Protocol of the Session on September 23, 2015

Summa summarum: Warten wir die Beratungen im Bundesrat ab. Ein Jahr bei diesen diffizilen Problemen, wenn drei Ausschüsse beteiligt sind, ist wirklich nicht viel. Dann werden wir sehen, was wir aus der Sache weiter machen können. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall FDP)

Als Nächster hat das Wort die Abgeordnete Frau Aulepp.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema Stalking ist wichtig. Das sieht man schon daran, dass sich die Bürgerschaft nicht erst in dieser, sondern schon in der vergangenen Legislaturperiode mit dem Thema befasst hat. Damals war ich noch nicht Mitglied der Bürgerschaft, aber der Kollege Hinners. Schon damals hat die Bürgerschaft beschlossen, dass wir uns dafür einsetzen, dass der zwar nicht allzu sehr in die Jahre gekommene, aber doch erprobte Paragraf 238 verbessert werden soll, um den Geschädigten einen besseren Schutz zu gewähren.

Meine Damen und Herren, das tut Bremen. Wir setzen uns dafür ein, dass Stalking schon dann strafbar sein soll, wenn es geeignet ist, eine schwerwiegen

de Beeinträchtigung der Lebensgestaltung der Geschädigten herbeizuführen, und nicht erst dann, wenn das, was euphemistisch als Erfolg bezeichnet wird, was die Geschädigten aber nicht wirklich als Erfolg sehen, bereits eingetreten ist. Das meint die technische Formulierung: vom Erfolgs- zum Eignungsdelikt.

Die Bundesratsinitiative ist eingebracht. Sie wird von Bremen unterstützt, wie die Bürgerschaft schon beschlossen hat. Im Übrigen hat auch die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass das ein wichtiges Thema ist und dass der Paragraf 238 geändert werden soll. Auch die Justizministerkonferenz hat sich mit der Stimme Bremens dafür ausgesprochen, diesen Schutz zu verbessern.

Gesetzgebungsverfahren sind keine Schnellschüsse, meine Damen und Herren, deswegen muss so etwas umfangreich geprüft werden. Die Bedenken, die bei der Gesetzeseinführung – Herr Zenner hat es gerade ausgeführt – eine Rolle gespielt haben, müssen ausgeräumt werden. Die Erprobung in sieben Jahren hat aber gezeigt, dass da Handlungsbedarf besteht.

Die Auswirkungen, die Stalking auf die Betroffenen hat, hat der Kollege Hinners ausführlich geschildert: unerträglicher Stress, beklemmende Angst, Schlaflosigkeit, psychische und körperliche Erkrankungen. Auch wenn es richtig ist, Herr Zenner, dass es Möglichkeiten gibt, um sich zu schützen, wird den Opfern vieles abverlangt. Sie müssen sich informieren, zum Amtsgericht gehen und sich um eine Gewaltschutzanordnung bemühen, lernen, dass sie alles, aber auch alles aufschreiben, aber niemals selbst Kontakt zu demjenigen aufnehmen dürfen, den sie doch vielleicht bewegen wollen, das sein zu lassen, um nicht mit einem solchen Antrag oder einer Anzeige zu scheitern. Die Opfer werden nicht ernst genommen und fühlen sich nicht unterstützt. Auch die jetzige juristische Handhabe spielt dabei eine Rolle.

Es ist sehr verständlich, dass sie trotz diesem Druck ihre Lebensgestaltung nicht ändern, sondern am Gewohnten festhalten wollen. Der strafrechtliche Schutz vor Stalking setzt aber nach der jetzigen Rechtsprechung gerade voraus, dass die Geschädigten nicht standhalten, sondern nachgeben, also im Prinzip das tun, wovor sie der strafrechtliche Schutz eigentlich schützen soll. Sie müssen nämlich die Telefonnummer, die Wohnung, den Arbeitsplatz, die Lieblingskneipe wechseln, um beweisen zu können, dass sie tatsächlich beeinträchtigt sind. Das kann nicht im Sinne des strafrechtlichen Schutzes sein.

