Protocol of the Session on November 8, 2017

Sehr geehrte Damen und Herren! Alle meine Vorredner und Vorrednerinnen haben bestätigt, dass wir ausreichend gute Angebote für die stationäre ebenso wie für die ambulante Versorgung von unheilbar erkrankten Menschen in der letzten Lebensphase brauchen. Das wird sich aber nicht von allein zurechtruckeln.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Ja! Das ist doch so!)

Gute und bedarfsgerechte Versorgung muss nicht nur politisch gewollt, sondern auch gefördert, begleitet und unterstützt werden. Niemand kann medizinische Wunder vollbringen. Wir können aber für ein System aus liebevoller Versorgung und guter schmerzlindernder Begleitung sorgen.

Gerade in den Pflegeheimen ist Sterbebegleitung immer noch ein wunder Punkt, obwohl sie verpflichtender Bestandteil des SGB XI ist. Auch hier hat der Senat keinen Überblick über die aktuelle Situation. Er weiß nicht, was in den Pflegeheimen passiert. Das, was dazu demnächst im Wohn- und Betreuungsgesetz stehen soll, ist zwar nett, Frau Görgü-Philipp, jedoch in einer solchen Gummiband-Mentalität niedergeschrieben, dass nicht nur ich mich frage, wie die Heimaufsicht jemals etwas überprüfen oder gar einfordern will.

Das SGB XI ist ein Gesetz und nicht nur eine Empfehlung. Bislang sind die Einrichtungen trotzdem aus dem Schneider, wenn sie mündlich bekunden, dass sie sich bemühen oder an der Umsetzung arbeiten. Das ist zum Nachteil der Betroffenen. Da darf man nicht wegschauen.

Meine geballte Kritik an dem Senat soll jetzt allerdings nicht den Eindruck vermitteln, dass ich nicht wüsste, dass sich in Bremen auch in den Pflegeheimen viele Menschen von ganzem Herzen dafür einsetzen, sterbenden Menschen die letzte Lebensphase so schön und würdevoll wie möglich zu gestalten. Wer das wie auch ich einmal erleben durfte, weiß, wie wichtig und gut das für den sterbenden Menschen ebenso wie für die Angehörigen und Freunde ist.

(Beifall CDU)

Ich bin auch der festen Überzeugung, dass der Ruf nach aktiver Sterbehilfe sehr viel leiser wäre, wenn alle Menschen wüssten, dass sie im Krankheitsfall nicht alleine dastehen, sondern gut begleitet und versorgt werden. Auch deshalb ist mir der bedarfsgerechte Ausbau des Systems so wichtig. Ich erwarte, dass entschlossen und ausdauernd für Verbesserungen gekämpft wird.

Ich sehe das hier in Bremen aber nicht so. Ich sehe bislang eher ein Schönreden, Verdrängen und Laufenlassen. Das klingt immer noch, obwohl heute auch andere Sätze gesagt wurden, relativ perspektivlos und hilft letztlich niemandem.

Daher haben wir zu diesem Thema auch einen Antrag eingebracht. Erstens möchten wir, dass der Senat einen Vorschlag vorlegt, wie der tatsächliche Bedarf für die stationäre Hospiz- und Palliativversorgung und für die Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung, die SAPV, für Bremen ermittelt werden soll. Nur so lässt sich das Versorgungssystem am Ende bedarfsgerecht ausbauen. Die zweite Möglichkeit wäre, dass man einfach baut.

Zweitens soll sich der Senat dafür einsetzen, dass die Studie zur Erfassung der Situation der hospizlich-palliativen Versorgung in Bremer Einrichtungen der Altenpflege als ein erster Schritt doch noch durchgeführt wird. Es soll auch sichergestellt werden, dass den Bewohnern von Pflegeeinrichtungen im Sinne des SGB XI eine gesundheitliche Versorgungsplanung angeboten wird. Darin soll möglichst individuell die gewünschte hospizliche Begleitung und medizinische Betreuung bis zum Lebensende festgehalten werden. Das wiederum müsste sich dann aber auch im Wohn- und Betreuungsgesetz wiederfinden, sodass die Umsetzung nach SGB XI in Pflegeeinrichtungen wenigstens teilweise überprüfbar wird.

Wir haben das auch in unseren Änderungsantrag mit aufgenommen, den wir für die morgige Diskussion zum Wohn- und Betreuungsgesetz gestellt haben.

