Protocol of the Session on May 11, 2017

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Mit der demokratischen Seite in der Türkei können wir sie fortsetzen, mit Erdogan geht das nicht. Das ist unser Signal. Das beantragen wir mit unserem gemeinsamen Antrag mit den Kollegen der FDP, denn das schulden wir aus meiner Sicht der demokratischen Seite in der Türkei. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Landtag 3308 44. Sitzung/11.05.17

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Özdal.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Einige mögen jetzt denken, nicht schon wieder eine Diskussion über die Türkei, doch angesichts der Geschehnisse vor dem Referendum, im Hinblick auf das Ergebnis des Referendums und auch im Hinblick auf den Inhalt dieser Verfassungsänderung halten wir eine erneute Diskussion dieser Thematik heute für geboten.

(Beifall CDU, FDP)

Wir haben erst gestern festgestellt, dass Wahlen das höchste Gut einer Demokratie sind. Der Staat hat die Aufgabe, Wahlen - auch Referenden gehören dazu - manipulationsfrei, unabhängig und ordnungsgemäß abzuwickeln. Bei dem Referendum am 16. April in der Türkei haben wir so unsere Bedenken, und zwar ist das Ergebnis dieses Referendums aus unserer Sicht nicht rechtmäßig zustande gekommen.

(Beifall CDU, FDP)

Die Begründung dazu möchte ich Ihnen so erklären: Nach den offiziellen Zahlen gab es einen Vorsprung von 1,3 Millionen für die Jastimmen, für das Ja-Lager, aber aus den 167 000 Urnen in der Türkei kamen 1,5 bis 4 Millionen Wahlzettel heraus, die ungestempelt waren. Nach dem aktuellen Wahlgesetz in der Türkei, das auch am 16. April in Kraft war, sind von den örtlichen Urnenvorständen, von den örtlichen Wahlbehörden ungestempelte Wahlzettel als ungültig zu deklarieren. Das ist aufgrund einer Entscheidung des Hohen Wahlrats am Wahltag aufgrund eines Antrags eines AKP-Funktionärs nicht passiert. Der Beschluss lautete, selbst ungestempelte Wahlzettel, Umschläge seien als gültig zu werten, und das ist ein ganz klarer Rechtsbruch. Das ist ein Schlag in das Gesicht aller Abstimmenden über dieses Referendum in der Türkei sowie in ganz Europa.

(Beifall CDU, FDP, DIE LINKE)

Das ist deshalb der Fall, weil, selbst wenn man von der Mindestzahl von 1,5 Millionen ungestempelten Zetteln ausgeht, diese in der Lage sind, das Gesamtergebnis dieses Referendums umzukehren. Das hat nichts mit einer demokratischen Abstimmung zu tun.

Ich möchte auf den Inhalt der Anträge kommen! DIE LINKE fordert die Freilassung aller Journalisten, dagegen kann man nichts haben, sofern sie politisch inhaftiert sind. Nach meinen Zahlen sind aktuell noch 163 Journalisten in der Türkei

aus politischen Gründen inhaftiert, und das ist weltweit spitze.

(Abg. Tuncel [DIE LINKE]: Die meinten wir!)

Diese sind auch aus unserer Sicht freizulassen oder einem gerechten Gerichtsverfahren zuzuführen, aber auch das geschieht nicht.

(Beifall CDU)

Allerdings fordert DIE LINKE auch die Freilassung aller demokratisch gewählten Mandatsträger in der Türkei. Da entstehen Probleme, und zwar, weil die derzeit inhaftierten Mandatsträger alle der kurdischen Oppositionspartei HDP entstammen.

(Zuruf DIE LINKE)

Das ist noch nicht der Grund. Der Grund ist der Vorwurf - zum Beispiel an Herrn Demirtas - der Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation. Den Vorladungen der Staatsanwaltschaft sind diese Herren nicht gefolgt, sie haben alles ignoriert, und deswegen wurden sie auch inhaftiert.

(Zuruf DIE LINKE)

Man muss bedenken, der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation betrifft die PKK. Was ist die PKK? Die PKK ist die seit 33 Jahren blutigste Terrororganisation auf der Welt, sie verübt seit 1984 täglich Anschläge in der Türkei. Diesem Terror sind 50 000 Menschen in der Türkei zum Opfer gefallen, darunter Tausende Polizisten, Tausende türkische Soldaten, Tausende Zivilisten, und darunter auch Tausende kurdische Zivilisten, Kinder und Frauen.

