Protocol of the Session on September 21, 2017

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der CDU-Fraktion ist es ein Anliegen, sich zu dem vorliegenden Antrag und ihrem Abstimmungsverhalten zu erklären. Wir können verstehen, dass dieser Punkt eigentlich ohne Debatte behandelt werden sollte, damit sichergestellt wird, dass er aufgerufen werden wird. Dem wollten wir uns auch nicht verschließen, gleichwohl möchte ich aber einige Sätze zu unserem Abstimmungsverhalten sagen.

Wir werden getrennte Abstimmung beantragen und der Ziffer eins Ihres Antrags geschlossen nicht zustimmen. Bei der Ziffer zwei werden wir - wie bei der Abstimmung über den Antrag, den wir beraten haben, aus Anlass des Christopher Street Days im Jahr 2017 die Flagge am Haus der Bremischen Bürgerschaft zu hissen - die Abstimmung freigeben, da es in meiner Fraktion Unterstützer gibt, genauso wie es Menschen gibt, die diesem Anliegen nicht werden folgen können.

Warum haben wir uns entschlossen, der Ziffer eins Ihres Antrags nicht zuzustimmen? Was waren unsere Beweggründe? Es gibt eine feste Regelung, über die wir auch gemeinsam miteinander beraten und sie verabschiedet haben, nach der in Bremen an bestimmten Tagen am Rathaus und vor der Bürgerschaft immer geflaggt wird. Es sind die großen gesetzlichen Feiertage und Erinnerungstage in Deutschland, wie der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, natürlich der Tag der Arbeit, der Europatag, der Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes, der Jahrestag des 17. Juni, der Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung, der Gedenktag an die Männer und Frauen des Deutschen Wiederstands gegen den Nationalsozialismus, der Tag der Deutschen Einheit und der Volkstrauertag, an denen in Bremen immer die Flaggen gehisst werden. Daneben gibt es anlassbezogene Beflaggungen, beispielsweise beim Besuch auswärtiger Staatsgäste, das wird dann auch entsprechend in Bremen nachgeholt.

Landtag 3898 50. Sitzung/21.09.17

Wir als CDU-Fraktion finden unverändert, dass sich Tage der zusätzlichen Beflaggung an der Bedeutung dieser Regelungen messen lassen müssen. Ein Christopher Street Day, an dem auch in diesem Jahr in Bremen wieder eine große Parade stattgefunden hat und an dem an die Verfolgung und auch das Leiden vieler Menschen gedacht wird, die wegen ihrer sexuellen Neigung aus der Gesellschaft ausgegrenzt, verfolgt, bestraft oder sogar in ihrer Gesundheit und ihrem Leben bedroht worden sind, hat die Mehrheit der CDU-Bürgerschaftsfraktion einen solchen Anlass gesehen. Ich gebe aber auch zu, dass es andere Auffassungen gibt, nach denen das Beflaggen dieser beiden prominenten Bremer Gebäude an diesem Tag nicht für angemessen erachtet wurde.

Nun beantragen Sie für dieses Jahr ein anderes Datum, und jetzt einmal Hand auf das Herz: Bevor Sie in Ihren Fraktionen darüber geredet haben, wer von Ihnen wusste, dass der 11. Oktober der Coming out Day ist? Ich bekenne freimütig, vielleicht auch stellvertretend für den einen oder anderen hier im Raum, ich wusste es nicht. Das macht eigentlich schon deutlich, dass dieser Tag mit der Bedeutung der Tage, die ich eben genannt oder der Anlässe, die ich beschrieben habe, eigentlich nicht zu vergleichen ist.

Sie geben in Ihrem Antrag offen zu, dass es so etwas wie eine Entschuldigung dafür sein soll, dass es einen Beschluss der Bremischen Bürgerschaft, aus Anlass des Christopher Street Days in diesem Jahr das Haus der Bürgerschaft zu beflaggen, aus welchen Gründen auch immer nicht gegeben hat. Ich finde, man muss sorgsam abwägen: Ich habe Interesse daran und kann auch verstehen, dass man denen, die auf eine Beflaggung des Hauses der Bürgerschaft an diesem Tag gesetzt haben, erklärt, warum das nicht passiert ist. Es ist menschlich gewesen, es steckte keine politische Absicht dahinter. Es war keine Verweigerungshaltung oder Anweisung des Präsidenten oder des Vorstands der Bremischen Bürgerschaft, es war schlichtweg ein Versehen. Dafür kann man sich entschuldigen, das ist erfolgt, und das finde ich auch in Ordnung.

