Protocol of the Session on June 14, 2017

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schaefer.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Nicht zum ersten Mal debattieren wir heute über die erzielten Ergebnisse der Neuregelungen des Länderfinanzausgleichs. Jetzt sind die Ergebnisse aber auch durch Beschlüsse - am 1. Juni im Bundestag und am 2. Juni im Bundesrat - besiegelt und manifestiert.

Die jetzt verhandelte Neuregelung der BundLänder-Finanzbeziehungen bedeutet im Kern, dass Bremen ab 2020 jährlich 487 Millionen Euro zusätzlich bekommt, Tendenz steigend, denn ein Teil der Summe erhöht sich von Jahr zu Jahr dynamisch. Meine Damen und Herren, das ist erst einmal für Bremen eine gute Nachricht, und das ist auch ein Erfolg des Senats, insbesondere der Finanzsenatorin und des Bürgermeisters.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Es ist das Ziel des Finanzausgleichs, die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen auszugleichen und damit sicherzustellen,

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dass die Länder die ihnen zugewiesenen Aufgaben wahrnehmen können. Bremen hat es hier als Stadtstaat einfach deutlich schwerer - und das muss man einmal ehrlich ansprechen , da es, wie alle anderen Großstädte auch, anders als der ländliche Raum, zum Beispiel hohe Sozialausgaben hat.

Meine Damen und Herren, natürlich ging es in den Debatten rund um Bremens finanzielle Situation - und der Bürgermeister hat es gerade auch angesprochen - immer auch um die Frage der Eigenständigkeit des kleinsten Landes. Ich finde, wir sollten die Umfrage von Radio Bremen vom Jahresanfang ernst nehmen. Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, damit die Menschen die Unabhängigkeit, die Freiheit, von der gerade die Rede gewesen ist, zu schätzen und auch zu verteidigen wissen.

Bremen hat seit 2011 die Konsolidierungsvereinbarung eingehalten und ist dem Sanierungspfad gefolgt. Das ist eine enorme Leistung. Es sind enorme Anstrengungen gewesen, und das ist auch ein Erfolg, meine Damen und Herren.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Das war und ist kein leichter Weg. DIE LINKE kritisiert in allen Reden immer die Schuldenbremse, aber, meine Damen und Herren, für die Einhaltung der Schuldenbremse haben wir in all den Jahren jeweils 300 Millionen Euro jährlich vom Bund für die Konsolidierung erhalten. Das Geld war und ist immer noch für Bremen extrem wichtig. Allerdings sind die Konsolidierungshilfen nicht in den Haushalt geflossen, sondern sie vermindern ausschließlich die jährliche Nettokreditaufnahme.

Vieles, das schön oder auch das notwendig ist, haben wir uns schlichtweg nicht leisten können, und darum drehen sich auch immer wieder die Debatten in diesem Hause. Über den Durst zu leben, wie oft von den LINKEN angepriesen, und den Sanierungspfad zu verlassen - wir hätten dann garantiert die 300 Millionen Euro jährlich nicht bekommen -, wäre nur zulasten der Bevölkerung gegangen und hätten die vorhandenen Probleme weiter vergrößert. Ich bin mir sicher, dass bei den Verhandlungen Bremen die anderen Länder und den Bund garantiert nicht hätte überzeugen können, Bremen auf die Art und Weise finanziell unter die Arme zu greifen, wie sie es jetzt tun, wenn wir den Sanierungspfad nicht eingehalten hätten.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Wir Bremer gelten in Berlin als verlässlicher Partner. Ich bin davon überzeugt, dass beim Bund - und damit beim Stabilitätsrat - deutlich

