Protocol of the Session on August 24, 2017

kriminelle Clans und Trickbetrug. Ich muss sagen, die Antwort des Innensenators war für uns ganz schön ernüchternd, denn Bremen wird anscheinend von zum Teil gewalttätigen Großfamilien terrorisiert. Auch da scheint der Innensenator einfach einmal den Kopf in den Sand zu stecken.

Allein in den letzten sechs Jahren ist die Anzahl der Mitglieder der Mhallamiye-Familie um knapp 950 Personen auf sage und schreibe 3 541 gestiegen. Das ist eine Zunahme von 37 Prozent.

(Abg. Timke [BIW]: War doch schon bekannt! Das ist ein Clan!)

Wenn wir uns jetzt auch noch der Tatsache stellen, dass die Dunkelziffer anscheinend weitaus höher liegt, da die Familienmitglieder ihren Nachnamen geändert haben, stimmt mich das, ehrlich gesagt, sehr nachdenklich.

Diverse Fragen in unserer Großen Anfrage wurden nicht beantwortet, weil angeblich keine Informationen vorliegen oder keine Angaben dazu gemacht werden, so auch bei der Frage, ob es mehrere Clans in Bremen gibt. Darauf war die Antwort, ja, es gäbe weitere Bevölkerungsgruppen, aber das war es eben auch, keine weiteren Angaben, keine Details! Für uns stellt sich doch die Frage, was sind denn das für Gruppen welcher Ethnie, wer ist das, wie groß sind diese Clans? Das muss doch für uns hier als Bremer auch von Interesse sein, aber nein, lieber wollen wir es gar nicht so genau wissen, denn sonst sähen die Ergebnisse vielleicht noch viel schlimmer aus.

Es geht weiter. Es gibt keine direkte Aussage zur Rockerkriminalität. Allerdings wissen wir auf der anderen Seite, dass Rocker verschiedene Delikte begangen haben. Angaben zur genauen Anzahl? Wieder keine Angaben, wieder nur eine Aussage, wie viele Kutten getragen werden, was aber im Verhältnis zu den anderen Delikten - sei es Körperverletzung oder Ähnliches - wohl das kleinere Übel ist.

Apropos Kutten, Sie sagen ja in der Antwort, es gäbe keine Kutten im Gefängnis, und es sei verboten. Jetzt schauen wir einmal hier auf dieses schöne Bild, das kennen Sie vielleicht noch, ich zeige es hier gern einmal, da sitzt ein Mann - ein Mitglied der Mhallamiye-Familie - beim Essen in der Kutte, also scheinbar gibt es das doch! Es ist wahrscheinlich kein Fasching gewesen, sondern ich befürchte, das ist leider traurige Realität, und ich finde es auch schade, dass so etwas überhaupt in unseren Gefängnissen vorkommt.

(Beifall FDP)

Landtag 3679 48. Sitzung/24.08.17

Noch unglaublicher ist es, wenn wir uns auch der Tatsache stellen, was hier in der Antwort des Senats mitgeteilt wird, dass keine Angaben vorliegen, ob Straftaten aus dem Gefängnis heraus geplant werden. Genau das ist aber doch auch entscheidend zu wissen, auch zum Schutz der eigenen Leute! Offensichtlich scheint es aber dem Innensenator völlig egal zu sein, oder er scheint wenig Interesse an den eigenen Leuten und ihrem Schutz zu haben. Das finde ich schade, denn in unserer Anfrage fragten wir auch danach, ob Drohungen gegen Polizei, Staatsanwaltschaft und Richter bekannt seien. Die Antwort auf Frage 15 war, es seien auch dazu keine Informationen, keine genauen Angaben bekannt, im nächsten Satz wird gesagt, es seien keine Fälle von Drohungen gegenüber Polizei, Richtern und so weiter bekannt.

Jetzt zitiere ich einmal aus dem „Weser-Kurier“ vom 13. Januar 2015: „Im Vorfeld der Verhandlungen habe es Morddrohungen gegen den Angeklagten und dessen Verteidiger gegeben, erklärte die Richterin, die den Prozess leitet. Auch die Richter seien bedroht worden, von einem Massaker sei dabei die Rede gewesen und davon, die Richter zerhacken zu wollen.“ Bei aller Liebe, da kann man ja nicht sagen, es sei nichts davon bekannt! Ich gehe einmal davon aus, dass der „Weser-Kurier“ sich das nicht ausgedacht hat, sondern sicherlich auch aus einer Faktenlage bestätigt worden ist.

Ich glaube, wir brauchen ein Umdenken im Hause des Senators für Inneres, und es ist auch enorm wichtig für die gezielte Bekämpfung des Verbrechens, Informationen zu sammeln und sie strategisch auszuwerten. Viele Menschen leiden vor allem auch unter der sich verschärfenden Kriminalität, insbesondere auch die älteren Leute.