Muss man jetzt aber einen Ersatz in der Weise dafür schaffen, dass man einen Tag, den die Mehrheit der Bevölkerung - und ich behaupte auch einmal, die Mehrheit der Abgeordneten - bis zu diesem Antrag überhaupt nicht kannte, als Ersatz nimmt? Ich sage für die CDUFraktion: nein! Deswegen bekennen wir uns dazu, dass wir den Christopher Street Day unverändert mehrheitlich für einen Tag halten, an dem die Flagge auch am Haus der Bürgerschaft wehen soll, an diesem zusätzlichen Tag jedoch

nicht. Sie wollen an den Tag ja in den nächsten Jahren auch nicht flaggen, sondern nur in diesem Jahr, und zwar nur als Entschuldigung und Ersatz für das unterbliebene Beflaggen des Hauses der Bürgerschaft am Christopher Street Day.

Wenn man, wie ich - und das wird vielleicht der eine oder andere von Ihnen auch getan haben , einmal googelt, was an diesem Tag eigentlich passieren soll und welche Bedeutung er hat, dann kann man von betroffenen Organisationen auch Anregungen zur Gestaltung dieses Tages im Internet nachlesen.

Es geht eben gerade nicht darum, eine große öffentliche Aufmerksamkeit zu erreichen, sondern es geht darum - und da zitiere ich jetzt -, „neben dem persönlichen Coming-out gegenüber der Familie, Freunden oder Arbeitskollegen weitere Aktionen für diesen Tag vorzunehmen, als Gastredner, die ihre eigene Geschichte erzählen, Vorträge oder Diskussionsveranstaltungen zu verschiedenen Themen zu betreuen, Kultur- oder Filmfestivals oder eine Fotoausstellung zu veranstalten, T-Shirts mit Sprüchen zu bedrucken, einen Solidaritätssonntag in der Kirche abzuhalten oder aber eben auch“, das habe ich jetzt gelernt, das ist wohl in Amerika beliebt, „einen Honk for Diversity zu machen“, also sich in einer spontanen Aktion, so würde ich das einmal beschreiben, mit einem Schild gegen die Diskriminierung von Homosexuellen beispielsweise an eine Straßenkreuzung stellen. Die Amerikaner würden nie aussteigen, um ihre Zustimmung zu signalisieren, aber sie hupen, wenn sie ihre Zustimmung geben wollen. Solche Aktionen, solche kleinräumigen, eher auf die Betroffenen ausgerichteten Aktionen, glaube ich, verbindet dieser gemeinsame Tag.

Ich finde, das ist gut so, weil es natürlich insbesondere eine Aktion ist, die sich an junge Menschen richtet, die Probleme haben, sich in ihrem persönlichen und familiären Umfeld zu äußern oder zu outen, aber ich finde, das ist kein Anlass, kein Tag und keine Anregung für eine öffentliche Beflaggung.

Ich finde den Tag gut, ich finde die vorgeschlagenen Aktionen gut, und ich finde es gut, wenn sich möglichst viele Bremerinnen und Bremer daran beteiligen, aber ich finde, dass sich dieser Tag nicht als Entschuldigung für eine nicht erfolgte Beflaggung am Christopher Street Day eignet. - Vielen Dank!

(Beifall CDU, FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Landtag 3899 50. Sitzung/21.09.17

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde es richtig, dass die Bremische Bürgerschaft gemeinsam politische Signale setzen kann, wenn sie dies will, indem sie über die Tage der Bundesflaggenordnung hinaus beschließt, Flaggen vor dem Haus der Bremischen Bürgerschaft hissen zu lassen, das hat Herr Röwekamp vorgetragen. Uns ist es wichtig, dass die Regenbogenflagge in diesem Jahr auch hier hängt, und dafür galt es, einen Tag zu finden, nachdem dieses Missgeschick passiert ist.

