Protocol of the Session on November 9, 2017

Änderungsantrag der Fraktion der CDU vom 7. November 2017 (Drucksache 19/1287)

sowie

Personalverordnung zum Bremischen Wohn- und Betreuungsgesetz (Brem- WoBeG) überarbeiten! Antrag der Fraktion der CDU vom 7. November 2017 (Drucksache 19/1288)

dazu

Änderungsantrag der Fraktion der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 9. November 2017 (Drucksache 19/1355)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Fries.

Meine Damen und Herren, der Antrag der Fraktion der CDU „Bewohnerbeiräte in Alten- und Pflegeeinrichtungen stärken!“ vom 25. Oktober 2016 mit der Drucksachen-Nummer 19/784 ist von der Bürgerschaft (Landtag) in ihrer 33. Sitzung am 14. Dezember 2016 zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Soziales, Jugend und Integration überwiesen worden. Diese Deputation legt nun mit der Drucksachen-Nummer 19/1123 ihren Bericht dazu vor.

Wir kommen zugleich zur ersten Lesung der Gesetzesvorlage.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Grönert.

) Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! „Was lange währt, wird endlich gut“, das ist ein Spruch, der sich aber nicht immer bewahrheitet. Der vorgelegte Gesetzentwurf kommt spät, er hat aber trotzdem noch viele Lücken, und so manche Neuerung entpuppt sich bei genauerem Hinsehen ganz schnell als Windei.

Ja, man durfte sich auch im Vorfeld äußern, doch unter Beteiligung verstehe ich etwas anderes als nur die Möglichkeit, etwas sagen zu dürfen, was dann aber wie ein Ball von der Wand abprallt.

Wir haben im letzten Jahr auch mehrere Anträge zu dem Gesetz eingebracht, aber diese wurden allesamt abgelehnt. Sogar eine erneute Befristung des Gesetzes und eine Evaluation nach einigen Jahren lehnt die Senatorin kategorisch ab, und ich will somit gleich am Anfang deutlich sagen, dass wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen werden.

(Beifall CDU)

Dieses Gesetz wird maßgeblich über das Wohl und Wehe von Menschen entscheiden, die aufgrund ihres Alters, einer Erkrankung oder Behinderung in vielen Lebensbereichen nicht mehr ohne Hilfe zurechtkommen. Ich möchte deshalb, dass dieses Gesetz so gut wie möglich aufgestellt ist, und ich finde, da geht auch noch etwas.

Etliche Passagen scheinen jedenfalls nur im Gesetz zu stehen, um die Leser zu beruhigen. Sie bleiben beim genaueren Lesen blumig und wolkig und sind kaum zu greifen. So versucht die Senatorin zum Beispiel, die ausbleibende Kontrolle von ambulanten Pflegediensten, egal wo sie tätig sind, zu kaschieren, indem sie auf eine sogenannte Neuerung im Gesetz verweist.

Die Wohn- und Betreuungsaufsicht wird ab jetzt auch für Privatpersonen Ansprech- und vor allen Dingen Vermittlungspartner bei Problemen mit ambulanten Pflegediensten sein. Kunden von ambulanten Pflegediensten aus dem häuslichen Bereich und ihre Angehörigen dürfen sich ab dem 1. Januar 2018 bei Problemen an die Wohn- und Betreuungsaufsicht wenden, und dann sagt man ihnen dort, an wen sie sich richtigerweise wenden sollten. Das ist aber für mich keine Neuerung, das war schon immer so, und es ist absolut selbstverständlich, wenn sich jemand an mich wendet, für den ich nicht zuständig bin, dass ich ihm sage, an wen er sich richtigerweise wenden sollte.

Landtag 4041 52. Sitzung/09.11.17

(Beifall CDU)

Die CDU-Fraktion fordert dagegen weiterhin, so, wie wir es schon mit dem Antrag gemacht haben, dass alle ambulanten Pflegedienste von der Wohn- und Betreuungsaufsicht kontrolliert werden.

Nun zum verbesserten Gewaltschutz in Einrichtungen! Ja, es steht im Gesetz, dass die Pflegeeinrichtungen ein Gewaltschutzkonzept erarbeiten sollen, aber zu welchem Termin? Dazu steht dort kein Wort. Das bedeutet doch dann aber ganz praktisch, dass die Erstellung eines solchen Konzepts sehr lange hinausgeschoben werden kann. Zudem stellt sich auch noch die Frage, wie sinnvoll es ist, jede einzelne Einrichtung mit ihrem Bewohnerbeirat ein eigenes Konzept erarbeiten zu lassen. Wäre es nicht viel schlauer, wenn ein übergeordnetes Gremium zusammen mit Vertretern der Einrichtungen ein Gewaltschutzkonzept erarbeitet, das dann für alle Einrichtungen gleichermaßen gilt? Solch ein übergeordnetes Gremium könnte zum Beispiel die ständige Konferenz aller Heimbeiräte sein, die sich mit vielen Fragen befassen und Lösungsvorschläge entwickeln könnte, doch der Senat lehnt auch die Einrichtung einer solchen Konferenz ab.

