Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, begrüße ich auf der Besuchertribüne recht herzlich die Gruppe der Schafferinnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es geht hier um Vernetzung, und ich finde es gut, dass es uns gelungen ist – der SPD, den Grünen und der CDU –, uns bei diesem Thema so zu vernetzen, dass Ihnen jetzt dieser An trag vorliegt. Die Entwicklung und Nutzung von voll autonom fahrenden fahrerlosen Fahrzeugen könnte heute gewohnte Nutzungsmuster wirklich revolutionär verändern. Dies könnte im Sinn von mehr Teilen und Sharing zu veränderten Besitz-, aber auch Geschäfts modellen führen, und traditionelle Grenzen zwischen den Verkehrsarten könnten aufgelöst werden.
Das selbstfahrende Fahrzeug kann ein privates Auto, Taxi, Bus, Sammelfahrzeug oder normales CarsharingAuto sein. Es bestehen große Chancen für nachhaltige Verkehrskonzepte, die umfassende Mobilität mit viel weniger, aber effizient genutzten Autos herstellen. Es gibt die Chance, dass wir weniger Autoverkehr und mehr ÖPNV realisieren, aber es gibt auch die Chance, dass genau das Gegenteil eintritt, das muss man in dieser Phase wirklich wissen. Es dauert noch 10 bis 20 Jahre – darüber ist man sich noch nicht ganz einig –, bis es hier wirklich realisiert sein wird, und wir haben jetzt noch die Möglichkeit zu sagen, in welche Richtung es gehen kann. Wenn uns diese Entwicklung überrollt, werden wir dann irgendwann nichts mehr machen können, und deswegen ist es wichtig, dass wir uns diesem Thema widmen.
Seit 2014 wird schon um die Potenziale und Risiken für die Innenstadt- und Verkehrsentwicklung in Bremen gerungen, und es werden zunächst einmal Fragen gestellt, das ist das, glaube ich, was wir jetzt tun müs sen: Welche Entwicklungen sind wirklich gewollt? Wie können Verkehrsangebote kundenfreundlich vernetzt werden? Wie findet die Vernetzung mit denen statt, mit denen es vielleicht nicht so einfach ist, nämlich mit Fußgängern und Radverkehr? Wo müssen Rah menbedingungen, zum Beispiel in Ordnungspolitik und Finanzierung, verändert werden?
Dann habe ich auch einmal über unsere Verkehrs betriebe, BSAG und Bremerhaven Bus nachgedacht. Das wird eine riesengroße Veränderung für diese Betriebe bedeuten, und wenn sie nicht schon jetzt darüber nachdenken, wie sie diesen Herausforde rungen gerecht werden, dann wird es für sie eine ganz schwierige Zukunft werden. Deswegen ist es wichtig, dass wir gerade auch in Bezug auf den ÖPNV nachdenken.
Herr Strohmann hat es schon erwähnt: Es ist gut, dass sich Bremen zusammen mit Bremerhaven Bus auf den Weg gemacht hat, sich an einem Modellprojekt für autonom fahrende Kleinbusse zu beteiligen. Das ist ein tolles Projekt und ermöglicht es eben auch, einige dieser Chancen zu realisieren, indem man nämlich in Gebieten, die unterversorgt sind, mit kleineren autonom fahrenden Bussen plötzlich die Versorgung sicherstellen kann.
Genauso wichtig ist es, dass wir uns tatsächlich mit Unternehmen und Forschungsunternehmen daran beteiligen, dass wir wirklich so eine Teststrecke nach Bremen bekommen. Wir müssen eindeutig die Akquise für Fördermittel beim Bund und bei der EU verstärken, und das nicht nur in diesem Bereich. Wozu kann das führen? Was sind eigentlich die Chan cen des autonomen Fahrens? Es kann eine verbesserte Teilhabe und nachfragegerechtere Fahrzeuggrößen geben und einen wirklich großen Schub für das Car sharing, wenn die Leute nämlich denken, dass sie das Fahrzeug gar nicht mehr besitzen müssen, sondern sich ein Fahrzeug bestellen, das dann in ihrer Nähe stehen wird. Das könnte bedeuten, wenn man es weiterdenkt, dass plötzlich nur noch ein Zehntel der Fahrzeuge im öffentlichen Raum steht, dazu gibt es Schätzungen. Ich finde, das wäre etwas ganz Tolles.
