Protocol of the Session on April 6, 2017

Wer dem Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 19/980 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU, DIE LINKE, FDP, LKR, AfD)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Islamistische Gefährder mithilfe einer elektronischen Fußfessel überwachen Antrag der Fraktion der CDU vom 8. März 2016 (Drucksache 19/320) Wir verbinden hiermit: Islamistische Gefährder mithilfe einer elektronischen Fußfessel überwachen Bericht und Antrag des Rechtsausschusses vom 20. März 2017 (Drucksache 19/986)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Professor Stauch.

Der Antrag der Fraktion der CDU, Islamistische Gefährder mithilfe einer elektronischen Fußfessel überwachen, vom 8. März 2016, Drucksache 19/320, ist von der Bürgerschaft (Landtag) in ihrer 17. Sitzung am 17. März 2016 zur Beratung und Berichterstattung an den Rechtsausschuss überwiesen worden. Der Rechtsausschuss legt nunmehr mit der DrucksachenNummer 19/986 seinen Bericht dazu vor.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Aulepp als Berichterstatterin.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Vorsitzende des Rechtsausschusses darf ich Ihnen von den Beratungen im Rechtsausschuss über den Antrag der CDU-Fraktion berichten, der heute hier auf der Tagesordnung steht. Ich darf Ihnen versichern – das haben Sie unserem Bericht ja auch entnommen –, dass wir uns ausführlich im Rechtsausschuss darüber ausgetauscht und dabei auch die Bewegungen auf der Ebene der Bundesgesetzgebung verfolgt und diskutiert haben.

Ich will Ihnen den Bericht gar nicht im Einzelnen darstellen. Die CDU-Fraktion wollte in ihrem Antrag, dass die Bürgerschaft den Senat auffordert, eine Initiative im Bundesrat zu ergreifen. Nach langen und intensiven Beratungen im Rechtsausschuss haben wir festgestellt, dass es in diesem Bereich bereits bundesrechtliche Initiativen gibt. Dazu haben sich auch die Justizminister in der Justizministerkonferenz und auch die Innenminister verhalten, und wir haben das dann noch einmal erörtert. Das eine ist der im Moment im Bundestag zur Beratung anstehende Gesetzentwurf zur Änderung der Strafprozessordnung im Maßregelrecht, konkret bei den Auflagen zur Führungsaufsicht, das andere ist der ebenfalls im Moment im Bundestag in der Beratung befindliche Änderungsantrag zum BKA-Gesetz, der diverse Punkte umfasst, unter anderem auch das Ermöglichen der elektronischen Aufenthaltsüberwachung, kurz elektronische Fußfessel – wobei der Begriff Fessel an der Stelle ja irreführend ist –, für Personen, von denen die Gefahr der Begehung einer terroristischen Straftat ausgeht.

Der Rechtsausschuss hat sich mehrheitlich dafür ausgesprochen, diese Gesetzgebungsinitiativen zu begrüßen, und hat dann ebenfalls mehrheitlich die Empfehlung an die Bürgerschaft gegeben, die ich Ihnen hier vortrage, nämlich dass die Initiative, die sich die CDU gewünscht hat, angesichts dessen, dass die gewünschten Initiativen auf Bundesebene bereits ergriffen worden sind und beraten werden, nicht mehr notwendig ist und er der Bremischen Bürgerschaft deshalb heute empfiehlt, den Antrag der CDU mit dem Titel „Islamistische Gefährder mithilfe

einer elektronischen Fußfessel überwachen“ mit der Drucksachen-Nummer 19/320 abzulehnen. Soweit der Bericht als Vorsitzende des Rechtsausschusses! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hinners.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Aulepp, es ist ja richtig und gut, dass die Initiative im Bundesrat in Gang gekommen ist, aber trotzdem wundert mich, dass Sie deswegen unseren Antrag ablehnen wollen, denn es würde ja auch Sinn machen, diese Initiative noch weiter positiv zu begleiten, weil es ja noch nicht im Bundestag beschlossen ist.

Meine Damen und Herren, der Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin im Dezember 2016 hat wieder einmal bewiesen, dass Deutschland im Visier religiöser Extremisten steht. Deren perfide Strategie zeigte sich gerade bei diesem Anschlag, aber auch bei den Anschlägen in Frankreich und Belgien in den letzten beiden Jahren. Sie gehen rücksichtslos vor und wollen so viele unschuldige Menschen wie möglich töten oder schwer verletzen. Dabei setzen sie Schusswaffen oder, wie in Berlin und Nizza, Lastkraftwagen als Tatwaffen ein. Die unschuldigen Opfer hatten kaum eine Chance, sich vor diesen Massakern an öffentlichen Plätzen oder in allgemein zugänglichen Lokalen zu schützen, denn die Täter haben ohne Vorankündigung überfallartig und mit großer Rücksichtslosigkeit und Brutalität gehandelt.