Auch die viel zitierte Neuerung, dass ambulanten Hospizdiensten ab jetzt der Zugang in eine Einrichtung ermöglicht werden soll, ist mir viel zu wenig. Jede Pflegeeinrichtung sollte doch nicht nur Zugänge ermöglichen, sondern auch aktiv den Kontakt mit Hospizdiensten und anderen Partnern suchen müssen. Zudem sollte Bewohnern auf jeden Fall die Möglichkeit einer Versorgungsplanung nach dem SGB V angeboten werden. Nicht jedem älteren oder kranken Menschen fällt es leicht, eine Vorstellung der für ihn möglichen Versorgung in der letzten Lebensphase zu entwickeln und sogar Wünsche zu äußern. Deshalb ist es wichtig, immer wieder das Gespräch mit den Bewohnern zu suchen.

Natürlich müssen Heimbewohner dann auch bei ihren Mitbewohnern sehen und erleben, dass man sich darauf verlassen kann, dass später wirklich nach ihren geäußerten Vorstellungen und Wünschen gehandelt wird. Dass Menschen in Pflegeeinrichtungen einen einsamen Tod sterben, darf nicht so bleiben, und ich bin dankbar für jede Einrichtung, in der man es bereits heute anders macht.

(Beifall CDU)

Es gibt aber auch noch andere weitere kritische oder fragwürdige Punkte. Vor ungefähr drei Jahren sorgte ein Todesfall im Service

Wohnen für viel Aufsehen: Eine Bewohnerin lag tagelang unbemerkt tot in ihrer Wohnung. Im Anschluss entbrannte dann die Diskussion um die Frage, welchen Service Menschen, die die Möglichkeit des Service-Wohnens nutzen, eigentlich brauchen und wollen. Um solche Fälle zukünftig zu verhindern, wird jetzt Folgendes im Gesetz stehen: „Anbieter sollen sich in regelmäßigen Nachfragen per Telefon oder auf anderem Wege nach dem Wohlergehen der Nutzer und Nutzerinnen erkundigen.“ Aber was soll denn „regelmäßig“ bedeuten? Einmal im Jahr, einmal im Monat oder alle zwei Stunden? Damit das nicht jeder Anbieter für sich selbst entscheidet und womöglich unter regelmäßig nur einmal im Monat versteht, fordern wir, „ regelmäßig“ durch „täglich“ zu ersetzen. So eine tägliche Kontaktaufnahme sollte man Bewohnern aber auf jeden Fall anbieten, und je nach Wunsch können ausgehend davon selbstverständlich auch längere Abstände vereinbart werden. Doch nicht einmal diesen Punkt will die Senatorin konkreter formulieren. Das waren jetzt nur einige Beispiele aus dem Gesetz.

Ich will auch noch ein paar Sätze zur Personalausstattung der Wohn- und Betreuungsaufsicht sagen! Natürlich muss man diese auch mit wachsenden Aufgaben aufstocken, aber man könnte dem Personal auch schon einmal etwas mehr Zeit verschaffen, wenn man die Beratung der Einrichtungen bei Pflegemängeln nicht endlos, sondern nur noch ungefähr auf ein halbes Jahr begrenzt durchführen würde. Wenn sich die Situation in einem Haus dann noch nicht ausreichend verbessert hat, sollte sich die Einrichtung Beratung von außen holen müssen.

Uns sind natürlich noch weitere Punkte wichtig, zum Beispiel die zügige Veröffentlichung der Prüfberichte, und für die Bewohnerbeiräte muss konsequenter darauf geachtet werden, dass sie auch die nötigen Fortbildungen bekommen. Auch zu den selbstverantworteten Wohngemeinschaften gäbe es noch Wichtiges zu sagen, aber ich möchte ja jetzt natürlich auch noch zur umstrittenen Personalverordnung kommen, die heute zusammen mit dem Gesetz auf den Weg gebracht wird. Unser Antrag dazu liegt bereits allen vor.

Da viele Bewohner in den Einrichtungen immer älter und hinfälliger sind als früher, wird eine Verbesserung der nächtlichen Personalquote von 1 zu 50 schon lange diskutiert. In vielen Einrichtungen ist es nachts für Pflegekräfte und Bewohner oft eine übergroße Herausforderung, Problemsituationen zu meistern, und auf der Strecke bleiben neben dem Personal

Landtag 4042 52. Sitzung/09.11.17

dann oftmals notgedrungen gerade die Schwächsten.

Die Sozialsenatorin hatte etliche Jahre Zeit, mit den Kostenträgern und den Leistungserbringern die nötigen Verhandlungen für einen besseren Personalschlüssel zu führen, die anstehende Novellierung dieses Gesetzes war ja schließlich auch kein Geheimnis. Stattdessen müssen wir uns von den potenziellen Gesprächspartnern der Senatorin anhören, dass es diesbezüglich überhaupt keine Gespräche gegeben hat. Es wäre aber ein so gutes Signal gewesen, schon heute zumindest den Personalschlüssel von eins zu 40 direkt in die Personalverordnung aufzunehmen und diese Verordnung dann zu befristen, um möglichst zeitnah zu weiteren Verbesserungen in Richtung eines Personalschlüssels von eins zu 30 nachts und natürlich perspektivisch auch dringend im Tagdienst zu kommen.