Gleichzeitig könnte es damit einen Schub für die Elektromobilität geben – das ist auch etwas, das wir eigentlich miteinander wollen –, und das wünsche ich mir dann realisiert mit Ökostrom. Wir werden also in den Städten weniger Flächenverbrauch für parken de Autos haben. Ich finde, das ist eine ganz große Chance, und darüber müssen wir jetzt nachdenken.
Die Verkehrssicherheit ist erwähnt worden. Manche werden sagen, dass sie sich unsicher fühlen, wenn da plötzlich so ein Fahrzeug durch die Gegend fährt, das sie gar nicht einschätzen können. Nein, wenn man das klug gestaltet, wird es am Ende dazu füh ren, dass wir mehr Verkehrssicherheit in unseren Verkehrsräumen haben werden!
Dadurch hat man aber nicht nur Chancen, das muss auch sagen, manche sagen, es würden künstliche Bedarfe geschaffen werden. Ich habe schon die Gefahr für unsere Verkehrsunternehmen deutlich angespro chen, sie müssen sich Gedanken machen. Es kann dann wieder zu Verdrängungen vom Schienenverkehr auf die Straße kommen, dass wollen wir eigentlich auch nicht.
Ich glaube also, das muss man alles miteinander in der Phase besprechen und versuchen, dann auch wirklich die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen, denn eigentlich kann das, wenn ich darüber nachdenke, in meiner Vision von einer Stadt für die Menschen durchaus mit dem autonomen Fahren wirklich trans portiert werden: Es gibt wenige Autos, die in der Gegend herumstehen, denn wozu braucht man dann noch Autos in der Innenstadt? Eine sichere Stadt, in der niemand mehr Angst haben muss, wenn er am Verkehr teilnimmt – das sind alles Ziele, die schön sein können –, viel mehr Platz für Fußgängerinnen und Fußgänger, für Radfahrerinnen und Radfahrer und für Leute, die einfach nur in der Stadt verweilen wollen, das sind Chancen, die mit dieser Technologie einhergehen, Chancen für eine Stadt, für die Men schen, aber diese müssen wir dann wirklich miteinan der besprechen und es schaffen, dass wir mit diesem autonomen Fahren die menschengerechte Mobilität für diese Stadt wirklich zusammen hinbekommen, nachdem wir dann hoffentlich die Teststrecke nach Bremen geholt haben. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach dem Einleitungsreferat von Herrn Reinken habe ich gedacht, diese Dynamik holst du nicht mehr auf. Aber ein Mitantragsteller, Herr Kollege Saxe, hat ja eben gerade dafür gesorgt, dass es etwas gemächlicher zugeht. Deswegen brauche ich auch an meinem Redekonzept wenig zu ändern.
Ich beginne mit einem Zitat: „Bremen sollte sich stär ker als Testgebiet für automatisiertes und vernetztes Fahren einbringen.“ Dieses Zitat ist noch nicht sehr alt. Es stammt vom Oktober letzten Jahres und ist von Herrn Staatssekretär Ferlemann, der im Rahmen
Nun zu dem Antrag! Der Antrag ist ja ganz offensicht lich im Gefolge dieser Aufforderung entstanden, und das ist gut so. Die Überschrift allerdings, Teststrecke für autonomes Fahren unterstützen und autonomes Fahren in Bremen nachhaltig gestalten, klingt da doch etwas hölzern und zurückhaltend. Scheinbar muss sich die rot-grüne Koalition, die Kollegen der CDU sind ja offensichtlich erst später dazugekommen, oder einer der beiden Partner – ich ahne auch, welcher – noch mit dem Thema anfreunden. Unsere Unterstützung allerdings haben Sie bereits jetzt.
Bremen ist prädestiniert wie kein anderer Standort und kann eine wichtige Rolle in der Entwicklung und Erprobung automatisierten Fahrens übernehmen. Andere Städte wie Hamburg, München, Ingolstadt, Dresden, Düsseldorf, Braunschweig oder Berlin sind bereits bei Pilotprojekten und digitalen Testfeldern dabei, und Herr Reinken hat es auch erwähnt, in Braunschweig, rings um Braunschweig beginnt es bald mit autonomem Fahren, dort wird getestet, und zwar noch in diesem Jahr. Wir dürfen uns also nicht abhängen lassen.