Ältere Menschen kommen zum Teil gerade so über die Runden, und einige schaffen es noch, etwas für die Enkelkinder beiseite zu legen, und dann passiert es: Der Trickbetrug! Die Anzahl der Delikte ist in den letzten Jahren stark gestiegen, das wissen wir auch dank der Anfrage der CDU von damals, als das bestätigt wurde. Nur, wir müssen handeln und eine Ermittlungsgruppe zum Thema Trickbetrug einrichten. Viel zu viele Menschen werden geschädigt. Wir müssen Menschen schützen und gezielt dagegen vorgehen. Die Antworten sind auch diesbezüglich für mich völlig intransparent, und ich würde mir vom Senator für Inneres endlich mehr gezielte Verbrechensbekämpfung wünschen.

(Beifall FDP)

Es steht auch in der Antwort des Senates, man würde das Ganze im Auge behalten. Bei aller Liebe, das im Auge zu behalten, reicht für mich

überhaupt nicht aus, sondern wir erwarten, dass Sie handeln und hier endlich den Rechtsstaat durchsetzen!

(Beifall FDP)

Die Tabellen, die Sie in Bezug auf die Verurteilungen mit Strafmaß angehängt haben, sind natürlich wenig aussagekräftig, das weiß ich auch, und ich kann in diese Verfahren nicht hineinsehen. Trotz allem, wenn ich mir das ansehe, muss ich sagen, in der Summe scheinen mir die Strafmaße immer erstaunlich human. Vielleicht wäre es an einigen Stellen besser gewesen, ein bisschen härter durchzugreifen. Ich finde, Bremen ist die schönste Stadt und das schönste Land, das ist für mich so, und das soll auch in Zukunft so bleiben! - Vielen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Schnittker.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ehrlich gesagt, liebe FDP, ich kann nicht den tieferen Sinn Ihrer Anfrage erkennen.

(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen - Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Und ich dachte, es geht nur mir so!)

Diese ganzen Details sind politisch überhaupt nicht nutzbar, und ein Großteil - das haben Sie ja eben selbst auch schon gesagt - ist auch schon lange bekannt, das haben wir schon diskutiert. Ob nun zwei oder drei Täter zu sechs oder zu neun Monaten Haftstrafe oder Bewährungsstrafe verurteilt worden sind, das ist an dieser Stelle auch nicht wirklich entscheidend. Daher vermute ich, wie wir ja gestern auch schon so oft festgestellt haben, dass diese Fleißarbeit - das muss man einmal so sagen - hauptsächlich dazu dient, hier das Thema für den laufenden Wahlkampf erneut zu besetzen, und man sieht ja auch, wer dazu gesprochen hat,

(Beifall SPD - Zuruf Abg. Frau Steiner [FDP])

nicht der liebe Herr Zenner, wie sonst immer zu dem Thema, sondern Sie, Frau Steiner. Das ist alles legitim, das haben wir gestern auch gesagt, es bringt uns nur leider überhaupt nicht weiter.

Allerdings fehlen mir bei diesem Thema - und das Thema ist nach wie vor wichtig -, wenn Sie es schon ansprechen, entscheidende Fragen, die Sie aber nicht gestellt haben. Dafür gebe ich Ihnen einmal ein Beispiel: Wenn ich richtig informiert bin, stammen die Mitglieder der genannten

Landtag 3680 48. Sitzung/24.08.17

Großfamilie aus dem Libanon und sind mit falscher kurdischer Identität bei uns eingereist. Hier stellen wir uns als CDU zumindest die Frage, wie es denn eigentlich dazu kommen konnte! Da hätte uns die Antwort des Senats sehr interessiert,

(Abg. Frau Steiner [FDP]: Können Sie ja nach- reichen!)

aber die Frage haben Sie leider nicht gestellt. Vielleicht kann das nachher noch jemand beantworten, aber die entscheidenden Fragen haben Sie eben nicht gestellt.

Lieber Senat, ich verstehe aber auch nicht - ob es aus Rücksichtnahme passiert ist oder aus sonstigen Gründen -, warum Sie nicht die Namen von diesen „bestimmten Großfamilien“, wie Sie es ausgedrückt haben, hier einmal ganz deutlich benennen. Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.