Darüber wurde in den letzten Monaten auch öffentlich viel gestritten, und die Senatorin versuchte vor einigen Wochen schließlich noch einen Geniestreich: Sie legte der Sozialdeputation ein Vorwort zur Personalverordnung mit folgendem Inhalt vor: „Im Jahr 2020“ - wer weiß, ob die Grünen dann überhaupt noch mitregieren! - „soll im Rahmen einer Novellierung der Personalverordnung überprüft werden, inwieweit sich die Verhandlungen über die Landesrahmenverträge auf die Präsenz der Nachtwachen positiv ausgewirkt hat. Zu diesem Zeitpunkt soll die Personalrelation in der Nacht mindestens 1 zu 40 betragen.“ Dieser Personalschlüssel soll in der Novellierung der Personalverordnung dann also auch erst im Jahr 2020 festgeschrieben werden. Aber was war das für ein unglaublicher Versuch? Glaubt die Senatorin denn tatsächlich, dass so ein Vorwort zur Personalverordnung aus einer Deputationsvorlage im Jahr 2020 für irgendjemanden auch nur den Hauch eines bindenden Charakters hätte? Man kann doch die Befristung samt Novellierung nicht in einem Vorwort ankündigen, ohne das auch in die Verordnung hineinzuschreiben!

(Beifall CDU)

Ich habe ja eben schon gesagt, die Senatorin versuchte einen Geniestreich, aber heraus kam eher ein kostenfreies Theaterstück, das uns die Koalition da geliefert hat.

(Beifall CDU)

Doch dieses Theaterstück ist ja noch nicht zu Ende, und dem Spruch „Was lange währt, wird endlich gut“ soll nun doch noch halbwegs Geltung verschafft werden. Heute Morgen hat die

Koalition einen Änderungsantrag zu unserem Antrag zur Personalverordnung vorgelegt,

(Abg. Bensch [CDU]: Eben gerade!)

mit dem sie uns in beinahe allen Punkten zustimmt. Bis zum 1. April 2019 soll ein Personalschlüssel von 1 zu 40 installiert und vorgeschrieben werden. Dazu ist die Personalverordnung auf fünf Jahre - wir hatten zwar vier Jahre vorgeschlagen, aber in Ordnung! - zu befristen und durch externe Gutachter zu evaluieren. Das hat uns sehr überrascht, aber natürlich freut es uns auch, dass Sie unserem Antrag jetzt quasi zustimmen.

(Beifall CDU)

Am Wohn- und Betreuungsgesetz wird allerdings nichts geändert, sodass wir diesem auch nach wie vor nicht zustimmen werden. Wenn die Senatorin wirklich Interesse daran hätte, sich mit all den dort aufkommenden Fragen ernsthaft zu befassen, würde sie auch das Gesetz nur befristet auf den Weg bringen.

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kollegen und Kolleginnen! Wir debattieren heute über das Wohn- und Betreuungsgesetz. Lassen Sie mich zu Anfang noch ein paar Worte über die Wichtigkeit verlieren, denn ich glaube, dass eine Novellierung des Wohn- und Betreuungsgesetzes jetzt dringend notwendig ist.

Wir haben zweierlei zu beachten. Auf der einen Seite haben wir die hier schon öfter diskutierte älter werdende Gesellschaft. Viel mehr Menschen werden wahrscheinlich nicht, wie sie es manchmal wollen, bis zum Ende ihrer Tage in ihrer Familie versorgt werden, sondern in Altenheimen untergebracht. Das ist der eine Aspekt, den es gibt.

Der andere Aspekt ist, als Linke müssen wir doch deutlich sagen: Wir leben nicht irgendwo, sondern wir leben im Kapitalismus, und das bedeutet leider auch immer stärker zunehmend, dass der soziale Bereich mit einer Gewinnerzielungsabsicht überzogen wird.

(Beifall DIE LINKE)

Genau das passiert zurzeit im Grunde genommen auch bei den Altenheimen.

Landtag 4043 52. Sitzung/09.11.17

Wenn man sich die Statistik anschaut, sind mittlerweile über 50 Prozent der Altenheime in privater Hand. Der Anteil der großen Einrichtungen, wie Caritas und so weiter, sowie der Freigemeinnützigen geht zurück, und der Anteil der kommunalen Altenheime liegt sowieso schon nur noch unter fünf Prozent. Das heißt, wir haben da einen riesigen Markt, auf dem Gewinne erzielt werden, und zwar in einem nicht unerheblichen Umfang. Deshalb, sage ich, muss es so etwas wie ein gutes und auch strenges Wohn- und Betreuungsgesetz geben, damit es da eine Aufsichtsfunktion gibt und alles mit rechten Dingen zugeht.