Protocol of the Session on November 8, 2017

Es ist Überweisung zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Soziales, Jugend und Integration beantragt.

Wer der Überweisung des Antrags der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 19/1248 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Landtag 3965 51. Sitzung/8.11.17

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt die Überweisung dieses Antrags entsprechend.

(Einstimmig)

Todesstrafe bekämpfen - Bremen für Menschenrechte, Frieden und Toleranz! Antrag der Fraktionen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen, der CDU, DIE LINKE und der FDP vom 7. November 2017 (Drucksache 19/1345)

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Müller.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auf Initiative von Antje Grotheer liegt uns ein interfraktioneller Antrag vor, der sich wieder deutlich gegen die Todesstrafe beziehungsweise für die Abschaffung der Todesstrafe einsetzt.

Dieser Antrag soll eigentlich ohne Debatte beschlossen werden. Ich bin aber als Vorsitzende des Ausschusses für Europa und internationale Angelegenheiten gebeten worden, etwas dazu zu sagen.

Die Bremische Bürgerschaft - Sie hatten auch Informationsblätter von Amnesty International in Ihren Fächern - beteiligt sich seit 2009 jedes Jahr an der Aktion „Cities for Life“. Heute findet diese Aktion um 13 Uhr, in der Mittagspause, statt, um zu zeigen, in wie vielen Regionen der Welt immer noch die Todesstrafe praktiziert wird, und um ein Zeichen dafür zu setzen, wie sehr wir diese inhumane Form der Bestrafung und Vergeltung von Unrecht ablehnen.

Im Namen aller Unterzeichner dieses Antrags aller Fraktionen bitte ich Sie, einen Teil der Mittagspause gemeinsam zu verbringen, und, um diese Aktion zu unterstützen, jetzt gemeinsam zum Marktplatz hinunterzugehen und Amnesty International zu begrüßen. - Vielen Dank!

(Beifall)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Remkes.

(Abg. Rupp [DIE LINKE]: Dann können wir ja schon einmal hinausgehen!)

Herr Präsident, verehrte Kollegen, meine Damen und Herren! Die Todesstrafe ist zweifelsohne die grausamste, inhumanste und erniedrigendste Form der Bestrafung für einen Menschen. Sie befindet sich im krassen Widerspruch zu den Grundüberzeugungen und Werten der zivilisierten Welt, für die das moderne Europa in besonderer Weise steht, und sie verstößt gegen verschiedene völkerrechtliche Konventionen.

Trotzdem gab es 2017 weltweit 57 Staaten, in denen die Todesstrafe als Sanktionsmittel im gewöhnlichen Strafrecht zum Einsatz kam. In weiteren sieben Ländern wurde die Todesstrafe in Sondersituationen, zum Beispiel im Rahmen des Kriegsrechts, angewandt. Nach Angaben von Amnesty International wurden allein im vergangenen Jahr 1 032 Todesurteile vollstreckt. Im Jahr 2015 waren es sogar 1 634. Ende des Jahres 2015 warteten mehr als 20 000 Menschen auf ihre Hinrichtung. Das sind allerdings nur die registrierten Fälle, die lediglich einen Bruchteil der tatsächlich gefällten und vollstreckten Todesurteile repräsentieren. Für die Welt zu Beginn des 21. Jahrhunderts, die sich für ihre zivilisatorischen Fortschritte rühmt, sind diese Zahlen grausam und schockierend.

(Beifall BIW)

Ganz oben auf der Liste der Staaten mit den meisten Hinrichtungen steht die Volksrepublik China, wo jedes Jahr Schätzungen zufolge Tausende von Menschen hingerichtet werden. Es folgen der Iran, der Irak, Saudi-Arabien, die USA und der Jemen. Mit den meisten dieser Länder unterhält Deutschland politische und wirtschaftliche Beziehungen. Die USA sind sogar ein militärischer Bündnispartner.

Die Bundesregierung ist gefordert, auf diplomatischer Ebene jede Gelegenheit zu nutzen, um sich bei der Regierung dieser Staaten für die Abschaffung der Todesstrafe einzusetzen und sie zu drängen, bereits verhängte Todesurteile nicht zu vollstrecken. Die fundamentalen Menschenrechte, zu denen zuvorderst das Recht auf Leben gehört, sind nicht teilbar, sondern universell gültig. Die Todesstrafe stellt somit die ultimative Form der Menschenrechtsverletzung dar.

(Beifall BIW)

Ein Vergleich der Staaten, in denen Menschen die Todesstrafe droht, zeigt, dass es nicht darauf ankommt, ob ein Land arm oder reich ist, welche Staatsform es hat oder ob es von linken oder rechten Politikern regiert wird. Dass die Todesstrafe in Teilen der Welt noch immer

Landtag 3966 51. Sitzung/8.11.17

praktiziert wird, ist keine Folge besonderer Umstände oder Rahmenbedingungen. Tatsächlich ist der Fortbestand dieses grausamen Sanktionsinstruments allein vom politischen Willen des Herrschenden abhängig. Auf diese Verantwortlichen muss eingewirkt werden mit dem Ziel, die Todesstrafe endgültig von unserem Globus zu verbannen.

