Protocol of the Session on November 8, 2017

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Das sagt aber nichts über Bremen aus!)

Da kann man eine deutliche Diskrepanz feststellen. Dafür brauche ich keine weiteren Statistiken. - Das war das eine.

(Glocke)

Ich gehe noch kurz auf die Datenlage ein. Dann bin ich mit dem ersten Teil fertig.

Es gibt ein sogenanntes White Paper on Standards and Norms. Darin wurde 2011 gefordert, dass es in stationären Hospiz- und Palliativstationen mindestens 50 Betten pro eine Million Einwohner geben sollte. Die schon erwähnte Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin ist 2015 zu dem Schluss gekommen, dass es mindestens 80 bis 100 Betten pro eine Million Einwohner sein müssten. Im Durchschnitt gibt es aber nur 22 Betten.

(Glocke)

Zu Bremen komme ich in meinem zweiten Beitrag. - Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE)

Dieser muss allerdings kürzer ausfallen, weil Sie gerade deutlich überzogen haben, Herr Kollege.

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn man die Zahlen hört, kann man sich so seine Gedanken machen. Zahlen aus Deutschland,

Landtag 3960 51. Sitzung/8.11.17

Herr Erlanson, reichen mir nicht aus. Wir werden alle sterben müssen. Das wissen wir, auch wenn wir das in mancher Lebenssituation nicht wahrhaben wollen. Wir wissen aber auch, dass wir nicht alle hochbetagt und gesund sterben werden, sondern dass etliche leiden müssen. Dieses Leiden kann man durch Palliativmedizin und in Hospizen lindern. Das sind gute Angebote.

Wir alle sehen, dass diese Zahlen - Sie haben es eben dargestellt - so sind, wie sie sind, und dass nicht alle Menschen diese guten Dinge für sich in Anspruch nehmen können, obwohl sie sie brauchen. Sie wollen nicht allein sterben. Auch jene, die Familie haben, wollen diese Unterstützung für sich selbst und für ihre Familien. Ihre Familien brauchen diese Unterstützung ebenfalls, weil dieser letzte Lebensabschnitt für jene, die sterben, aber auch für jene, die das Sterben als Angehörige begleiten, durchaus belastend ist.

Insofern unterstützen wir gern den Wunsch, Zahlen für Bremen zu erhalten. Eine Unterversorgung in Deutschland heißt nicht per se, dass wir eine Unterversorgung in Bremen haben, aber dass ein Drittel der Menschen aus Bremen nicht versorgt ist, sagt schon etwas Deutliches aus. Insofern müssen wir hier genau hinschauen.

Wir haben eine oberzentrale Funktion. Ihr müssen wir auch gerecht werden und Plätze für das Umland anbieten. Darüber hinaus müssen wir auch genügend Plätze für Bremen haben. Diese Forderung zu unterstreichen ist, glaube ich, die Intention des CDU-Antrags. Der Bedarf soll ermittelt werden, damit wir endlich dazu kommen, in Bremen und Bremerhaven ein ausreichendes Angebot für diese Region vorzuhalten. Wenn das ohne eine Erhebung gelingt, bin ich gern dabei. Wenn es aber nicht gelingt - im Moment deutet alles darauf hin -, hätte ich gern die Zahlen, um dem Senat und der Koalition weiter sagen zu können, dass hier etwas gemacht werden muss.

Neben der Arbeit in den Hospizen und in den Palliativstationen wird auch die ambulante Begleitung notwendig sein. Das ist ganz deutlich. Herr Erlanson hat gesagt, die meisten wünschen sich, zu Hause zu sterben. Die Situation ist nicht mehr so wie zu den Zeiten, als meine Großmutter verstarb, wir sie nach Hause holen konnten, meine Mutter und ich bei ihr sein konnten und die Gemeindeschwester kam. Die Gemeindeschwester wurde inzwischen abgeschafft. Insofern kann diese Arbeit, die damals quasi in eher dörflichen Strukturen, auch in der Großstadt, geleistet wurde, nicht mehr so ge

leistet werden wie früher. Wir müssen das auffangen. Mit den Veränderungen in der Pflege, die wir erlebt haben, ist sie eine andere Arbeit als früher und wird sie auch in Zukunft eine andere Arbeit als früher sein.