Meine Damen und Herren, diese Situation muss gerade in einem Rechtsstaat wie Deutschland zu einer nachhaltigen Diskussion mit dem Ziel führen, einerseits die Sicherheit und Freizügigkeit der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten, andererseits aber auch den Personenkreis der potenziellen Täter, die bei den zuständigen Behörden in der Regel bekannt und als Gefährder eingestuft worden sind, für die aber für eine Inhaftierung gegenwärtig in der Regel kein Rechtsgrund vorliegt, so unter Beobachtung zu stellen, dass das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit und auch das rechtsstaatliche Interesse des Betroffenen möglichst miteinander im Einklang stehen.

(Beifall CDU)

Dabei sind, das hat Frau Aulepp eben auch angedeutet, Bundes- und Landesrecht tangiert und zu beachten. Beim Landesrecht – darüber haben wir uns noch gar nicht unterhalten – könnte bei Gefährdern typischerweise das Polizeigesetz im Rahmen einer Überwachung infrage kommen.

Nach aktuellen Einschätzungen gibt es in Deutschland mittlerweile über 500 islamistische Gefährder, die den

Sicherheitsbehörden auch bekannt sind. In Bremen, das hat der Senator für Inneres ja vor Kurzem mitgeteilt, liegt diese Zahl im hohen zweistelligen Bereich. Viele von ihnen waren im Bürgerkrieg in Syrien und im Irak beteiligt und haben dabei Kenntnisse über Waffen und Sprengstoff erlangt. Ein großer Teil dieser sogenannten Gefährder besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit, und das erschwert das gesamte Verfahren.

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion setzt sich ganz eindeutig dafür ein, dass die nicht deutschen Gefährder mit den Mitteln des Rechtsstaates so schnell wie möglich in ihre Heimatländer abgeschoben werden.

(Beifall CDU)

Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang ja ein beachtenswertes Urteil gefällt. Die Richter sprechen darin von einem beachtlichen Risiko, das von diesen Menschen ausgeht, und deshalb ist deren Abschiebung relativ einfach. Dabei darf aus Sicht der CDU-Fraktion auch der Abschiebegewahrsam kein Tabu sein. Aber, meine Damen und Herren, wie gehen wir mit den Gefährdern um – ich hatte es eben schon angedeutet –, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen? Dem „Weser-Kurier“ vom 3. April konnten wir entnehmen, dass die Grünen bei diesem Personenkreis eine verstärkte Präventionsarbeit fordern. Das ist sicher erforderlich im Vorfeld dieser Gefährder, aber mindert das tatsächlich die Gefahr von Terroranschlägen durch aktuell Terrorverdächtige? Eher nicht, meine Damen und Herren!

Die CDU-Fraktion fordert deshalb eine deutliche Verbesserung der Überwachung dieses Personenkreises. Eine Observation eines Gefährders rund um die Uhr beansprucht mindestens 30 Observationskräfte mit entsprechenden Hilfsmitteln der Polizei, und das ist von keiner Sicherheitsbehörde in Deutschland zu leisten. Deshalb fordert die CDU-Fraktion mit dem vorliegenden Antrag – im Übrigen sind wir dort auf der gleichen Linie wie der Senator für Inneres –, islamistische Gefährder mittels einer elektronischen Fußfessel besser überwachen zu können als bisher; der Begriff ist nicht ganz passend, das stimmt schon, es ist keine Fessel.

Die immer wieder aufgestellte Behauptung, wonach dieses Instrument nicht dazu führt, damit einen Terroranschlag verhindern zu können, ist begrenzt richtig. Allerdings ist es sehr viel leichter, mit dieser elektronischen Fußfessel ein Bewegungsprofil dieser Gefährder zu erstellen, ihre Aufenthaltsorte besser kennenzulernen

(Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Daran ist aber keine Kamera, Herr Kollege! Mit Kennenlernen ist da nichts!)

sowie ihre Kontakte aufzudecken, die sie pflegen.

Wir fordern deshalb weiterhin, dass der Senat im Bundesrat seine Initiative zur Schaffung der dafür erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen einbringt. Wir fordern darüber hinaus aber auch, dass der Senat im Rahmen des Bremischen Polizeigesetzes die Möglichkeit prüft, auch hier bei Gefährdern eine elektronische Fußfessel zu ermöglichen. – Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich sage zuerst, wir fanden es als LINKE eigentlich relativ überzeugend, dass momentan Diskussionen über ungelegte Eier stattfinden, da auf Bundesebene Initiativen laufen. Man weiß nicht so genau, was jetzt getan oder was nicht getan wird. Es ist schwer. Daher sagen wir generell, wir stimmen mit dem Rechtsausschuss überein, und wir werden den CDU-Antrag deshalb ablehnen. Das ist das eine.