Es gilt aber nicht nur, auf die Abschaffung der Todesstrafe in den Ländern hinzuwirken, in denen sie noch immer existiert. Es muss auch verhindert werden, dass sie in bestimmten Staaten wieder eingeführt wird. Ein Beispiel aus der unmittelbaren Nachbarschaft Europas ist die Türkei. Dort wurde die Todesstrafe zwar 2004 abgeschafft, doch in den letzten Jahren hat der jetzige Staatspräsident Recep Erdoğan die Wiedereinführung dieses barbarischen Sanktionsinstruments immer wieder zum Gegenstand der öffentlichen Debatte in seinem Land gemacht. In der Reaktion auf den Militärputsch vom Sommer 2016 hat Erdogan sogar angekündigt, ein Referendum über die Todesstrafe in der Türkei abzuhalten. Bislang ist es dazu nicht gekommen. Das darf auch nicht sein. Ankara muss unmissverständlich deutlich gemacht werden, dass die Rückkehr zur Todesstrafe nicht nur das definitive Ende der Beitrittsverhandlungen zur EU bedeuten, sondern auch die finale Abwendung der Türkei vom europäischen Wertekanon darstellen

(Beifall BIW)

und eine wie auch immer geartete politische und ökonomische Kooperation mit den Staaten Europas nachhaltig belasten würde.

Der wohlmeinende Appell an andere Staaten mit dem Ziel, die Todesstrafe als Geißel der Menschen weltweit zu ächten, darf den Blick vor einer absurden Kuriosität nicht verschließen, die wir uns in Deutschland noch immer leisten. Gemeint ist Artikel 21 der Hessischen Landesverfassung. Dieser Artikel sieht die Möglichkeit vor, Straftäter bei besonders schweren Verbrechen zum Tode zu verurteilen. Auch wenn diese Regelung juristisch gegenstandslos ist, weil das deutsche Strafgesetzbuch die Todesstrafe nicht kennt und sie laut Artikel 102 des Grundgesetzes in ganz Deutschland abgeschafft ist, bleibt diese Bestimmung ein moralischer Schandfleck. Bereits die Androhung der Todesstrafe hat in der Verfassung eines Bundeslandes, das Gliedstaat eines aufgeklärten demokratischen Rechtstaates ist, nichts zu suchen.

(Beifall BIW)

Es wird höchste Zeit, dass der hessische Gesetzgeber dieses überkommene Relikt eines inhumanen Rechtsverständnisses aus seiner Verfassung tilgt. - Die dafür notwendige Mehrheit, die einer Verfassungsänderung zustimmen müsste, sollte sowohl im Wiesbadener Landtag als auch beim hessischen Souverän vorhanden sein. - Dies soll 2018 erfolgen.

Für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe gibt es zahlreiche gute Gründe. Ich konnte in der Kürze der mir zu Verfügung stehenden Redezeit nicht auf alle eingehen.

(Glocke - Zuruf DIE LINKE: Oh!)

Neben dem humanitären Aspekt ist es vor allem die Irreversibilität dieser Sanktionsform, die mich zum Gegner der Todesstrafe macht. Hingerichtete Menschen können nun einmal nicht rehabilitiert werden, wenn sich zu einem späteren Zeitpunkt herausstellen sollte, dass die Justiz geirrt hat und der Betroffene unschuldig war. Solche Fehlurteile hat es in der Geschichte leider immer wieder gegeben.

Ich komme zum Schluss! Der Rechtsstaat muss in der Lage sein, seine Irrtümer zu korrigieren. Begibt er sich dieser Möglichkeit, indem er Verurteilten das Leben nimmt, macht er sich selbst schuldig. Deshalb werden wir, die Bürger in Wut, dem heute vorliegenden Dringlichkeitsantrag der Bürgerschaftsfraktionen zustimmen.

Lassen Sie mich mit einem Zitat des österreichischen Politikers und Juristen Ferdinand Kadecka schließen, der zur Todesstrafe sagte: „Wo die Todesstrafe besteht, da fehlt dem Gewissen eines Volkes eine entscheidende Schranke gegen die verbrecherische Perversität, über menschliches Leben hinwegzuschreiten.“ - Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall BIW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen, der CDU, DIE LINKE und der FDP mit der Drucksachen-Nummer 19/1345 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Landtag 3967 51. Sitzung/8.11.17

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

(Einstimmig)

Ich schlage Ihnen vor, dass wir jetzt in die Mittagspause eintreten. Wir sehen uns um 14.30 Uhr wieder.

Ich unterbreche die Sitzung.

(Unterbrechung der Sitzung 13.02 Uhr)

Vizepräsident Imhoff eröffnet die Sitzung wieder um 14.30 Uhr.