wahrgenommen worden ist, dass sich Bremen in den letzten Jahren angestrengt hat, den Konsolidierungspfad einzuhalten. Frau Vogt hat es gestern gesagt - und Herr Rupp hat es immer wieder in den Debatten gesagt, und deshalb möchte ich einmal auf das Argument eingehen -, die Zinsen seien so niedrig, deshalb könne man einfach einmal 1 Milliarde Euro zusätzliche Kredite aufnehmen, damit viele Maßnahmen in Bremen finanziert werden könnten.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen, ich finde, das ist keine solide Finanzpolitik. Vielleicht zahlt man einen geringeren Zinssatz, aber diese 1 Milliarde Euro muss irgendwann einmal getilgt werden. Die LINKEN verfolgen eine Finanzpolitik, die eindeutig zulasten der nach uns kommenden Generationen geht. Ich finde, wir können kein Geld ausgeben, das uns nicht gehört und dass irgendwann einmal zurückgezahlt werden muss. Das ist gegenüber unseren Nachkommen unverantwortlich, meine Damen und Herren.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Das heißt für uns, wir müssen auch in den nächsten zwei Jahren noch einmal deutliche Prioritäten bei den Ausgaben setzen und noch einmal Sparanstrengungen vornehmen. Das ist hart, und das ist auch nicht beliebt. Das Ergebnis der jetzigen Verhandlungen zeigt aber, dass diese nicht immer beliebte, aber notwendige Sparsamkeit bei den Verhandlungen zum Erfolg geführt hat. Eines ist auch klar: Diejenigen, die hier in welcher Konstellation auch immer - RotGrün, dafür hätte ich natürlich sehr große Sympathien, Rot-Rot-Grün, Rot-Schwarz, SchwarzGelb, Jamaika, welche Koalition auch immer - ab 2019 in der Bürgerschaft regiert, werden die Früchte der Sparanstrengungen in den Jahren ab 2020 ernten, und zwar die Früchte, die in den letzten Jahren durch die Sparanstrengungen gesät worden sind.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Ab der nächsten Legislaturperiode ist der Bergrücken erklommen, und es wird einfacher werden, wichtige Vorhaben finanziell zu hinterlegen und umzusetzen. Der Vorteil ist nämlich, dass die 487 Millionen Euro komplett in den Haushalt eingestellt werden dürfen. Das ist ein Unterschied zur bisherigen Konsolidierungshilfe. Das Geld darf ohne Auflagen und ohne Zweckbindung in den Haushalt eingestellt werden. Das heißt, wir können darüber viel freier verfügen. Ich sage aber auch schon - das habe ich auch in der letzten Debatte gesagt -, wir tun gut daran, meine Damen und Herren, nicht jetzt schon das Geld mit vollen Händen zu verplanen. Zum

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einen muss Bremen ab 2020 die Schuldenbremse genauso einhalten, zum anderen hat sich der Berg der Altschulden von über 20 Milliarden Euro nicht in Luft aufgelöst, und die zukünftige Zinsentwicklung ist auch nicht absehbar.