(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, Abg. Tassis [AfD])

Eine Präzisierung von Paragraf 238 des Strafgesetzbuches ist wichtig und richtig. Die Bundesregierung muss ihrem sich im Koalitionsvertrag selbst gegebenen Auftrag nachkommen. Wenn sie das nicht tut, muss

nachgehakt werden. Aber, meine Damen und Herren, das tun wir bereits.

(Beifall SPD)

Und weil wir das tun, werden wir, obwohl wir in der Sache ganz eng bei der CDU sind, Ihren Antrag ablehnen, meine Damen und Herren von der CDU, weil wir den Senat nicht zu etwas auffordern müssen, was er bereits tut.

(Zuruf Abg. Hinners [CDU])

Die heutige Debatte dreht sich noch um einen zweiten Punkt, auch das hat Herr Hinners ausgeführt. Auch an der Stelle fordern Sie den Senat zu etwas auf, was bereits Thema ist, nämlich die Frage der elektronischen Fußfessel für Stalker. Ich nehme an, damit sind die Täter und nicht die Geschädigten gemeint.

Auch dieses Thema soll umfassend geprüft werden. Die Justizministerkonferenz hat gesagt, dass sie das prüfen möchte, daher findet diese Prüfung bereits jetzt statt.

Ich will aber nicht verhehlen, dass die SPD in dieser Frage durchaus grundsätzliche Bedenken hat, weil ein so weit reichender Eingriff in die Grundrechte nur sehr zurückhaltend getätigt werden darf. Die Verhältnismäßigkeit muss umfassend geprüft werden. Herr Hinners, auch in Ihrem Antrag klingen bereits verfassungsmäßige Bedenken durch, daher gehe ich davon aus, dass wir alle abwarten, was die Justizministerkonferenz bei ihrer Prüfung herausbringt. Das wollen wir gern abwarten. Am Ende müssen wir uns entscheiden, ob wir den Grundrechtseingriff mittragen wollen oder nicht.

Aus den soeben ausgeführten Gründen werden wir Ihren Antrag ablehnen. – Ich danke Ihnen!

(Beifall SPD)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Dogan.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die meisten Fälle von Stalking entwickeln sich aus früheren Beziehungen und Bekanntschaften. Darauf haben Sie richtigerweise in Ihrer ersten Rede hingewiesen, Herr Hinners. Mehr als 80 Prozent der Opfer sind dabei Frauen. Den Stalkern geht es vor allem um Belästigung, Verfolgung, Überwachung und sonstige Nachstellungen. Die Opfer sollen dadurch zu einer Beziehung oder Fortsetzung einer Beziehung mit den Stalkern bewegt werden. Das ist purer Psychoterror für die betroffenen Frauen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Stalker, die anderen das Leben durch ihre Nachstellungen zur Hölle machen, müssen dafür auch strafrechtlich belangt werden, und das ist meiner Meinung nach und nach Meinung vieler besser als bisher. Das haben wir eben in den Redebeiträgen gehört.

Als Rechtsanwältin habe ich oft die Erfahrung in der Praxis gemacht, dass der Stalkingparagraf aufgrund der von Ihnen genannten Schwierigkeiten in einer nicht unerheblichen Zahl strafwürdiger Fälle nicht zu einer Verurteilung führt. Natürlich gibt es andere Möglichkeiten, gegen Stalker vorzugehen. Herr Zenner hat darauf hingewiesen und das Gewaltschutzgesetz genannt. Nachdem dieses Gesetz aus dem Jahr 2007 aber gezeigt hat, dass es in der Praxis zu Problemen kommt – darauf haben Sie aufmerksam gemacht – finde ich es wichtig, es nachzubessern.

Entscheidend ist nach der jetzigen Rechtslage, dass der Täter eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers verursacht hat. Das ist allein von der Art und Weise abhängig, in der das Opfer versucht, dieser Beeinträchtigung zu entgehen, indem das Opfer beispielsweise den Arbeitsplatz oder die Wohnung wechselt. Darauf haben Sie auch richtigerweise hingewiesen. Dabei wird aus meiner Sicht überhaupt nicht beachtet, dass extremer psychischer Druck beim Opfer verursacht wird, der häufig mit seelischen und sogar körperlichen Schädigungen verbunden ist.