(Beifall FDP, SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grü- nen, DIE LINKE)

Diese Debatte zeigt mir aber, dass wir uns noch einmal damit befassen müssen, wie wir über das Flaggen vor dem Haus debattieren. Vielleicht wäre es klug, wenn wir eine Flaggenordnung hätten, die besagt, dass über die Regelungen der Bundesflaggenordnung hinaus der Vorstand der Bürgerschaft entscheidet, dann vermeiden wir solche Debatten hier. - Danke!

(Beifall FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Müller.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kollegen und Kolleginnen! Bei mir kam an, es gibt eine persönliche Stellungnahme zu dem Thema, und ich hatte mich gefragt, ob das jetzt sein muss. Inzwischen bin ich aber wirklich froh und dankbar, weil es dadurch noch einmal eine Debatte gibt, sowohl zur CSD-Beflaggung als auch jetzt zum Coming Out Day.

Ich habe ein gewisses Verständnis dafür, ich gebe zu, ich kannte diesen Tag auch nicht, und es wirkt natürlich ein bisschen gewollt. Was hätten wir eigentlich gemacht, wenn wir jetzt in diesem Jahr keinen Tag mehr gefunden hätten? Trotzdem finde ich es richtig und bin dem Hohen Haus und meinen Kolleginnen und Kollegen hier im Saal auch sehr dankbar, dass wir doch noch einen Tag gefunden haben, um den homosexuellen Abgeordneten, die es auch hier im Parlament gibt - es sind nicht viele, aber ein paar sind es dann doch -, und der queeren Community da draußen in Bremen eine Geste zu machen. Es ist keine Entschuldigung. Ich empfinde das nicht als Entschuldigung, sondern als Geste. Da ist ein Lapsus passiert, aber eigentlich war das Ansinnen - -.

(Unruhe)

Jetzt wird es sehr unruhig, das finde ich auch unhöflich.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Das Ansinnen war - dafür möchte ich die Debatte dann doch nutzen -, eine Geste für einen Lapsus zu finden, der am Tag der CSD-Parade bei sehr vielen der queeren Community zum einen zu großem Unverständnis, zum anderen aber auch zu einer großen Trauer geführt hat, weil doch übrig blieb, dass man die Interessen dieser Community in Bremen offensichtlich nicht ernst genug nimmt, auch wenn es ein Missgeschick war.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Deswegen will ich noch einmal daran erinnern, der dass CSD ja nicht nur einfach eine Partyparade ist. Sie ist bunt, das gebe ich zu, und sie war auch schön bunt und laut in Bremen, wie es sich gehört, aber es ist ja keine Partyparade. Herr Röwekamp hat Gedenktage aufgezählt, an denen hier geflaggt wird. Deswegen will ich noch einmal in Erinnerung rufen, dass der CSD ein Gedenktag ist - kein Feiertag, kein Paradentag, aber wir zelebrieren ihn so - für die Generationen vor uns, die dafür verfolgt wurden, dass sie homosexuell, bisexuell oder transsexuell sind.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Mein Dank geht an diejenigen, die den CSD in diesem Jahr in Bremen organsiert und ihn genau unter das Motto gestellt haben, uns mit queeren Communitys in anderen Ländern zu solidarisieren, in denen sie noch verfolgt werden: in denen sie gefoltert werden, in Gefängnissen landen,

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Mit dem Tod bedroht werden!)

in denen Menschen mit dem Tod bedroht werden und eben nicht frei leben können wie hier in Deutschland, wo es Gott sei Dank so ist. Wir haben uns aber auch solidarisiert - und es waren ja auch viele, wenn ich das einmal so sagen darf, heterosexuelle Abgeordnete auf der Parade - mit denjenigen, die in Deutschland Opfer von Gewalt an Homosexuellen werden.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Auch wenn es sich vielleicht viele nicht vorstellen können, es gibt nämlich immer noch zahlreiche Männer, die Lesben einmal umbeglücken wollen, und ziemlich viele Männer, die homosexuelle Männer des Nachts auf der Straße überfallen und krankenhausreif prügeln, also es ist