Insgesamt habe ich festgestellt, dass viele Sachverhalte nicht erfasst werden, das haben Sie eben auch schon erwähnt. Auf Seite drei zum Beispiel, wenn ich zitieren darf, heißt es: „Bandenkriminalität sowie Schutzgelderpressung sind keine eigenen Straftatbestände und werden deshalb statistisch nicht erfasst.“ Oder auch auf Seite fünf: „Das Deliktfeld Trickbetrug wird in der polizeilichen Kriminalstatistik nicht gesondert erfasst.“ Noch ein weiteres Beispiel, Seite sieben: „Da bei der Staatsanwaltschaft keine gesonderte Erfassung von Verfahren gegen Polizeibeamte, Justizvollzugsbedienstete, Staatsanwälte sowie Richter erfolgt, können keine verlässlichen Angaben gemacht werden.“ Sie sollten sich einmal Gedanken machen, ob es für die Zukunft nicht doch sinnvoll ist, diese ganzen Details abzufragen, denn dann können die Anfragen der FDP künftig noch detailreicher gestaltet werden,

(Abg. Frau Steiner [FDP]: Dann hätten Sie ja viel- leicht noch eine Erleuchtung erfahren!)

sinnigerweise dann zum Wahlkampf, dann wäre das ganze Paket wieder rund!

Nun aber einmal direkt zu der Beantwortung! Bemerkenswert sind aus meiner Sicht bei dieser Anfrage zwei Dinge, die auch schon vorher bekannt waren, aber es lohnt sich trotzdem, noch einmal darauf einzugehen. Die Antwort sagt aus, dass jedes Jahr eine Vielzahl von Handys sichergestellt wird, im letzten Jahr allein 386. Aus meiner Sicht zeigt diese Zahl ganz deutlich, dass es scheinbar keinen funktionierenden Kontrollmechanismus gibt, der dies verhindert. Ich glaube, wir können uns alle sicher sein, dass die Insas

sen diese Handys nicht dazu benutzen, um irgendwelche komplizierten Rätselfragen nachzuschlagen, sondern sie benutzen sie - und da sind wir uns doch alle einig -, um ihren Tätigkeiten und Geschäften nachzugehen.

(Abg. Timke [BIW]: Pizza bestellen!)

Wenn man bedenkt, diese, wie ich finde, jetzt schon hohen Zahlen umfassen ja nur die Geräte, die sichergestellt wurden, die Dunkelziffer ist an der Stelle noch viel höher, und wir wissen eben nicht, wie viele Geräte es dort tatsächlich gibt. Hier ist der Senat aus meiner Sicht aufgefordert, sich über dieses Problem Gedanken zu machen. Nach meinen Recherchen haben andere Haftanstalten anderer Bundesländer ebenfalls Probleme damit. Ich würde vorschlagen, Sie prüfen das einmal nach, und wenn es tatsächlich stimmt, dann sollte sich die Innenministerkonferenz einmal damit befassen und beraten, wie dieses Problem in den Griff zu bekommen ist.

(Abg. Frau Grotheer [SPD]: Haftinsassen sind Justiz, nicht Inneres, Frau Kollegin!)

Ja, da haben Sie recht. Vielleicht gibt es die Möglichkeit, Scanner oder Störmelder anzubringen, um des ganzen Problems Herr zu werden. Wenn es kein Problem ist, Handys in die JVA zu schmuggeln, dann will ich gar nicht wissen, was da sonst noch so alles hineingeschmuggelt werden kann.

Zum zweiten Punkt, den ich noch einmal kurz beleuchten will: Wenn man sich die umfangreiche Auflistung der Verurteilungen anschaut, stellt man sehr schnell fest, dass die Strafen meistens maximal zur Bewährung ausgesprochen werden. Das fällt mir, ehrlich gesagt, schwer zu verstehen. Wenn die Justiz damit so umgeht, dann kann man eigentlich auch der Forderung der Leute nachgeben, die schon länger dafür plädieren, Drogendelikte einfach nicht strafrechtlich zu verfolgen. Wenn es keine Bestrafung gibt, dann bringt das auch alles nichts.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss. Als Abschreckung dient das schon einmal gar nicht, und dann braucht sich hier auch niemand zu wundern, dass sich am Verhalten der Täter nichts ändert. Wie gesagt, meine Damen und Herren, das Thema ist wichtig, aber diese Anfrage der FDP hat uns jetzt keine große neue Erkenntnis gebracht und somit auch keine Hilfe.

(Beifall CDU - Abg. Frau Steiner [FDP]: Dafür ha- ben Sie aber ganz schön lange darüber geredet!)

Landtag 3681 48. Sitzung/24.08.17

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Welt.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema lautet „Kriminelle Clans in Bremen“. Alle Jahre wieder wird das Thema von den Oppositionsparteien in die Bürgerschaft getragen.

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Zu Recht!)

Ich finde es richtig, dieses Thema immer wieder aufzugreifen.

(Beifall SPD, FDP)

Das Thema ist zwar überhaupt nicht neu, aber auch hier gibt es Entwicklungen, die man durchaus immer wieder kritisch hinterfragen muss.