Landtag 3963 51. Sitzung/8.11.17

Zu guter Letzt soll der Senat dafür Sorge tragen, dass anspruchsberechtigte Menschen, die keinen Platz in einem stationären Hospiz oder auf einer Palliativstation bekommen, alternativ nur noch auf Kurzzeitpflegeplätze mit gesicherter palliativmedizinischer und hospizlicher Versorgung verlegt werden dürfen.

Wir haben gehofft, dass Sie unserem Antrag zustimmen, doch die Koalition will ihn leider nur an die Sozialdeputation überweisen. Durch die Überweisung verzögern Sie aber die Versorgung der Anspruchsberechtigten, zu denen wir demnächst auch gehören könnten, erneut und immer weiter nach hinten. Das halte ich nicht für nachvollziehbar und für eine Politik auf dem Rücken der Schwächsten.

(Beifall CDU, FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kollegen! Nun also zum Zweiten.

Der Kurzzeit- oder Verhinderungspflege, die meistens Altenheimen angegliedert ist, in denen der Personalbesatz normalerweise der Pflegestufe 1 entspricht, auch noch - ich muss das jetzt einmal so respektlos sagen - Sterbende aufzudrücken, ist keine gute Idee. Das funktioniert nicht. Dass das die normale Stammbesetzung leisten kann, ist illusorisch.

Jetzt möchte ich noch einmal etwas zu dem Stand in Bremen sagen. Das ist ja auch eine Frage. Aus allen möglichen Statistiken, die es gibt und die auch anerkannt sind, wird deutlich, dass es in Bremen auf Palliativstationen pro eine Million Einwohner 33 Betten gibt. Bundesweit sind es 30. Damit liegt Bremen im Ranking auf Platz sechs, also eigentlich gar nicht so schlecht. Hier sind es pro eine Million Einwohner sogar drei Betten mehr als im Durchschnitt.

Bei den stationären Betten in Hospizen beträgt der Durchschnitt pro eine Million Einwohnerinnen und Einwohner 27, in Bremen 24. Hier verzeichnen wir ein leichtes Minus.

In Hospizen und Palliativstationen zusammen sind es deutschlandweit im Durchschnitt 60 Betten und in Bremen 58. Damit sind wir im Ranking auf Platz acht. Das ist nicht gut, aber auch nicht völlig schlecht.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Das ist der Durch- schnitt! Die Frage ist doch: Was ist der Bedarf?)

Lass mich doch ausreden! - Das ist die momentane Situation. Die große Krux beim Bedarf ist, dass wir eine gesellschaftliche Situation haben, in der sich das Bewusstsein der Menschen darüber, ob sie zu Hause sterben wollen oder ob sie gern in ein Hospiz oder auf eine Palliativstation gehen würden, permanent ändert. In dieser sich permanent ändernden Bewusstseinsstruktur Bedarfe zu ermitteln, ist zugegebenermaßen nicht einfach. Das kann man nicht am Schreibtisch machen. Dafür muss man sicherlich sehr viele quantitative Befragungen durchführen. Das wird schwierig, ist aber möglich.

Wir werden als LINKE den Anträgen der CDU zustimmen, weil wir der Meinung sind, dass eine Planung nötig und möglich ist. Es wird schwierig werden, aber man kann es tun.

(Glocke)

Ich bin der Meinung, es ist gegenüber den Menschen unverantwortlich, wenn man das nicht macht. Im Sinne der zu versorgenden Menschen halte ich es für unverantwortlich, sich einfach, wie es der Senat momentan macht, wegzuducken und zu sagen, man könne das nicht machen. - Danke!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Görgü-Philipp.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Anzahl der Personen auf der Warteliste schwankt bei dem hospiz:brücke zwischen 5 und 20. Rund ein Drittel wird aufgenommen, ein weiteres Drittel sagt ab, und ein Drittel verstirbt während der Wartezeit. Für uns Grüne ist klar: Solange Menschen während der Wartezeiten versterben, gibt es einen zusätzlichen Bedarf an Hospizplätzen, die wohnortnah sind. Der Fraktion der Grünen ist es ein großes Anliegen, dass dieser Bedarf künftig in ganz Bremen gedeckt ist. Niemand sollte allein oder ohne angemessene Versorgung sterben müssen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam in der Sozialdeputation beraten, wie wir diesem wichtigen Ziel weiter näher kommen. Wir teilen das Anliegen des CDU-Antrags und sehen auch einen großen Klärungsbedarf. Warum ist nicht wenigstens eine grobe Schätzung der Kosten einer wissenschaftlichen Bedarfsplanung möglich? Was konkret ist aus welchen Gründen an der Bedarfsplanung in NordrheinWestfalen kritikwürdig? Die Studie aus Nordrhein-Westfalen befasst sich intensiv mit den