Das heißt, dass wir durch die Neuregelung einen etwas größeren finanziellen Spielraum in den Haushalten erhalten als jetzt, aber - und das sage ich auch für uns Grüne - wir werden definitiv damit anfangen müssen, die Altschulden zu tilgen. Wir sagen, die Tilgung soll mit jährlich 80 Millionen Euro erfolgen. Das ist auch gesetzlich vorgeschrieben. Wir halten den CDU-Weg für falsch, das gesamte Geld für die Schuldentilgung zu verwenden. Wir halten es auch für weltfremd. Eine hungrige Stadt, die lange darben musste, benötigt finanzielles Futter, um sich zu erholen, um sich zu regenerieren, um sich neu zu definieren und sich neu aufzustellen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Wir finden es daher auch gut, dass sich der Senat schon jetzt damit beschäftigt, welche Schwerpunkte zukünftig in Bremen eine Rolle spielen sollen und wie eine zukunftsfähige Stadt aussehen soll. Ein Schwerpunkt - und das ist für uns Grüne ganz klar - müssen die Bereiche Bildung und Kinder sein, wobei wir auch ganz klar sagen, es reicht uns Grüne nicht, auf 2020 zu hoffen. Die Eltern, deren Kinder jetzt die Kindergärten besuchen, die jetzt in die Schule gehen, wollen, dass sich jetzt an der Situation deutlich etwas verbessert. Sie haben verständlicherweise keine Lust, sich auf das Jahr 2020 vertrösten zu lassen. Daher ist es aus unserer Sicht unumgänglich, jetzt schon die Bedarfe zu definieren.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Natürlich wird der Bildungsbereich ab 2020 ein Schwerpunkt sein müssen. Genauso ist es für uns Grüne elementar wichtig, in Nachhaltigkeit und in den Klimaschutz zu investieren. Eine Stadt verspielt ihre Zukunft, wenn sie sich nicht um das weltweit größte Problem, nämlich die Folgen des Klimawandels, kümmert. Der Klimawandel gefährdet die Landwirtschaft. Er betrifft uns besonders auch als Küstenland. Jeder Euro, der für Energiesparmaßnahmen eingesetzt wird, zahlt sich langfristig doppelt aus. Co2 eingespart heißt, Strom und Wärme eingespart heißt auch Geld eingespart, meine Damen und Herren!

Ein anderes elementares Thema wird die Integration in eine wachsende Stadt sein, die

weltoffen ist und die Menschen, die aus den globalen Krisengebieten geflohen sind, aufnimmt. Wenn man sich die geopolitische Situation anschaut, ob im Nahen Osten, ob mit Herrn Trump in den USA, Erdogan in der Türkei, Putin in Russland, Nordkorea und so weiter, dann habe ich die Befürchtung, dass sich diese Situation nicht entspannen wird, sondern dass sie sich eher weiter zuspitzt, und das wird die Fluchtbewegung sicherlich noch einmal erhöhen. Wenn eine Stadt - und das finde ich gut an Bremen - diesen Menschen eine Bleibe gibt, dann muss man sich auch intensiv darum kümmern, dass die Menschen gut integriert werden, dass die Kinder früh gefördert werden, dass Bildung der Schlüssel gegen die Armut ist und dass die Menschen einen Arbeitsplatz finden. Dafür sind Konzepte notwendig.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Es ist sinnvoll, wenn der Senat hier nicht im eigenen Saft schmort und Vertreterinnen - ich sage das Wort Vertreterinnen nicht mit einem großen I, sondern mit einem kleinen I - in die Kommission beruft, denn ich hoffe, dass es in dieser Kommission einen repräsentativen Frauenanteil geben wird und viele junge Menschen Mitglied in der Kommission werden, nicht aber, dass es am Ende eine Altherrenkommission ist, die sich über die Zukunft der Stadt Gedanken macht.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Es ist gut, dass aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Initiativen und aus den Kammern Expertenmeinungen eingeholt werden, aber, ich glaube, es ist auch gut, sich durch Anhörungen - oder wie auch immer die Kommission es organisieren möchte -, externen Sachverstand aus anderen Städten oder vielleicht auch einmal aus anderen Ländern einzuholen. Wir haben zum Beispiel große Sympathien für Jan Gehl aus Kopenhagen, der nicht nur Kopenhagen, sondern auch New York und Melbourne bei der Stadtentwicklung wirklich nach vorn gebracht hat. Manchmal hilft eben gerade auch der ungetrübte Blick von außen auf eine Stadt, um innovative Ideen zu entwickeln.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Wir befürworten insofern die Zukunftskommission, aber wir dürfen trotzdem die Probleme von heute nicht aus dem Blick verlieren, sondern wir müssen sie heute genauso bearbeiten, damit wir das Jahr 2020 erreichen. Es werden noch zwei steinige Jahre in Bremen werden, aber es lohnt sich, denn es zeichnet sich ein Ende der Durststrecke ab. - Herzlichen Dank!

