Protocol of the Session on June 14, 2017

(Beifall FDP)

Dazu kommt noch der nahezu unbegreifliche Investitionsstau des Schulbereichs in Höhe von 675 Millionen Euro.

Im Bereich der Wirtschaft muss ebenfalls mehr getan werden. Bremen ist deutscher Exportmeister. Mehr als 55 Prozent des Gesamtumsatzes der bremischen Unternehmen wird allein durch den Export generiert. Damit sind unsere Unternehmen auf eine exzellente Infrastruktur angewiesen, auf eine exzellente Schulstruktur und natürlich auch auf eine exzellente Hochschulstruktur. Zu dieser Infrastruktur gehören insbesondere auch die Häfen. Wir können jetzt endlich anpacken und dafür sorgen, dass Geld in die Bildung, in die Hochschulen und in die Infrastruktur fließt.

Uns freut es, dass das Thema Länderfinanzausgleich für Bremen positiv abgeschlossen worden ist und dass sich damit der Spielraum in den kommenden Jahren ein bisschen erweitert.

Landtag 3366 45. Sitzung/14.06.17

Jetzt liegt es wirklich an uns, den Spielraum verantwortlich zu nutzen und damit für die Zukunft Bremens zu handeln.

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen Kollegen! Die Vereinbarung für einen neuen Länderfinanzausgleich, die Bremen im Jahr 2020 Mehreinnahmen von 487 Millionen Euro einbringt, ist in der Tat etwas, das so nicht zwingend zu erwarten gewesen ist. Sie bietet uns eine Chance, die Folgen der Politik der letzten sieben Jahre und vielleicht die Politik der nächsten zwei Jahre zu bekämpfen. Trotzdem glaube ich, dass diese Form der Sanierungspolitik, diese Form der Konsolidierungspolitik alles andere als ein Erfolg ist.

Ich habe mir überlegt, woran sich eigentlich der Erfolg in einer solchen Frage bemisst. Woran misst man eigentlich den Erfolg der Politik? In diesem Zusammenhang ist eine ganz wichtige Frage, erstens, wie sich die Lebensbedingungen im Land Bremen, in den bei den Städten, in den letzten sieben Jahren entwickelt haben. Zweitens: Welche Probleme, die wir vor sieben und vor zehn Jahren hatten, haben wir eigentlich in den letzten Jahren gelöst? Haben wir vielleicht sogar neue geschaffen?

Wenn man sich einmal alle Auswertungen im Hinblick auf die Lebenslagen in Bremen anschaut, dann wird man feststellen, dass kein gesellschaftlich relevantes Problem in diesem Zwei-Städte-Staat gelöst worden ist und dass wir eine ganze Reihe neuer Probleme angehäuft haben. Das ist die Realität in Bremen! Dass wir in dieser Situation stecken, ist in der Rede des Bürgermeisters - bei allem Respekt - nicht deutlich geworden.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will diese Behauptung präzisieren, und es wird eine Aufzählung sein, die nicht vollständig ist. Ich will Ihnen sagen, dass es eine Quote von Menschen gibt, die armutsgefährdet sind. Das hängt von ihrem durchschnittlichen Einkommen ab. Im Jahr 2007 waren es in Bremen ungefähr 20 Prozent der Einwohner, die arm waren oder die von Armut gefährdet waren. Im Jahr 2015 waren es 20 Prozent, und ich bin mir sicher, dass dieser Prozentsatz in diesem Jahr weiter angestiegen ist. Das heißt, das Problem, dass Menschen armutsgefährdet sind, haben wir nicht gelöst.

(Beifall DIE LINKE)

Ein Teil der Rentner ist auf die Grundsicherung angewiesen. Diese Rentner haben gerade einmal genug Geld, um einigermaßen und irgendwie über die Runden zu kommen. Im Jahr 2009 waren es ungefähr fünf Prozent, und im Jahr 2015 waren es 6,5 Prozent. Die Anzahl der Menschen, die davon betroffen sind, ist gestiegen. Das Problem der Altersarmut ist in Bremen nicht gelöst worden.