Bremen profitiert natürlich davon auch als Automobil standort. Wir haben Mercedes, bald wieder hoffentlich Borgward und die mit dem Autobau verbundenen Zulieferer. Wir sind Produktions-, Transport- und Lo gistikstandort. Diese bedeutende Position hat in dieser Woche auch der Präsident des Verbandes der Auto mobilindustrie, Matthias Wissmann, hervorgehoben. Verstehen wir doch sein Lob als Ansporn, denn Feld versuche zum autonomen Fahren sind für Bremen auch als Forschungs- und Entwicklungsstandort wichtig!
Wir haben eine ausgezeichnete Wissenschaftsland schaft mit herausragenden Hochschulen und auße runiversitären Instituten, die über eine besondere Kompetenz und überregionale Strahlkraft verfügen. Hier bestünde die Chance, dass Wissenschaft und Wirtschaft in einen stärkeren Dialog treten, der Tech nologietransfer angeregt wird und vertiefende Koope rationen entstehen. Das alles prädestiniert Bremen für ein digitales Testfeld und dafür, eine aktive Rolle bei der Entwicklung und Erprobung einzunehmen. Automatisiertes und vernetztes Fahren ist wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standorts.
Es bietet auch Anreize für neue Unternehmensansied lungen. Wir sind ein kleines Bundesland mit kurzen Strecken, aber darin genau liegt unser Potenzial. Warum also nicht eine Teststrecke auf der Strecke
Bremer Kreuz – Bremerhaven einrichten? Auf einem Teilstück der A 9, das hat auch Herr Kollege Reinken bereits gesagt, läuft das ja bereits seit dem Jahr 2015. Die Erprobungsgebiete sind vielfältig und gemeinsam mit den Akteuren zu erschließen. Begrüßenswert ist auch der geplante Test mit fahrerlosen Bussen. Bre merhaven hat sich, wie der Presse vom 15. Februar dieses Jahres zu entnehmen war, als Testbereich für ein Forschungsprojekt beworben, und das finden wir gut so.
Auf Bundesebene werden die notwendigen gesetz lichen Rahmenbedingungen geschaffen. Außerdem steht, für Bremen ist das durchaus nicht unwichtig, ein Fördertopf zur Verfügung, nämlich 80 Millionen Euro bis zum Jahr 2020. Bleibt zu hoffen, dass es der rot-grünen Koalition wirklich ernst ist mit dem Thema, ich meine insgesamt, und nicht nur auf die Kritik und die Forderung der Bundesregierung reagiert wird. Noch kann Bremen sich um ein Testfeld bewerben, und das möchten wir unterstützen. Bitte stürzen Sie sich hinein ins Vergnügen, und zwar nach vorn auf die Lok, wie Herr Reinken sagte, und nicht auf die Bremse! – Danke schön!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Alle sitzen vorn auf der Lok, und ich weise darauf hin, dass die meisten schienengebundenen Fahrzeuge tatsächlich auch eine Bremse haben, denn es kann sein, dass es manchmal zu schnell geht, und man muss auch irgendwann an halten können. Deswegen, weil kein anderer diesen Job übernommen hat, mache ich einmal den Bremser.
(Beifall DIE LINKE – Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Ja, das haben wir schon erwartet! So richtig überraschend ist das nicht!)
Der Antrag lautet ja „Teststrecke für autonomes Fah ren unterstützen und autonomes Fahren in Bremen nachhaltig gestalten“. Zunächst hat man den Eindruck, wir bewerben uns für die Einrichtung einer Art Ver kehrsübungsplatz, man baut irgendwo draußen auf der Wiese Straßen, wo dann autonome Fahrzeuge getestet werden. Ich gebe zu, für den Augenblick war ich auch dieser Vorstellung verfallen. Das mag daran liegen, dass wir dem Fortschritt immer so ein bisschen skeptisch gegenüberstehen, oder ich habe es schlicht nicht gewusst.