Meine Damen und Herren, es kann doch nicht sein, dass die Opfer gezwungen sind, ihr komplettes Leben zu ändern, dass verfolgte Frauen also zuerst wegziehen müssen, damit etwas passiert. Das ist für uns Grüne nicht hinnehmbar,

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

deswegen sind wir Grünen der Auffassung, dass eine Änderung dieses Paragrafen ein wichtiges Signal für die Opfer ist und der Opferschutz auch dadurch gestärkt wird. Opferschutzverbände fordern ebenfalls, dass der 2007 in Kraft getretene Stalkingparagraf nachgebessert wird. Sie kritisieren diesen als zu weich.

Unstreitig ist, dass die rechtlichen Möglichkeiten der Strafverfolgung und der Opferhilfe in diesem Bereich zu verbessern sind, deshalb finden wir die Zielrichtung Ihres Antrages richtig und unterstützen sie auch in Teilen, meine Damen und Herren von der CDU. Darauf gehe ich nachher noch ein bisschen näher ein.

Wie meine Kollegin Frau Aulepp möchte ich auch noch einmal darauf hinweisen, dass wir in der letzten Legislaturperiode oft über dieses Thema gesprochen haben. Wir haben hier auch gemeinsam Anträge beschlossen, damit es verbessert wird. Wir haben hier weitere Anträge zum Schutz der Opfer verabschiedet. Ich glaube, diese parlamentarischen Initiativen zur Verbesserung des Opferschutzes sind wichtig und richtig. Daran sollten wir alle gemeinsam weiterarbeiten.

Ihrem Antrag können wir aber tatsächlich nicht zustimmen, Herr Hinners. Ich habe gesagt, dass die Zielrichtung richtig ist. Ich beziehe mich auch auf Ihre Ausführungen, Herr Zenner. Sie haben vorhin gesagt, es gibt schon Beratungen, die abgewartet werden sollen. Am 17. und 18. Juni 2005 wurde dieses Thema Stalking, Änderungsbedarf bei Paragraf 238 Strafgesetzbuch, von Bayern angemeldet. Das wissen vielleicht nicht alle. Die Justizministerkonferenz hat mehrheitlich mit der Stimme Bremens beschlossen, dass es Handlungsbedarf gibt und er geändert wird. Das heißt, die Initiative zur Änderung des Stalkingparagrafen wird von Bremen unterstützt. Jetzt müssen die Ergebnisse aus meiner Sicht abgewartet werden.

Herr Hinners, Sie haben in Ihrem Antrag kritisch den Einsatz von Fußfesseln betrachtet. Das hat Frau Aulepp auch noch einmal dargelegt. Den Einsatz einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung sollten sie schon in diesem Strafrechtsausschuss sowohl rechtlich als auch tatsächlich umfassend prüfen. Diese Prüfungen sollten abgewartet werden. Staatsrat Professor Stauch könnte uns darüber im Rechtsausschuss berichten.

Leider muss ich Ihnen wie eben sagen, wir werden diesen Antrag aus diesen Gründen zum jetzigen Zeitpunkt ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Moin, moin, Herr Hinners! Es ist schön, dass Sie wieder dabei sind. Ich glaube, ich muss für die Neuen hier erklären, dass man diesen Antrag, der uns heute von Herrn Hinners vorliegt, in Parlamentskreisen den „Hinners“ oder auch den „doppelt eingesprungenen Hinners“ nennt. Wie stellt man so einen „doppelt eingesprungenen Hinners“ her? Man geht hin, nimmt ein populäres Thema, wie in unserem Fall Stalking, mischt das gut durch und gibt noch einen Schuss Law and Order dazu. Das ist nämlich eine Spezialität von Herrn Hinners. Das Law and Order in diesem Antrag ist natürlich die Fußfessel.