Auf der anderen Seite aber bahnt sich hier doch ein Stück weit eine inhaltliche Diskussion an. Ich will natürlich deutlich sagen: Inhaltlich ist der Beschlusstext des CDU-Antrags vorhanden, und dazu sagen wir als LINKE, dass wir nicht den Vorstoß des Innensenators begrüßen, islamistische Gefährder mittels einer elektrischen Fußfessel überwachen zu wollen, und wir werden auch nicht den Senat auffordern, im Bundesrat eine weitere Initiative zur Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen für den präventiven Einsatz der elektronischen Fußfesseln einzubringen. Das sind die Positionen.

Mein Vorredner hat es schon ein bisschen angedeutet, es ist eine große Schwierigkeit, den Begriff „Gefährder“ zu definieren, denn das Wort Gefährder ist juristisch gesehen ein unbestimmter Rechtsbegriff, und damit fangen die Schwierigkeiten an. Der Antrag bestätigt das im Grunde genommen. Ich zitiere aus dem Antrag: „Als Gefährder werden von den Sicherheitsbehörden solche Personen eingestuft, bei denen bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden.“

Straftaten begehen werden, mit großer Wahrscheinlichkeit, das heißt ganz klar, das sind Menschen, die nicht vorbestraft sind. Das sind Menschen, gegen die im Moment keine Strafverfahren geführt werden, sondern sie werden im Grunde genommen aufgrund ihrer angenommenen, ihrer wahrscheinlichen Gesinnung stigmatisiert und bekommen eine Fußfessel. Ich finde, das ist rechtlich auf jeden Fall sehr, sehr bedenklich.

(Beifall DIE LINKE)

Das ist ein Stück weit etwas, was wir damals, im deutschen Herbst, als Gesinnungsjustiz bezeichnet haben.

Das ist auch jetzt ein Stück weit eine Gesinnungsjustiz, weil wir damit den normalen rechtsstaatlichen Rahmen verlassen, den wir als LINKE immer wieder anerkannt haben und auch verteidigen. Wir sagen, er muss bestehen, aber er muss auch ganz, ganz deutlich für Gefährder bestehen. Das hat überhaupt nichts damit zu tun hat, dass wir als LINKE irgendwelche Sympathien für diese Personen oder für ihre Taten haben. Es darf hier kein Missverständnis geben, aber trotzdem glauben wir, dass die Rechtsstaatlichkeit wichtig ist.

(Beifall DIE LINKE)

Dann sagen Sie, man will die Gefährder mit der Hilfe – das ist die Überschrift des Antrags – einer elektronischen Fußfessel überwachen. Ich antworte einmal, ja, gut, überwachen, das ist in Ordnung, wenn Sie sich aber die Praxis einmal anschauen, dann ist, bisher jedenfalls, in Hessen ein Zentrum vorhanden, in dem ein paar Monitore aufgestellt sind. Man sieht einen roten Punkt, die Gefährder, es wird über GPS gesteuert, und darunter liegt dann zum Beispiel die Karte von Bremen. So, und was sehen wir dann? Wir sehen dann einen roten Punkt, der sich beispielsweise in Richtung Dom bewegt und den Dom betritt. Ja und dann? Was heißt das? Ist das dann ein besonders perfider islamistischer Terrorist, der in einen evangelischen Dom gegangen ist?

(Abg. Lübke [CDU]: Darum geht es doch gar nicht!)

Ich versuche damit deutlich zu machen, dass die Fußfessel mit dem kleinen Punkt auf dem Bildschirm noch nicht einmal annähernd eine Aussage darüber trifft, um wen es sich eigentlich handelt. Es wird lediglich festgehalten, dass es sich um einen Menschen handelt, der sich zu einer gewissen Zeit an einem bestimmten Ort aufgehalten hat. Über das, was er eigentlich gemacht hat, ob er nun zum Christentum konvertiert ist oder ob er irgendwo anders hingegangen ist, gibt es überhaupt keine Aussage.

Wir als LINKE sagen dazu ganz, ganz deutlich, das ist problematisch, und das ist mit unserer Rechtsstaatlichkeit nicht unbedingt zu vereinbaren. Vor allem erwecken Sie den Eindruck, als würde mit dem Tragen einer Fußfessel eine höhere Sicherheit erreicht werden. Wir sagen ganz deutlich: Sie hilft überhaupt nicht!

(Beifall DIE LINKE)

Wir haben es ja gesehen, zumindest bei einem der Anschläge trug ein Terrorist eine Fußfessel, das muss man dann auch einmal sagen. Die Intention des islamistischen Terrors ist es doch gerade, Terror zu verbreiten, indem das eigene Leben als Waffe eingesetzt oder auf das eigene Leben keine Rücksicht genommen wird. Das ist eine neue Dimension. Gegen diese neue Dimension hilft keine Fußfessel. Daher

sagen wir: Bürgerrechte dürfen nicht für die Illusion einer scheinbaren Freiheit oder einer scheinbaren Sicherheit geopfert werden. – Danke!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dogan.