In Bremen ist Kinderarmut vorhanden. Für das Jahr 2011 wurde festgehalten, dass die Zahl der Kinder, deren Eltern von Arbeitslosengeld II oder ähnlichen Transferleistungen abhängig sind, ungefähr bei 29 Prozent liegt. Im Jahr 2015 sind es 31,6 Prozent gewesen. Die Zahl der Kinder, die in Haushalten leben, die von Transferleistungen abhängig sind, ist nicht gesunken, sondern gestiegen. Wir haben das Problem der zunehmenden Kinderarmut nicht gelöst.

(Beifall DIE LINKE)

Bei Alleinerziehenden ist die Armutsgefährdungsquote im Jahr 2012 von etwa 50 Prozent auf 56 Prozent im Jahr 2015 gestiegen. Wir haben dieses Problem nicht gelöst.

Wenn ich mich richtig erinnere, ist Bremen nach der PISA-Studie seit 17 Jahren im Bereich der Bildung Schlusslicht. Nirgendwo in Deutschland ist der Bildungserfolg so stark vom Geldbeutel der Eltern abhängig, wie in Bremen. Wir haben in Bremen das Problem der Abhängigkeit der Bildung vom Geldbeutel der Eltern nicht gelöst.

Nirgendwo ist die Lücke zwischen den notwendigen Kitaplätzen, der U3-Betreuung und der übrigen Betreuung so groß, wie in Bremen. Wir haben das Problem der U3-Betreuung nicht gelöst.

Wenn ich richtig informiert bin, wenden wir seit 25 Jahren die sogenannte PEP-Quote an. Das heißt, in einer mehr oder weniger unterschiedlichen Ausprägung haben wir im öffentlichen Dienst in der Kernverwaltung - bei Lehrerinnen und Lehrern, bei Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten zugegebenermaßen in den letzten Jahren nicht mehr so stark - Stellen abgebaut. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem in einigen Bereichen die Funktionsfähigkeit der Verwaltung nicht mehr sichergestellt ist. Schlimmer ist jedoch, dass wir an einem Punkt angelangt sind, an dem wir - wir müssten dringend Kindergärten, Kindertagesstätten und Schulen errichten - gar nicht mehr die Planungskompetenz und die Umsetzungskompetenz haben,

Landtag 3367 45. Sitzung/14.06.17

hinreichend Schulen und hinreichend Kindertagesstätten bauen zu können. Wir haben uns in eine Falle manövriert. Wir haben nicht nur ein Problem nicht gelöst, sondern wir haben ein neues Problem geschaffen, in dem wir die Stellen in der Verwaltung so weit gekürzt haben, dass sie an vielen Punkten nicht mehr in der Lage ist, ihre Aufgaben zu bewältigen.

(Beifall DIE LINKE)

In Bremen ist nicht nur ein Sanierungsstau in Höhe von 675 Millionen Euro an den Schulen vorhanden, weitere 325 Millionen Euro sind bei öffentlichen Gebäuden, 100 Millionen Euro sind im Kitabereich, 230 Millionen Euro sind bei den Hochschulen und der Universität und circa 130 Millionen Euro sind im Straßenbereich vorhanden. Das sind die Zahlen, die wir kennen. In der Summe sind es circa 1,5 Milliarden Euro, die wir jetzt vor uns herschieben. Bei allem Respekt, Frau Dr. Schaefer, wenn wir vor mehreren Jahren hin und wieder bei historisch niedrigen Zinsen gefordert haben, die Obergrenze der Neuverschuldung dazu zu nutzen, diesen Sanierungsstau zu egalisieren, dann ist das kein Geldausgeben ohne Ende, und es ist kein unverantwortliches Schuldenmachen. Es ist vielmehr betriebswirtschaftlich, volkswirtschaftlich und finanziell ein Gewinn, wenn man das so macht, aber nichts anderes.