Landtag 3900 50. Sitzung/21.09.17

mitnichten so, dass es uns am CSD-Tag nicht gut anstehen würde, uns zu solidarisieren. Daher die Beflaggung am Coming Out Day, ich fand es auch interessant, aber ich bin dankbar für die Geste und bitte deswegen darum, diesem Antrag zuzustimmen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich jetzt noch einmal zu Wort gemeldet, gerade auch, weil Herr Kollege Buhlert eigentlich zwei Bereiche durcheinandergebracht hat. Das finde ich in der Debatte nicht angemessen. Ein Aspekt ist, wie man zu Flaggen steht. Wir wissen, das ist unterschiedlich, es gibt die Bundesflaggenordnung, die zu Recht auf bestimmte Sachen hinweist. Herr Kollege Röwekamp hat die Tage eben gerade genannt, und ich weiß, dass es den Menschen sehr wichtig ist.

Verfolgten des Naziregimes und Vertriebenen ist es sehr wichtig, dass sie so gewürdigt werden, egal, wie man vielleicht selbst zu Flaggen steht. Das muss man respektieren, und genau deswegen haben wir auch diesen Antrag hier gemeinsam eingebracht - Frau Kollegin Müller hat es eben sehr gut begründet, warum uns der CSD wichtig war -, weil dieser Tag nämlich einfach ein Gedenktag ist für diejenigen mit anderer sexueller Orientierung, die Opfer von Diskriminierung und Verfolgung sind und waren.

Es ist eben beileibe nicht so, dass das heute hier alles vom Tisch wäre. Auch wenn wir jetzt die Ehe für alle haben, ist der Druck auf junge Menschen, die eine andere sexuelle Neigung haben, nach wie vor sehr hoch, und ich befürchte, dass er sogar zunehmen wird.

Wenn ich an die Sicherheitsdebatte von vorhin denke, bei der die Kollegen vom rechten Rand anfingen zu pöbeln, als ich darauf hinwies, dass wir einen Föderalismus in der inneren Sicherheit haben, weil es nämlich Konsequenzen aus der Nazizeit sind, dann finde ich es auch durchaus angemessen, und das sehe ich ein bisschen anders als Sie. Herr Kollege Röwekamp, ich glaube, wir kannten alle den Coming Out Day nicht, das möchte ich vorwegnehmen, aber ich finde es durchaus angemessen in einer Situation, in der auch in Europa der Druck auf Menschen mit anderer sexueller Orientierung wieder zunimmt, das auch entsprechend zu würdigen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen)

Ehrlich gesagt, es ist eine Entschuldigung für einen begangenen Fehler. Ich finde sie jedoch auch angemessen, weil ich glaube, dass die Freizügigkeit, mit der junge Menschen in diesem Land vielleicht in den letzten 10, 15 Jahren ihre Sexualität und ihre sexuelle Orientierung erleben und erkennen durften - -. Ich kenne auch noch die Zeit der Siebziger- und Achtzigerjahre, als das alles andere als normal war, da sind Menschen am Coming-out beziehungsweise daran, dass sie nicht sich bekennen konnten, psychisch zerbrochen. Ich finde es deswegen angebracht zu sagen, das ist der Tag, an dem wir uns entschuldigen, auch um ein Zeichen zu setzen, dass wir uns tatsächlich diese Freizügigkeiten für die Zukunft auch bewahren, die wir uns - egal, welche sexuelle Neigung wir hier haben - auch mühselig in politischen Prozessen erkämpfen mussten.

Daher finde ich diesen Ersatz angemessen als Entschuldigung für den persönlichen Fehler oder für den Betriebsfehler, der vor vier Wochen passiert ist.

Herr Buhlert, ein letzter Satz! Wenn wir sagen, wir finden es wichtig, dass das Parlament, dem wir angehören, Flaggen hisst, die für Menschen eine Bedeutung haben, und wenn wir das würdigen wollen, dann ist das keine Sache des Vorstands, sondern eine Sache des Parlaments.

(Beifall DIE LINKE, SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tschöpe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gedenktage und Beflaggung sind Symbole. Wie tief man sich den jeweils darin verhafteten Aussagen, historischen Ereignissen verbunden fühlt, ist individuell höchst unterschiedlich. Ich glaube, dass wir in diesem Parlament sehr unterschiedliche Positionen zum 1. Mai haben.