Landtag 3964 51. Sitzung/8.11.17

Bedarfen im ländlichen und städtischen Raum. Sie berücksichtigt die Unterschiede zwischen Stadt und Land und zwischen unterschiedlich großen Städten. In Nordrhein-Westfalen gibt es durchaus Städte, die hinsichtlich Größe und Einzugsgebiet mit Bremen beziehungsweise Bremerhaven vergleichbar sind. Ich denke, wir werden in der Sozialdeputation noch einiges zu diskutieren haben.

Nun möchte ich mit einem Zitat eines Gasts im hospiz:brücke schließen. Er sagte: „Das Leben ist nicht leicht. Das Sterben ist auch nicht leicht.“ - Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Fries.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde es gut, dass wir über ein so heikles Thema wie das Ende des Lebens und über die Frage, wie wir dieses gestalten, hier so sachlich, offen und enttabuisiert sprechen können. Ich halte die Entwicklung in diesem Bereich für außerordentlich wichtig. Sie ist aber auch extrem persönlich. Es ist zu fragen, in welchem Maße sich die Planung oder Prognose in eine Formel gießen lässt, da dies sehr von den individuellen Wünschen, dem Krankheitsbild und der familiären Situation abhängt und nicht immer völlig selbst zu gestalten ist.

Ich glaube, dass hier viel im Wandel ist und dass sich unsere Struktur weiterentwickeln muss. Ich warne aber davor, hier in dem Maße, wie es manchmal in der Debatte durchklang, schwarzzumalen. Ich bin Herrn Erlanson sehr dankbar, dass er mit Zahlen zur Objektivierung beigetragen hat, sowohl was die Wünsche der Betroffenen in einer Momentaufnahme als auch die vorhandenen Plätze angeht.

Zum einen ist bei der Platzzahl der Hospize eine Bewegung festzustellen. Die Gründung eines neuen Hospizes in Bremerhaven ist erwähnt worden. Auch im Bremer Süden gibt es eine Initiative, ein neues Hospiz mit acht weiteren Plätzen zu gründen. Hier gibt es also keinen Stillstand, sondern eine Entwicklung.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Zum anderen hat es auch mit Blick auf das Ende 2015 in Kraft getretene Hospiz- und Palliativgesetz des Bundes eine Bewegung insbesondere in den Pflege- und Wohnheimen gegeben, die sich nun stärker mit dieser Frage auseinandersetzen und in denen sich aus unserer

Sicht die Versorgungsstruktur schrittweise verbessert. Auch das hat aber nichts damit zu tun, nur in einem Punkt etwas umzustellen, sondern es hat viel mit den Menschen, die dort arbeiten, und mit ihrer Qualifikation, mit der Unterstützung und den Bedingungen zu tun, sodass wir uns hier in einem laufenden Prozess befinden.

Zu der Frage der Bedarfsplanung: Bremen, mein Ressort, lässt sich hierbei durch einen Runden Tisch, dem durchaus namhafte bundesweite Experten angehören, beraten. Dieser Runde Tisch ist an der Aufgabe, eine vernünftige Bedarfsplanung aufzustellen oder Anforderungen zu definieren, wie sie zu erstellen ist, bisher gescheitert. Wenn es in der Deputation gelingt, bessere Erkenntnisse als diese Experten zu gewinnen, bin ich für jede Debatte und für jeden Hinweis sehr dankbar.

Zu den konkreten Punkten des Antrags der CDU: Die Studie, von der Sie gesprochen haben, brauchen wir nicht auszuschreiben, weil sie inzwischen von der Hochschule Bremen durchgeführt wird. Bei Vergaben an die eigene Hochschule sind Ausschreibungen bekanntermaßen nicht erforderlich.

Die Frage, wie zweckgemäß die Regelungen im Wohn- und Betreuungsgesetz sind, werden wir morgen noch ausführlich diskutieren. Aus unserer Sicht sind sie ein großer Schritt, um mehr Transparenz zu schaffen und die Entwicklung, die viele Pflegeeinrichtungen begonnen haben, weiter zu unterstützen.

Ich freue mich auf eine interessante Debatte in der Sozialdeputation und hoffe, dass wir uns hier in der Strukturentwicklung weiterentwickeln.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es ist Überweisung zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Soziales, Jugend und Integration beantragt.