landtag 4045 52. Sitzung/09.11.17

Geld verdienen kann. Das macht mir natürlich Sorgen, denn das ist eine Rendite, die am Ende natürlich jeweils den Heimen auf Kosten der Pflegestandards verloren geht. Insofern wird man künftig darüber nachdenken müssen, ob man diese Geschäftsmodelle in der extremen Form zulässt.

Herr Buhlert, Sie haben irgendwann einmal gesagt, es wäre ja nichts Schlechtes, wenn man in dem Bereich auch Geld verdienen kann. Das habe ich irgendwie so verstanden -. Auch meiner Meinung nach ist das in Ordnung, aber es gibt irgendwie auch so ein Limit, bei dem man sagt, da fängt es an, unanständig zu werden. Wenn sich dann am Ende des Tages Hedgefonds im Prinzip an solchen Einrichtungen beteiligen, denen es absolut egal ist, was da in den Einrichtungen passiert, und nur noch darauf geschaut wird, dass die Rendite stimmt, wenn man das zulässt und sich das ausweiten lässt, dann muss man sich nicht wundern, dass das auf Kosten der Pflege geht.

Ich glaube, wir brauchen eine unglaublich starke und intensive Offensive, indem man klarmacht, dass dieser Beruf ein ehrbarer Beruf ist und auch Spaß machen kann und dass man nicht nur in Sack und Asche gehen muss. Das ist die eine Seite, zu versuchen, mehr Personal zu bekommen. Das heißt natürlich, dass die Arbeitsbedingungen besser sein müssen, das ist für mich auch gar keine Frage, und wir gehen die ersten Schritte ja jetzt sehr deutlich in die Richtung.

Der zweite Punkt ist aber, dass man das Beschwerdemanagement so ernst nimmt, wie es nur irgend geht. Auch mich erreichen viele Anrufe von Angehörigen, die der Meinung sind - ob zu Recht oder zu Unrecht, das kann ich im Einzelnen im Detail gar nicht prüfen -, aber wenn nur die Hälfte von dem stimmt, dann gibt es in einigen Einrichtungen skandalöse Missstände. Diese müssen abgestellt werden, und da muss meiner Meinung nach die Heimaufsicht tatsächlich gestärkt werden und richtig, dann gelegentlich auch einmal unangemeldet in die Einrichtung gehen.

Wer aber sagt, dass eine Beratung bei Missständen nicht richtig sei, der verkennt, dass es auch wenig Sinn macht, eine Einrichtung mit Bewohnern dann einmal eben so aus der Lamäng zu schließen. Ich finde, wir sollten den Weg gehen, dass eine Beratung stattfindet und man versucht, die Missstände abzustellen. Wenn das dann nicht funktioniert, dann muss in der Tat das Ordnungsrecht voll durchschlagen, und dann muss man im Zweifel solche Einrichtungen auch schließen. Das ist wohl richtig; aber nicht im ersten Schritt, sondern im

Endergebnis, und man sollte versuchen, die Einrichtung zu erhalten, so gut es geht.

(Abg. Frau Grönert [CDU]: Wie lange soll das gehen?)

Das hängt ein bisschen davon ab! Man kann ja auch schrittweise vorgehen, das ist ja in einigen Einrichtungen passiert. Da wird dann zum Beispiel gesagt, es gibt jetzt erst einmal einen Aufnahmestopp, damit sie nicht noch mehr Bewohner aufnehmen dürfen. Frau Grönert, Ihre kleine Welt ist manchmal wirklich erstaunlich klein.

(Abg. Bensch [CDU]: Oh!)

Einfach zu fragen, wie lange denn: Das sind Prozesse. Das ist unterschiedlich, jedes Heim ist unterschiedlich, und ich würde mich da auch überhaupt nicht festlegen wollen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Es kommt letztlich darauf an, die Heime so auszustatten, dass sie funktionieren und unserem Gesetz entsprechend arbeiten, und Sie kommen immer mit Ihrer Frage, wie lange es dauern soll.

(Zuruf Abg. Frau Ahrens [CDU])

Das macht überhaupt keinen Sinn! Immer so schnell wie möglich und so gut es geht! Letztlich möchte ich Sie einmal vor einer Einrichtung stehen sehen, bei der dann die älteren Menschen in andere Einrichtungen transportiert werden müssen, wenn sie dann mit Tränen in den Augen vor dieser Einrichtung stehen. Das haben wir auch schon alles erlebt. Deswegen sage ich, sehr sorgfältig beraten und sehr zügig und sehr gründlich, und natürlich auch Konsequenzen ziehen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit diesem Gesamtkonzept in der Richtung positiv vorankommen können.

Die Antragsflut ist ein bisschen durchmischt, das sehe ich auch so. Ich will noch einmal sagen, warum wir den Änderungsantrag zu dem der CDU eingereicht haben. Ich war der felsenfesten Überzeugung, dass man mit dem, wie es im Entwurf stand, die deutliche Absicht verkündet hat, dass wir den Schlüssel von 1 zu 40 haben wollen. Mir haben viele gesagt, nein, das ist nicht so klar, ob ihr das am Ende wirklich wollt, und ob ihr das eigentlich ernst meint. Wir haben das von Anfang an ernst gemeint. Sowohl die Grünen als auch die Roten haben von Anfang an gesagt, wir wollen diesen Schlüssel auch. Jetzt haben Sie den Vorschlag gemacht, Frau Grönert, und wir sagen jetzt,

Landtag 4046 52. Sitzung/09.11.17

okay, dann nehmen wir das an dem Punkt auf. Vielen Dank dafür, dass es dann jetzt vielleicht deutlicher, konsequenter und in dem Sinne darinsteht, wie wir es wollen!

Man muss aber auch nicht glauben, dass das schon das Ende der Auseinandersetzungen für die nächsten Jahre wäre, sondern das ist jetzt, wie ich finde, ein Schritt in die richtige Richtung. - In diesem Sinne bedanke ich mich einstweilen für die Aufmerksamkeit!