(Beifall DIE LINKE - Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Aber 300 Millionen hätten wir trotzdem nicht bekommen!)

Einmal ganz davon abgesehen, dass es natürlich angesichts der Tatsache absurd ist anzunehmen, dass dieser Sanierungsstau nicht statisch ist, sondern die Kosten, die dort entstehen - und das weiß jeder, der nur annähernd weiß, wie sich Bauschäden entwickeln -, werden in einer Weise steigen, die wir nicht erwartet hätten. Die Zinsbelastungen, die wir für aufgenommene Kredite tragen müssten, wären deutlich geringer. Deswegen ist es natürlich angesichts dieses Sanierungsstaus ein Stück weit irrig, mehr als 80 Millionen Euro jährlich zu tilgen.

(Beifall DIE LINKE)

Die Sozialleistungen! Im Jahr 2010 haben wir ungefähr 750 Millionen Euro für Sozialleistungen ausgegeben, im Jahr 2020 werden es circa 1 Milliarde Euro sein. Das ist eine deutliche Steigerung. Das ist ungefähr so, als hätten wir zusätzlich 30 Milliarden Euro Schulden. Wenn es uns nicht gelingt, die Kosten für Sozialleistungen nicht ohne Leistungskürzung, sondern durch eine Ursachenbekämpfung zu senken, dann haben wir nichts erreicht.

(Beifall DIE LINKE)

Im Gegenteil, wir haben dann ein Problem geschaffen.

Wohnungen! Es ist schon seit Jahren ein Mangel im Bereich des bezahlbaren Wohnraums vorhanden. Dieser Mangel ist trotz Anstrengungen und trotz Neubauten bisher nicht behoben worden.

Vielleicht jetzt noch einmal ein grünes Thema, weil es gerade angesprochen worden ist, die Energiewende. Wir hatten die Situation, dass es in Bremerhaven eine aufstrebende boomende Windenergiebranche gegeben hat. Wir standen kurz davor, Offshore-Windparks über Bremerhaven in die Nordsee zu schicken und dort zu bauen. Dann ist es sozusagen verspielt worden, den OTB rechtzeitig fertigzustellen. Der damalige Vorschlag - als es noch möglich gewesen ist -, dass die norddeutschen Länder einen kommunalen Offshore-Windpark bauen und damit gleichzeitig eine Stütze für diese Industrieform sind - abgesehen davon, dass man damit sogar Geld verdienen kann -, ist ignoriert worden. Es ist weder ein Offshore-Terminal noch ein kommunaler Windpark vorhanden. Es ist lediglich ein neues Problem geschaffen worden.

Ja, Sie haben den Anstieg der Schulden abgedämmt. Nach meinen Berechnungen müssen wir für die Jahre 2018 und 2019 keine neuen Schulden aufnehmen. Haben wir damit jetzt die Generationengerechtigkeit erreicht? Ich antworte mit einem Nein! Ihr Konzept der Generationengerechtigkeit müssen Sie mir noch einmal erklären!

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ja, mache ich gern!)

Ist es eigentlich generationengerecht, wenn wir in dieser Stadt eine steigende Kinderarmut haben, eine schwierige Situation bei Alleinerziehenden und ein Bildungsproblem, das zum Himmel schreit? Ist das generationengerecht? Welchen Gefallen tun wir der heutigen Generation, wenn wir das zulassen und es in Zukunft nicht dringend ändern? Das ist keine Generationengerechtigkeit. Sie haben Schulden angehäuft, die nicht nur finanzieller Art sind, sondern auch im sozialen Bereich, Schulden in Form von mangelnder Bildung. Sie haben Ihren Haushalt dadurch auf Kosten der Menschen in Bremen saniert, die am dringendsten Geld gebraucht hätten. Sie haben Ihren Haushalt auf Kosten der armen Menschen in Bremen saniert!