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(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Steiner.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, zum Thema Länderfinanzausgleich wurde wahnsinnig viel geredet, und es wurden viele Meinungen ausgetauscht. Sicherlich ist von Ihrer Seite auch viel gekämpft worden. Das ist erst einmal anerkennenswert, und es ist für Bremen ein ganz entscheidender Schritt getan worden.

Ich muss sagen, ich bin froh, dass das Thema Länderfinanzausgleich für die nächsten Jahre geklärt ist. Ich bin auch froh, dass es für Bremen eine Verpflichtung zur Schuldentilgung gibt.

(Beifall FDP)

Ich bin weiterhin froh, dass die Konsolidierungshilfe zumindest zu einem Teil für die Schuldentilgung eingesetzt wird. Es müssen nämlich circa 80 Millionen Euro pro Jahr zweckgebunden verwandt werden. Ich hätte mir einen weitaus höheren Betrag gewünscht, denn 80 Millionen Euro sind im Verhältnis zum Schuldenberg von 22 Milliarden Euro gerade einmal ein Tropfen auf dem heißen Stein. Es dauert nämlich 275 Jahre bis der Schuldenberg endlich abgetragen sein würde und damit eine echte Generationengerechtigkeit entstehen würde.

Wir sollten schon heute so weitsichtig sein und versuchen, den Schuldenberg aus eigener Selbstverpflichtung heraus abzubauen, um damit die Verantwortung für die nachfolgenden Generationen zu übernehmen und einen Spielraum bereitzustellen. Ich befürchte, dass sich das Zinsniveau in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren wieder normalisieren wird. Wir sind damit dem Risiko ausgesetzt, das uns die Zinslast zukünftig höher belastet, als heute kalkulierbar ist. Jeder Cent, der heute als Kredit aufgenommen wird, kann von unseren Kindern und Enkelkindern eben nicht einfach einmal ausgegeben werden. Damit legen wir den nachfolgenden Generationen wieder ganz schön große Steine in den Weg.

Für mich ist es, ehrlich gesagt, ungerecht, wenn wir den Menschen, die nach uns die wichtigen politischen Entscheidungen zu treffen haben, die Chance nehmen, in Zukunft ihre eigenen wichtigen politischen Projekte angehen zu können und sich damit auch den Herausforderungen zu stellen. Wir sollten bei allem, was wir heute politisch umsetzen, im Blick haben, dass wir damit die nachfolgenden Generationen

eben nicht belasten und nicht zu stark einengen.

(Beifall FDP)

Ich glaube, wir können in diesem Bereich noch mehr leisten, wenn wir den Mut dazu aufbringen.

Herr Bürgermeister, mich hat eben ein bisschen Ihre Einschätzung zu unserer Position gewundert, denn ich glaube, dass unsere Meinungen gar nicht weit auseinandergehen. In den letzten Beratungen haben Sie auch gesagt, dass Sie sich ganz klar zu Investitionen bekennen. Das hat uns sehr gefreut, und insofern sind wir in diesem Bereich gar nicht so weit auseinander, wie Sie es eben gerade dargestellt haben. Ich glaube, dass Investitionen und Schuldentilgung genau der richtige Weg sind. Ich glaube auch, dass wir nur mit langfristigen Investitionen und mit Investitionen in die Wertschöpfung Mehreinnahmen generieren können und damit Bremen auch als nachhaltig wachsendes Land begreifen.

Wir stehen aktuell allein im Hochschulbereich vor einem riesigen Investitionsstau in Höhe von 0,5 Milliarden Euro. Dieser Investitionsstau muss dringend abgebaut werden, um Bremen weiterhin als Standort für die Luft- und Raumfahrt, für den Automobilbau und für die Lebensmitteltechnik attraktiv zu halten. Dafür brauchen wir nämlich auch eine exzellente Hochschulinfrastruktur.

(Beifall FDP)