Wir müssen daher einen großen Schwerpunkt darauf setzen, dass die Palliativ- und Hospizversorgung zu Hause im gewohnten Umfeld stattfindet. Das entspricht dem Wunsch der Menschen, wie sie ihren letzten Lebensabschnitt verbringen wollen, und daran mangelt es am allermeisten.

Dafür werden wir Freien Demokraten uns einsetzen. Deswegen unterstützen wir den Antrag der CDU-Fraktion, der dazu dient, dass wir Zahlen bekommen, um zu unterfüttern, dass hier endlich etwas getan werden muss. - Herzlichen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Görgü-Philipp.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Sterben ist global. Alle Menschen sterben, ganz gleich, wo sie auf der Welt leben. Der Umgang mit dem Sterben ist kulturell sehr unterschiedlich. Es gibt Kulturen, in denen die Toten mit Musik und Tanz auf ihrer Reise begleitet werden. In manchen Kulturen dürfen die Angehörigen im Rahmen der Trauerrituale 40 Tage lang nicht tanzen oder Musik hören. Nach muslimischem Brauch müssen die Toten innerhalb von drei Tagen beerdigt werden. Gemäß dem letzten Wunsch der Verstorbenen geschieht das meistens in ihren Herkunftsländern. Die Angehörigen organisieren die letzte Reise für die Verstorbenen.

Heute reden wir über den Hospizbedarf in Bremen. Das ist gut, denn das Sterben gehört zum Leben. Jede Debatte darüber trägt dazu bei, dass der Tod und das Sterben kein Tabu mehr sind. Die Sterbenden und ihre Angehörigen sollen frei entscheiden können, wo der oder die Sterbende den letzten Lebensabschnitt in Würde mit viel Zuwendung und möglichst ohne Schmerzen verbringt. Die Hospiz- und Palliativdienste und die stationären Hospize und Palliativstationen in unserem Bundesland sind es, die auf vielfältige und bewundernswerte Weise sterbende Menschen und ihre Angehörigen würdevoll begleiten.

Landtag 3961 51. Sitzung/8.11.17

Ich bedanke mich im Namen der Fraktion der Grünen ganz herzlich bei den vielen Hauptamtlichen und ebenso herzlich bei den ehrenamtlich tätigen Menschen in diesem Bereich.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Unsere Aufgabe in der Politik ist es, die nötigen Strukturen und den Rahmen für diese wichtige Arbeit zu schaffen.

Meine Damen und Herren, wer verbringt seinen letzten Lebensabschnitt im Hospiz? Es sind Menschen, die schwerkrank sind und bei denen eine Heilung nicht mehr möglich ist. Bei diesen Menschen geht es nicht darum, lebenserhaltende und -verlängernde Maßnahmen zu ergreifen, sondern darum, einen möglichst schmerzfreien und würdevollen Abschied vom Leben zu ermöglichen.

Wir haben in Bremen ein solides Fundament, auf dem wir aufbauen können. Wir haben das hospiz:brücke in Walle und das Lilge-SimonStift in Bremen-Nord mit zusammen 16 Plätzen. Ende 2018 kommt in Bremerhaven ein stationäres Hospiz der AWO mit 8 Plätzen hinzu. Damit würde sich die Zahl der Hospizplätze im Land Bremen um 50 Prozent erhöhen. Das würde auch die beiden Bremer Hospize entlasten, denn sie haben in den vergangenen Jahren auch Gäste aus Bremerhaven und dem Umland aufgenommen.

Darüber hinaus gibt es in Bremen Einrichtungen zur Kurzzeit- und Verhinderungspflege, die ebenfalls eine wichtige Funktion in der Sterbebegleitung erfüllen. Dazu braucht es palliativkompetente Anbieter, die die Betroffenen gewissenhaft beraten und mit ambulanten Hospiz- und Palliativdiensten gut zusammenarbeiten.