So kommt ein Antrag zustande, bei dem meine Vorredner schon ganz deutlich gefragt haben, was er damit will. Es ist eine Bundesratsinitiative eingebracht, die in den Ausschüssen beraten wird. Dann gab es noch einmal einen Antrag. Alle sind der Meinung, ja, Paragraf 238 StGB muss reformiert werden. Der Meinung sind wir LINKE auch. Wir haben in der letzten Legislaturperiode auch alle gemeinsam diesem Antrag zugestimmt. Da muss etwas geändert werden.

Andererseits haben meine Vorredner auch schon ganz deutlich gesagt, dass das natürlich auch mit einer gewissen Sorgfalt passieren muss. Die Änderung vom

Erfolgs- zum Gefährdungsdelikt bedeutet durchaus auch, dass ein vermeintlicher Stalker – es sind meistens Männer – beschuldigt wird, der es gar nicht ist.

(Abg. Senkal [SPD]: Echt?)

Dann ist sozusagen nur das Gefährdungsdelikt dabei. Das ist ein Unterschied. Das sind Punkte, bei denen es nicht nur um den Opferschutz geht, der natürlich an erster Stelle steht und deshalb muss Paragraf 238 StGB auch reformiert werden. Es bedeutet aber auch, man muss schon achtgeben, dass man dabei nicht über das Ziel hinausschießt und damit möglicherweise Menschen in Verruf bringt, obwohl es gar nicht angebracht ist, deshalb muss man an der Stelle einfach genau schauen. Wir haben schon damals erklärt, wir unterstützen die Änderung des Paragrafen 238 StGB vom Erfolgs- zum Gefährdungsdelikt, wie es jetzt überall diskutiert wird. Wir sagen nur, man muss schon gut darüber nachdenken.

Herr Hinners, eigentlich ist Ihr Antrag relativ gegenstandslos, das muss man sagen, und dass Sie am Ende noch die Fußfessel einbringen, ist nicht nur eine Idee von Ihnen, das haben Sie auch gesagt. Nachdem es diskutiert wurde, hat Hessens Justizministerin – eine CDU-Kollegin von Ihnen – gleich gesagt, man könne die Fußfessel auch bei gewalttätigen Fußballfans, bei Stalkern, bei prügelnden Ehemännern oder auch bei Demonstranten anwenden. Dann haben wir alles zusammen, was zu einem guten Law-and-Order-Cocktail gehört.

Aus dem Grunde haben wir getrennte Abstimmung beantragt. Den zweiten Teil mit den Fußfesseln werden wir als LINKE selbstverständlich ablehnen.

Im ersten Teil soll sich der Senat für die Bundesratsinitiative für eine baldige Reform des Paragrafen 238 des Strafgesetzbuches einsetzen. Gut. Ich meine, ein Teil des Senats ist in der Bundesregierung. Herr Hinners ist jetzt auf der anderen Seite. Wir geben als LINKE gern auch ein gemeinsames Signal nach Berlin, damit dort ein bisschen schneller gearbeitet wird, aber dem zweiten Teil werden wir auf gar keinen Fall zustimmen. – Danke!

(Beifall DIE LINKE)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Hinners.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will zunächst auf die sachlichen Beiträge von Frau Dogan und Frau Aulepp eingehen. Es ist absolut richtig, dass wir das Thema in der letzten Legislaturperiode hier schon einmal behandelt haben, aber aufgrund der Tatsache, dass es in Berlin nun überhaupt nicht weitergeht.

Ich denke, dass der Bremer Senat mit seinen Kontakten nach Berlin erheblich mehr Druck machen

könnte, insbesondere dann, wenn ich hier höre, dass der Bremer Senat diese Initiative nun auch voll und ganz unterstützt. Wir müssen ja immer daran denken, dass es jeden Tag neue Stalkingopfer gibt, die genau dieses Problem jeden Tag haben, und dass das Gericht nicht anders als nach Paragraf 238 des Strafgesetzbuches handeln kann.