(Beifall DIE LINKE)

Landtag 3368 45. Sitzung/14.06.17

Ich werde mich später noch einmal zu Wort melden, denn ich möchte noch einen Vorschlag machen, wie wir unserer Meinung nach bis zum Jahr 2020 handeln sollten.

Ein Wort noch zu dieser Zukunftskommission. Ich bin mir relativ sicher, dass wir nicht auf die Ergebnisse einer Zukunftskommission warten können, die sich irgendwann mit den Fragen konfrontiert sieht und irgendwann zu einem Ergebnis kommt. Wir müssen jetzt handeln. Werfen Sie einfach einmal einen Blick in den Lebenslagenbericht der Arbeitnehmerkammer, werfen Sie einen Blick in den Abschlussbericht des Armutsausschusses, dann bekommen Sie eine Idee davon, was in den nächsten Jahren zu tun ist. Sie brauchen dann zumindest jetzt keine Zukunftskommission. Sie sollten selbst wissen, was zu tun ist. Handeln Sie entsprechend! - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Leidreiter.

Sehr geehrter Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich heute Morgen, die Ehre zu haben, für die neue Gruppe BÜRGER IN WUT die erste Rede halten zu dürfen.

(Abg. Dr. Güldner [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist die vierte Partei in zwei Jahren! Das ist doch eine tolle Leistung! Guinnessbuch der Re- korde!)

Ab dem Jahr 2020 gilt für die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, das - wie bisher - die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse Anwendung findet. Das bedeutet für uns weiterhin keine Neuverschuldung. Außerdem erhält das Land Bremen 400 Millionen Euro Sanierungshilfen nach Artikel 143 d Absatz 4 Grundgesetz, der jetzt in das Grundgesetz eingefügt worden ist, und 300 Millionen Euro weniger nach Artikel 143 d Absatz 2 Grundgesetz. Der Artikel 143 d Absatz 2 Grundgesetz ist bis 2019 begrenzt.

Wenn Frau Dr. Schaefer meint, dass die 300 Millionen Euro nicht in den Haushalt fließen, dann gilt hier ein einfaches Plus-minus-Rechnen. Wir bekommen 400 Millionen Euro mehr und 300 Millionen Euro weniger, es bleiben also 100 Millionen Euro übrig. Weiterhin erhält das Land Bremen 87 Millionen Euro zusätzlich nach den Regeln des Länderfinanzausgleichs. Das ist die Folge der Nordverteilung des Umsatzsteueraufkommens. In der Summe stehen also 187 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung,

wobei der Weg bis zum Jahr 2020 noch ein steiniger Weg ist.

Positiv ist hervorzuheben, dass es sich nicht um einen horizontalen, sondern um einen vertikalen Länderfinanzausgleich handelt, das heißt zwischen dem Bund und den Ländern. Die Spaltung der Länder in Geber- und Nehmerländer sollte damit ein Stück weit beseitigt werden.

Im Gegenzug bekommt der Bund zusätzliche Kontrollmöglichkeiten. Das, denke ich, ist für die Stadt Bremen gut so, obwohl das ja in der Politik umstritten ist.

Das Land Bremen hat eine Schuldenlast von 21 Milliarden Euro und dadurch bedingt, eine Zinslast von 600 Millionen Euro zu bewerkstelligen. Die Sünden der Vergangenheit holen uns heute ein. Die vorherigen Generationen haben gut auf Kosten der heutigen Generationen gelebt. Dies bezahlen wir nun durch eine jährliche Zinslast, die mehr als zehn Prozent des gesamten Haushalts ausmacht. Es stehen uns jährlich 600 Millionen Euro weniger Mittel für dringend benötigte Projekte zur Verfügung.

(Bürgermeister Dr. Sieling: Äpfel mit Birnen ver- gleichen!)