Wir debattieren morgen hier an dieser Stelle über das Bremische Wohn- und Betreuungsgesetz. In dem Gesetzentwurf heißt es ausdrücklich:

„Die Leistungsanbieter und die zuständige Behörde haben insbesondere die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer auf … Selbstverantwortung am Lebensende und ein Sterben in Würde … zu achten. Sie haben die Nutzerinnen und Nutzer in der Wahrnehmung dieser Rechte zu unterstützen, zu fördern und Benachteiligungen zu vermeiden. … Der Leistungsanbieter hat Vorkehrungen für die Wahrung der Selbstbestimmung bei zunehmendem Unterstützungsbedarf der Nutzerinnen und Nutzer in krankheitsbedingten Krisensituationen und im Sterben zu treffen sowie ein Sterben in Würde zu ermöglichen. Zu diesem Zweck soll er die Nutzerinnen und Nutzer beraten, die Vernetzung

mit ambulanten Hospiz- und Palliativdiensten nutzen und deren Tätigwerden in dem Wohn- und Unterstützungsangebot ermöglichen.“

Meine Damen und Herren, wenn es uns gelänge, diesen Gesetzeswortlaut mit Leben zu erfüllen, und wenn es der Wohn- und Betreuungsaufsicht gelänge, diese Anforderungen in der Praxis durchzusetzen, wäre viel zugunsten der Menschen in den bremischen Pflegeeinrichtungen gewonnen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Eines ist auch klar: Wenn diese Anforderungen nicht erfüllt sind, kann die Kurzzeit- und Verhinderungspflege keine Alternative für Sterbende sein. Außerdem besteht ein gewichtiger Nachteil gegenüber dem Hospiz. In der Kurzzeit- und Verhinderungspflege stehen Rehabilitation und Wiedererlangen der Mobilität im Vordergrund. Trotzdem sterben viele Menschen in der Kurzzeit- und Verhinderungspflege. Daher muss in diesen Einrichtungen das Sterben enttabuisiert und müssen die Leistungen angepasst werden.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Ja, oder wir brauchen mehr Hospize!)

Zu dem Fundament der Sterbebegleitung, auf dem wir in Bremen aufbauen können, gehören auch die Palliativstationen in unseren Krankenhäusern, im St. Joseph-Stift und im Klinikum Links der Weser. Von diesen speziellen Stationen abgesehen, halten wir einen Krankenhausaufenthalt aber nicht für eine zumutbare Alternative zur Versorgung im Hospiz.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn Sterbende aus Pflegeeinrichtungen ins Krankenhaus verlegt werden, weil sich die Pflegekräfte mit der Situation überfordert fühlen, dann ist das ein Alarmsignal. Es zeigt, dass wir den Pflegenotstand mit allen Kräften bekämpfen müssen. Wir dürfen dabei auf keinen Fall Abstriche bei der Qualifikation der Pflegekräfte machen.

Die Fragen, die wir uns stellen müssen, lauten: Wo müssen wir noch nachbessern? Wo müssen wir auf dem bestehenden Fundament weiter aufbauen?

Meine Damen und Herren, ich hatte die Ehre, letzte Woche die Mitarbeiter des hospiz:brücke in Walle zu begleiten und mit dortigen Gästen ins Gespräch zu kommen. Es waren sehr bewegende Momente und Eindrücke, die ich mitgenommen habe. Die Gäste erzählten, dass sie

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natürlich lieber zu Hause im Kreis ihrer Lieben sterben würden. Die Schmerzen seien aber unerträglich, sodass sie das ihren Angehörigen nicht zumuten wollten. Deshalb seien sie dankbar, dass sie einen Platz im Hospiz bekommen haben.

(Glocke)

Manche Gäste haben leider einige Wochen auf diesen Platz warten müssen.

Ich mache später in einem zweiten Teil weiter. - Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Grönert.

Sehr geehrte Damen und Herren! Alle meine Vorredner und Vorrednerinnen haben bestätigt, dass wir ausreichend gute Angebote für die stationäre ebenso wie für die ambulante Versorgung von unheilbar erkrankten Menschen in der letzten Lebensphase brauchen. Das wird sich aber nicht von allein zurechtruckeln.