Informiert man sich, weiß man, dass es eigentlich nicht darum geht, in Bremen eine Teststrecke für autonomes Fahren einzurichten, sondern Bremen zur
Teststrecke für autonomes Fahren zu machen. Alles andere würde bei der Größe von Bremen und bei den Möglichkeiten, die wir haben, vergleichsweise wenig Sinn ergeben. Insbesondere dann, wenn man sagt, dieses autonome Fahren ist eine ganz besondere Chance zur Reduzierung von Pkws in der Stadt und eine besonders prima Chance zur Optimierung des Nahverkehrs und so weiter. Wir haben auf einmal nur noch zehn Prozent der Autos in der Stadt, das, was Herr Saxe durchaus als erstrebenswertes Ziel formuliert hat.
Wenn man das will, dann reicht es natürlich nicht, die Autobahn vom Bremer Kreuz bis Bremerhaven zur Teststrecke zu machen. Auf diese Weise wird man die Fragen, die sich mit einem innerstädtischen autonomen Fahren verbinden, gar nicht lösen können. Also diskutieren wir die Frage, machen wir Bremen mit Autobahnabfahrten und mit Gewerbegebieten, mit der Innenstadt, mit dem Viertel zur Teststrecke für autonomes Fahren?
Ich komme jetzt zu dem ersten Grund, warum wir diesen Antrag nicht mittragen werden. Wenn das so spezifiziert worden wäre, dass wir sagen, Bremen bewirbt sich für ein Testgebiet für autonomes Fahren, vor allen Dingen im innerstädtischen Bereich, insbe sondere zur Optimierung des Personennahverkehrs, speziell zur Erforschung der Schnittstellen zwischen den verschiedenen Wegen, dann würde ich sagen, okay, das können wir machen. Das steht hier aber jetzt nicht so. Sie haben gesagt, wir wollen eine Teststrecke haben, egal, was daraus wird, und egal wie groß und was man macht.
Ich komme jetzt zu den grundsätzlich skeptischen Erwägungen. In meiner Wahrnehmung, und ich hoffe, ich habe damit unrecht, ist eine Orientierung auf autonomes Fahren eine Orientierung weg vom schienengebundenen öffentlichen Nahverkehr, eine Orientierung weg vom Fahrrad und vor allen Dingen eine Orientierung weg vom Güterverkehr auf die Schiene.
Wenn man den Prognosen der Bundesregierung Glau ben schenken darf, werden sich die Güterverkehre in den nächsten Jahren noch einmal um 30 bis 35 Prozent verstärken. Das schafft man natürlich nur, indem man entweder konsequent Schienen ausbaut, oder man hat die Hoffnung, dass man fahrerlose Lkws, möglicherweise Gigaliner, dicht an dicht über die Autobahn fahren lässt. Wenn das passiert, dann haben wir die Auseinandersetzung bei der Orientierung auf nicht motorisierte Verkehre, der Orientierung auf schienengebundene Güterverkehre verloren. Diese Orientierung, dieses Ziel hat meines Erachtens mit Fortschrittsfreundlichkeit nichts zu tun.
Vielmehr gäbe es, konsequent zu Ende gedacht, eine Situation, die zumindest ich aus ganz unterschiedli
chen Gründen nicht will, vor allen Dingen deswegen, weil ich der Meinung bin, Güter gehören auf die Schiene, und eine der wichtigsten Voraussetzungen, solche Güterverkehre auch zu vermeiden, ist eine Frage von kurzen Wegen, Ansiedlungen von Zulie ferern um die großen Werke und so weiter. Also, die strategische Orientierung auf autonomes Lkw-Fahren leitet uns weg von Orientierungen und strategischen Ausrichtungen, die wir bisher diskutiert haben, weg von kleinräumigen Produktionen, weg von kurzen Wegen und weg vom Güterverkehr. Das ist eine der grundsätzlichen Erwägungen, weshalb wir diesem autonomen Fahren skeptisch gegenüberstehen.
Zweitens, dass diese Form von autonomem Fahren verbunden ist mit einer deutlichen Zunahme von Kameras, Radargeräten und Ähnlichem, ist selbstver ständlich. Da werden sozusagen datenschutzrechtliche Erwägungen laut.