(Zuruf DIE LINKE)

Das war der Vorwurf. Ob sich der Vorwurf halten lässt, können wir von hier aus nicht sagen und auch nicht feststellen, aber das darf doch einmal von der Staatsanwaltschaft geprüft werden!

(Zuruf Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen])

Das muss doch einem Gerichtsverfahren zuzuführen sein, selbst wenn diese Mandatsträger zurzeit unter der Herrschaft von Erdogan beschuldigt werden.

Wenn Sie sagen, es gebe in der Türkei zurzeit keine unabhängigen Gerichte, nur weil Erdogan an der Macht ist, was ist denn die Folge davon?

Landtag 3309 44. Sitzung/11.05.17

(Zuruf Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen])

Dass jede Beschuldigung in der Türkei ins Leere läuft? Dass jeder Straftaten begehen kann, wie er will, nur weil Erdogan an der Spitze ist?

(Zurufe Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen] und Abg. Dr. Buhlert [FDP])

Das kann nicht die Begründung sein!

(Beifall CDU)

Wenn Sie im Internet schauen, dann sehen Sie Bilder von Demirtas in den Kampfanzügen der PKK.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Das sind keine Kampfanzüge!)

Ob das eine Mitgliedschaft oder eine Unterstützung ist, das weiß ich nicht, aber das sehen Sie dort nun einmal! Dann sehen Sie Bilder mit den aktuellen PKK-Führern mit Dimirtas und Karayilan.

(Glocke)

Ob das eine Mitgliedschaft begründet, weiß ich nicht, aber das sind zumindest Anhaltspunkte, denen ein Staat nachgehen darf.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ja, aber nur mit Richtern, die auch nach wie vor im Amt sind!)

Ihre Redezeit ist zu Ende!

Dann beende ich jetzt meine Rede und komme nachher noch einmal wieder! - Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Grotheer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ihre Anträge, die Sie hier heute von der Opposition, von beiden Seiten dieses Parlaments, als Anträge vorgelegt haben, kann man nicht einmal neuen Wein in alten Schläuchen nennen. Nein, in diesem Fall ist es tatsächlich alter Wein in neuen Schläuchen. Also alte Inhalte, alte Forderungen in neue Anträge verpackt.

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Deswegen ist es ja nicht falsch!)

Lassen Sie mich Ihnen zuerst sagen, dass ich persönlich gegen das Verfassungsreferendum gestimmt hätte. Ich hätte mit Nein gestimmt. Das, was sich dadurch im politischen System der Türkei voraussichtlich ändern wird, passt nicht zu meiner Vorstellung von einer repräsentativen Demokratie.

(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grüne, FDP, DIE LINKE, LKR)

Ich konnte darüber aber nicht abstimmen. Ich bin keine Türkin. Die Türkinnen und Türken haben aber abgestimmt, welche Form der Regierungsgewalt sie wollen. Es hat ein knappes Ergebnis für die Änderung der Verfassung gegeben.

Es ist schon die Frage der Rechtsmittel gegen diese Änderung angesprochen worden. Es scheint keine weiteren zu geben. Die hat es vorher aber auch nicht gegeben. Es ist also nicht neu.

Diese Entscheidung der Türkinnen und Türken in der Türkei, auch hier und auch in anderen Ländern, haben Sie zum Anlass genommen, wieder einmal das Thema Türkei auf die Tagesordnung zu bringen. Das Thema hat dieses Parlament inzwischen drei-, vier-, fünfmal innerhalb eines Jahres diskutiert. Wir haben mit zwei Beschlüssen als Parlament zu diesen Fragen sehr deutlich Stellung genommen. Wir haben die von Ihnen gestellten Forderungen tatsächlich bereits beschlossen.

Zu den beiden Anträgen allgemein: Weite Teile Ihrer Begründungen teile ich nicht. Ich teile einige Punkte, nicht alle. Da ich weiß, dass Sie mir dann üblicherweise immer vorhalten, dass die Begründungen ja nicht beschlossen werden, möchte ich mich jetzt zunächst auf den Antrag der LINKEN und der FDP beziehen.